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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 11 K 3990/04
Rechtsgebiete: AO, VwZG, BGB, FGO, GG


Vorschriften:

AO § 80 Abs. 1 S. 4
AO § 123
AO § 173 Abs. 1 S. 1
VwZG § 15 Abs. 1 Buchst. b
BGB § 168
BGB § 671 Abs. 1
FGO § 47 Abs. 1
FGO § 56
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

11 K 3990/04

Einkommensteuer 1991

In der Streitsache

hat der 11. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht

der Richterin am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter

ohne mündliche Verhandlung

am 8. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist in formeller Hinsicht, ob die die Einkommensteuerfestsetzung 1991 betreffende Einspruchsentscheidung vom 1. April 2004 durch öffentliche Zustellung wirksam bekannt gegeben wurde.

Der Kläger war im Streitjahr 1991 als Bundesbeamter tätig.

Zum 1. Juli 1992 hatte der Kläger seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1995 benannte er seine Tochter S zur inländischen Empfangbevollmächtigten. Ende 1995 wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nachdem das Amtsgericht A die Untersuchungshaft angeordnet hatte, entzog sich der Kläger im Mai 1999 seiner Ergreifung durch Flucht.

Da nach den Feststellungen der Steuerfahndung in einem Zwischenbericht vom 11. Mai 1999 von einer Steuernachzahlung in erheblicher Höhe auszugehen war, ordnete das Finanzamt den dinglichen Arrest an. Im Verlaufe dieses Verfahrens zeigte die Kanzlei O und R mit Schreiben vom 22. Juni 1999 an, dass der Kläger sie mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut habe und legte eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht zur Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten, insbesondere Arrestanordnungen und Pfändungsangelegenheiten, vor.

Mit Schreiben vom 24. November 1999 erklärte die Tochter S gegenüber dem Finanzamt, dass sie die auf sie ausgestellte Zustellvollmacht widerrufe.

Die Steuerfahndung stellte mit Bericht vom 21. November 2000 fest, dass der Kläger in 1991 für seinen Einsatz bei der Beschaffung von Genehmigungen für ein von dem Kaufmann S vermitteltes Geschäft Schmiergelder über mehrere Mio. DM erhalten haben soll, die er nicht in der Steuererklärung angegeben hatte. Mit Urteils des Landgerichts A vom 12. August 2005 wurde der Kläger wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Fahndungsprüfung mit nach § 173 Abs. 1 S. 1 AO geändertem Bescheid vom 21. Dezember 2000. Nachdem die Ehe des Klägers im Februar 1996 geschieden worden war, wurde der Bescheid dem Kläger und seiner vormaligen Ehefrau getrennt bekannt gegeben. Die für den Kläger bestimmte Ausfertigung wurde der Kanzlei O und R bekannt gegeben. Gegen diesen Bescheid wurde sowohl von den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers als auch von der vormaligen Ehefrau des Klägers Einspruch eingelegt. Die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers teilten hierzu mit Schreiben vom 22. Dezember 2000 mit, dass sie nicht wüssten, ob und inwieweit sie derzeit noch vom Kläger beauftragt und bevollmächtigt seien. Seit der Bevollmächtigung Anfang Juni 1999 hätten sie keinerlei Kontakt mehr mit Kläger gehabt. Eine Klärung der Mandatierung und Bevollmächtigung sei daher weder bisher möglich gewesen noch sei sie derzeit möglich. Soweit sie vom Kläger noch bevollmächtigt seien, legten sie hiermit Einspruch gegen den Steuerbescheid ein.

Auf den Antrag der vormaligen Ehefrau führte das Finanzamt mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 27. März 2001 die getrennte Veranlagung durch. Dabei erhöhte es die Einkommensteuer des Klägers mit auf X DM. Den Zusammenveranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2000 hob es am 18. April 2001 auf. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2001 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen legten die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 2. Januar 2002 Einspruch ein und beantragten, das Verfahren ruhen zu lassen, da sie seit über zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zum Kläger gehabt hätten. Eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage sei erst nach seiner Rückkehr bzw. nach einer Kontaktaufnahme möglich.

Das Finanzamt folgte dem Antrag zunächst stillschweigend. Mit Schreiben vom 26. Januar 2004 teilte es der Kanzlei O und R mit, dass ein weiteres Zuwarten nicht mehr vertretbar sei, nachdem auch in den vergangenen zwei Jahren eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger offensichtlich nach wie vor nicht möglich und auch nicht absehbar sei.

Die Kanzlei O und R verwies hierzu auf ein an das Finanzamt gerichtetes Schreiben vom 13. März 2003. Da sich dieses nicht in den Akten des Finanzamts befand, wurde es mit Begleitschreiben vom 9. März 2004 nochmals in Kopie übersandt. Die Verfahrensbevollmächtigten teilten darin mit, dass ihre Bevollmächtigung erloschen sei.

Das Finanzamt wies mit Einspruchsentscheidung vom 1. April 2004 den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 17. Dezember 2001 als unbegründet zurück. Nachdem der Kläger nach wie vor flüchtig war, wurde der Bescheid nach § 15 Abs. 1 Buchst. b VwZG öffentlich zugestellt.

Nach der im Juli 2004 erfolgten Festnahme des Klägers wurde der jetzige Klägervertreter zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt. Das Finanzamt übersandte ihm mit Schreiben vom 9. August einen Abdruck der Einspruchsentscheidung mit der Bemerkung, dass das Rechtsbehelfverfahren durch die Einspruchsentscheidung vom 1. April 2004 erledigt sei.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

Durch die öffentliche Zustellung, von der der Kläger keine Kenntnis erlangt habe, sei der Kläger ohne eigenes Verschulden verhindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten, weshalb ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die öffentliche Zustellung sei zwar formal nicht zu beanstanden. Der Kläger habe jedoch bei vernünftiger Würdigung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe davon ausgehen dürfen, dass das Besteuerungsverfahren nicht vor dem Strafverfahren abgeschlossen werde, zumal der Vorwurf der Steuerhinterziehung den Vorwurf der Bestechung vorausgesetzt habe. Des Weiteren habe der Kläger davon ausgehen können, dass die Kanzlei O und R während der Zeit seiner Abwesenheit seine Interessen zumindest insoweit wahrnehmen werde, dass Rechtsbehelfe gegen eventuell erlassene Steuerbescheide möglich blieben. Dass der Kläger während seiner Abwesenheit keinen Kontakt zu seinem damaligen Bevollmächtigten aufgenommen habe, habe in der Natur der Sache gelegen, da er ansonsten mit seiner Ergreifung habe rechnen müssen. Dass die Bevollmächtigten wegen der fehlenden Kontaktaufnahme das Mandat niederlegten, sei verständlich, aber vom Kläger nicht vorauszusehen gewesen. Bei verständiger Würdigung der Sachlage habe der Kläger auch nicht davon ausgehen können, dass das Besteuerungsverfahren aus fiskalischen Gründen vor dem Strafverfahren abgeschlossen werden würde, da keine Festsetzungsverjährung gedroht habe.

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens wandte sich der Kläger auch gegen die Rechtmäßigkeit der öffentlichen Zustellung der Einspruchsentscheidung. Die der Tochter des Klägers erteilte Empfangvollmacht sei nur gegenüber dem Finanzamt widerrufen worden. Ein Widerruf gegenüber dem Kläger als Vollmachtgeber habe offensichtlich nicht vorgelegen. Aus § 80 Abs. 1 S. 4 AO sei nicht abzuleiten, dass allein die Anzeige der Mandatsniederlegung zum Erlöschen der Vollmacht führe. Auf den Einwand des Finanzamts, dass es der Finanzbehörde nicht zugemutet werden könne und sie regelmäßig auch nicht in der Lage sei, die Wirksamkeit einer Kündigung des Vollmachtvertrages im Innenverhältnis zu überprüfen erwiderte der Kläger, das dem zwar grundsätzlich zuzustimmen sei, dies aber in dem hier vorliegenden Ausnahmefall der öffentlichen Zustellung nicht gelten könne. Da ein wirksamer Widerruf der Vollmacht nicht vorliege, sei die öffentliche Zustellung rechtswidrig und die Klage damit zulässig. Abgesehen davon habe der BFH entschieden, dass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntgabe an Steuerpflichtige mit Wohnsitz außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes nur dann zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige keinen inländischen Empfangsbevollmächtigten benannt hat. Ein solcher habe hier aber vorgelegen. Im Übrigen hätte auch dann, wenn die Wirksamkeit des Widerrufs des Empfangsvollmacht durch die Tochter unterstellt würde, das Finanzamt erneut die Bestellung eines Inlandsvertreters nach § 123 AO verlangen müssen und das Benennungsverlangen gegebenenfalls öffentlich zustellen müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einkommensteuerbescheids vom 17. Dezember 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2004 seine Einkommensteuer für 1991 auf X DM herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seiner Auffassung nach sei die Einspruchsentscheidung vom 1. April 2004 wirksam durch öffentliche Zustellung bekannt gegeben worden und die Klage daher wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.

Die Empfangsvollmacht der Tochter sei durch diese wirksam widerrufen worden. Nach § 80 Abs. 1 S. 4 AO sei nur erforderlich, dass der Widerruf der Behörde zugehe. In welcher Form und durch welche Person der Widerruf dem Finanzamt angezeigt werde, sei nicht maßgeblich. Abgesehen davon sei die Empfangsvollmacht der Tochter durch die spätere, umfassende Bevollmächtigung der Kanzlei O und R erloschen. Gründe für eine Wiedereinsetzung seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe sich im Mai 1999 der drohenden Untersuchungshaft durch Flucht entzogen. Er habe nicht davon ausgehen können, dass das Finanzamt bis zu seiner Rückkehr jegliche behördliche Tätigkeit unterlassen und den Abschluss des Steuerstrafverfahrens abwarten werde. Für das Festsetzungsverfahren sei nicht erforderlich, dass der Kläger zuvor wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sei. Bei einer Entscheidung, die mehr als zwei Jahre nach Einlegung des Einspruchs erfolgt sei, könne auch nicht mehr von einer vorzeitigen Entscheidung gesprochen werden, zumal keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass der Kläger in absehbarer Zeit ergriffen wird. Für den Fall, dass die Kanzlei O und R ihr Mandat im Innenverhältnis zu Unrecht niedergelegt hätten, müsste der Kläger sich dies als eigenes Verschulden anrechnen lassen. Sei die Mandatsniederlegung zurecht erfolgt, weil keine Kontaktaufnahme mit dem Kläger möglich gewesen sei, so müsse von einem eigenen Verschulden des Klägers an der Versäumung der Klagefrist ausgegangen werden. Letztendlich sei der Kläger an der Wahrung der Klagerist allein deshalb gehindert gewesen, weil er sich zur Flucht entschieden und daher selbst eine Situation herbeigeführt habe, in der ihn behördliche Verfügungen nicht mehr haben erreichen können. Dies müsse er als Verschulden i.S.d. § 56 FGO gegen sich gelten lassen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist wegen Versäumung der Klagfrist des § 47 Abs. 1 FGO unzulässig.

Öffentliche Zustellung wirksam

Die Einspruchsentscheidung vom 1. April 2004 ist durch öffentliche Zustellung wirksam bekannt gegeben worden.

Nach § 15 Abs. 1 Buchstabe a VwZG kann öffentlich zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist.

Wegen des Anspruchs des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) ist die Zustellungsfiktion des § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist. § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG setzt deshalb voraus, dass nicht nur die betreffende Behörde die Anschrift nicht kennt, sondern der Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers allgemein unbekannt ist. Sie ist nur als "letztes Mittel" zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (zuletzt BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 - V R 44/03, BFH/NV 2005, 998 m.w.N.). Die Anforderungen an die Ermittlungspflicht der Behörde dürfen jedoch im Einzelfall nicht überspannt werden. Es genügt, dass sie alle der Sache nach möglichen und geeigneten Nachforschungen angestellt hat. Die Behörde genügt ihrer Prüfungspflicht in aller Regel, wenn sie versucht, die Anschrift des Adressaten durch das Einwohnermeldeamt oder die Polizei zu ermitteln und sich ggf. bei einem Bevollmächtigten erkundigt. Bei einer auf die Verheimlichung seines Wohnsitzes gerichteten Handlungsweise eines flüchtigen Steuerpflichtigen sind keine besonders eingehenden Ermittlungen des FA zu fordern (vgl. BFHUrteil vom 13. Januar 2005, a.a.O. m.w.N.).

Das Amtsgericht A hatte gegen den Kläger im April 1999 einen Haftbefehl wegen eines in 1995 eingeleiteten Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung erlassen. Seit Mai 1999 befand er sich deshalb auf der Flucht. Trotz intensiver, internationaler polizeilicher Fahndungsmaßnahmen war der Aufenthaltsort des Klägers auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung allgemein unbekannt, so dass sich eine Nachfrage bei der Polizei erübrigte. Es bestand auch keine Möglichkeit, die Einspruchsentscheidung an einen Bevollmächtigten (§ 80 Abs. 1 AO) bekannt zu geben.

Die in 1995 an seine Tochter S erteilte Zustellvollmacht war bereits mit der im Juni 1999 erfolgten Bestellung der Kanzlei O und R zum Verfahrensbevollmächtigten widerrufen worden. Zwar kann sich ein Beteiligter auch im Verwaltungsverfahren durch mehrere Bevollmächtigte vertreten lassen. Da dies aber die Ausnahme ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass mit der Bestellung eines neuen Bevollmächtigten die Vollmacht des vorherigen Bevollmächtigten erloschen ist (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Anm. 167 zu § 80 AO). Dies muss erst Recht angenommen werden, wenn, wie im Streitfall, der neue Bevollmächtigte eine umfassende Verfahrensvollmacht für alle steuerlichen Angelegenheiten einschließlich Zustellvollmacht erhält und fortan ausschließlich der neue Bevollmächtigte für den Steuerpflichtigen tätig wird sowie die angefochtenen Bescheide und sonstige Korrespondenz des Finanzamts in Empfang nimmt.

Zustellvollmacht kann nicht nur durch Widerruf des Vollmachtgebers, sonder auch durch einseitige Verzichtserklärung seitens des Bevollmächtigten gegenüber der Behörde enden

Im Übrigen wäre, wenn in der Bestellung des neuen Verfahrensbevollmächtigten kein konkludenter Widerruf zu sehen wäre, die Empfangsvollmacht der Tochter spätestens durch den nach der Flucht des Klägers mit Schreiben vom 24. November 1999 gegenüber dem Finanzamt erklärten Verzicht erloschen. Entgegen der Auffassung des Klägers konnte die Zustellvollmacht nicht nur von diesem widerrufen werden. Der erkennende Senat folgt auch nicht der Auffassung des Finanzgerichts Köln (Urteil vom 12. März 1998 1997 2 K 7526/96, EFG 1998, 988), derzufolge eine Vollmacht im Falle der Niederlegung des Mandats seitens des Bevollmächtigten nur enden kann, wenn die Kündigung des zugrunde liegenden Vollmachtvertrages wirksam ist und die Finanzbehörde verpflichtet sein soll, die Wirksamkeit der Kündigung im Innenverhältnis zu überprüfen, bevor sie einen Verwaltungsakt öffentlich zustellt. Abgesehen davon, dass der Behörde nicht zugemutet werden kann zu überprüfen, ob der Vollmachtsvertrag in Innenverhältnis wirksam beendet worden ist, ist die Auflösung des der Bevollmächtigung zugrunde liegenden Vertrages nicht stets Voraussetzung für die Beendigung der Vollmacht. Nach § 168 BGB, der trotz des nicht rechtsgeschäftlichen Charakters der Vollmacht auch hier gilt (vgl. Tipke/Kruse, AO, Anm. 34 zu § 80) richtet sich das Erlöschen der Vollmacht zwar grundsätzlich nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Bei fortbestehendem Grundverhältnis kann die Vollmacht nicht nur durch Widerruf des Vollmachtgebers, sondern - wie hier - auch durch einseitige Verzichtserklärung seitens des Bevollmächtigten gegenüber der Behörde enden (Tipke a.a.O.; Kühn, Hofmann, AO, Anm. 5 zu § 80; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO Anm. 183 zu § 80 AO m.w.N.; Palandt, BGB, Anm. 1 zu § 168). Im Übrigen ist im Streitfall davon auszugehen, dass das der Vollmacht zugrunde liegende Auftragsverhältnis, das nach § 671 Abs. 1 BGB jederzeit vom Beauftragten gekündigt werden kann, wirksam beendet war. Aus dem Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 24. November 2004, wonach die Annahme des Finanzamts, die Tochter habe unter Umständen vor Abgabe der Erklärung vom 24. November 1999 mit dem Kläger Kontakt gehabt, sei lebensfremd, ist zu schließen, dass auch seine Tochter ihn während seiner Flucht nicht erreichen konnte. Die durch die bewusste Verheimlichung seines Aufenthaltsortes vom Kläger selbst herbeigeführte Unmöglichkeit, ihm gegenüber eine Kündigung auszusprechen, kann nicht dazu führen, dass der Bevollmächtigte sich nicht wirksam vom Vollmachtsvertrag lösen kann. Scheitert in einem solchen Fall der Zugang von Willenserklärungen an der Unerreichbarkeit des Empfängers, muss er sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei die Erklärung zugegangen (Palandt, BGB, Anm. 16, 17 zu § 130 m.w.N.).

Wie dem Finanzamt erst mit Schreiben der Kanzlei O und R vom 4. März 2004 mitgeteilt wurde, war deren im Juni 1999 erteilte Bevollmächtigung schon im März 2003 erloschen. Bereits im Januar 2002 hatten die vorgenannten Verfahrensbevollmächtigten auf Anfrage des Finanzamts mitgeteilt, dass sie seit über zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr mit dem Kläger hätten, und deshalb beantragt, das Einspruchsverfahren ruhen zu lassen. An dieser Situation hatte sich offenbar bis März 2004 nichts geändert. Unter diesen Umständen musste das Finanzamt vor Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auch nicht nochmals bei den früheren Verfahrensbevollmächtigten nachfragen, ob diesen der Aufenthaltsort des Klägers bekannt sei. Da nicht absehbar war, wann der Kläger ergriffen wird, war das Finanzamt, das dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens (§ 363 Abs. 2 AO) zwar nicht förmlich, aber tatsächlich gefolgt war, auch nicht gehalten, von der Fortsetzung des schon über zwei Jahre andauernden Einspruchsverfahrens weiterhin abzusehen. Es oblag vielmehr dem Kläger, Kontakt mit seinen Verfahrensbevollmächtigten bzw. dem Finanzamt zu halten, um sich über den Verfahrensstand zu informieren. Dann hätte er auch in Erfahrung bringen können, dass das Finanzamt mit Schreiben vom 26. Januar 2004 angekündigt hatte, dass es die Bearbeitung des Einspruchs nunmehr fortführen wolle. Er hätte nach Niederlegung des Mandats durch die Kanzlei O und R dem Finanzamt entweder seinen Aufenthaltsort mitteilen oder eine neue Person benennen können, die ermächtigt war, für ihn die Einspruchsentscheidung in Empfang zu nehmen.

Die formalen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und 3 VwZG, von denen die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung abhängig ist (§ 15 Abs. 5 Satz 3 VwZG), sind erfüllt. Das Finanzamt hat die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung der Einspruchsentscheidung i.S. des § 15 Abs. 2 VwZG am Donnerstag, den 1. April 2004 ausgehängt und am 19. April 2004 abgenommen. Beides hat der zuständige Beamte S jeweils mit vollem Namenszug vermerkt. Enthält das zuzustellende Schriftstück - wie im Streitfall - keine Ladung, so ist es an dem Tage als zugestellt anzusehen, an dem seit dem Tage des Aushängens zwei Wochen verstrichen sind (§ 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG). Die Einspruchsentscheidung gilt danach am Donnerstag, den 15. April 2004 als zugestellt (§ 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG, § 122 Abs. 5 AO). Die Klagefrist begann am 16. April 2004 (§ 47 Abs. 1 und § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, den 17. Mai 2004 (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB). Die erst am 23. August 2004 eingegangene Klage ist damit verspätet.

Wiedereinsetzungsgründe i.S.d. § 56 FGO Abs. 1 sind nicht ersichtlich. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen musste der Kläger dafür Sorge tragen, dass er über den Stand des Einspruchsverfahrens informiert wird. Dass er dies möglicherweise im Hinblick auf die Gefahr einer Festnahme unterlassen hat, entlastet ihn nicht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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