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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: 12 K 2236/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Nr. 2c
EStG § 63 Abs. 1 S. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

12 K 2236/06

Kindergeld

In der Streitsache

hat der 12. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

der Richter.....

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger erhielt für seine Tochter A Kindergeld. Die Tochter beendete im Juni 2005 ihre Schulausbildung und bewarb sich anschließend bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Studienplatz im Fach Medizin. Mit Ablehnungsbescheid vom 30. September 2005 wurde ihr mitgeteilt, dass sie für das Wintersemester 2005/06 nicht berücksichtigt worden war. Sie versäumte es, sich für das Sommersemester 2006 erneut zu bewerben. A änderte ihren Ausbildungswunsch und ist seit dem 26. April 2006 bei der Agentur für Arbeit X als Bewerberin für eine Berufsausbildungsstelle gemeldet. Der Kläger lebt seit dem 1. März 2006 dauernd getrennt von seiner Ehefrau und Mutter der gemeinsamen Tochter. A ist in den Haushalt ihrer Mutter aufgenommen. Die beklagte Familienkasse hob mit Bescheid vom 19. April 2006 die Kindergeldfestsetzung für A ab Oktober 2005 auf und forderte das ihrer Ansicht nach zu Unrecht bezahlte Kindergeld für Oktober 2005 bis April 2006 in Höhe von 1.078 EUR vom Kläger zurück, weil kein berücksichtigungsfähiger Tatbestand mehr gegeben sei. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Der Kläger begründet seine Klage im Wesentlichen wie folgt: A habe sich ernsthaft um einen Studienplatz bemüht. Auch nach Erhalt der Absage durch die ZVS habe sie ihren Ausbildungswunsch nicht aufgegeben, sondern wollte sich für das Sommersemester 2006 erneut bewerben. Sie habe nur versehentlich die Bewerbungsfrist bei der ZVS versäumt. Die Tochter habe stets die Absicht einer Berufsausbildung gehabt. Sie habe lediglich die gewünschte Ausbildungsrichtung modifizieren müssen, da sie erkannt habe, dass ihre Bemühungen um einen Studienplatz im Fach Medizin mutmaßlich in absehbarer Zeit nicht von Erfolg gekrönt sein würden. Dies könne von A entsprechend bestätigt werden. Sie habe sich auch permanent damit befasst, einen Studienplatz zu erlangen, wie der Internetausdruck mit handschriftlichen Notizen von A vom 29. Januar 2006 belege. Das Kindergeld für die Monate März und April 2006 sei an die Kindesmutter weitergeleitet worden und könne daher ebenfalls nicht zurückgefordert werden.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Familienkasse vom 19. April 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2006 ersatzlos aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Tochter des Klägers könne im streitigen Zeitraum für Kindergeld nur berücksichtigt werden, wenn sie eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht habe beginnen können. Der Kläger habe das fortlaufende und ernsthafte Bemühen von A um einen Studien- bzw. Ausbildungsplatz nicht nachgewiesen. Im Gegenteil habe er selbst erklärt, dass eine neuerliche Bewerbung bei der ZVS versäumt worden sei. Somit sei der Ausbildungswunsch nachweisbar nicht nachhaltig und ernsthaft verfolgt worden. Zudem habe der Kläger persönlich in einem Telefongespräch mitgeteilt, dass sich A in der Zeit Oktober bis Dezember 2005 in Amerika aufgehalten habe. Erst ab April 2006 sei die Tochter als Bewerberin um eine Berufsausbildungsstelle bei der Agentur für Arbeit X gemeldet. Dies stelle zwar ab diesem Zeitpunkt eine anderweitige ernsthafte Bemühung um einen Ausbildungsplatz dar. Der Kläger habe jedoch auch insoweit zu Unrecht Kindergeld für A erhalten. Diese lebe seit dem 1. März 2006 im Haushalt ihrer Mutter, der vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau. Die Kindesmutter sei daher vorrangig kindergeldberechtigt. Eine Weiterleitung des erhaltenen Kindergeldes für die Monate März bis April 2006 werde bestritten. Dies sei nach Aktenlage nur für die Tochter M nachgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 hat der Kläger ein ernsthaftes und nachhaltiges Bemühen seiner Tochter um einen Ausbildungsplatz nicht nachgewiesen. Ein Berücksichtigungstatbestand gemäß §§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c Einkommensteuergesetz -EStG -besteht somit nicht. Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird für das Kindergeld unter anderem dann berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann. Voraussetzung ist, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Da es sich um eine für den Kindergeldberechtigten günstige Anspruchsvoraussetzung handelt, trägt er die Feststellungslast für die entsprechenden Bemühungen des Kindes. Die Ausbildungsbereitschaft des Kindes muss sich durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Andernfalls hätte es der Kindergeldberechtigte in der Hand, durch die bloße Geltendmachung der Ausbildungswilligkeit des Kindes den Anspruch auf Kindergeld bis zum 27. Lebensjahr zu verlängern. Es soll also insbesondere einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes wirksam begegnet werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall keine hinreichenden Bemühungen des Kindes um eine Ausbildung feststellbar. Der Kläger hat angeboten, durch Vernehmung von A nachzuweisen, dass sie subjektiv im ganzen streitigen Zeitraum ausbildungswillig gewesen sei. Dies kann als wahr unterstellt werden. Es ist jedoch weiter erforderlich, dass diese innere Tatsache durch entsprechende objektive Bemühungen umgesetzt worden ist. Wer wirklich ausbildungswillig ist und vor diesem Hintergrund Leistungen der Gemeinschaft in Anspruch nehmen will, kann sich nicht nur darauf berufen, dass er subjektiv gerne einen Studien- oder Ausbildungsplatz wollte, wenn er objektiv keinerlei erfolgversprechende Aktivitäten unternommen hat, um einen solchen auch zu erlangen. Vielmehr muss die Ausbildungswilligkeit durch ernsthafte und nachhaltige Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nachgewiesen werden. Die Tochter des Klägers hat jedoch nach der Absage durch die ZVS vom 30. September 2005 gerade nichts Derartiges unternommen. Sie hat vielmehr die neue Bewerbungsfrist bei der ZVS für das Sommersemester 2006 verpasst. Ein nachweisbares Bemühen um einen Ausbildungsplatz begann erst wieder im April 2006, als sie sich bei der Bundesanstalt für Arbeit als Bewerberin hat registrieren lassen. Damit liegen für die Monate Oktober 2005 mit März 2006 die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.

2. Der Kläger wird auch nicht durch die Rückforderung des erhaltenen Kindergeldes für den Monate März und April 2006 in seinen Rechten verletzt.

a) Für den Monat März 2006 besteht wie ausgeführt bereits dem Grunde nach kein Kindergeldanspruch. Der Kläger ist als Leistungsempfänger nach § 37 Abs. 2 AO 1977 verpflichtet, das erhaltene Kindergeld zurückzuzahlen. Als Leistungsempfänger ist derjenige anzusehen, zu dessen Gunsten das Kindergeld festgesetzt wurde. Dies ist der Kläger. Darauf, ob eine Weiterleitung erfolgt ist, kommt es nicht an.

b) Ab dem Monat April könnte A zwar wieder für Kindergeld berücksichtigt werden, da nunmehr ihre Ausbildungswilligkeit nachgewiesen ist. Die Aufhebung und Rückforderung der Festsetzung gegenüber dem Kläger erfolgte dennoch zu Recht, weil die Mutter des Kindes vorrangig kindergeldberechtigt ist. Die geltend gemachte Weiterleitung des Kindergeldes wurde nicht nachgewiesen.

Die leiblichen Eltern von A sind dem Grunde nach beide kindergeldberechtigt, § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur an einen Berechtigten Kindergeld gezahlt. Sind mehrere Berechtigte vorhanden, so wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, § 64 Abs. 2 S. 1 EStG. Dies ist vorliegend die Mutter, bei der A unstreitig lebt.

Als Leistungsempfänger ist der Kläger gemäß § 37 Abs. 2 AO zur Rückzahlung des überzahlten Betrags von 154 EUR verpflichtet. Dagegen bringt er vor, dass tatsächlich seine getrennt lebende Ehefrau das Kindergeld erhalten habe, da er es an sie weitergeleitet habe.

Die Familienkasse kann trotz Aufhebung der Festsetzung gegenüber dem nachrangig Berechtigen dann von einer Rückforderung absehen, wenn der vorrangig Berechtigte schriftlich bestätigt, dass das Kindergeld tatsächlich an ihn weitergeleitet wurde und er damit seinen eigenen Anspruch auf Kindergeld als erfüllt ansieht. Zu diesem Zweck ist laut der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs (Bundesamt für Finanzen vom 05.08.2004, St I 1 -S 2471) Nr. 64.4 Abs. 4 das vom vorrangig Berechtigten ausgefüllte Formblatt der Familienkasse vorzulegen. Darin muss der vorrangig Berechtigte schriftlich bestätigen, dass er das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht. Dies ist nicht erfolgt. Weder hat der Kläger die erforderliche schriftliche Bestätigung der Kindesmutter als vorrangig Berechtigter auf dem vorgeschriebenen amtlichen Vordruck vorgelegt, noch hat diese die Weiterleitung des vollen Kindergeldes bestätigt und insbesondere nicht deutlich gemacht, ihren eigenen Anspruch auf Kindergeld als erfüllt anzusehen. Die Entscheidung der Beklagten, den Kläger auf Rückzahlung in Anspruch zu nehmen, ist daher nicht zu beanstanden. Sie beruht darauf, dass die Weiterleitung die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen ausschließt, sondern lediglich aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Rückforderungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden kann (BFH-Urteile vom 1. Juli 2003 VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25 und vom 16. März 2004, VIII R 48/03, BFH/NV 2004, 1218).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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