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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 13 K 1078/03
Rechtsgebiete: EStG, StGB


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 2
EStG § 12 Nr. 4
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 56b Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... ohne mündliche Verhandlung am 18. Oktober 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2003 wird aufgehoben. Dem beklagten Finanzamt wird aufgegeben, unter Änderung des Steuerbescheids vom 15. Oktober 2002 die Einkommensteuer für 2001 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 100.000 DM neu zu errechnen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger 100.000 DM, die er aufgrund einer gerichtlichen Auflage an den Tierpark gezahlt hat, als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann.

Die Kläger werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger bezieht als Diplom-Ingenieur bei der Baufirma A AG, Niederlassung B, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Zusammenhang mit unzulässigen Preisabsprachen unter Baufirmen wurde der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts vom 27. August 2001 wegen vollendeten Betrugs in zwei Fällen und versuchten Betrugs in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf das Urteil wird Bezug genommen (Beiheftung zur Einkommensteuerakte 2001). Mit Beschluss des Landgerichts vom gleichen Tag wurde dem Kläger u.a. zur Auflage gemacht, "zugunsten des Tierparks als Schadenswiedergutmachung einen Geldbetrag von 100.000 DM bis 20. Dezember 2001 zu bezahlen." Auf den Beschluss wird Bezug genommen (Bl. 17 der Einkommensteuerakte für 2001). Mit Überweisung vom 18. Dezember 2001 hat der Kläger die Auflage erfüllt, nachdem ihm sein Arbeitgeber das Geld zur Verfügung gestellt hat.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr hat der Kläger die von seinem Arbeitgeber ihm erstatteten 100.000 DM zusätzlich zum laufenden Lohn als Einnahmen bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärt, andererseits die von ihm an den Tierpark gezahlten 100.000 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht. Das beklagte Finanzamt versagte den begehrten Werbungskostenabzug (Einkommensteuerbescheid vom 15. Oktober 2002). Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2003).

Der Kläger begründet seine Klage im Wesentlichen damit, dass die Geldzahlung ausweislich des gerichtlichen Beschlusses vom 27. August 2001 der Wiedergutmachung des Schadens gedient habe und daher nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliege. Es handle sich um eine Auflage gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB), die im Umkehrschluss zu H 120 Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) abziehbar sei.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2003 und unter Änderung des Bescheids vom 15. Oktober 2002 weitere 100.000 DM als Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer für 2001 entsprechend festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt ist unter Berufung auf das Schreiben der Vorsitzenden Richterin am Landgericht vom 12. Juni 2003 der Ansicht, dass es sich um eine Bewährungsauflage handele, die nach § 12 Nr. 4 EStG nicht abziehbar sei.

Auf das Schreiben der Vorsitzenden Richterin am Landgericht vom 12. Juni 2003 zur Anfrage des Gerichts vom 3. Juni 2003, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Auflage dem Kläger auferlegt worden sei, wird Bezug genommen (Bl. 70 der FG-Akte).

Auf Anfrage des Gerichts bei der Tierpark AG vom 30.5.2005 wurde dem Gericht mitgeteilt, dass die vom Kläger gezahlten 100 000 DM in den laufenden Verwaltungshaushalt der Tierpark AG als Baurücklage gebucht und eingestellt wurden.

Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gründe

II.

Die Klage ist begründet.

Zu Recht sind die dem Kläger von seinem Arbeitgeber gezahlten 100 000 DM, die dem Kläger vom Strafgericht als Auflage zur Schadenswiedergutmachung gemacht worden ist, als Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 EStG) der Besteuerung unterworfen worden (FG Köln Urteil vom 10.Dezember 2004 - 14 K 459/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005,756).

Andererseits ist die Zahlung des Klägers in Höhe von 100.000 DM ausschließlich beruflich veranlasst, so dass es sich um Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt.

Dem Werbungskostenabzug steht § 12 Nr. 4 EStG nicht entgegen.

Gemäß § 12 Nr. 4 EStG sind in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen, nicht abzugsfähig. § 12 Nr. 4 EStG lässt den Abzug demnach nicht zu, wenn der Auflage ein strafähnlicher Charakter beizumessen ist. Dies ist der Fall bei den Auflagen gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 2-4 StGB, nicht aber bei der Auflage gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB. Eine Auflage gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB führt also bei beruflicher Veranlassung der Zahlung zu Werbungskosten. Diese Differenzierung nach § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB einerseits und § 56 b Abs. 2 Nr. 2-4 StGB andererseits entspricht der allgemeinen Meinung, der sich der erkennende Senat anschließt (Arndt in Kirchhof/Söhn, EStG, § 12 Rz. 9, 9 b; Schuster in Littmann, EStG, § 12 Rn. 22, 23; Frotscher, EStG, § 12 Rn. 292; Nolde in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 12 Rz. 112; Bordewin/Brandt, EStG, § 12 Rz. 238; Dankmeyer, Der Betrieb 1984, 2108, 2110 unter V. 3.; H 120 EStR 2001; zur Parallelproblematik bei Einstellung des Strafverfahrens bei Erfüllung von Auflagen gemäß § 153 a Strafprozessordnung Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 22. Juli 1986 VIII R 93/85, Bundessteuerblatt - BStBl-II 1986, 845 unter 1. d).

§ 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB lautet: Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen.

In der Streitsache ist der Kläger zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Daneben wurde ihm die Auflage erteilt, zugunsten des Tierparks "als Schadenswiedergutmachung" einen Geldbetrag von 100.000 DM zu zahlen. Bei dem vom Kläger gezahlten streitigen Geldbetrag handelt es sich um eine Leistung zur Erfüllung einer Auflage, die ausschließlich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dient. Aus dem Wortlaut der Auflage ergibt sich bereits, dass die Auflage der Schadenswiedergutmachung dient und daher als Auflage gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG unterfällt. Dem Strafurteil und dem Beschluss vom 27. August 2001 kann nicht entnommen werden, dass der Auflage auch poenaler Charakter zukommt. Die Überlegung des Finanzamts in der Einspruchsentscheidung, wie das Strafgericht möglicherweise anders entschieden hätte, wenn der Kläger in anderer Weise straffällig geworden wäre, verbietet sich aus rechtsstaatlichen Gründen. Poenaler Charakter kann der Auflage nicht deshalb beigemessen werden, weil die Auflage sich nur auf einen Geschädigten (Tierpark) und hier nur auf einen Teil des Schadens (100.000 DM von mindestens 150.000 DM) und nicht auf die anderen zwei Straftaten bezieht. § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt nicht voraus, dass der Schaden in vollem Umfang wieder gutgemacht wird, sondern nur "nach Kräften". Die Begrenzung der Auflage auf 100.000 DM entspricht dieser Beschränkung.

Auch dem Schreiben der Vorsitzenden Richterin am Landgericht vom 12. Juni 2003 an das Finanzgericht, dass das Urteil und die Bewährungsauflage letztlich auf einer Absprache (zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung) beruhten, kann nicht ein poenaler Nebenzweck der Auflage entnommen werden. Der Begriff "Bewährungsauflage", den die Vorsitzende Richterin am Landgericht in ihrem Schreiben vom 12. Juni 2003 verwendet, der kein gesetzlicher Begriff ist, bezieht sich entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht nur auf die Auflage gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 2-4 StGB, sondern auch auf § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB, so dass sich aus der Verwendung des Begriffs "Bewährungsauflage" nicht ein poenaler Charakter der Auflage ableiten lässt.

Schließlich ergibt sich aus der Verwendung der 100 000 DM bei der Tierpark AG, dass es sich ausschließlich um Schadenswiedergutmachung handelt. Die Tierpark AG als durch die Straftat des Klägers Geschädigte hat das Geld in ihrem Verwaltungshaushalt als Baurücklage gebucht und eingestellt. Hieraus ergibt sich die (teilweise) Schadenswiedergutmachung, ohne dass der Zahlung ein anderer Zweck zuzuerkennen ist.

Da im Übrigen keine Umstände ersichtlich sind, die über die Wiedergutmachung des Schadens hinaus auf einen poenalen Charakter der erteilten Auflage schließen lassen, greift § 12 Nr. 4 EStG im Ergebnis nicht ein.

Die dem Finanzamt aufgegebene Errechnung der Steuer beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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