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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: 13 K 2398/04
Rechtsgebiete: AO 1977, GG, EStG 1990


Vorschriften:

AO 1977 § 367 Abs. 2 S. 2
AO 1977 § 174 Abs. 4
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1990 § 11 Abs. 1
EStG 1990 § 21 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
hat der 13. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung sowie der ehrenamtlichen Richterinnen aufgrund der mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ... wird die Einkommensteuer für 1995 auf ... EUR (entspricht ... DM) festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu ... % und der Beklagte zu ... %.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Streitig ist, ob eine den Klägern im Streitjahr 1995 zugeflossene Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in Höhe von ... DM als Einnahme im Rahmen der Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen ist.

I.

Die steuerlich nicht vertretenen Kläger sind verheiratet und wurden in den Jahren 1994 bis 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Jahr 1994 begannen sie als je hälftige Miteigentümer mit der Errichtung eines Doppelhauses in ...(Doppelhaus), das sie im Jahr 1995 fertig stellten und vermieteten.

Die Bayerische Landesbodenkreditanstalt gewährte den Klägern zur Erstellung der beiden Wohnungen mit Bewilligungsbescheid vom ... nach dem Dritten Förderungsweg ein Baudarlehen in Höhe von ... DM.

Die erste Rate des Darlehens in Höhe von ... DM (zuzüglich eines Bardisagios in Höhe von ... DM insgesamt nominal ... DM) wurde den Klägern am ...1994 ausbezahlt. Die zweite Rate des Darlehens in Höhe von ... DM (zuzüglich eines Bardisagios in Höhe von ... DM insgesamt nominal ... DM) wurde den Klägern am ...1995 ausbezahlt.

In der Einkommensteuererklärung für 1994 vom ... (eingegangen beim Beklagten - dem Finanzamt - am ...) erklärten die Kläger in der das Doppelhaus betreffenden Anlage V vorweggenommene Werbungskosten aus der Vermietung des Doppelhauses in Höhe von ... DM. Als Werbungskosten erklärten sie hierbei u.a. die Kosten

für eine "Grundschuldbestellung" in Höhe von insgesamt ... DM,

für eine "Bürgschaft" in Höhe von ... DM und

für ein "Disagio" in Höhe von ... DM.

Die der Einkommensteuererklärung beigefügten Nachweise für die Bürgschaft- bzw. die Disagioaufwendungen wurden nach den Bearbeitungsvermerken auf der Einkommensteuererklärung in den Akten vom zuständigen Veranlagungsbeamten des Finanzamtes eingesehen und noch am ... wieder an die Kläger zurückgegeben.

Zu der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ...1994 in Höhe von ... DM machten die Kläger in der Einkommensteuererklärung 1994 im Übrigen keine Angaben. Die Einkommensteuererklärung für 1994 wurde erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid vom ... veranlagt; der Bescheid wurde bestandskräftig.

In der Einkommensteuererklärung für 1995 vom ... (eingegangen beim Finanzamt am ...) erklärten die Kläger jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus der Vermietung des Doppelhauses sowie Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft. In der das Doppelhaus betreffenden Anlage V erklärten die Kläger einen Verlust aus der Vermietung des Doppelhauses in Höhe von insgesamt ... DM. Als Werbungskosten erklärten sie hierbei u.a.

im Rahmen der Schuldzinsen einen Betrag in Höhe von ... DM für "Labo" und

Absetzung für Abnutzung in Höhe von ... DM, d.h. in Höhe von 7 % aus Herstellungskosten in Höhe von insgesamt ... DM (entsprechend einer beigefügten handschriftlichen Aufstellung der Kläger).

Die der Einkommensteuererklärung beigefügten Nachweise für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der "Labo" bzw. mit den Herstellungskosten wurden nach den Bearbeitungsvermerken auf der Einkommensteuererklärung in den Akten vom zuständigen Veranlagungsbeamten des Finanzamtes eingesehen und am ... wieder an die Kläger zurückgegeben.

Zu der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ...1995 in Höhe von ... DM machten die Kläger in der Einkommensteuererklärung 1995 im Übrigen keine Angaben. Auf der Anlage V wurde lediglich offenbar vom zuständigen Veranlagungsbeamten des Finanzamtes die Herkunft verschiedener, wohl von den Klägern angegebener Geldbeträge zur Finanzierung der Erstellung des Doppelhauses in Höhe von insgesamt ... DM vermerkt, u.a. der Posten "Labo ...".

Der Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... berücksichtigte die erklärten Verluste der Kläger aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß und setzte unter nicht streiterheblichen Abweichungen eine Einkommensteuer in Höhe von ... DM fest; der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO 1977), unter dem dieser Einkommensteuerbescheid erging, wurde mit dem Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... aufgehoben. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Ende 1999/Anfang 2000 teilte die Regierung von ...dem Finanzamt in einem Schreiben mit, welche Steuerpflichtigen im Finanzamtsbezirk Fördermittel nach dem "Dritten Förderweg" erhalten hatten. Dem für die Kläger zuständigen Veranlagungsbeamten wurde im Rahmen der finanzamtsinternen Weiterleitung dieses Schreibens im Dezember 2000 mitgeteilt, dass die Kläger die oben dargelegten Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in den Jahren 1994 und 1995 erhalten hatten.

Hierauf erließ das Finanzamt am ... einen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheid für 1995, der eine Einkommensteuer in Höhe von ... DM festsetzte. Hierbei berücksichtigte das Finanzamt im Rahmen der Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung nur noch eine um die gesamte Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in Höhe von ... DM verringerte Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung des Doppelhauses.

Außerdem erließ das Finanzamt am ... ebenfalls gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999, in denen gleichfalls nur noch entsprechend geringere Beträge für Absetzung für Abnutzung des Doppelhauses als Werbungskosten der Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt wurden.

Gegen diese Änderungsbescheide für die Jahre 1995 bis 1999 legten die Kläger mit Schreiben vom ... fristgerecht Einspruch ein.

Während des laufenden Einspruchsverfahrens ergingen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001, in denen das Finanzamt ebenfalls in Abweichung von den eingereichten Einkommensteuererklärungen jeweils nur entsprechend geringere Beträge für Absetzung für Abnutzung des Doppelhauses als Werbungskosten der Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte; auch gegen diese Bescheide legten die Kläger jeweils Einspruch ein.

Mit Schreiben vom ... (zu den damals anhängigen Einsprüchen der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2001) teilte das Finanzamt den Klägern mit, dass die Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt im Jahr 1995 aufgrund eines Urteils des Bundesfinanzhofes (BFH) nunmehr nicht mehr als Kürzungsbetrag der Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung des Doppelhauses zu bewerten sei, sondern als eine im Zahlungsjahr 1995 zu berücksichtigende Einnahme aus Vermietung und Verpachtung des Doppelhauses.

Dementsprechend würde den Einsprüchen in Sachen Einkommensteuer 1996 bis 2001 stattgegeben und die streitige Absetzung für Abnutzung für das Doppelhaus in der beantragten Höhe berücksichtigt werden.

Für das Streitjahr 1995 sei zwar nunmehr auch die erklärte Absetzung für Abnutzung aus der ungekürzten Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen; allerdings sei beabsichtigt, die Einkommensteuerfestsetzung 1995 gleichzeitig zu Ungunsten der Kläger zu ändern und die Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in Höhe von ... DM als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern. Diese Verböserung aufgrund einer höheren Steuerfestsetzung sei im Einspruchsverfahren nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 grundsätzlich zulässig. Gleichzeitig wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass "die Änderung zu Ihren Ungunsten durch Rücknahme des Einspruchs nicht verhindert werden kann, weil auch im Fall der Einspruchsrücknahme die Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO einschlägig ist".

Die vom Finanzamt im Schreiben vom ... angekündigten Abhilfebescheide für die Jahre 1996 bis 2001 ergingen am ....

In der Einspruchsentscheidung vom ... wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück und setzte die Einkommensteuer für 1995 gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 auf ... EUR (... DM) herauf; die Erhöhung der festgesetzten Einkommensteuer beruhte auf der steuerlichen Berücksichtigung der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in Höhe von ... DM als Einnahme der Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kläger erhoben hiergegen mit Schreiben vom ... Klage. Zur Begründung verweisen sie im Wesentlichen und zum Teil sinngemäß auf folgende Punkte:

Der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... hätte nicht geändert werden dürfen, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 bei Erlass des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom ... nicht vorgelegen hätten. Insbesondere habe keine neue Tatsache im Sinne dieser Vorschrift vorgelegen, weil dem Finanzamt bei Erlass des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom ... die Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vollumfänglich bekannt gewesen seien und es lediglich nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen habe.

Sie hätten dem Finanzamt bei der Einreichung der Einkommensteuererklärungen für 1994 und 1995 jeweils auch die Mitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ... vorgelegt, aus der sich Höhe und Rechtsgrundlage des Förderdarlehens ergeben würden. Diese enthalte außerdem den Hinweis, dass es sich bei diesem Darlehen nicht um öffentliche Mittel handeln würde.

Zumindest stehe der Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ein Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht entgegen.

Zudem hätte im Streitfall keine Änderung nach § 174 AO 1977 erfolgen dürfen, weil bei Erlass der Einspruchsentscheidung die Voraussetzungen dieser Vorschrift mangels widerstreitender Steuerfestsetzungen nicht vorgelegen hätten.

Überdies sei die vorliegende Darlehensauszahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt entgegen der Rechtsprechung des BFH nicht als steuerpflichtiger Zufluss bei ihren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu bewerten; dies verstoße gegen den Sinn und Zweck der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung, gegen Treu und Glauben und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Bescheids für 1995 über Einkommensteuer vom ... und der Einspruchsentscheidung vom ... die Einkommensteuer für 1995 auf ... EUR (... DM) festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen darauf, dass es

weder bei Erlass des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom ... gegen seine Ermittlungspflicht verstoßen habe

noch verpflichtet gewesen sei, die Kläger vor Ergehen der Einspruchsentscheidung vom... auf die Möglichkeit hinzuweisen, durch die Rücknahme aller Einsprüche für die Jahre 1995 bis 2001 auch die Änderung nach § 174 Abs. 4 AO 1977 auszuschließen.

Letzteres wäre im Übrigen für die Kläger wirtschaftlich ungünstig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten sowie auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2005 Bezug genommen.

II.

1. Die Klage ist nur zum Teil begründet. Das Finanzamt hat

sowohl die Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt im Jahr 1995 materiellrechtlich zutreffend als Einnahme der Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerlich berücksichtigt

als auch den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... verfahrensrechtlich zulässig mit dem Einkommensteuerbescheid vom ... geändert.

a) Öffentliche Fördermittel (Zuschüsse oder nicht rückzahlbare Darlehen), die ein Bauherr zur Förderung von Mietwohnraum im Rahmen des sog. Dritten Förderungswegs für Belegungs- und Mietpreisbindungen erhält, sind als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung im Kalenderjahr des Zuflusses zu versteuern (BFH-Urteile vom 14.10.2003 IX R 60/02, BFHE 203, 382, BStBl II 2004, 14 und IX R 12/02, BFH/NV 2004, 333).

aa) Die Grundsätze dieser Entscheidungen finden im Streitfall nach Ansicht des Senats offensichtlich Anwendung. Die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen, unter denen die im Streitfall erfolgte Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt an die Kläger vom ... steuerlich im Rahmen von deren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr zu berücksichtigen sind, sind ebenfalls offensichtlich erfüllt. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Bezug auf die entsprechenden Ausführungen der Einspruchsentscheidung vom ....

bb) Die von den Klägern im Klageverfahren hiergegen vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht nachvollziehbar.

Insbesondere ist nicht erkennbar, inwieweit in der Besteuerung dieser Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG) zu sehen sein könnte. Soweit in anderen Subventionsgesetzen tatsächlich geregelt sein sollte, dass die darin geregelten Zahlungen bei den Empfängern steuerlich nicht zu berücksichtigen sind, liegt insoweit offenkundig ein anderer Sachverhalt vor, der mit dem vorliegend zu beurteilenden nicht gleich zu behandeln ist.

Grundlagen eines Vertrauenstatbestandes des Inhaltes, dass die fragliche Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt steuerlich nicht zu berücksichtigen sei und auf den die Kläger hätten vertrauen können, sind nicht erkennbar. Im Übrigen hätte es den Klägern offen gestanden, sich über die steuerliche Behandlung dieser Zahlung durch die Beantragung einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt bereits im Jahr 1994 zu vergewissern.

Die von den Klägern angeregte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) ist folglich nicht geboten; der Senat sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Versteuerung der Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt an die Kläger verfassungswidrig sein könnte.

b) Der Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... durfte verfahrensrechtlich mit dem Änderungsbescheid vom ... gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 zu Lasten der Kläger geändert werden.

aa) Gemäß § 173 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO 1977 können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann; es kann sich handeln um Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (BFH-Urteil vom 07.07.2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911).

Im Streitfall stellt der Umstand, dass die Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ...1995 in Höhe von ... DM aufgrund des Sonderprogrammes zur Förderung des Wohnungsbaus (Dritter Förderungsweg) erfolgte, unstreitig eine derartige Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO 1977 dar.

bb) Nachträglich werden Tatsachen bekannt im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO 1977, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden. Hierbei kommt es auf den Kenntnisstand der Finanzbehörde, und zwar der Personen an, die innerhalb der Behörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten. Dabei gilt für jede Stelle innerhalb der Behörde das als bekannt, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 05.12.2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588).

(1) Im Streitfall ist den Akten nicht eindeutig zu entnehmen, dass, wie von den Klägern u.a. vorgetragen, der für die Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres 1995 zuständige Sachbearbeiter bei Erlass des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom ... wusste, dass die Kläger die o.g. Zahlung als Darlehen im Dritten Förderungsweg erhalten hatten.

Zwar könnte aus dem Bearbeitungsvermerk bei dem als Werbungskosten in der Anlage V der Einkommensteuererklärung für 1995 erklärten Aufwand "Labo ..." gefolgert werden, dass dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamtes möglicherweise die Auszahlungsmitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ... vorgelegen hat; hieraus ist jedoch, wie auch wiederholt das Finanzamt zutreffend dargestellt hat, nicht zu erkennen, dass es bei dieser Zahlung nicht um ein verzinsliches Darlehen, sondern um eine Zahlung als Darlehen im Dritten Förderungsweg gehandelt hat.

Überdies steht dieser Annahme der Umstand entgegen, dass in dem handschriftlichen Vermerk auf der Anlage V der Einkommensteuererklärung für 1995 nur ein Betrag in Höhe von ... DM als Finanzierungsanteil der "Labo" aufgeführt ist. Daraus ist nach Ansicht des Senats zu schließen, dass dem Verfasser dieses Vermerkes zum Zeitpunkt der Erstellung des Vermerkes die Auszahlungsmitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ... nicht vorgelegen haben kann; da sich aus dieser Auszahlungsmitteilung der Gesamtbetrag von ... DM ergibt, wäre anderenfalls unverständlich, wieso der betreffende Veranlagungsbeamte in seiner Auflistung lediglich den Teilbetrag in Höhe von ... DM berücksichtigte, nicht jedoch den Gesamtbetrag.

Auch aus dem Bearbeitungsvermerk, der sich auf der Anlage V der Einkommensteuererklärung der Kläger für 1994 bei dem als Werbungskosten erklärten Aufwand "Disagio ..." befindet, ergibt sich allenfalls, dass dem betreffenden Sachbearbeiter des Finanzamtes bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für 1994 die Auszahlungsmitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ... vorgelegen haben kann; ebenso ergibt sich aus den übrigen Bearbeitungsvermerken, die sich bei den Werbungskosten auf dieser Anlage V befinden (so bei "Grundschuldbestellung" und "Bürgschaft"), kein Hinweis darauf, dass dem damaligen Bearbeiter des Finanzamtes der genaue Rechtsgrund der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt im Jahr 1994 bekannt war.

(2) Zwar haben die Kläger wiederholt vorgetragen, zuletzt im Schreiben vom ..., dass sie dem Finanzamt sowohl bei der Einreichung der Einkommensteuererklärung für 1994 wie der für 1995 verschiedene Unterlagen über das fragliche Darlehen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vorgelegt hätten, insbesondere die Mitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ..., so dass der jeweilige Bearbeiter des Finanzamtes hätte erkennen können und müssen, dass es sich um Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt im Dritten Förderungsweg gehandelt habe. Nachweise hierfür legten die Kläger jedoch trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht vor. Nach der im Steuerrecht geltenden Beweislastregel, wonach der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für die steuerentlastenden oder - mindernden Tatsachen trägt (vgl. BFH-Urteile vom 10.08.1988 II R 252/83, BFHE 154, 232, BStBl II 1988, 987; vom 19.01.1994 I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; jeweils m.w.N.; ständige Rechtsprechung) geht dies zu Lasten der Kläger.

(3) Für die Annahme, dass der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamtes bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung der Kläger für 1995 zumindest annahm, dass es sich bei der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt um ein verzinsliches Fremddarlehen gehandelt habe und nicht um eine Zahlung im Dritten Förderungsweg, spricht im Übrigen auch die bereits o.g. handschriftliche Auflistung über die Herkunft der von den Klägern benötigten Baumittel auf der Anlage V der Einkommensteuererklärung für 1995; nachdem jedoch nicht nachvollziehbar ist, wann dieser Vermerk von wem erstellt wurde ..., lässt sich genaueres hierzu nicht feststellen.

(4) Im Ergebnis muss deshalb davon ausgegangen werden, dass dem Finanzamt bzw. dem zuständigen Sachbearbeiter die Tatsache, dass die Kläger die o.g. Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt als Darlehen im Dritten Förderungsweg erhalten haben, frühestens und damit nachträglich im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO 1977 mit Eingang der Mitteilung der Regierung von ... im Jahr 2000 bekannt geworden ist.

(5) Entgegen dem Klagevorbringen stand auch der Grundsatz von Treu und Glauben dem Erlass des mit der Klage angegriffenen Änderungsbescheides für 1995 vom ... nicht entgegen.

(a) Wird eine Tatsache nachträglich dem Finanzamt bekannt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Änderung des Bescheides nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn diese dem Finanzamt bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht (§ 88 AO 1977) nicht verborgen geblieben wäre. Es braucht allerdings eindeutigen Steuererklärungen nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht mit Misstrauen zu begegnen; es kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Nur wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen aufdrängen, ist das Finanzamt zu Ermittlungen verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911).

Eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt liegt damit nur vor, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen mussten, nicht nachgeht. Ob derartige Zweifel anzunehmen sind, hat das Finanzgericht jeweils unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 26.02.2003 IX B 221/02, BFH/NV 2003, 1029).

Dabei kann sich der Steuerpflichtige auf eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt nicht berufen, wenn er selbst seine Steuererklärungspflicht nicht in zumutbarem Umfang voll erfüllt hat; er muss seine Mitwirkungspflichten (§ 90 AO 1977) erfüllt haben (vgl. etwa BFH-Urteile vom 10.04.1997 IV R 47/96, BFH/NV 1997, 757; vom 06.08.1997 II R 33/95, BFH/NV 1998, 12; vom 13.05.1998 II R 68/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 31).

Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamtes kommt es somit wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen, insbesondere darauf an, ob der Steuerpflichtige dem Finanzamt die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung unterbreitet hat. Ist dies zu verneinen, kann sich der Steuerpflichtige - unabhängig von einem eventuellen eigenen Verschulden - nicht auf eine Nachlässigkeit des Finanzamtes bei der Ermittlung der für die Besteuerung wesentlichen tatsächlichen Verhältnisse berufen. Dies gilt in besonderem Maße für beantragte Steuervergünstigungen (BFH-Urteil vom 16.06.2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502 m.w.N.).

Liegen sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 16.06.2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502 m.w.N.).

Der Umfang der beiderseitigen Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Selbst wenn die tatsächliche oder rechtliche Beurteilung schwierig sein kann, verstärkt sich die Ermittlungspflicht im Allgemeinen nur bei Unklarheiten und Zweifeln, die sich aus der Erklärung ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911).

Eine Änderungsbefugnis des Finanzamtes ist in solchen Fällen insbesondere dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige in abgabenrechtlichen Antragsvordrucken zu entscheidungsrelevanten Tatsachenfragen entweder überhaupt keine oder sogar inhaltlich unrichtige Angaben gemacht hat (BFH-Beschluss vom 20.12.2000 III B 43/00, BFH/NV 2001, 744).

(b) Aus diesen Grundsätzen folgt für den Streitfall, dass es dem Finanzamt auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht verwehrt ist, sich auf das nachträgliche Bekanntwerden der dargelegten neuen Tatsache zu berufen.

Nachdem die Finanzbehörde nach der dargestellten Rechtsprechung des BFH ihre Ermittlungspflicht nur dann verletzt, wenn sie offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich bei der Prüfung der Steuererklärung und der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 10.12.1991 VII R 10/90, BFHE 166, 395, BStBl II 1992, 324), erscheint es dem Senat schon zweifelhaft, ob dem Finanzamt im Streitfall eine derartige Verletzung seiner Ermittlungspflicht vorzuwerfen ist. Aus den vorliegenden Akten ergeben sich für den Klagevortrag, wonach das Finanzamt hätte erkennen müssen, dass das in den Anlagen V der Einkommensteuererklärungen der Kläger für 1994 und 1995 erwähnte Darlehen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt im Dritten Förderungsweg gewährt worden war, keine eindeutigen Nachweise.

Im Ergebnis kann es jedoch dahinstehen, ob das Finanzamt im Streitfall seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 88 AO 1977 verletzt hat, indem es keine Ermittlungen zu den Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in den Jahren 1994 und 1995 aufgenommen hat. Denn selbst wenn das Finanzamt im Streitfall insoweit seine Ermittlungspflicht verletzt haben sollte, wäre dies jedenfalls im Hinblick auf die nach Aktenlage ebenfalls vorliegende Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Steuerpflichtigen unbeachtlich.

Die Kläger haben gegen ihre Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977) bei der Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 1994 und 1995 schon dadurch verstoßen, dass sie die Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt dem Finanzamt nicht ausdrücklich mitgeteilt haben. Dies wiegt umso schwerer, als auf den Anlagen V jeweils ausdrücklich nach Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln gefragt ist. Unerheblich ist hierbei der Vortrag der Kläger, sie hätten aus dem Hinweis in der Mitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom ..., dass es sich bei dem Darlehen nicht um öffentliche Mittel "im Sinne des § 6 Abs. 1 II. WoBauG" handle geschlossen, die jeweilige Frage in den Anlagen V habe sich hierauf nicht beziehen können. Es wäre ihre Pflicht gewesen, dem Finanzamt die Beurteilung dieser Rechtsfrage durch die ausdrückliche Offenlegung der Zahlungen der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt zu ermöglichen; hiergegen haben die Kläger zumindest fahrlässig verstoßen.

Bei der ggf. erforderlichen Abwägung der Pflichtverstöße der Beteiligten und unter Berücksichtigung der Maßgabe, dass das Finanzamt regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärung ausgehen kann, also dem Steuerpflichtigen nicht mit Argwohn und Misstrauen begegnen muss, überwiegt im Streitfall der Verstoß der Kläger gegen ihre Mitwirkungspflicht deutlich mit der Folge, dass der streitbefangene Steuerbescheid vom Finanzamt geändert werden konnte. Selbst wenn ein erheblicher Pflichtenverstoß des Finanzamtes angenommen würde, so würde dieser Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß der Kläger gegen ihre Mitwirkungspflicht jedenfalls nicht deutlich überwiegen; auch in diesem Fall stünde der Grundsatz von Treu und Glauben dem Erlass der streitigen Änderungsbescheide nicht entgegen.

c) Der Umstand, dass das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ... aus der ihm neuen Tatsache die unter Berücksichtigung der nachfolgenden Urteile des BFH vom 14.10.2003 (IX R 60/02, BFHE 203, 382, BStBl II 2004, 14 und IX R 12/02, BFH/NV 2004, 333) materiellrechtlich falsche Schlussfolgerung gezogen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat hat im Streitfall jedenfalls im Wege der Saldierung (vgl. von Groll in Gräber, FGO, 5. Aufl. 2002, § 65 RdNr. 41 f. m.w.N.) zu berücksichtigen, dass die Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt im Jahr 1995 als Einnahme der Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen ist und sich hieraus die im Einkommensteuerbescheid vom ... festgesetzte Einkommensteuer ergibt.

2. Die Klage ist jedoch insoweit begründet, als mit der Einspruchsentscheidung vom ... eine höhere Einkommensteuer für 1995 festgesetzt wurde. Der vom Finanzamt im Schreiben vom ... erteilte Verböserungshinweis genügt den Anforderungen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht, weshalb diese Einspruchsentscheidung rechtswidrig ist.

a) § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 eröffnet nicht die Verböserungsbefugnis -dies geschieht bereits durch § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977-, sondern ermöglicht dem Steuerpflichtigen lediglich, durch Zurücknahme des Einspruchs eine Entscheidung zu seinem Nachteil zu vermeiden.

§ 367 Abs. 2 AO 1977 regelt die Rechtsfolgen, die dadurch eintreten, dass ein ergangener Bescheid infolge eines rechtzeitig eingelegten Einspruchs nicht bestandskräftig wird. Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Daraus folgt, dass das Finanzamt -anders als bei einer Änderung nach den §§ 173 ff. AO 1977-durch den Einspruch die volle Herrschaft über den Verwaltungsakt zurückerlangt. Dies schließt ggf. eine Änderung des angefochtenen Bescheids zum Nachteil des Einspruchsführers ein.

Das sich aus der vom Einspruchsführer eröffneten Prüfungsbefugnis ergebende Risiko einer Änderung zum Nachteil des Einspruchsführers wird jedoch durch § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 begrenzt: Vor einer derartigen Änderung ist der Einspruchsführer auf diese Möglichkeit unter Angabe von Gründen hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Steuerpflichtige soll den Umfang des Risikos, dass eine Entscheidung nicht nur zu seinen Gunsten, sondern auch zu seinem Nachteil ergehen kann, abwägen können. Hieran ist die Aufklärungspflicht des Finanzamtes "Angabe von Gründen") und die Bedenkzeit des Steuerpflichtigen "Gelegenheit ... sich hierzu zu äußern") zu messen.

Diesem Zweck entsprechend ist § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht in den Allgemeinen Verfahrensvorschriften des Rechtsbehelfsverfahrens, insbesondere dort nicht bei den Regeln über die Gewährung des rechtlichen Gehörs, sondern in unmittelbarem Anschluss an § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 in das Gesetz aufgenommen worden als zusätzliche Voraussetzung einer Entscheidung zum Nachteil des Einspruchsführers. Für das Einspruchsverfahren als verlängertem Steuerfestsetzungsverfahren gelten gemäß § 365 Abs. 1 AO 1977 die Vorschriften sinngemäß, die für den Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes gelten. Zu diesen Vorschriften zählt auch § 91 Abs. 1 AO 1977, in dem geregelt ist, inwieweit dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Darüber hinaus sind einem Beteiligten noch nicht bekannt gegebene Besteuerungsgrundlagen auf Antrag oder, wenn die Begründung des Rechtsbehelfs dazu Anlass gibt, von Amts wegen mitzuteilen (§ 364 AO 1977). Wird das in den beschriebenen Vorschriften geregelte Recht auf Gehör verfahrensfehlerhaft nicht gewährt, kann das Finanzgericht, sofern es den Mangel nicht heilt, unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO (ggf. auch bereits nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, vgl. BFH-Urteil vom 07.07.1976 I R 66/75, BFHE 119, 368, BStBl II 1976, 680, unter II) die Einspruchsentscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

Allerdings bewirkt das Hinweiserfordernis des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gleichzeitig, dass der Einspruchsführer einem von der Behörde vertretenen Rechtsstandpunkt bzw. einem von ihr angenommenen Sachverhalt entgegentreten kann. Ziel der Vorschrift ist jedoch nicht, das bereits durch andere Bestimmungen gewährte Recht auf Gehör zu gewährleisten, sondern auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung aufmerksam zu machen, damit der Steuerpflichtige einer Verböserung durch Rücknahme des Einspruchs zuvorkommen kann.

Das Hinweiserfordernis des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 trägt dem Umstand Rechnung, dass der Rechtsbehelf nach Ergehen der Einspruchsentscheidung nicht mehr zurückgenommen werden kann (§ 362 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Demgegenüber kann das Recht auf Gehör unter Umständen noch nachträglich gewährt werden. Der unterschiedlichen Zielsetzung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gegenüber den Vorschriften über die Gewährung rechtlichen Gehörs entsprechend sind diese unabhängig voneinander auszulegen und anzuwenden (BFH-Urteil vom 10.11.1989 VI R 124/88, BFHE 159, 405, BStBl II 1990, 414).

Die Unterlassung eines Hinweises an den Steuerpflichtigen auf die Verböserungsabsicht im Einspruchsverfahren stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zu einer Zurückverweisung des Falles an das Finanzamt nach § 284 Abs. 1 Satz 2 AO führt (BFH-Urteil vom 04.09.1959 III 286/57 U, BFHE 69, 569, BStBl III 1959, 472).

Dem Finanzamt unterläuft ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn es eine verbösernde Einspruchsentscheidung ohne Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit erlässt. Die Gerichte haben den Betroffenen dann so zu stellen, dass er durch das unrechtmäßige Verhalten keinen Schaden erleidet. Das Finanzgericht muss daher den Steuerpflichtigen in die Lage zurückversetzen, in der er sich ohne den prozessualen Verstoß befände; das geschieht grundsätzlich durch die Zurückverweisung an das Finanzamt. Zweck des Hinweises auf eine drohende Verböserung ist es indes, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Zurücknahme seines Einspruchs zu geben. Wenn nach dem Prozessbegehren des Steuerpflichtigen eine Zurücknahme des Rechtsmittels nicht in Betracht kommt, er vielmehr vor dem Finanzgericht materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und die Herabsetzung der Steuer beantragt, so hat das Finanzgericht den Verfahrensfehler des Finanzamts nicht zu beachten, sondern über den weiter gehenden Klageantrag zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 14.07.2004 IX B 102/03, BFH/NV 2004, 1514).

b) In Anwendung dieser Grundsätze genügt der vom Finanzamt im Schreiben vom ... erteilte Verböserungshinweis den Anforderungen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nicht.

aa) Der im Schreiben des Finanzamtes vom ..., das alle Einsprüche für die Jahre 1995 bis 2001 betraf, enthaltene Hinweis, wonach

das Finanzamt beabsichtige, den Einkommensteuerbescheid für 1995 unter Berücksichtigung der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in Höhe von ... DM als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 (gemeint ist damit erkennbar § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) bzw. gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 zu Ungunsten der Kläger zu ändern und

die Kläger die angekündigte Änderung zu ihren Ungunsten durch Rücknahme "des Einspruchs" gegen den Einkommensteuerbescheid für 1995 nicht verhindert könnten, "weil auch im Fall der Einspruchsrücknahme die Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO 1977 einschlägig" sei,

ist zwar bezogen allein auf das Einspruchsverfahren für 1995 zutreffend.

Bei einer solchen Formulierung ist jedoch - zumindest bei steuerlich nicht vertretenen Klägern, wie im Streitfall - auch davon auszugehen, dass die Kläger die genannte Ankündigung des Finanzamtes unter Berücksichtigung ihres Empfängerhorizonts (vgl. zur Auslegung von Willenserklärungen unter Beachtung des Empfängerhorizonts gemäß § 133 BGB: BFH-Urteil vom 05.10.2004 VII R 37/03, BFHE 208, 1, BStBl II 2005, 238) dahingehend verstehen, dass die angekündigte Änderung zu ihren Lasten in jedem Fall erfolgen werde und sie sie unter keinen Umständen würden verhindern können bzw. zumindest nicht durch die Rücknahme ihres Einspruches.

Dies ist jedoch insoweit unzutreffend, als die Kläger im Streitfall durch die Rücknahme sämtlicher, zum Zeitpunkt des Schreibens des Finanzamtes anhängiger Einsprüche gegen die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1995 bis 2001 nicht nur die Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, sondern auch die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1995 nach § 174 Abs. 4 AO 1977 hätten verhindern können.

Dadurch, dass es das Finanzamt z.B. nicht nur dabei beließ, neben dem Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO 1977 lediglich auf die weiter zu prüfende Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 AO 1977 hinzuweisen, sondern aus Sicht der Kläger zusätzlich zum Ausdruck brachte, dass eine Einspruchsrücknahme auch die sicher erfolgende Änderung nach § 174 Abs. 4 AO 1977 nicht würde verhindern können, wurde der vorliegende Verböserungshinweis irreführend und damit unzutreffend. Aufgrund des sachlichen und tatsächlichen Zusammenhanges kann der Hinweis auf die beabsichtigte Änderung nach § 174 Abs. 4 AO 1977 nämlich nicht völlig getrennt vom Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 beurteilt werden.

Das Finanzamt wäre vielmehr aufgrund seiner Ankündigung, den mit dem Einspruch angegriffenen Einkommensteuerbescheid für 1995 in jedem Fall gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 ändern zu können und zu wollen, verpflichtet gewesen, die Kläger darauf hinzuweisen, dass sie auch diese Änderung zu ihren Lasten durch die Rücknahme sämtlicher, zum damaligen Zeitpunkt anhängiger Einsprüche gegen die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1996 bis 2001 würden verhindern können.

bb) Ein solcher Hinweis hätte keine steuerliche Beratung der Kläger durch das Finanzamt dargestellt, zu der es etwa im Rahmen des § 89 AO 1977 nicht verpflichtet war bzw. nicht berechtigt gewesen wäre. Vielmehr ergibt sich diese Hinweispflicht bzw. die Rechtswidrigkeit des Unterlassens des genannten Hinweises nach Ansicht des Senats aus der besonderen Situation im Streitfall durch das Zusammenfallen der Änderungsmöglichkeiten des § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 und des § 174 Abs. 4 AO 1977 unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Finanzamt den Klägern sinngemäß mitgeteilt hat, es würde den Einkommensteuerbescheid für 1995 nach § 174 Abs. 4 AO 1977 ändern und sie könnten die sich aus der Änderung ergebende Verböserung unter keinen Umständen bzw. nicht durch die Rücknahme "des Einspruchs" verhindern.

Aufgrund dieser Mitteilung des Finanzamtes ist der Streitfall nach Ansicht des Senats auch nicht mit der Situation gleichzusetzen, in der der unterbliebene Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung (§ 367 Abs.2 Satz 2 AO 1977) unschädlich ist, weil der angegriffene Steuerbescheid auch nach Rücknahme des Einspruchs zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1989 VI R 124/88, BFHE 159, 405, BStBl II 1990, 414).

cc) Folglich war der im Schreiben des Finanzamtes vom 02.01.2004 enthaltene Verböserungshinweis unvollständig und damit irreführend. Dies ist umso schwerwiegender, als die Kläger nicht steuerlich beraten waren. Der vorliegende fehlerhafte Verböserungshinweis ist nach Ansicht des Senats einem fehlenden Hinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gleichzusetzen.

c) Der Umstand, dass die Summe der Einkommensteuer, die in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1996 bis 2001 jeweils vom ... und in der Einspruchsentscheidung vom ... zur Einkommensteuerfestsetzung für 1995 festgesetzt ist, geringer ist als die Summe der Einkommensteuer, die in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1996 bis 2001 festgesetzt war, welche mit den Bescheiden jeweils vom ... geändert worden sind, und dem Einkommensteuerbescheid für 1995 vom ..., führt zu keinem anderen Ergebnis.

Nachdem die Kläger den entsprechenden Betrag für Absetzung für Abnutzung, der durch die Rücknahme aller Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2001 in diesen Veranlagungszeiträumen nicht berücksichtigt worden wäre, nicht verloren hätten, sondern dieser nach Ablauf des regulären Abzugszeitraumes nachgeholt hätte werden können (vgl. BFH-Urteil vom 20.01.1987 IX R 103/83, BFHE 149, 448, BStBl II 1987, 491), erscheint es nicht von vorneherein ausgeschlossen (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 14.07.2004 IX B 102/03, BFH/NV 2004, 1514), dass die Kläger ihre gesamten Einsprüche bei einem zutreffendem Verböserungshinweis zurückgenommen hätten.

d) Hieraus folgt, dass die in der Einspruchsentscheidung vom ... erfolgte Verböserung durch die Festsetzung einer höheren Einkommensteuer für 1995 nicht durch die Verböserungsmöglichkeit gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 gerechtfertigt war. Darüber hinaus schließt der vorliegende fehlerhafte Verböserungshinweis nach Ansicht des Senats im Streitfall auch eine im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom ... ggf. mögliche Änderung zu Lasten der Kläger gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aus, weshalb im Ergebnis dahinstehen kann, ob im Streitfall die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO 1977 tatsächlich erfüllt waren.

Als allgemeines, auch im Steuerrecht geltendes Rechtsprinzip gebietet die Verpflichtung zur Beachtung von Treu und Glauben, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in einer irreparablen Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt (BFH-Urteile vom 21.07.1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356 und vom 08.02.1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733). Eine an und für sich nach den §§ 172 - 177 AO 1977 gerechtfertigte Korrektur hat zu unterbleiben, wenn dies (z.B.) Treu und Glauben widerspricht (von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Vor §§ 172 - 177 AO 1977, RdNr. 93).

Das Finanzamt hat den Einsprüchen der Kläger für die Jahre 1996 bis 2001 bereits mit den Änderungsbescheiden jeweils vom ... abgeholfen; damit war es den Klägern ab diesem Zeitpunkt (und damit auch bereits vor dem Ablauf der mit dem Schreiben vom ... gesetzten Äußerungsfrist bzw. vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung vom ...) unmöglich, die Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1995 gemäß § 174 Abs. 4 AO 1977 durch die Rücknahme aller Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2001 zu verhindern.

Dies kann nach Ansicht des Senats insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, d.h. dem dargestellten fehlerhaften Verböserungshinweis des Finanzamtes sowie der genannten frühzeitigen Abhilfe für die Jahre 1996 bis 2001 nicht den Klägern angelastet werden. Vielmehr hätte das Finanzamt im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO 1977 in der Einspruchsentscheidung vom ... berücksichtigen müssen, dass es die Kläger fehlerhaft belehrt und damit einen entsprechenden Vertrauenstatbestand gegenüber den steuerlich nicht vertretenen Klägern geschaffen hat, der im Ergebnis möglicherweise verhindert hat, dass diese sämtliche Einsprüche für die Jahre 1995 bis 2001 zurückgenommen haben. Dieser Vertrauenstatbestand führt nach Ansicht des Senats dazu, dass die im Streitfall möglicherweise grundsätzlich zulässige und in der Einspruchsentscheidung vom ... vorgenommene Änderung nach § 174 Abs. 4 AO 1977 jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hätte unterbleiben müssen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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