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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: 13 K 3789/07
Rechtsgebiete: AO, EStG, GG


Vorschriften:

AO § 85
AO § 164
AO § 172
EStG § 7g Abs. 1
EStG § 7g Abs. 3
EStG § 7g Abs. 4
EStG § 7g Abs. 7
GG Art. 3 Abs. 1
1. Bei von Anfang an fehlenden Voraussetzungen für die Ansparrücklage ist schon ihre Bildung nicht steuerlich anzuerkennen.

2. Bei von Anfang an fehlenden Voraussetzungen ist auch eine bestandskräftige Veranlagung für das Jahr der Rücklagenbildung wieder zu ändern und die Rücklage von vornherein aufgrund der Korrekturvorschriften zu streichen.

3. Nur wenn kein Änderungstatbestand für die Jahre der Bildung und des Bestehens der Rücklage erfüllt ist, bleibt es bei der Bestandskraft und die Rücklage ist am Ende des Rücklagezeitraums aufzulösen.


In der Streitsache

...

hat der 13. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[...]

ohne mündliche Verhandlung

am 11. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Streitig ist, ob die gewinnerhöhende Auflösung einer Ansparrücklage zulässig ist.

I. Der Kläger erzielt seit dem 21. Juni 1996 als Schreiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung.

In seiner mit der Einkommensteuererklärung am 17. Oktober 2000 eingereichten Gewinnermittlung für das Jahr 1999 nahm der Kläger einen Abzug eines Betrages in Höhe von 25.000 DM vor und begründete den Abzug als Betriebsausgabe mit dem Vermerk "Rückstellungen für Investitionen 2000". Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - erkannte die Bildung einer Ansparabschreibung in Höhe von 25.000 DM an und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid vom 12. Dezember 2000 für das Jahr 1999 einen Gewinn in Höhe von 27.660 DM; eine Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für 1999 erfolgte nicht.

In der Gewinnermittlung für das Jahr 2000 erklärte der Kläger die Auflösung dieser Ansparrücklage nicht und wies auch in seinem Anlageverzeichnis keine neu angeschafften Wirtschaftsgüter aus. Auf die Anfrage des FA, wieso Vorsteuern für Umbaumaßnahmen geltend gemacht würden und die Rücklage nicht aufgelöst worden sei, antwortete der Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2001, dass das Gebäude noch nicht fertig gestellt sei, weshalb mit der Abschreibung nicht begonnen werden könnte und dass die Rücklage in Höhe von 25.000 DM erst bei Fertigstellung des Gebäudes, voraussichtlich Ende des Jahres 2002 oder Anfang 2003 aufzulösen sei. In seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2001 nahm der Kläger einen Abzug eines weiteren Betrages in Höhe von 9.000 EUR vor und begründete den Abzug als Betriebsausgabe mit dem Vermerk "Rückstellungen für 2002 für Sanitär und Heizung". In seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2003 erklärte der Kläger bei seinen Betriebseinnahmen als sonstige Erlöse einen Betrag in Höhe von 9.000 EUR, den er mit dem Vermerk "Erträge - Auflösung von Rückstellungen" begründete.

Nachdem der Kläger in seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2004 keine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufgelöst hatte, forderte ihn das FA zur Stellungnahme auf, wieso er den Rest der im Kalenderjahr 1999 gebildeten Rücklage in Höhe von 3.782 EUR (25.000 DM = 12.782,29 EUR; 12.782 - 9.000 = 3.782) nicht aufgelöst habe. Mit Schreiben vom 3. Juli 2006 teilte der Kläger mit, dass sich die im Jahr 2003 aufgelöste Rücklage auf die Rückstellung für Sanitär und Heizung aus dem Jahr 2001 beziehe. Die Rückstellung für Investitionen im Jahr 1999 sei übersehen worden. Die Investitionen seien tatsächlich in den Jahren 2001 bis 2003 getätigt worden (Sanierung des Dachstuhls, Absackfilterstation, Fertigstellung der Heizung). Der Kläger beantragte, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide und Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001, 2002 und 2003 abzuändern und eine anteilige Auflösung der Ansparrücklage zu berücksichtigen, für 2001 mit 6.582 EUR, für 2002 mit 2.300 EUR und für 2003 mit 3.900 EUR.

Das FA folgte dem Antrag des Klägers nicht und berücksichtigte in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden vom 30. August 2006 für Einkommensteuer 2004 und Gewerbesteuermessbetrag 2004 den vom Kläger erklärten Gewinn, den es um die gewinnerhöhende Auflösung der Ansparrücklage in Höhe von 12.782 EUR korrigierte (auf 40.436 EUR). Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg und wurde vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 25. September 2007 als unbegründet zurückgewiesen; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Das FA war der Auffassung, dass die für einen Existenzgründer im Jahre 1999 gebildete Ansparrücklage im Jahr 2004 gewinnerhöhend aufzulösen sei, da die Investitionen nicht getätigt worden seien und die in den Jahren 2001 bis 2003 tatsächlich vorgenommenen Investitionen nicht begünstigt seien und deshalb eine rückwirkende Auflösung der Rücklage nicht möglich sei.

Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, dass die Ansparrücklage bereits im Jahr 1999 nicht hätte gebildet werden dürfen. Ansparrücklagen dürften nur für die künftige Anschaffung oder Herstellung von neuen beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorgenommen werden. Spätestens seit dem Schreiben des Klägers vom 10. Dezember 2001 zur Veranlagung des Jahres 2000 würde aber das FA von der Tatsache wissen, dass die Ansparrücklage in rechtlich unzulässiger Weise für die Herstellung eines Gebäudes gebildet worden sei. Das FA hätte zu diesem Zeitpunkt die Steuerbescheide für das Jahr 1999 ändern müssen und in diesen Jahren die Rücklage nicht mehr gewinnmindernd berücksichtigen dürfen, da die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rücklage eindeutig nicht gegeben gewesen seien. Außerdem hätte die Investitionsentscheidung, da sie von einem Existenzgründer getroffen wurde, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sogar konkretisiert werden müssen, damit eine Ansparrücklage zulässig sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung der Bescheide vom 30. August 2006 für Einkommensteuer 2004 und Gewerbesteuermessbetrag 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2007 den Gewinn aus Gewerbebetrieb um 12.782 EUR zu vermindern und die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag entsprechend festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt

die Klageabweisung.

Das FA verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass sich aus dem Schreiben des Klägers vom 10. Dezember 2001 nicht eindeutig ergebe, dass die Ansparrücklage für die Herstellung eines Gebäudes gebildet worden sei. Das FA habe darauf vertrauen können, dass eine zulässige Rücklage gebildet werde und habe das Schreiben dahingehend verstanden, dass die entsprechenden Investitionen nach der Fertigstellung der neuen Produktionsstätte erfolgen würden. Die Auflösung der Ansparrücklage im Jahr 2004 sei deshalb zu Recht erfolgt.

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II. Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat zu Recht die in der Gewinnermittlung für 1999 gebildete Ansparrücklagen im Veranlagungszeitraum 2004 aufgelöst und den geänderten Gewinn in Höhe von 40.436 EUR der Einkommensteuerfestsetzung und der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages zu Grunde gelegt.

Die in 1999 gebildete Ansparrücklage war grundsätzlich gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (EStG) mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 2001 gewinnerhöhend aufzulösen. Der Kläger erfüllt aber die Voraussetzungen eines Existenzgründers, so dass eine Verlängerung der Investitionsfrist auf fünf Jahre gemäß § 7g Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 EStG in Betracht kommt und die im Gründungszeitraum gebildete Ansparrücklage deshalb erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 2004 aufzulösen ist. Nach § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG ist Existenzgründer nur eine natürliche Person, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung u.a. keine Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG erzielt hat; diese Voraussetzungen sind beim Kläger, der seinen Betrieb im Jahr 1996 eröffnet hat und die Ansparrücklage im Jahr 1999 gebildet hat, erfüllt.

Gemäß § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 7g Abs. 3 Satz 1 EStG). Sie muss nach Maßgabe des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn sie am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist. Diese Regelung gilt für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn - wie der Kläger - durch Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, entsprechend mit der Maßgabe, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die Rücklage bestanden hat (§ 7g Abs. 6 EStG).

Die Voraussetzungen für die gewinnerhöhende Auflösung der Ansparrücklage im Jahr 2004 sind im Streitfall erfüllt, da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag im Hinblick auf die im Jahr 1999 gebildete Rücklage keine Investition getätigt hat.

Bei von Anfang an insgesamt fehlenden Voraussetzungen für die Rücklage ist nach ständiger Rechtsprechung schon ihre Bildung nicht steuerlich anzuerkennen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2004 XI B 210/03, BFH/NV 2005, 204; vom 28. November 2003 III B 65/03, BFH/NV 2004, 632; BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, BStBl II 2004, 182). Bei von Anfang an fehlenden Voraussetzungen ist auch eine bestandskräftige Veranlagung für das Jahr der Rücklagenbildung wieder zu ändern und ist die Rücklage von vornherein zu streichen aufgrund der Korrekturvorschriften gemäß § 164 und §§ 172 ff. Abgabenordnung (AO), etwa bei nachträglichem Bekanntwerden gemäß § 173 AO (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2004 IV R 11/02, BFH/NV 2004, 1400; vgl. ferner B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7g Rz. 97). Nur wenn kein Änderungstatbestand für die Jahre der Bildung und des Bestehens der Rücklage erfüllt ist, bleibt es bei der Bestandskraft und ist die Rücklage am Ende des Rücklagezeitraums aufzulösen, sei es die Existenzgründerrücklage gemäß § 7g Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 3 und Halbsatz 2 EStG nach dem fünften Folgejahr ohne Gewinnzuschlag oder sei es die Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 und Absatz 5 EStG nach dem zweiten Folgejahr mit Gewinnzuschlag (BFH-Urteil vom 28. April 2005 IV R 30/04, BStBl II 2005, 704; BFH-Beschluss vom 5. Dezember 2005 XI B 3/05, BFH/NV 2006, 546; Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 18. August 2005 III 404/04, EFG 2006, 99). Solange nämlich eine Änderung dieses fehlerhaften Bescheids möglich ist, gebietet es der Grundsatz der Besteuerungsgleichheit (§ 85 AO; Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -), auch nachträglich eine Inanspruchnahme dieser Steuervergünstigung nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen und insbesondere in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang zuzulassen (vgl. BFH Urteil in BStBl II 2005, 704).

Im Streitfall ist eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 1999 nicht mehr möglich, denn mit Ablauf des 31. Dezember 2004 ist Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Ansparabschreibung unterliegt damit in vollem Umfang der Auflösung nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG. Da die Veranlagungen der Jahre 2000 bis 2003 bereits bestandskräftig sind, ohne dass die im Jahr 1999 gebildete Rücklage aufgelöst wurde, ist die zu Unrecht fortgeführte Rücklage im ersten noch offenen Veranlagungszeitraum - und dies ist das Jahr 2004 - aufzulösen. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es - nach der oben zitierten Rechtsprechung des BFH (insbesondere BFH-Urteil in BStBl II 2005, 704) - für diese Zwangsauflösung der Rücklage nicht auf die Rechtmäßigkeit der Vornahme einer Ansparabschreibung an, wenn für das Jahr der Rücklagenbildung Bestandskraft eingetreten ist. Im Übrigen setzt sich der Kläger mit seiner Klagebegründung nach dieser BFH-Rechtsprechung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch und verstößt so gegen den auch ihn bindenden Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2005, 704 unter II.2.b der Entscheidungsgründe), wenn er nunmehr geltend macht, der ihn begünstigenden Ansparrücklage fehle insoweit die rechtliche Grundlage, als sie für eine Investitionsentscheidung für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens anerkannt worden sei. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil in der Gewinnermittlung für das Jahr 1999 der Kläger diese Begründung seiner Investitionsentscheidung gar nicht angegeben hatte und dass FA somit bei der Veranlagung 1999 gar nicht erkennen konnte, dass die Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG "neue bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" nicht erfüllt waren. Auch hat der Kläger gar nichts getan, um seinen Fehler, dass er die Ansparrücklage für unbewegliche Wirtschaftsgüter gebildet hatte, zu korrigieren. Seine Antwort auf die Anfrage des FA im Schreiben vom 10. Dezember 2001 durfte das FA auch so verstehen, dass die neuen beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angeschafft werden, wenn erst das Gebäude fertiggestellt wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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