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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 14 K 1837/05
Rechtsgebiete: RL Nr. 92/12/EWG, TabStG, TabStV


Vorschriften:

RL Nr. 92/12/EWG Art. 5
RL Nr. 92/12/EWG Art. 19
TabStG § 21 S. 1
TabStV § 23 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 1837/05

Tabaksteuer

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ......,

des Richters am Finanzgericht ...... und

der Richterin am Finanzgericht ...... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...... und ......

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2008

beschlossen:

Tenor:

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 Unterabs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG Nr. L 76/1 - RL Nr. 92/12/EWG) dahingehend auszulegen, dass verbrauchsteuerpflichtige Nichtgemeinschaftswaren, die sich im Verfahren der aktiven Veredelung nach Art. 84 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK) befinden, auch dann als unter Steueraussetzung stehend gelten, wenn sie erst nach der Einfuhr nicht verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der aktiven Veredelung aus diesen hergestellt werden, so dass entsprechend dem 15. Erwägungsgrund der RL Nr. 92/12/EWG bei deren Beförderung kein Begleitpapier nach Art. 18 Abs. 1 der RL Nr. 92/12/EWG zu verwenden ist?

2. Wenn die erste Frage zu verneinen ist: Ist Art. 15 Abs. 4 der RL Nr. 92/12/EWG dahingehend auszulegen, dass der Nachweis dafür, dass der Empfänger die verbrauchsteuerpflichtigen Waren übernommen hat, auch in anderer Weise geführt werden kann als mittels des in Art. 18 der RL Nr. 92/12/EWG genannten Begleitdokuments?

Gründe:

I. Streitig ist, ob für Tabakwaren, die im aktiven Veredelungsverkehr zwischen zwei Mitgliedstaaten aufgrund einer einzigen zollrechtlichen Bewilligung ohne (weitere) Zollförmlichkeiten befördert werden können, zusätzlich ein bestätigtes Begleitdokument im Sinne der RL Nr. 92/12/EWG erforderlich ist.

Die Klägerin führt im aktiven Veredelungsverkehr Rohtabak aus Drittländern ein, stellt daraus in Deutschland Schnitttabak her und versendet diesen nach Frankreich. Die englische Zollverwaltung erteilte ihr mit Wirkung vom 1. Juli 2002 eine einzige Bewilligung zur Durchführung eines europaweiten aktiven Veredelungsverkehrs im Nichterhebungsverfahren für Rohtabak. Für Versendungen von Deutschland in andere Mitgliedstaaten wurde ihr bewilligt, ein sog. IPR-Delivery Document als Handelsdokument für Zwecke des Tabaksteueraussetzungsverfahrens anstelle des begleitenden Verwaltungsdokumentes (bVd) zu verwenden. In der Anlage A der Bewilligung sind die Betriebsstätten der am aktiven Veredelungsverkehr beteiligten Firmen aufgeführt.

Am 13. Januar und 16. April 2003 versandte die Klägerin von ihrem Tabakwarenherstellungsbetrieb in X/Deutschland insgesamt über 4.000 kg Schnitttabak, der dort im Rahmen des bewilligten aktiven Veredelungsverkehrs aus Rohtabak hergestellt worden war, jeweils mit zugelassenem Lieferschein an die in der Anlage A der Bewilligung aufgeführte Betriebsstätte (Steuerlager) der Fa. L in Frankreich.

Diese bestätigte den Empfang des Schnitttabaks jeweils auf dem CMR-Frachtbrief. Auf den Lieferscheinen war der Vermerk angebracht, dass sie für tabaksteuerpflichtige Erzeugnisse gleichzeitig als begleitendes Verwaltungsdokument im Steueraussetzungsverfahren gelten.

Mit Bescheiden vom 27. Mai und vom 20. August 2003 forderte das HZA von der Klägerin für den mit o.g. Lieferscheinen versandten Schnitttabak Tabaksteuer i.H.v. insgesamt 144.550 EUR an, weil für diese Tabakwaren kein Rückschein eingegangen sei.

Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das HZA mit seinen Einspruchsentscheidungen vom April 2005 als unbegründet zurück. Für den von der Klägerin nach Frankreich versandten Schnitttabak könnten hinsichtlich der Versendung und der Besteuerung die Vorschriften für Zölle nicht angewendet werden, weil nach § 23 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes (TabStV) die Regelungen für Zölle bei Tabakwaren, die im Rahmen einer aktiven Veredelung hergestellt werden, nicht anwendbar seien. Das Versenden der streitgegenständlichen Tabakwaren von Deutschland nach Frankreich hätte daher durch eine amtliche Bestätigung der französischen Zollbehörden auf dem zugelassenen innerbetrieblichen Lieferschein bestätigt werden müssen.

Die dagegen erhobenen Klagen wurden vom Finanzgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin begründet ihre Klagen im Wesentlichen wie folgt:

Nach § 21 Satz 1 Tabaksteuergesetz (TabStG) würden für die streitgegenständlichen Tabakwaren die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten, so dass sie sich im Zollverfahren der aktiven Veredelung befunden hätten. Sie sei deshalb allein aufgrund der ihr erteilten Einzigen Bewilligung zur innergemeinschaftlichen Beförderung der unter die Bewilligung fallenden Tabakwaren ohne weitere Formalitäten und Nachweispflichten nach dem nationalen Verbrauchsteuerrecht berechtigt gewesen. Der Nachweis der Lieferung sei durch die Bestätigung auf dem CMR-Frachtbrief erbracht worden. Die vom HZA geforderte amtliche Bestätigung durch die französische Zollverwaltung sei im Verfahren der aktiven Veredelung nicht erforderlich und komme für die hier streitgegenständlichen Waren auch nicht in Betracht. Dem HZA sei bekannt, dass es die französischen Behörden ablehnen würden, die Rückscheine zollamtlich zu bestätigen. Sie gehe davon aus, dass die französischen Behörden die Überwachung im aktiven Veredelungsverkehr als ausreichend erachten.

II. Im Streitfall ist die RL Nr. 92/12/EWG anzuwenden, bei deren Auslegung Zweifelsfragen bestehen, die für den Streitfall entscheidungserheblich sind.

1. Anzuwendendes Recht:

a) Gemeinschaftsrecht:

Art. 5 RL Nr. 92/12/EWG:

(1) Die in Art. 3 Abs. 1 genannten Waren werden verbrauchsteuerpflichtig mit ihrer Herstellung im Gebiet der Gemeinschaft, wie es in Art. 2 festgelegt ist, oder mit ihrer Einfuhr in dieses Gebiet.

Als Einfuhr einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware gilt das Verbringen dieser Ware in die Gemeinschaft einschließlich des Verbringens aus einem der gemäß Art. 2 Abs. 1, 2 und 3 ausgenommenen Gebiete oder den Kanalinseln.

Wird diese Ware jedoch bei ihrem Verbringen in die Gemeinschaft einem gemeinschaftlichen Zollverfahren unterworfen, so gilt ihre Einfuhr als zu dem Zeitpunkt erfolgt, an dem sie aus dem gemeinschaftlichen Zollverfahren entnommen wird.

(2) Unbeschadet der einzelstaatlichen oder gemeinschaftlichen Bestimmungen im Bereich der Zollregelungen gelten verbrauchsteuerpflichtige Waren als unter Steueraussetzung stehend, wenn ihr Herkunfts- oder Bestimmungsort in einem Drittland oder in den in Artikel 2 Absätze 1, 2 und 3 genannten Gebieten oder auf den Kanalinseln liegt und sie sich in einem der in Art. 84 Abs. 1 Buchst. a ZK genannten Nichterhebungsverfahren oder in einer Freizone oder in einem Freilager befinden;

...

Art. 15 RL Nr. 92/12/EWG:

(1) Unbeschadet des Art. 5 Abs. 2, des Art. 16, des Art. 19 Abs. 4 und des Art. 23 Abs. 1a muss die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der Steueraussetzung zwischen Steuerlagern erfolgen.

...

(4) Unbeschadet des Art. 20 können der zugelassene Lagerinhaber als Versender und gegebenenfalls der Beförderer erst dann aus ihrer Verantwortung entlassen werden, wenn der Nachweis dafür vorliegt, dass der Empfänger die Waren übernommen hat, insbesondere mittels des in Art. 18 genannten Begleitdokuments unter den in Art. 19 festgelegten Bedingungen.

Art. 18 Abs. 1 RL Nr. 92/12/EWG:

Ungeachtet des etwaigen Einsatzes der elektronischen Datenverarbeitung wird jeder verbrauchsteuerpflichtigen Ware, die im Verfahren der Steueraussetzung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten - auch im direkten See- oder Luftverkehr zwischen zwei Häfen bzw. Flughäfen der Gemeinschaft - befördert wird, ein vom Versender ausgestelltes Begleitdokument beigegeben. Das Begleitdokument kann entweder ein Verwaltungsdokument oder ein Handelsdokument sein. Form und Inhalt dieses Dokuments sowie das Verfahren für die Fälle, in denen die Verwendung des Dokuments objektiv unangebracht ist, werden nach dem Verfahren des Art. 24 festgelegt.

Art. 19 RL Nr. 92/12/EWG:

(1) Die Steuerbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten werden durch die Wirtschaftsbeteiligten mittels des in Art. 18 genannten Dokuments bzw. eines Verweises auf dieses Dokument über versandte und empfangene Warensendungen unterrichtet. Dieses Dokument ist in vier Exemplaren anzufertigen:

eine Ausfertigung für den Versender;

eine Ausfertigung für den Empfänger;

eine Ausfertigung, die zur Erledigung des Verfahrens für die Rücksendung bestimmt ist;

eine Ausfertigung für die zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats.

Die zuständigen Behörden des jeweiligen Abgangsmitgliedstaats können jedoch vorschreiben, dass eine weitere Ausfertigung des Dokuments für die zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats vorzusehen ist.

...

Der Bestimmungsmitgliedstaat kann vorschreiben, dass die Ausfertigung, die zur Erledigung des Verfahrens an den Versender zurückzuschicken ist, von seinen Behörden bestätigt oder mit einem Sichtvermerk versehen wird. Die Mitgliedstaaten, die diese Bestimmung anwenden, unterrichten hiervon die Kommission, die ihrerseits die übrigen Mitgliedstaaten unterrichtet.

...

(2) ...

Der Rückschein muss folgende Angaben enthalten, die zur Erledigung des Verfahrens erforderlich sind:

a) Anschrift der für den Empfänger örtlich zuständigen Steuerbehörden;

b) Zeitpunkt und Ort des Empfangs der Waren;

c) Bezeichnung der empfangenen Waren zur Überprüfung der Übereinstimmung der Sendung mit den Angaben auf dem Dokument. Bei Übereinstimmung ist der Vermerk "konform" einzutragen;

d) Bezugs- oder Registriernummer, die gegebenenfalls von den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats, die solche Nummern verwenden, erteilt wurde, und/oder Sichtvermerk der zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats, wenn dieser Staat vorschreibt, dass das zurückzuschickende Exemplar von seinen Behörden zu beglaubigen oder mit einem Sichtvermerk zu versehen ist;

e) rechtsgültige Unterschrift des Empfängers.

(3) Das Verfahren der Steueraussetzung gemäß Art. 4 Buchst. c ist erledigt, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 einem dort genannten Status unterstellt werden, nachdem der Versender den Rückschein des begleitenden Verwaltungsdokuments oder eine Kopie des Handelsdokuments erhalten hat, auf denen vermerkt sein muss, dass die betreffenden Waren diesem Status unterstellt wurden.

...

15. Erwägungsgrund zur RL Nr. 92/12/EWG:

Das Begleitpapier ist nicht zu verwenden, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Rahmen einer anderen gemeinschaftlichen Zollregelung als der Überführung in den freien Verkehr befördert werden oder in eine Freizone oder ein Freilager verbracht werden.

b) Nationales Recht:

§ 18 Abs. 3 TabStG:

Sind Tabakwaren im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren aus einem Steuerlager im Steuergebiet an ein Steuerlager, einen berechtigten Empfänger oder eine Ausgangszollstelle in einem anderen Mitgliedstaat versandt worden (§ 16 Abs. 1, § 17) und führt der Versender nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten ab dem Tag des Versandbeginns den Nachweis, dass die Tabakwaren

1. am Bestimmungsort angelangt oder ... gelten sie als im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren entzogen.

§ 21 Satz 1 TabStG:

Werden Tabakwaren aus einem Drittland unmittelbar in das Steuergebiet eingeführt oder befinden sie sich

1. in einem Zollverfahren oder

2. in einer Freizone oder einem Freilager des Steuergebietes, gelten für die Entstehung und das Erlöschen (in anderen Fällen als durch Einziehung) der Steuer und den Zeitpunkt, der für ihre Bemessung maßgebend ist, für die Person des Steuerschuldners, das Steuerverfahren und, wenn die Steuer nicht durch Verwendung von Steuerzeichen entrichtet wird, für die Fälligkeit, den Zahlungsaufschub, den Erlass, die Erstattung und die Nacherhebung die Vorschriften für Zölle sinngemäß. ...

§ 17 TabStV:

(1) Der Steuerlagerinhaber, der Tabakwaren aus einem Steuerlager im Steuergebiet unter Steueraussetzung an ein anderes Steuerlager oder an den Betrieb eines Verwenders (§ 7 des Gesetzes) versenden will (Versender), hat dafür das begleitende Verwaltungsdokument nach der Verordnung (EWG) Nr. 2719/92 der Kommission vom 11. September 1992 zum begleitenden Verwaltungsdokument bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung (ABl. EG Nr. L 276 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 2225/93 der Kommission vom 27. Juli 1993 (ABl. EG Nr. L 198 S. 5), in der jeweils geltenden Fassung zu verwenden. Anstelle des begleitenden Verwaltungsdokuments kann er ein Handelsdokument verwenden, das alle in dem begleitenden Verwaltungsdokument enthaltenen Angaben aufweist. Er hat das Handelsdokument mit der Aufschrift "Begleitendes Handelsdokument für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung" zu kennzeichnen.

...

(3) Der Empfänger im Steuergebiet hat die zweite Ausfertigung als Beleg zu seinen Anschreibungen (§ 30) zu nehmen und unverzüglich die dritte und vierte Ausfertigung versehen mit seinem Empfangsvermerk dem für seinen Betrieb zuständigen Hauptzollamt vorzulegen. Dieses bestätigt die Übereinstimmung der beiden Ausfertigungen und die Empfangsberechtigung auf der dritten Ausfertigung (Rückschein). Der zollamtlich bestätigte Rückschein ist vom Empfänger spätestens binnen 2 Wochen nach Ablauf des Empfangsmonats an den Versender zurückzusenden. Die vierte Ausfertigung verbleibt beim Hauptzollamt.

...

§ 20 Abs. 1 TabStV:

Für den Versand von Tabakwaren unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager im Steuergebiet an ein Steuerlager oder den Betrieb eines berechtigten Empfängers in einem anderen Mitgliedstaat sowie für den Bezug von Tabakwaren unter Steueraussetzung aus einem anderen Mitgliedstaat gilt § 17. § 23 TabStV:

(1) Tabakwaren, die unmittelbar in das Steuergebiet eingeführt werden oder im Steuergebiet aus einem Zollverfahren oder einer Freizone in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden sollen, sind nach dem Steuertarif anzumelden.

(2) § 21 des Gesetzes ist auf eine aktive Veredelung (Nichterhebungsverfahren) zur Herstellung von Tabakwaren nicht anwendbar.

2. Der Senat hat Zweifel, ob für die im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs vom Tabakwarenherstellungsbetrieb der Klägerin in X zum Steuerlager der Fa. L in Frankreich versandten Tabakwaren, die gem. Art. 512 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 (EWG) -ZKDVOim aktiven Veredelungsverkehr unter zollamtlicher Überwachung ohne Zollförmlichkeiten befördert werden konnten, zusätzlich ein bestätigtes Begleitdokument im Sinne von Art. 15 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 der RL Nr. 92/12/EWG erforderlich gewesen ist.

a) Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 der RL Nr. 92/12/EWG ist grundsätzlich jeder verbrauchsteuerpflichtigen Ware, die im Verfahren der Steueraussetzung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten befördert wird, ein vom Versender ausgestelltes Begleitdokument beizugeben.

Gemäß Art. 18 Abs. 4 der RL Nr. 92/12/EWG können verbrauchsteuerpflichtige Waren im Verfahren der Steueraussetzung nach Art. 15 Abs. 1 der RL Nr. 92/12/EWG allerdings dann ohne Begleitdokument zwischen Steuerlagern befördert werden, wenn eine Beförderung nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 der RL Nr. 92/12/EWG vorliegt. Dies ist gegeben, wenn der Herkunfts- oder Bestimmungsort von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in einem Drittland liegt und sie sich in einem der in Art. 84 Abs. 1 Buchst. a ZK genannten Nichterhebungsverfahren befinden. In diesen Fällen geht der Richtliniengeber davon aus, dass es wegen der zollamtlichen Überwachung im Veredelungsverkehr keines Begleitdokuments bedarf.

So haben sich im Streitfall die streitgegenständlichen Tabakwaren zwar im Nichterhebungsverfahren der aktiven Veredelung nach Art. 84 Abs. 1 Buchst. a ZK befunden. Ihr Herkunftsort ist jedoch nur insoweit in einem Drittland gelegen, als der im Rahmen der aktiven Veredelung ins Gemeinschaftsgebiet ( X/Deutschland) eingeführte und später in Deutschland verarbeitete Rohtabak aus einem Drittland stammt, der als solcher zum Zeitpunkt der Überführung in das Verfahren der aktiven Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren noch nicht verbrauchsteuerpflichtig gewesen ist. Die beförderten Tabakwaren sind erst mit ihrer Herstellung in X verbrauchsteuerpflichtig nach Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 der RL Nr. 92/12/EWG geworden, so dass keine Einfuhr einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL Nr. 92/12/EWG vorliegt.

Ebenso wenig ist der Bestimmungsort in einem Drittland gelegen. Das Verfahren der aktiven Veredelung ist zwar darauf ausgerichtet gewesen, die hierbei hergestellten Tabakwaren wieder in ein Drittland auszuführen. Der Bestimmungsort der streitgegenständlichen Beförderungen im Verfahren der Steueraussetzung nach Art. 15 Abs. 1 der RL Nr. 92/12/EWG hat jedoch im Gebiet der Gemeinschaft, nämlich in Frankreich gelegen.

Die von Deutschland nach Frankreich versandten Tabakwaren haben danach nicht im Sinn von Art. 5 Abs. 2 der RL Nr. 92/12/EWG als unter Steueraussetzung stehend gegolten, weil sie nicht im Zusammenhang mit der Einfuhr in ein Zollverfahren überführt worden sind. Denn es gab tatsächlich keinen Grenzübertritt von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, und die streitgegenständlichen Beförderungen stehen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einfuhr von Tabakwaren. Sie stellen sich daher als bloßer Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren zwischen Mitgliedstaaten dar, für den neben den zollrechtlichen Vorschriften auch die verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften maßgebend sind.

Das Gemeinschaftsrecht geht nach dem Wortlaut dieser Vorschriften somit davon aus, dass ein Begleitdokument nach Art. 18 Abs. 1 der RL Nr. 92/12/EWG nur dann entbehrlich ist, wenn verbrauchsteuerpflichtige Tabakwaren in die Gemeinschaft verbracht und als solche einem gemeinschaftlichen Zollverfahren unterworfen werden und/oder in diesem wieder in ein Drittland ausgeführt werden. Die erstmalige Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Tabakwaren sowie deren Beförderung zwischen Mitgliedstaaten im Rahmen des Zollverfahrens der aktiven Veredelung werden dann nicht von Art. 5 Abs. 2 der RL Nr. 92/12/EWG erfasst.

b) In diesem Sinne sind auch die bestehenden deutschen Vorschriften abgefasst. Denn nach dem nationalen deutschen Tabaksteuerrecht sind für die streitgegenständlichen Beförderungen der Tabakwaren von Deutschland nach Frankreich die Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts maßgeblich gewesen.

Gemäß § 21 Satz 1 Nr. 1 TabStG, der nach der Gesetzesbegründung auch der Umsetzung von Art. 5 der RL Nr. 92/12/EWG (BT-Drucksache 12/3432 vom 14. Oktober 1992) dienen soll, gelten für das Steuerverfahren und die Entstehung der Steuer zwar grundsätzlich die Zollvorschriften sinngemäß, wenn sich Tabakwaren in einem Zollverfahren befinden. § 23 Abs. 2 TabStV erklärt allerdings § 21 TabStG für unanwendbar, wenn Tabakwaren - wie vorliegend - im Rahmen einer aktiven Veredelung hergestellt werden.

Für den Versand von Tabakwaren unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager im Steuergebiet an ein Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat gilt gemäß § 20 Abs. 1 TabStV die Regelung in § 17 TabStV, der vorschreibt, dass der zollamtlich bestätigte Rückschein vom Empfänger innerhalb einer vorgeschriebenen Frist an den Versender zurückzusenden ist. Dementsprechend muss der Versender von Tabakwaren nach § 18 Abs. 3 TabStG innerhalb einer Frist von vier Monaten ab dem Tag des Versandbeginns den Nachweis führen, dass die Tabakwaren am Bestimmungsort angelangt sind, ansonsten entsteht die Tabaksteuer.

Vorliegend kommen danach nach deutschem Recht, obwohl sich die Tabakwaren zollrechtlich in einem Nichterhebungsverfahren befunden haben, sowohl die zollrechtlichen als auch die verbrauchsteuerrechtlichen Regelungen zur Anwendung (vgl. Bongartz, Überführung von verbrauchsteuerpflichtiger Waren in ein Zollverfahren, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern, 1998, Seite 182, insbesondere Seite 186 Fußnote 48). Es ist daher nach deutschem Recht erforderlich, dass die Klägerin einen zollamtlich bestätigten Rückschein vorlegt, den sie für ihr Nichterhebungsverfahren nach Art. 84 ZK nicht benötigt.

c) Es bestehen allerdings Zweifel, ob dieses Ergebnis mit Sinn und Zweck der RL Nr. 92/12/EWG vereinbar ist.

In den Erwägungsgründen zur RL Nr. 92/12/EWG ist zum einen zwar unter anderem angeführt, dass die Durchsetzung des Steueranspruchs eine Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren voraussetzt, so dass ein Begleitpapier für diese Waren vorzusehen ist (vgl. Satz 2 des 10. Erwägungsgrunds). Zum anderen stellt der 15. Erwägungsgrund eindeutig klar, dass das Begleitpapier nicht zu verwenden ist, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Rahmen einer anderen gemeinschaftlichen Zollregelung als der Überführung in den freien Verkehr befördert werden oder in eine Freizone oder ein Freilager verbracht werden. Der Richtliniengeber unterscheidet dabei nicht, ob die verbrauchsteuerpflichtigen Waren als solche eingeführt oder erst im Rahmen eines Zollverfahrens hergestellt worden sind.

Für das vorlegende Gericht kommt deshalb ernsthaft in Betracht, dass auch der letztgenannte Sachverhalt von Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 erster Gedankenstrich der RL Nr. 92/12/EWG erfasst werden sollte und diese Fallkonstellation bei der Abfassung der RL möglicherweise nicht gesehen worden ist. Denn es ist nach der Auffassung des Senats nicht zu erkennen, warum es einen Unterschied machen soll, ob verbrauchsteuerpflichtige Waren eingeführt werden und sich diese in einem Zollverfahren nach Art. 84 Abs. 1 Buchst. a ZK befinden oder ob diese erst im Gemeinschaftsgebiet hergestellt werden und dann in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden. Es scheint deshalb nahe liegend, dass die Regelung in Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 erster Gedankenstrich der RL Nr. 92/12/EWG erst recht dann gelten muss, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren erst im Rahmen des Zollverfahrens hergestellt werden, insbesondere, wenn unstreitig ist, dass dieses Zollverfahren ordnungsgemäß - im Streitfall durch Ausfuhr - beendet worden ist. Eine Kenntnis und Kontrolle der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist dann im Rahmen der Überwachung des bewilligten aktiven Veredelungsverkehrs sichergestellt. Hinzu kommt, dass sich die Forderung nach einem zollamtlich bestätigten Rückschein in einem Verbrauchsteuerverfahren, das von einem bereits bewilligten Zollverfahren überlagert wird, als bloßer Formalismus darstellt, der für die Marktbeteiligten ein zusätzliches Handelshemmnis im Gemeinsamen Binnenmarkt darstellen kann.

3. Für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung ist, dass der vorliegende Sachverhalt nicht von Art. 5 Abs. 2 der RL Nr. 92/12/EWG erfasst wird, stellt sich die weitere Frage, ob der Nachweis, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren beim Empfänger angekommen sind, auch in anderer Weise als durch einen amtlich bestätigten Rückschein des bVd geführt werden kann.

a) Denn wenn für die streitgegenständlichen Beförderungen auch die verbrauchsteuerrechtlichen Regelungen zu beachten gewesen sind, stellen die von der Klägerin vorgelegten Lieferscheine und CMR-Frachtbriefe mit den hierauf angebrachten Empfangsbestätigungen der Fa. L nämlich keinen ausreichenden Nachweis dafür dar, dass die streitgegenständlichen Tabakwaren tatsächlich am Bestimmungsort angelangt sind. Nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 und 3 TabStV hätte das Exemplar 3 (Rückschein) des zugelassenen IPR-Delivery Documents von der französischen Zollverwaltung bestätigt werden müssen.

Das HZA kann nämlich eine amtliche Bestätigung des Rückscheins (Exemplar 3) verlangen, weil der Bestimmungsmitgliedstaat (Frankreich) seinerseits vorgeschrieben hat, dass die Ausfertigung des Begleitdokuments, die zur Erledigung des Verfahrens an den Versender zurückzuschicken ist, von seinen Behörden bestätigt oder mit einem Sichtvermerk versehen wird (vgl. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 4 Satz 1 der RL Nr. 92/12/EWG). Seit dem 1. Januar 2003 werden in Frankreich Lieferungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren an einen Steuerlagerinhaber auf der dritten Ausfertigung des Begleitdokuments durch einen Sichtvermerk bestätigt (vgl. VSF N 15 2003 Nr. 100 vom 10. März 2003, DV VSF 1240 Abs. 20, BMF-Erlass III A 2 - V 1258 - 3/03 vom 18. Mai 2004). Diese Bestätigung erfolgt danach durch amtlichen Stempel oder durch den Wirtschaftsbeteiligten mittels einer fortlaufenden Nummer einer von der Zollverwaltung anerkannten Maschine (vgl. Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 4 Buchst. d der RL Nr. 92/12/EWG).

Da die Klägerin diesen Nachweis aber nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten ab dem Tag des Versendens erbracht hat, gelten die versandten Tabakwaren nach § 18 Abs. 3 Nr. 1 TabStG als im deutschen Steuergebiet dem Steuerfestsetzungsverfahren entzogen, obwohl sie gem. Art. 512 Abs. 1 ZKDVO im aktiven Veredelungsverkehr ohne Zollförmlichkeiten vom Tabakwarenherstellungsbetrieb der Klägerin in Deutschland zum Steuerlager der Fa. L in Frankreich befördert werden konnten.

b) Der Senat hat Zweifel, ob dieses Ergebnis mit Art. 15 Abs. 4 der RL Nr. 92/12/EWG vereinbar ist, denn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hat der zugelassene Lagerinhaber bzw. Versender den Nachweis dafür, dass der Empfänger die Waren übernommen hat, "insbesondere" mittels des in Art. 18 genannten Begleitdokuments unter den in Art. 19 festgelegten Bedingungen zu führen. Der Wortlaut deutet darauf hin, dass der Nachweis - entgegen der Auffassung des HZA - auch auf andere Weise geführt werden kann, selbst wenn kein vom Bestimmungsmitgliedstaat bestätigtes oder mit einem Sichtvermerk versehenes (zugelassenes) Handelsdokument vorliegt. In Betracht kommt insoweit insbesondere ein Nachweis durch die ordnungsgemäße Erledigung des Zollverfahrens der aktiven Veredelung für die streitgegenständlichen Waren.

Ende der Entscheidung

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