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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: 14 K 2229/06
Rechtsgebiete: BrMG


Vorschriften:

BrMG § 143 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ......,

des Richters am Finanzgericht ...... und

der Richterin am Finanzgericht ...... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...... und ......

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA) den Kläger zu Recht als Schuldner von Branntweinsteuer in Anspruch genommen hat.

Der Kläger übernahm als Frachtführer (Spediteur) am 16. Juli 1998 bei der Fa. D in Italien eine Sendung mit 28.000 Liter 96%igen Alkohol zur Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft unter Steueraussetzung über Deutschland nach Russland. Als Bestimmungsstelle war das Zollamt L angegeben. Hierfür war das begleitende Verwaltungsdokument (bVd) Nr. 31/A ausgestellt. Fahrer des Transports war der zwischenzeitlich verstorbene J.

Nach den Feststellungen des HZA wurde die Alkoholsendung nach Deutschland verbracht, wo das von den italienischen Behörden ausgestellte bVd gegen gefälschte Begleitpapiere ausgetauscht wurde, die als beförderte Ware Teppichbodenfixierung auswiesen. Mit diesen wurde die Alkoholsendung über das Zollamt P nach Tschechien ausgeführt. Die ordnungsgemäße Erledigung des bVd wurde durch gefälschte Zollstempel und Abfertigungsvermerke vorgetäuscht.

Der Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts X vom 27. Juli 1999 u.a. wegen seiner Beteiligung am hier streitgegenständlichen Alkoholtransport (Fall Nr. 2 des Strafurteils) als Mittäter einer Steuerhinterziehung verurteilt, weil er sein Fahrzeug und den Fahrer, entsprechend der Bestellung seiner Auftraggeber zum Alkoholschmuggel und in Kenntnis der Tatumstände, zur Verfügung gestellt und den Fahrer mittels Mobilfunktelefon zu den ihm vorgegebenen Orten dirigiert hat. Hinsichtlich der Abwicklung des streitgegenständlichen Alkoholtransports wird auch auf das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Y, mit dem andere an dem Alkoholschmuggel beteiligte Personen wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurden, und das Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung des Fahrers J vom 12. Februar 1999 verwiesen.

Das HZA forderte deshalb mit Steuerbescheid vom 8. April 2003 vom Kläger 350.459,91 EUR Branntweinsteuer an, weil er sich durch arbeitsteiliges Zusammenwirken mit den Hintermännern des Schmuggels am Entziehen des Branntweins aus dem Steueraussetzungsverfahren beteiligt habe.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2006 Klage, mit der er im Wesentlichen geltend macht, weder für die Anmeldung unzutreffender Waren bei der Ausgangsstelle verantwortlich noch hieran beteiligt gewesen zu sein. Sein Geständnis vor dem Landgericht X sei nur vor dem Hintergrund der ungünstigen Prozesssituation und auf dringende Empfehlung seines damaligen Verteidigers zur Vermeidung einer höheren Freiheitsstrafe abgegeben worden.

Der Kläger beantragt,

den Steuerbescheid vom 8. April 2003 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bringt im Wesentlichen vor, dass die Beteiligung des Klägers am Entziehen durch das Einräumen des äußeren Tathergangs vor dem Landgericht X und dessen rechtskräftiges Urteil sowie durch die Aussage des Fahrers J belegt sei. Er sei Mittäter gewesen, denn seine Rolle als koordinierender Fuhrunternehmer der Fahrt und als Vermieter des Lkw-Gespanns sei unverzichtbar für das Gelingen des Tatplans gewesen. Seine gegenteiligen Einlassungen seien als Schutzbehauptungen zu werten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist nicht begründet.

Das HZA hat den Kläger zu Recht als Schuldner der entstandenen Branntweinsteuer in Anspruch genommen.

1. Die Branntweinsteuer für den mit dem streitgegenständlichen Transport aus Italien über Deutschland nach Tschechien verbrachten Alkohol ist unstreitig gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 Branntweinmonopolgesetz - BranntwMonG - in Deutschland entstanden, weil er dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden ist, indem bei der Ausgangszollstelle eine andere als die in das Verfahren der Steueraussetzung übergeführte Ware angemeldet worden ist und hierbei entsprechend gefälschte Versandpapiere vorgelegt worden sind.

Die tatsächliche Ausfuhr des Alkohols in die Tschechische Republik steht der Annahme, dass die Steuer nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden ist, nicht entgegen (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 29. Oktober 2002 VII R 48/01, BFH/NV 2003, 279).

2. Der Kläger ist, neben den anderen Tatbeteiligten, weiterer Steuerschuldner nach § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG geworden. Er ist Entzieher i.S. dieser Vorschrift. Zwar hat er die eigentliche Entziehungshandlung (Austausch der Papiere, Falschdeklaration bei der Ausgangszollstelle) nicht in eigener Person vorgenommen, ihm ist aber die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren durch andere Mitglieder der Organisation wie eigenes Tun zuzurechnen.

a) Es ist zwar weder im Verbrauchsteuer- noch im Zollrecht definiert, wer Verantwortlicher einer Entziehung ist. Art. 203 Abs. 3 Zollkodex (ZK) legt nicht fest, wer als Entzieher anzusehen ist, sondern bestimmt lediglich, dass neben dem Entzieher weitere Personen, z.B. Gehilfen, Steuerhehler, weitere Zollschuldner werden.

Der BFH hat zum Begriff des "Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung" entschieden, dass das Entziehen eine Tathandlung sei, die zwar von einem entsprechenden Handlungswillen getragen sein müsse, aber das Wissen um die Rechtsfolgen dieser Handlung nicht voraussetze. Diese träten vielmehr kraft Gesetzes ein. Täter der Entziehungshandlung sei im Regelfall derjenige, der die Handlung selbst ausführt. Sei er jedoch nur willenloses Werkzeug eines anderen, der die Tatherrschaft inne hat, so sei dieser der Entzieher und damit Abgabenschuldner (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2000 VII B 78/00, BFH/NV 2001, 74). "Entziehender" sei somit jeder, der durch sein Handeln oder Unterlassen den Erfolg herbeiführt, dass zollamtliche Überwachungsmaßnahmen nicht mehr möglich sind. Das Kriterium einer tatsächlichen Sachherrschaft ist in dieser Definition nicht enthalten (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 370/02, BFH/NV 2004, 843).

Der Bundesgerichtshof (BGH) folgert aus Art. 203 Abs. 3 ZK im Umkehrschluss, dass bloße Gehilfen bei einer Entziehung nicht selbst als Entzieher anzusehen sind. Im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des BFH zur Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung seien für die Bestimmung der Täterschaft einer vorsätzlich herbeigeführten Entziehung i.S. von § 143 BranntwMonG die von der Rechtsprechung für die Mittäterschaft einer Straftat entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden (vgl. BGH-Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01, HFR 2003, 601).

Diese Definition kann, unter Berücksichtigung der allgemeinen Definition des BFH zum "Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren" auch für das Verbrauchsteuerrecht übernommen werden (so auch Reiche in Teichner/Alexander/ Reiche, Kommentar zum MinöStG, Rz. 85 zu § 18).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Kläger weiterer Steuerschuldner nach § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG geworden.

Der Kläger ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts X vom 27. Juli 1999 u.a. wegen des streitgegenständlichen Alkoholtransports als Mittäter einer Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Nach den Feststellungen in diesem Urteil ist das Verhalten des Klägers kausal für die Durchführung dieses Alkoholtransports gewesen. Er hätte ohne seinen Tatbeitrag (Zurverfügungstellung des Lkw und des Fahrers) nicht durchgeführt werden können. Der Kläger hat sich bewusst und gewollt am gemeinschaftlich und arbeitsteilig organisierten Alkoholschmuggel einer international organisierten und operierenden Bande beteiligt. Nach dem Urteil des Landgerichts hat der Kläger seinen Tatbeitrag auch in Kenntnis aller Tatumstände geleistet. Er ist also nicht ein willenloses Werkzeug einer hinter dem Alkoholschmuggel stehenden Organisation gewesen.

Da der Kläger gegen die Feststellungen in diesem Urteil keine substantiierten Einwendungen erhoben hat und diese nach Auffassung des Gerichts aufgrund der Feststellungen des HZA (vgl. Niederschrift über Beschuldigtenvernehmung des Fahrers J vom 12. Februar 1999 und das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Y, mit dem andere an dem Alkoholschmuggel beteiligte Personen wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind) auch zutreffend sind, kann sich das Gericht diese zu eigen machen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162 sowie BFH-Beschlüsse vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513 und vom 2. Juli 2008 VII B 242/07, n.v.). Zur Übernahme der vom Finanzgericht für zutreffend erachteten Feststellungen des Strafgerichts besteht besonders dann Anlass, wenn - wie im Streitfall - die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 1973 VII R 58/71, BStBl. II 1973, 666).

Die Einlassungen des Klägers zum Zustandekommen der Aussagen der Fahrer der o.g.

Strafurteilen zugrundeliegenden Alkoholtransporte, die ihn zu Unrecht beschuldigt hätten, können diese Feststellungen nicht in Frage stellen, zumal er nach den Feststellungen des Landgerichts X zur Strafzumessung den äußeren Tathergang eingeräumt hat.

Darauf, ob der Kläger wusste, dass aufgrund seines Tatbeitrags Branntweinsteuer entsteht und er dadurch weiterer Steuerschuldner wird, kommt es nach obigen Ausführungen nicht an. Maßgeblich ist allein, dass er den Entziehungstatbestand (als Mittäter) wissentlich verwirklicht hat. Es ist weder der Wille noch das Wissen, einen Steuertatbestand zu verwirklichen, erforderlich. Der Steueranspruch entsteht, verschuldensunabhängig, sobald der Tatbestand verwirklicht wird, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 Abgabenordnung - AO). Die für eine strafrechtliche Verurteilung erforderliche Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer Steuerhinterziehung (in Mittäterschaft) ist nicht Tatbestandsmerkmal des § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, welchen wirtschaftlichen Nutzen der Kläger aus der Entziehungshandlung gezogen hat.

3. Der Steuerbescheid weist auch keine Ermessensfehler auf.

Sind - wie vorliegend - mehrere Personen als Gesamtschuldner zur Erfüllung einer Zollschuld verpflichtet, liegt die Frage, gegen welchen Gesamtschuldner die Abgaben festgesetzt werden, im pflichtgemäßen Ermessen des HZA. Die Ermessensentscheidung kann nach § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom Gericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Steuerbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Ermessensentscheidung muss deshalb grundsätzlich spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden, bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens ist allenfalls eine Ergänzung der Begründung möglich (§ 102 Satz 2 FGO).

Im Fall einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat ist das Auswahlermessen des HZA jedoch, so der BFH (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597), in der Weise vorgeprägt, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Mit dem Hinweis im Steuerbescheid auf weitere Gesamtschuldner wird in einem solchen Fall in ausreichender Weise deutlich gemacht, dass das HZA erkannt hat, dass ein Auswahlermessen auszuüben war. Haben mehrere Gesamtschuldner als Täter oder Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, stehen diese bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Der jeweils betroffene Abgabenschuldner kann in diesem Fall nicht beanspruchen, dass das HZA bei der Ermessensausübung in einer Weise differenziert, dass andere Gesamtschuldner abgabenrechtlich in Anspruch genommen werden, er selbst hingegen nicht (vgl. BFH in BFH/NV 2004, 597).

4. Ebenso wenig war Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Festsetzungsfrist hat gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre betragen, da der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen hat (s.o.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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