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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 14 K 2715/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
UStG § 3a Abs. 4 Nr. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 2715/05

Umsatzsteuer 1998

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob die Vergütung für den Verzicht auf die Bestellung als Testamentsvollstrecker umsatzsteuerpflichtig ist.

Der Kläger wurde mit notariellem Testament vom 3. April 1990 zum alleinigen Testamentsvollstrecker des am 16. Juli 1998 verstorbenen S (Erblasser) bestellt. Die drei Töchter des Erblassers wurden zu Erbinnen eingesetzt. Gemäß § 2 des Nachtrags zu diesem Testament vom 29. Juli 1997 war der Testamentsvollstrecker verpflichtet, mit der Annahme des Amtes als Testamentsvollstrecker einen Ersatztestamentsvollstrecker zu benennen, der für den Fall seines Wegfalls das Amt des Testamentsvollstreckers ausüben sollte.

Für die Testamentsvollstreckung war eine Vergütung in Höhe von 2,5% des Bruttonachlasswerts zuzüglich Umsatzsteuer sowie eine jährliche Verwaltervergütung von 0,75% des der Verwaltung unterliegenden Bruttonachlasswerts zuzüglich Umsatzsteuer vorgesehen.

Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Erbengemeinschaft S hinsichtlich der Person des Klägers als Testamentsvollstreckers wurde zwischen dem Kläger und zwei der drei Erbinnen am 24. August 1998 eine Vereinbarung geschlossen, die den Verzicht des Klägers auf das Amt des Testamentsvollstreckers und die Ernennung eines zuvor benannten Ersatztestamentsvollstreckers zum Gegenstand hatte.

Gemäß § 1 der Verzichtsvereinbarung war der Kläger verpflichtet, unverzüglich nach Abschluss der Verzichtsvereinbarung gegenüber dem Nachlassgericht G die Annahme des Amts als Testamentsvollstrecker zu erklären und in diesem Zusammenhang den von den Erbinnen gewünschten Ersatztestamentsvollstrecker zu benennen. Ferner wurde vereinbart, dass der Kläger den Erbinnen mit Abschluss der Verzichtsvereinbarung eine weitere Erklärung an das Nachlassgericht G übergeben sollte, wonach er das Amt des Testamentsvollstreckers mit sofortiger Wirkung kündigt. Mit dieser Vorgehensweise sollte sichergestellt werden, dass der von den Erbinnen gewünschte Ersatztestamentsvollstrecker das Amt antreten kann.

Für den Verzicht auf das Amt des Testamentsvollstreckers sowie für die Benennung des gewünschten Ersatztestamentsvollstreckers wurde zwischen den Parteien eine als "Abfindung" bezeichnete Einmalzahlung in Höhe von 3.750.000 DM (1.917,345 EUR) zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart, mit der alle Ansprüche des Klägers aus seiner testamentarischen Benennung als Testamentsvollstrecker abgegolten sein sollten. Nach Abgabe der vorgenannten Erklärungen erhielt der Kläger die Vergütung, allerdings ohne Umsatzsteuer.

Aufgrund der Kündigungserklärung des Klägers beantragte der Ersatztestamentsvollstrecker am 25. August 1998 beim Amtsgericht G die Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe sein Amt als Testamentsvollstrecker missbräuchlich ausgeübt, da er es nur angenommen habe, um es nach Benennung des Ersatztestamentsvollstreckers gegen Abfindung sogleich wieder zu kündigen.

Rechtsmittel gegen diesen Beschluss blieben erfolglos. In allen zivilrechtlichen Instanzen wurde die vom Kläger im Rahmen der Verzichtserklärung eingegangene Verpflichtung als sittenwidrig und unwirksam gemäß § 138 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angesehen.

Das Finanzamt (FA) behandelte die Vergütung als umsatzsteuerpflichtige Leistung und setzte mit Bescheid vom 1. Februar 1998 die Umsatzsteuer 1998 entsprechend fest. Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger geltend, dass es sich bei der Vergütung mangels Leistungsaustausch um einen nichtsteuerbaren Vorgang handle. Zu Unrecht stütze sich das FA auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Mai 2004, da sich der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt erheblich von dem des Streitfalls unterscheide.

Während in dem vom BFH entschiedenen Fall ein wirksam amtierender Testamentsvollstrecker im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Alleinerben die Testamentsvollstreckung beendet und für die Aufgabe seines Amtes eine Entschädigung erhalten habe, die die entgangenen zukünftigen Honorare kompensieren solle, hätte der Kläger aufgrund der sittenwidrigen Verzichtsvereinbarung das Amt des Testamentsvollstreckers von Anfang an nicht wirksam angetreten. Folglich habe er auch nicht wirksam einen Ersatztestamentsvollstrecker benennen und anschließend sein Amt niederlegen können. Da er mangels Stellung als Testamentsvollstrecker auf die Ausübung dieser Tätigkeit nicht verzichten habe können, habe er keine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG an die Erbinnen erbracht.

Zwischen dem Kläger und den Erbinnen hätte von Anfang an weder ein Vertrag, vertragsähnliches Verhältnis noch ein gesetzliches Schuldverhältnis bestanden. Von der Rechtsprechung des BFH werde das Vorliegen eines Leistungsaustausches jedoch als Voraussetzung für eine sonstige Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne gefordert. Der Europäische Gerichtshof fordere in diesem Zusammenhang eine Leistung im wirtschaftlichen Sinn, d.h. einen Vorteil, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.

Im Streitfall bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Vergütung und der Vereinbarung mit den Erbinnen, da es wegen der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung nicht zu diesem Leistungsaustausch gekommen sei.

Selbst bei Bejahung eines umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausches könne eine Umsatzsteuerschuld nicht entstehen, da die Bemessungsgrundlage für die Steuer gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG geändert werden müsse. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass der Rückforderungsanspruch der Erbinnen gegenüber dem Kläger gemäß § 817 BGB ausgeschlossen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 1. Februar 2002 und der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2005 das FA zu verpflichten, für das Jahr 1998 Umsatzsteuer in Höhe von DM 18.702,62 (9.562,50 EUR) festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die dem Kläger von den Erbinnen gezahlte Vergütung zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus; der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteile vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer-und Verkehrsteuer-Recht --UVR-1997, 430;vom 29. Februar 1996 Rs. C-215/94, Mohr, Slg. 1996, I-959;vom 18. Dezember 1997 Rs. C-384/95, Landboden, Slg. 1997, I-7387, UVR 1998, 51, und Urteil des BFH vom 11. April 2002 V R 65/00, BStBl II 2002, 782).

2. Eine sonstige Leistung stellt gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG 1993 auch der Verzicht dar, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. November 2003 V R 59/02, BFHE 203, 540). Wie der BFH entschieden hat, stellt auch die Aufgabe eines Amts als Testamentsvollstrecker eine derartige Leistung dar(Urteil vom 6. Mai 2002 V R 40/02, BStBl II 2004, 854). Diese Auslegung entspricht auch dem Gemeinschaftsrecht (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG), da insoweit eine Leistung im wirtschaftlichen Sinn vorliegt.

Im Streitfall liegt danach eine Leistung gegen Entgelt vor, da sich die Erbinnen zur Zahlung der Vergütung an den Kläger verpflichtet haben, um dessen Verzicht auf die Ausübung seines Amts als Testamentsvollstreckers und die gleichzeitige Benennung des Ersatztestamentsvollstreckers zu erreichen, und der Kläger hierfür die vereinbarten Geldwerte erhalten hat. Damit besteht der vom Europäischen Gerichtshof geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert.

3. Die zivilrechtliche Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts steht der Verwirklichung des Umsatzes nicht entgegen (vgl. § 40 der Abgabenordnung --AO 1977--). Ohne umsatzsteuerrechtliche Bedeutung ist, dass die Leistung und das ihr zugrunde liegende Rechtsgeschäft sittenwidrig (§§ 138, 817 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) waren (Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Rdn 69 zu § 1 UStG, BFH Urteil vom 4. Juni 1987 V R 9/79, BStBl II 1987, 653 zu sittenwidrigen Umsätzen m.w.N.). Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nur auf die Leistung im wirtschaftlichen Sinn abzustellen. Durch den Erhalt der Vergütung hat der Kläger einen Vorteil erlangt, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.

4. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht in Betracht. Insoweit ist ebenfalls nicht auf das Zivilrecht (§ 817 BGB) abzustellen. In umsatzsteuerlicher Hinsicht ist erforderlich, dass eine Leistung rückgängig gemacht worden ist. Unstreitig hat jedoch auf Grund der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit den Erbinnen keine Rückzahlung der erhaltenen Vergütung stattgefunden.

5. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe ersichtlich ist.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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