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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 14 K 328/04
Rechtsgebiete: AO, GmbHG, FGO


Vorschriften:

AO § 34 Abs. 1
AO § 37
GmbHG § 35
FGO § 135 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 328/04

Haftung für Umsatzsteuer

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) den Kläger zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat.

Der Kläger war gemäß Vertrag über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) vom 11. März 1998 neben Herrn B Gesellschafter zu gleichen Anteilen und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma R & B GmbH (nachfolgend GmbH). Unternehmensgegenstand der Gesellschaft bildete Fassadentechnik.

Der Kläger hat seine Tätigkeit als Geschäftsführer bis zur Löschung der GmbH im Handelsregister ausgeübt. Die Löschung erfolgte aufgrund Vermögenslosigkeit gemäß § 141a des Gesetzes über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) am 21. Juni 2002. Bereits am 4. September 2001 hatte das zuständige Amtsgericht die Löschung aufgrund vermuteter Vermögenslosigkeit angekündigt, nachdem die eidesstattliche Versicherung für die GmbH am 10. April 2001 abgegeben worden war.

In den Jahren 1998 und 1999 wurden Umsatzsteuervoranmeldungen durch den steuerlichen Vertreter der Gesellschaft gefertigt und abgegeben. Die Jahreserklärungen gingen für das Jahr 1998 am 7. Dezember 2000 und für das Jahr 1999 am 10. August 2001 ein, nachdem das FA die Besteuerungsgrundlagen zuvor geschätzt hatte. Nach antragsgemäßer Veranlagung ergab sich für das Jahr 1998 eine Umsatzsteuernachzahlung von 2.590,00 DM und für das Jahr 1999 eine Umsatzsteuernachzahlung von 32.530,10 DM. Der Steuerberater begründete die Nachzahlung mit Abweichungen in der Buchhaltung, die sich erst bei Erstellung des Jahresabschlusses 1999 ergeben hätten.

Ab 28. November 2000 war die Vollstreckungsstelle des FA mit der Beitreibung rückständiger Steuern der GmbH befasst. Bis auf einen Zahlungseingang von 294,49 DM aus einer Bankkontenpfändung blieb die Vollstreckung jedoch im Wesentlichen erfolglos.

Am 5. Februar 2003 erließ das FA gegen den Kläger und Herrn B Haftungsbescheide über Umsatzsteuer 1998 und 1999, Zinsen und Verspätungszuschläge von 18.524,63 EUR zuzüglich Säumniszuschläge von 3.100,59 EUR und begründete dies mit der Verletzung steuerlicher Pflichten wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen sowie der Nichtzahlung der Steuern als Geschäftsführer der GmbH. Die Inanspruchnahme für die Umsatzsteuerschulden in voller Höhe rechtfertigte das Amt mit der unterlassenen Mitwirkung des Klägers bei einer eventuell vorrangigen Befriedigung anderer Gläubiger.

Dem hiergegen eingelegten Einspruch gab das FA mit Entscheidung vom 5. Dezember 2003 in Höhe der Haftung für Säumniszuschläge in Höhe von 35,38 EUR statt. Im Übrigen wurde er als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der dagegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend, dass er zu Unrecht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werde, da ihm keine grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer vorgeworfen werden könne. Obwohl die Aufgabenbereiche der beiden Geschäftsführer der GmbH nicht schriftlich festgelegt worden seien, habe von Beginn der Geschäftstätigkeit festgestanden, dass sich der Kläger um die Auftragsabwicklung vor Ort, die Materialbeschaffung sowie die Beaufsichtigung der Baustellen kümmern solle. Dagegen sei Herrn B neben seiner Mithilfe auf den Baustellen für das Rechnungswesen zuständig gewesen. Aus diesem Grund sei bereits bei Gründung der Gesellschaft als Sitz und Anschrift die Wohnanschrift von Herrn B verwendet worden, da sich dort der Büroraum für die GmbH befunden habe, in dem der Schriftverkehr abgewickelt worden sei. Dieser Umstand werde durch die Buchhalterin der Steuerkanzlei bestätigt.

Nachdem im Gründungsjahr fristgerecht Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden seien, sei es ab Juli 1999 immer wieder zu Verzögerungen gekommen, weil Herr B in der Aufbereitung der Buchführungsarbeiten immer nachlässiger geworden sei. Nachdem der Kläger vom steuerlichen Vertreter der GmbH am 1. Oktober 1999 darüber informiert worden sei, habe er sich nach besten Kräften bemüht, die Buchführung wieder auf den laufenden Stand zu bringen. Seiner Mitwirkung sei es zu verdanken, dass für die Jahre 1998 und 1999 noch Jahresabschlüsse und Steuererklärungen erstellt werden konnten. Die sich daraus ergebende Steuerschuld habe aus den Mitteln der GmbH nicht mehr bezahlt werden können.

Wegen der Streitigkeiten in der Zusammenarbeit mit Herrn B habe der Kläger im Sommer 2000 seine persönliche Mitarbeit am Bau aufgekündigt. Seine Geschäftsführerstellung habe er nicht aufgegeben, um weiterhin Zugriff auf die Geschäftsunterlagen und Geldmittel zu haben.

Während die GmbH jedoch an das FA im Jahr 2000 noch Zahlungen in Höhe von 26.809,98 DM geleistet hätte, seien Lieferantenverbindlichkeiten mit Stand zum 31.12.1999 in Höhe von 303.024,00 DM nur in Höhe von 127.588,00 DM beglichen worden. Von einer vorrangigen Befriedigung anderer Gläubiger könne deshalb nicht die Rede sein.

Da er stets versucht habe, seinen Pflichten als Geschäftsführer im vollen Umfang nachzukommen, könne ihn das FA nun nicht wegen grober Fahrlässigkeit in Haftung nehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Haftungsbescheid vom 5. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2003 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II. Die Klage ist unbegründet.

Das FA durfte den Kläger zu Recht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als Geschäftsführer der GmbH für deren Abgabenschulden in Haftung nehmen.

1. Nach § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung 1977 (AO) haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer, § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG). Er muss für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten sorgen und deshalb Steuererklärungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abzugeben (§§ 18 Abs. 1 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG).

Aus der Vorschrift des § 34 Abs. 1 S. 2 AO ergibt sich darüber hinaus die Verpflichtung, die fälligen Steuern aus den verwalteten Mitteln zu bezahlen.

a) Der Kläger hat die ihm als Geschäftsführer der GmbH obliegenden Pflichten verletzt. Aufgrund der immer nachlässiger werdenden Buchführung konnten die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht mehr ordnungsgemäß erstellt werden. Nach Angaben des Steuerberaters mussten die für die Voranmeldung erforderlichen Beträge wiederholt geschätzt werden, da die Unterlagen der GmbH erhebliche Lücken aufwiesen.

Die Jahreserklärungen für 1998 und 1999 hätten aufgrund der allgemeinen Fristverlängerung bei steuerlicher Vertretung spätestens am 30. September 1999 bzw. 2000 abgegeben werden müssen. Tatsächlich ging die Erklärung für das Jahr 1998 am 7. Dezember 2000 und für das Jahr 1999 erst am 10. August 2001 ein, nachdem das FA die Besteuerungsgrundlagen zuvor geschätzt hatte. Aufgrund der verspäteten Abgabe konnten die Steuern nicht rechtzeitig festgesetzt werden.

b) Der Kläger hat diese ihm obliegende Pflichten zumindest auch in grob fahrlässiger Weise verletzt.

Eine Entlastung aufgrund der Geschäftsverteilung unter den Gesellschaftern aufgrund der vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten Grundsätze für die Haftungsbegrenzung unter Mitgeschäftsführern kommt nicht in Betracht (vgl. Urteil des BFH vom 10. Mai 1988 VII R 24/85, BFH/NV 1989, 72).

Danach darf ein Geschäftsführer auch bei einer internen Aufgabenverteilung nicht blind auf die gewissenhafte Aufgabenwahrnehmung des für das Rechnungswesen zuständigen Beauftragten vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Vielmehr hat er sich fortlaufend über den Geschäftsgang zu unterrichten, so dass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl.Urteil vom 27. November 1990 VII R 20/89, BStBl II 1991, 284 undvom 16. April 1985 VII R 132/80, BFH/NV 1987, 273). Eine interne Aufgabenverteilung und eine damit möglicherweise verbundene Haftungsbegrenzung werden spätestens dann hinfällig, wenn ein Vertreter der Gesellschafter für die Mitgeschäftsführer erkennbar die ihm zugewiesenen Aufgaben unzureichend erfüllt oder wenn das Unternehmen in eine finanzielle Krise gerät. Sobald Anlass an der Zuverlässigkeit des die Geschäftsführung wahrnehmenden Mitgesellschafters besteht, darf der Mitgeschäftsführer dies nicht auf sich beruhen lassen, sondern muss entsprechende Überwachungsmaßnahmen ergreifen, um eine fristgerechte Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten zu gewährleisten (Beschluss des BFH vom 31. Oktober 2005 V II B 66/05, BFH/NV 2006, 480).

Ein Geschäftsführer, der sich in der von ihm vertretenen Gesellschaft damit nicht durchsetzen kann und sich an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Überwachungspflichten gehindert sieht, darf nicht untätig bleiben, sondern muss zur Vermeidung haftungsrechtlicher Konsequenzen sein Amt niederlegen (Beschluss des BFH vom 5. März 1985 VII B 69/84, BFH/NV 1987, 422).

Im Streitfall fehlt der vertragliche Nachweis einer Zuständigkeitsvereinbarung. Durch die räumliche Unterbringung der Büroräume in der Wohnung des Mitgesellschafters ergibt sich jedenfalls nicht, dass nur dieser Mitgesellschafter für die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten verantwortlich war. Ebenso wenig deutet die Bestätigung der Buchhalterin der Steuerkanzlei, dass nur Herr B Ansprechpartner für die Abwicklung der Buchhaltung war, darauf hin, dass es dem Kläger aufgrund einer internen Vereinbarung untersagt war, sich um die ordnungsgemäße Erfüllung der Geschäftsführertätigkeit zu kümmern.

Dem Kläger war nach eigenem Vorbringen spätestens ab dem 1. Oktober 1999 bekannt, dass sein Mitgeschäftsführer das Rechnungswesen der GmbH erheblich vernachlässigt hatte. Ab diesem Zeitpunkt hätte er in die Geschäftsführung eingreifen und die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft sicherstellen müssen. Eine Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer ist jedoch nicht erfolgt, die Aufkündigung seiner Mitwirkung an den Arbeiten auf den Baustellen kann keine Haftungsbegrenzung bewirken.

Das FA hat daher die unzulängliche Überwachung der Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zu Recht als zumindest grob fahrlässig und damit haftungsbegründende Pflichtverletzung eingestuft.

c) Die Pflichtverletzung war auch kausal für den eingetretenen Steuerausfall (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).

Bei einer ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm obliegenden Pflichten hätte der Kläger bereits im Jahr 1999 für die vollständige und wahrheitsgemäße Erfassung aller steuerlichen Umsätze in den Voranmeldungen sorgen müssen. Zu einer Abschlusszahlung in Höhe von 32.530,10 DM wäre es dann nicht gekommen. Die Abweichungen zwischen den in den Voranmeldungen und den in der Jahreserklärung angegebenen Umsätzen lagen zeitlich darüber hinaus in den ersten Monaten des Jahres 1999, als unstreitig noch ausreichende Mittel zur Verfügung standen, um den Zahlungsverpflichtungen der Gesellschaft nachzukommen.

So hatten die Gesellschafter und Geschäftsführer im Haftungszeitraum ihre Einzahlungsverpflichtung auf das Stammkapital mit je 12.500 DM nicht erfüllt. Zudem standen der GmbH Forderungen in erheblicher Höhe gegen ihre Gesellschafter zu, da sie im Jahr 1998 dem Kläger und seinem Mitgesellschafter einen Betrag in Höhe von 134.089 DM und im Jahr 1999 einen Betrag in Höhe von 399.920 DM zur Verfügung gestellt hatte.

Durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ist es jedoch zu einer verspäteten Steuerfestsetzung zu einem Zeitpunkt gekommen, in dem die GmbH nicht mehr in der Lage war, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

d) Nicht zu beanstanden ist auch die Ermessensentscheidung, den Kläger als Haftungsschuldner neben seinem Mitgesellschafter in Anspruch genommen. Das FA hat zutreffend auf die Gesamtverantwortung und Verwirklichung der steuerlichen Pflichtverletzung beider Gesellschafter abgestellt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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