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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 14 K 3554/04
Rechtsgebiete: ZK, ZKDVO, UStG, Rl. 83/182/EWG


Vorschriften:

ZK Art. 204 Abs. 1
ZK Art. 202 Abs. 1 Buchst. a
ZK Art. 137
ZKDVO Art. 558 Abs. 1 Buchst. a
ZKDVO Art. 558 Abs. 1 Buchst. b
UStG § 13 Abs. 2
UStG § 21 Abs. 2
Rl. 83/182/EWG Art. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 3554/04

Einfuhrumsatzsteuer Zoll

In der Streitsache ...

hat das Finanzgericht München, 14. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht ...... als Einzelrichter

ohne mündliche Verhandlung am

18. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Strittig ist, ob der Kläger wegen der Einfuhr eines Pkw als Abgabenschuldner in Anspruch genommen werden darf.

Der Kläger erschien am 8. April 2004 mit dem auf ihn in Polen zugelassenen Pkw der Marke Toyota Avensis, amtl. Kz. ..., am Zollamt Schirnding-Landstraße zur Einreise nach Deutschland. Da bei der Kontrolle festgestellt wurde, dass der Kläger sowohl einen Wohnsitz in X/Polen als auch in Y/Deutschland hatte, wurde er über die Voraussetzungen des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben belehrt. Er wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass er gegebenenfalls mit der Nacherhebung von Einfuhrabgaben für den Pkw zu rechnen habe, falls die Überprüfung ergebe, dass die Voraussetzungen für das genannte Zollverfahren nicht vorliegen.

In einem ihm übersandten Fragebogen gab der Kläger an, dass sein Familienwohnsitz in Y liege, wo er mit seiner Ehefrau und seinem Kind wohne. Der Sitz seiner Arbeitsstelle sei aber in Polen, von wo er so oft wie möglich nach Deutschland komme, um seine Familie zu besuchen. Nach seiner Heirat im Oktober 2002 habe er eine Aufenthaltserlaubnis beantragt und bekommen, sie aber nach der Kontrolle am 8. April 2004 wieder abgegeben.

Daraus folgerte der Beklagte (das Hauptzollamt -HZA-), dass die Voraussetzungen für eine einfuhrabgabenfreie vorübergehende Verwendung des Pkw nicht vorgelegen hatten und forderte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Mai 2004 vom Kläger Einfuhrabgaben i.H.v. insgesamt 4.484,42 EUR an.

Den dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2004 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass sein tatsächlicher Lebensmittelpunkt in Polen gelegen habe, da er polnischer Staatsbürger sei und seit September 2002 ununterbrochen bei einer Firma in Polen gearbeitet habe, wo auch sein Pkw zugelassen sei. Der ständige Mittelpunkt seiner Interessen habe demnach in Polen gelegen.

Der Kläger beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Mai 2004 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das HZA bringt vor, dass, wenn wie im vorliegenden Fall, persönliche Bindungen in Polen und im Zollgebiet der Gemeinschaft bestehen, die Bindungen zu Ehefrau mit Kind und Schwiegereltern wichtiger zu bewerten seien als die Bindung zur Mutter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akte und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Mit Beschluss vom 20. November 2007 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Das HZA hat im Ergebnis zu Recht Einfuhrabgaben i.H.v. insgesamt 4.484,42 EUR vom Kläger angefordert.

Die Einfuhrabgaben sind nicht gem. Art. 204 Abs. 1, sondern nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a Zollkodex (ZK) i.V.m. §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz in der hier maßgebenden Fassung (UStG) mit dem vorschriftswidrigen Verbringen des Fahrzeugs am 8. April 2004 in die Gemeinschaft entstanden.

Eine Einfuhrzollschuld entsteht gem. Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ZK in dem Zeitpunkt, in dem eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Dabei gelten Waren dann gem. Art. 234 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex (ZKDVO) als vorschriftswidrig verbracht, wenn sich bei einer Kontrolle ergibt, dass die Willensäußerung i.S.d. Art. 233 ZKDVO erfolgt ist, ohne dass die verbrachten Waren die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 ZKDVO erfüllen.

Der Kläger konnte die Zollanmeldung zur vorübergehenden Verwendung für sein Fahrzeug nicht gem. Art. 232 Abs. 1 Buchst. b ZKDVO durch eine Willensäußerung i.S.d. Art. 233 Abs. 1 Buchst. a zweiter Anstrich ZKDVO abgeben, weil die Voraussetzungen für eine vorübergehende Verwendung zum privaten Gebrauch unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben gem. Art. 137 ZK i.V.m. Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b ZKDVO nicht vorlagen.

Gem. Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b ZKDVO ist eine vorübergehende Verwendung von Straßenfahrzeugen zum privaten Gebrauch bei vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben nur möglich, wenn das Fahrzeug auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person amtlich zugelassen ist und von einer außerhalb dieses Gebietes ansässigen Person verwendet wird.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Einfuhr in der Gemeinschaft ansässig war, da er seinen normalen Wohnsitz in Y/Deutschland hatte (Art. 4 Nr. 2 erster Anstrich ZK).

Der Begriff des normalen Wohnsitzes ist zwar nicht im ZK definiert. Da der Begriff gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen ist, kann bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals auch nicht auf § 8 der Abgabenordnung (AO) abgestellt werden (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 244/02, BFH/NV 2003, 833). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich jedoch in seiner Rechtsprechung zu Art. 7 der Richtlinie 83/182/EWG über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel zum Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" geäußert (vgl. EuGH-Urteile vom 23. April 1991 Rs. C-297/89, Slg. 1991, I-01943 Rdnr. 17 ff. undvom 12. Juli 2001 Rs. C-262/99, Slg. 2001, I-05547 Rdnr. 43 ff.). Danach ist, wenn eine Person über persönliche und berufliche Bindungen in zwei Mitgliedstaaten verfügt, der bei einer Gesamtwürdigung aller erheblichen Tatsachen ermittelte Ort ihres gewöhnlichen Wohnsitzes der Ort, an dem sich der ständige Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. Wenn eine Gesamtbewertung der beruflichen und persönlichen Bindungen nicht ausreicht, um den ständigen Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen örtlich zu bestimmen, ist bei dieser Ortsbestimmung den persönlichen Bindungen der Vorrang einzuräumen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielrichtungen des Art. 7 der Richtlinie 83/182/EWG und der Vorschriften über die vorübergehende Verwendung kann o. g. Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des "gewöhnlichen Wohnsitzes" zwar nicht unmittelbar (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 244/02, a.a.O.), aber sinngemäß auf Art. 4 Nr. 2 ZK angewendet werden (Schwarz/Wockenfoth, Kommentar zum Zollrecht, Anm. 16 zu Art. 184 ZK).

Das HZA hat zu Recht angenommen, dass es sich beim Kläger um eine in der Gemeinschaft ansässige Person i.S.v. Art. 4 Nr. 2 erster Anstrich ZK gehandelt hat. Der Kläger hatte unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einreise seinen normalen bzw. gewöhnlichen Wohnsitz im Inland, nämlich in Y, weil sich dort bei einer Gesamtwürdigung der von den Beteiligten dargelegten Umstände der ständige Mittelpunkt seiner Interessen befunden hat.

Da der Kläger sowohl in Polen als auch in Deutschland über persönliche und berufliche Bindungen verfügt hat, und es deswegen bei einer Gesamtbewertung nicht möglich ist, den ständigen Mittelpunkt seiner Interessen örtlich zu bestimmen, ist bei dieser Ortsbestimmung seinen persönlichen Bindungen der Vorrang einzuräumen. Diese gehen insoweit seinen beruflichen Bindungen in Polen vor.

Im Streitfall hat der Kläger außer seiner polnischen Staatsbürgerschaft und der Beziehung zu seiner Mutter keine persönlichen Bindungen an seinen Wohnort in Polen gehabt. Der Schwerpunkt der persönlichen Bindungen hat vielmehr am gemeinsamen Familienwohnort in Deutschland bestanden. Ob der Kläger insoweit eine förmliche Aufenthaltserlaubnis gehabt hat, ist zwar für sich nicht entscheidungserheblich, aber ein weiteres Indiz für seine persönliche Bindung an den Familienwohnort. Welche Staatsangehörigkeit der Kläger hat, ist demnach nicht maßgeblich.

Der Kläger ist gem. Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich ZK i.V.m. §§ 13 a Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG Abgabenschuldner geworden, weil er das Fahrzeug vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat.

Die Berechnung der Höhe der Einfuhrabgaben ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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