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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 14 K 4037/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 1
UStG § 14 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 4037/05

Umsatzsteuer 2000 (Untätigkeitsklage)

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 7. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Änderung des Bescheids vom 16. April 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2006 wird die Umsatzsteuer für 2000 auf 3.428,01 EUR (6.704,60 DM) festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe:

I. Streitig ist, ob der Kläger Umsatzsteuer aus Rechnungen wegen unberichtigtem Steuerausweis schuldet.

Für die Jahre 1992 bis 1997 wurde im Gewerbebetrieb V der damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau des Klägers C in Z eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. Ein am 29. Juli 1998 in diesem Zusammenhang auch gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wurde eingestellt, da das FA keine eigenen Einkünfte des Klägers feststellen konnte (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle des FA Chemnitz-Süd). Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1997 waren zu diesem Zeitpunkt nicht abgegeben worden.

Von August 2000 bis Januar 2001 reichte der Kläger beim FA Chemnitz-Süd Erklärungen zur Einkommensteuer, Gewinnermittlung, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 1992 bis 1997 ein und bezahlte die von ihm errechneten Steuerbeträge (vgl. im einzelnen S. 5 des Berichts über die Fahndungsprüfung vom 12. März 2001). Dabei erklärte der Kläger Betriebseinnahmen aus einer Tätigkeit für Frau C und legte dem FA im Monat August 2000 mehrere Rechnungen vor. Darin hatte der Kläger für "Unterstützung, Beratung, Dienstleistungen, Aufbau, Personalauswahl" unter Ausweis von Mehrwertsteuer abgerechnet (vgl. S. 12 Rechtsbehelfsakte).

Nach Ansicht des FA handelte es sich insoweit um "Scheinrechnungen", da eine vertragliche Beziehung oder ein Leistungsaustausch nicht erfolgt und auch eine Rückdatierung vorgenommen worden sei. Im Rahmen der bei C durchgeführten Steuerfahndung hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass tatsächlich Entgelte an den Kläger gezahlt worden seien. Die Abgabe der Steuererklärungen und die Erstellung der Rechnungen seien ausschließlich in der Absicht erfolgt, die steuerliche und strafrechtliche Belastung seiner Ehefrau zu mindern. Der geltend gemachte Vorsteuerabzug bei C wurde nicht zugelassen.

Die Anträge des Klägers vom 14. September 2000 und 18. Januar 2001 auf Veranlagung gemäß seiner abgegebenen Umsatzsteuererklärungen 1992 bis 1997 wurden vom Finanzamt Chemnitz-Süd daher am 16. Mai 2001 abgelehnt. Einspruch wurde dagegen nicht eingelegt.

Am 13. März 2003 reichte der Kläger beim Finanzamt München IV eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2000 ein und erklärte darin steuerpflichtige Umsätze aus einem Cafe.

Davon abweichend legte das FA der Besteuerung neben diesen Umsätzen zusätzlich unberechtigt ausgewiesene Steuerbeträge in Höhe von 53.400 DM gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung (UStG) zugrunde. Das FA folgte insoweit den Feststellungen der Steuerfahndung, wonach die in den Rechnungen des Klägers an seine Ehefrau ausgewiesene Umsatzsteuer mangels Leistungsaustausches und Unternehmereigenschaft zu Unrecht ausgewiesen worden sei. Mit Bescheid vom 16. April 2003 wurde die Umsatzsteuer in Höhe von 30.730,69 EUR festgesetzt.

Mit dem am 23. April 2003 eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, dass die Berechnung der unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträge unklar sei, da er die Umsatzsteuern im Rahmen der eingereichten Erklärungen erklärt und bezahlt habe.

Am 10. November 2005 erhob der Kläger Untätigkeitsklage beim Finanzgericht München und beantragte die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 2000 vom 16. April 2003.

Mit Entscheidung vom 29. März 2006 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Die Rechnungen des Klägers an seine Ehefrau würden nicht als ordentliche Rechnungen im Rahmen eines Gewerbebetriebs anerkannt. Von einer Umsatzsteuerpflicht in den Jahren 1992 bis 1997 könne nicht ausgegangen werden. Der Ausweis von Umsatzsteuer in den strittigen Rechnungen sei zu Unrecht erfolgt. Da der Kläger die Rechnungen im August 2000 dem FA übergeben hätte, sei die von ihm zu entrichtende Umsatzsteuer im dritten Quartal des Jahres 2000 entstanden und abzuführen.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass das FA eine Doppelfestsetzung der Umsatzsteuer vorgenommen habe. Er halte daran fest, dass er in den Jahren 1992 bis 1997 für seine damalige Lebensgefährtin entgeltlich tätig gewesen sei. Aufgrund kriminaltechnischer Maßnahmen könne nicht nachgewiesen werden, dass die Rechnungen erst im Jahr 2000 erstellt worden seien. Das Amtsgericht Chemnitz habe ihn mit Urteil vom 25. Mai 2004 vom Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung freigesprochen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Bescheids vom 16. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2006 die Umsatzsteuer für das Jahr in Höhe von 6.704,60 DM (= 3.428,01 EUR) festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Klage ist begründet, der Kläger schuldet die gemäß § 14 Abs. 3 UStG festgesetzte Umsatzsteuer nicht.

1. Zunächst ist festzustellen, dass entgegen der Ansicht des Klägers keine Doppelfestsetzung der Umsatzsteuer erfolgt ist. Mit rechtskräftigem Verwaltungsakt vom 16. Mai 2001 hat das FA Chemnitz-Süd die Anträge des Klägers vom 14. September 2000 und 18. Januar 2001 auf Veranlagung der Umsatzsteuererklärungen 1992 bis 1997 abgelehnt, da das FA für diese Jahre nicht davon ausging, dass der Kläger eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Grundsätzlich wäre eine Festsetzung von Umsatzsteuer i.S.d. § 14 Abs. 3 UStG im Jahr 2000 daher möglich gewesen.

2. Das FA ist jedoch zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 UStG ausgegangen.

a) Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 UStG schuldet, wer in einer (anderen) Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt, den ausgewiesenen Betrag.

Der Kläger hat im Streitfall in mehreren Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen. Es kann insoweit dahinstehen, ob es sich dabei um Nachdatierungen oder Scheinrechnungen handelt oder worauf die Urteilsgründe des Amtsgerichts Chemnitz deuten, dass der Kläger tatsächlich Arbeiten im Betrieb von C verrichtet und dafür Geld erhalten hat.

b) Die streitgegenständlichen Rechnungen führen jedenfalls nicht zur Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG.

Denn mit der Bezeichnung der Leistung als "Unterstützung, Beratung, Dienstleistungen, Aufbau, Personalauswahl" hat der Kläger Art und Umfang der abgerechneten Leistung nicht hinreichend angegeben. Mangels eindeutiger Konkretisierung ist nicht erkennbar, in welchem Ausmaß und Umfang eine Tätigkeit erbracht worden ist.

Darüber hinaus fehlen teilweise Namen und Anschrift des Leistungsempfängers sowie der Zeitpunkt der Leistungen und in allen dem Gericht vorgelegten Rechnungen stets Name und Anschrift des leistenden Unternehmers.

Damit aber genügen die Rechnungen nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG, die - ebenso wie im Rahmen des Vorsteuerabzuges nach § 15 UStG - auch an eine Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 3 UStG zu stellen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. August 1996 V R 9/96, BFH/NV 1997, 381 m.w.N., Urteil des Finanzgerichts München vom 20. Februar 2003 14 K 4324/01, EFG 2003, 965). Denn zur hinreichenden Beschreibung des Leistungsgegenstandes im Abrechnungspapier müssen Angaben tatsächlicher Art enthalten sein, welche - gegebenenfalls unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel - die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist sowie die daran beteiligten Personen erkennen lassen. Die Anforderungen sind - je nach Besonderheit des Falles - unter gebotener Rücksichtnahme auf die praktischen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs abzugrenzen (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 14. Juli 1988 Rs. 123, 330/87, EuGHE 1988, 4537).

c) Ein Abrechnungspapier, das diese Anforderungen wie im Streitfall nicht erfüllt, fällt auch nicht als "andere Urkunde" unter den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 UStG.

Darunter ist nach Rechtsprechung des BFH eine Abrechnung zu verstehen, die entweder von einem Nichtunternehmer oder (von einem Unternehmer) über nicht ausgeführte Leistungen ausgestellt wird und damit nicht die begrifflichen Merkmale der Rechnung erfüllt (BFH-Urteil vom 28. Januar 1993 V R 75/88, BStBl II 1993, 357).

Im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG nicht erfüllt, weil die streitgegenständlichen Urkunden wegen ihrer ungenügenden Leistungsbeschreibung, die eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der abgerechneten Leistung nicht ermöglicht, nicht geeignet gewesen ist, im Rahmen des Vorsteuerabzugs bei der Rechnungsempfängerin wie eine Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 1 UStG verwendet zu werden und dadurch das Steueraufkommen zu gefährden (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 1998 V B 55/98, BFH/NV 1999, 683 m.w.N. und BFH-Urteil vom 4. Mai 1995 V R 29/94, BStBl II 1995, 747). Eine Vorsteuererstattung an C ist nicht erfolgt.

d) Als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 2000 sind somit ausschließlich die vom Kläger erklärten Umsätze anzusetzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

4. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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