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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 14 K 4045/05
Rechtsgebiete: AO, HGB


Vorschriften:

AO § 191 Abs. 1
HGB § 25 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 K 4045/05

Haftung für Lohnsteuer Umsatzsteuer des xxx

In der Rechtsstreit

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 11. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Steuerschulden seines Vaters F in Haftung genommen worden ist.

F betrieb einen Spenglerei- und Bedachungsbetrieb in M. Dabei befanden sich die Werkstatt in angemieteten Räumlichkeiten an der P-straße und die Büroräume im eigenen Wohnhaus an der K-Straße. Seit November 2003 blieb er mit Steuerzahlungen im Rückstand. Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts (FA) blieben erfolglos. Am 20. Januar 2005 gab F die eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht M ab (Bl. 5 ff Haftungsakte des FA), seinen Betrieb meldete er zum 2. Januar 2005 gegenüber dem Kreisverwaltungsreferat von M ab.

Mit Schreiben vom 14. April 2005 wurde dem FA mitgeteilt, dass F seinen Betrieb jedoch nicht aufgegeben oder verkauft habe, den Umfang seiner Tätigkeit jedoch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und seiner Vermögensverhältnisse erheblich reduziert habe.

Im Rahmen der Haftungsprüfung stellte das FA fest, dass der Kläger am 2. Januar 2005 unter Angabe der Betriebsstätte P-straße einen Spenglereibetrieb zur Neugründung angemeldet hatte. Zuvor hatte er mit insgesamt vier Verträgen (1., 15. und 20. September sowie 1. Oktober 2004, Bl. 12 ff Haftungsakte des FA) das wesentliche Anlagevermögen bestehend aus Büroausstattung sowie Maschinen von der Firma seines Vaters erworben, dem zugleich ein Mitbenutzungsrecht eingeräumt worden war (vgl. Schreiben des Klägervertreters an das FA vom 28. Januar 2005, Bl. 17 der Gerichtsakten). Laut Vereinbarung vom 28. Dezember 2004 wurden ihm von seinen Eltern die Büroräume an der K-Straße unentgeltlich zur Nutzung überlassen, die Werkstatt in der P-strasse mietete er ab 1. Januar 2005 an (vgl. Bl. 44 ff Haftungsakte des FA). Ansprüche der Firma Fr gegenüber einem Auftraggeber wurden dem Kläger mit Erklärung vom 30. Dezember 2004 abgetreten (Bl. 17 der Haftungsakte des FA).

Nach vorheriger Ankündigung und Anhörung nahm das FA den Kläger mit Bescheid vom 21. Juni 2005 für rückständige Steuern der Firma F in Höhe von 31.604,80 EUR wegen Fortführung dieses Handelsgeschäfts in Haftung (Bl. 50 der Haftungsakte des FA).

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Mit Entscheidung vom 26. Oktober 2005 setzte das FA die Haftungssumme auf 31.508,80 EUR herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass ihn das FA zu Unrecht für Steuerschulden in Haftung nehme, da die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erwerb oder die Übertragung des Handelsgeschäfts seines Vaters nicht erfüllt seien. So unterscheide sich sein Firmenname hinsichtlich des Schriftbildes und der Bezeichnung von dem Briefkopf seines Vaters, lediglich die Beschreibung der Tätigkeiten sei nahezu identisch. Eine Firmenfortführung läge jedoch nicht vor.

Bei den übernommenen Gegenständen habe es sich um gebrauchtes und abgeschriebenes Anlagevermögen gehandelt, dass er aus wirtschaftlichen Erwägungen von seinem Vater übernommen habe. Da dieser Erwerb jedoch nicht in einem einheitlichen Vorgang, sondern über einen Zeitraum von mehr als 30 Tagen stattgefunden habe, könne von einer Unternehmensübertragung im handelsrechtlichen Sinne nicht die Rede sein. Außerdem habe keine Veräußerung des Kundenstammes stattgefunden. Sein Vater habe darüber hinaus seinen Betrieb nicht eingestellt, sondern in stark verkleinerter Form fortgeführt und in den Monaten April und September 2005 auch Umsätze erwirtschaftet.

Hinzu komme, dass das FA ermessensfehlerhaft gehandelt habe. Unverständlich sei, warum das FA die Rückführung der Steuerschulden nicht durch die Betreibung der Zwangsversteigerung des Grundstücks von F bewirkt habe.

Bis zuletzt habe dieser versucht, seine Steuerrückstände ratenweise zurückzuführen und sei faktisch insolvent gewesen. Der Erwerb des väterlichen Betriebs im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hätte die Haftung für vorhandene Steuerschulden entfallen lassen. Es könne daher nicht angehen, dass sich ein nicht durchgeführtes Insolvenzverfahren für ihn nun nachteilig auswirke.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 21. Juni 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2005 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage hat keinen Erfolg. Das FA hat den Kläger zu Recht gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) i.V.m. § 25 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der für das Streitjahr gültigen Fassung (HGB) in Haftung genommen.

1. Nach dieser Vorschrift haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers einschließlich sämtlicher Steuerschulden (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH vom 17. September 1991 VII R 72/88, BFH/NV 1992, 360). Ob die Haftungsvoraussetzungen des § 25 HGB erfüllt sind, beurteilt sich nach der Rechtsprechung des BFH nach der maßgebenden zivilrechtlichen Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichthofs (BGH). Danach ist für die Haftung nach § 25 HGB nicht entscheidend, aufgrund welcher Vertragsgestaltung die Betriebsgrundlagen auf den Erwerber des Handelsgeschäfts übergehen.

Entscheidend ist vielmehr allein, dass ein lebendes Handelsgeschäft in seinem wesentlichen Kernbestand übergeht und die Kontinuität des Unternehmens nach außen hin durch die Fortführung der bisherigen Firma in Erscheinung tritt. Denn da § 25 HGB den Verkehrsschutz bezweckt, kann es dafür weder auf die Ausgestaltung noch auf Mängel des Innenverhältnisses zwischen Veräußerer und Erwerber ankommen. Demgemäß hat der BGH dem fehlerhaften Vertragsschluss das Fehlen jeglichen Vertragsschlusses gleichgestellt und deshalb, gleichgültig, ob sich die Aufeinanderfolge der haftenden Unternehmensträger rechtsgeschäftlich oder nur tatsächlich vollzieht, für den Erwerb eines Handelsgeschäfts im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB auch die rein tatsächliche Weiterführung des Handelsgeschäfts genügen lassen (vgl. zu allem BGH-Urteile vom 10. Oktober 1985 IX ZR 153/84, NJW 1986, 581;vom 4. November 1991 II ZR 85/91, NJW 1992, 911;vom 12. Februar 2001 II ZR 148/99, BGHZ 146, 374, NJW 2001, 1352).

Dabei "lebt" das übernommene Handelsgeschäft - wie nach der Rechtsprechung des BFH zu § 75 AO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 1985 VII R 126/80, BFH/NV 1986, 65) - auch dann noch, wenn es zum Erwerbszeitpunkt zwar eingestellt war, sich aber ohne größere Schwierigkeiten vom Erwerber wieder in Gang setzen lässt, weil die innere Unternehmensorganisation noch vorhanden ist und sich die Geschäftsbeziehungen zu den bisherigen Kunden wieder aufnehmen lassen (BGH, NJW 1992, 911). Geschieht dies unter Weiterverwendung des prägenden Teils der alten Firma, mit dem der Verkehr das übernommene Unternehmen gleichsetzt, so kann sich der Erwerber der Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht entziehen (BGH, BGHZ 146, 374).

Nach Ansicht des BGH muss durch die Wahl einer eindeutig anderen Firma "der nötige Abstand von der alten Firma" hergestellt werden. Es darf sich nicht an diese "angehängt" werden, wenn der Eindruck der Verlautbarung einer Unternehmenskontinuität und die an sie anknüpfende Rechtsfolge der Haftungskontinuität vermieden werden soll. Denn nur so kann der Verkehr die neue nicht mehr mit der alten Firma identifizieren (BGH, NJW 1992, 911, 912) .

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Inanspruchnahme des Klägers nach § 25 HGB nicht zu beanstanden.

2.1. Der von F betriebene Spenglereibetrieb war ein Handelsgeschäft i.S. von § 1 Abs.2 HGB. Dem Erwerb des Geschäfts durch den Kläger steht nicht entgegen, dass er die Gegenstände, die diesem Unternehmen dienten, nicht in einem Geschäftsvorgang, sondern mittels vier Verträgen erworben hat. Denn maßgebend ist allein, dass der Kläger das Geschäft seines Vaters äußerlich im wesentlichen unverändert fortgeführt hat, indem er nicht nur die zuvor von der Firma F benutzten Maschinen sowie die Büroausstattung verwendet hat, sondern außerdem in denselben Räumen seinen Sitz hatte und dieselbe Telefon- und Telefaxnummer zugewiesen bekommen hatte. Darüber hinaus wurden Forderungen gegenüber Auftraggebern abgetreten. Bei den vom Kläger übernommenen Wirtschaftsgütern der Firma F handelte es sich um die wesentlichen Grundlagen des Geschäfts, von einer substanzlos gewordenen Unternehmensstruktur ist nicht auszugehen (vgl. Schreiben des Steuerberaters vom 28. Januar 2005).

Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der bisherige Inhaber seine Geschäftstätigkeit stark eingeschränkt hatte. Selbst wenn bereits mit der Liquidation des Unternehmens begonnen worden wäre, hätte dieser Umstand keinen Haftungsausschluss zur Folge (BGH-Urteil vom 28.11.2005 II ZR 355/03, DB 2006, 444). Der Kläger hat ein noch bestehendes Unternehmen erworben.

Die Abmeldung der Firma F und die Anmeldung der Firma des Klägers gegenüber dem Kreisverwaltungsreferat erfolgten am selben Tag. Dem Kläger war es daher möglich, das erworbene Handelsgeschäft nahtlos fortzuführen.

2.2. Auch die weitere Voraussetzung für die Haftung nach § 25 HGB - die Fortführung des Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes - liegt im Streitfall vor. Für die Frage, ob eine Firma fortgeführt wird, ist die Verkehrsauffassung maßgebend, wie sie aus der Sicht der Öffentlichkeit zu beurteilen ist. Demgemäß kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma an, sondern nur darauf, ob trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt. Mithin ist entscheidend, ob nach der Verkehrsauffassung die neue Firma noch mit der alten identifiziert werden kann (Urteile des BGH vom 04. November 1991 II ZR 85/91, NJW 1992, 911, und des BFH vom 21. Januar 1986 VII R 179/83, BStBl II 1986, 383).

Dies hängt entscheidend davon ab, ob der "prägende" Bestandteil, d.h. der Kern der Firma übernommen wird. Beim Einzelkaufmann ist das neben der Art des Handwerksbetriebes der Familienname (vgl. § 17 Abs. 1 HGB). Denn entscheidendes Element des Vertrauens, welches der Verkehr einer Einzelfirma entgegenbringt, ist der Name des Inhabers und damit dieser selbst.

Nach der vom Kläger verwendeten Firmenbezeichnung übernahm das Unternehmen weiterhin Bau- und Werkstattspenglerei, Bedachungen, Turmarbeiten, Einbau von Wohnraumfenstern sowie Blechanstriche. Der mit der Firma F im Wesentlichen übereinstimmende Firmenkern des Klägers erfuhr auch keine grundlegende Änderung dadurch, dass diese Aufgaben vormals unter "Fr Spenglermeister" und vom Kläger nunmehr unter "A Spenglerei und Bedachung Meisterbetrieb" wahrgenommen wurden. Der Austausch des Vornamens ist in diesem Zusammenhang unschädlich, ebenso wenig der Umstand, dass F zusätzlich "Reparaturen aller Art" auf seinem Briefkopf anbot (vgl. Baumbach/Hopt, Kommentar zum HGB, Rdn 7 zu § 25).

Für einen objektiven geschäftlichen Drittbetrachter konnte keinerlei Zweifel bestehen, dass sich nur der Inhaber, nicht jedoch das Unternehmen im Übrigen geändert hatte. Dies verdeutlicht der Vergleich der beiden im Klageverfahren vorgelegten Briefköpfe. Abgesehen von einer leicht veränderten Schriftform enthalten sie eine nahezu wortgleiche Konkretisierung des Unternehmensgegenstandes und betonen daher die Firmenidentität und -kontinuität. Denn nach der vom Kläger verwandten Firmenbezeichnung übernahm das Unternehmen weiterhin Bau- und Werkstattspenglerei, Bedachungen, Turmarbeiten, Einbau von Wohnraumfenstern sowie Blechanstriche.

2.3. Auch die Höhe der Haftungsforderung ist nicht zu beanstanden. Denn da der Erwerber eines Handelsgeschäfts bei - wie hier - Firmenfortführung im Wege seiner durch § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB normierten umfassenden Haftung für Betriebsverbindlichkeiten auch für Steuerschulden einzustehen hat, kommt es für den steuerlichen Haftungsumfang nur darauf an, ob Steuerschulden bei der Betriebsübernahme formell rechtswirksam bestanden haben und nicht darauf, ob sie auch auf materiellrechtlich zutreffenden Steuerfestsetzungen beruhen. Damit hat der Kläger die im Zeitpunkt der Betriebsübernahme bestandenen Steuerschulden seines Vaters gemäß §§ 191 Abs. 4 AO, 25 Abs. 1 Satz 1 HGB im Haftungswege zu erfüllen. Im Übrigen hat das FA im Einspruchsverfahren den ursprünglichen Haftungszeitraum, für den der Kläger in Anspruch genommen worden ist, berichtigt und Zeiträume ab Januar 2005 von der Haftung ausgenommen.

2.4. Ermessensfehler des FA sind nicht ersichtlich. Denn aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung war er grundsätzlich gehalten, den Kläger in Haftung zu nehmen, nachdem F jedenfalls zum maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung des Streitfalles bereits wegen Vermögenslosigkeit die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

4. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (s. § 90 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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