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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: 14 K 889/04
Rechtsgebiete: KN


Vorschriften:

KN Pos. 8522 9098
KN Pos. 8519 9918
KN Pos. 8525
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... des Richters am Finanzgericht ... und ... des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... auf Grund mündlicher Verhandlung vom 2. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

I.

Streitig ist die Tarifierung eines CD-Laufwerks mit Prozessor, Converter und Speicherbausteinen für die Funknavigation.

Die Klägerin beantragte am 17. Oktober 2000 bei der Oberfinanzdirektion - OFD - Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt - (ZPLA) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft vZTA - über das "CD-Laufwerk BP Nr. 8618 842 585" und begehrte die Einreihung in die Unterpos. 8522 9098 320 der Kombinierten Nomenklatur -KN -.

Die Ware besteht aus einem Trägerrahmen mit Laufwerkmechanik, einem Laser-Tonabnehmersystem, Antriebs- und Lademotoren, einer gedruckten Schaltung mit Prozessoren für die Motor- und Lasersteuerung (CD-ROM-Decoder) und einem Audioprozessor sowie einem Analog/Digital-Converter, Treiber und Speicherbausteinen für die Steuerung eines noch nicht montierten GPS-Empfangsteils für die Funknavigation. Mit Schreiben vom 11. Juni 2003 gab die Klägerin an, dass der auf der Schaltung aufgebrachte CD-ROM-Decoder-Chip einen Digital-Analog-Wandler enthalte, der ein sog. "delta-PWM-Signal" liefere, das noch nicht die endgültige analoge Signalform darstelle. Erst durch einen auf der Hauptplatine des Fertiggeräts enthaltenen Tiefpassfilter werde die ursprüngliche Audioinformation wiederhergestellt.

Mit der vZTA DE M/2474/00-1 vom 14. Dezember 2000 wurden die Waren als "Tonwiedergabegerät mit Laser-Abnehmersystem, ohne eingebaute Tonaufnahmevorrichtung, für discs mit einem Durchmesser von 12 cm (unvollständiges Compact-Disc-Laufwerk - charakterbestimmend - zusammengesetzt mit Teilen für die Navigationssteuerung)" in die Unterpos. 8519 9918 KN eingereiht.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung (EE) vom 29. Januar 2004 Klage, mit der sie im Wesentlichen Folgendes geltend macht:

Das str. Laufwerk enthalte die in der Zollaussetzung der Unterpos. 8522 9098 320 KN genannten Bestandteile und sei zur Herstellung von Waren der Unterpos. 8527 2120 bestimmt und daher in Unterpos. 8522 9098 440 bzw. vor dem 1. Juli 2002 in Unterpos. 8522 9098 320 einzureihen. Da der Wortlaut von Zollaussetzungen so kurz und knapp wie möglich gefasst sei und daher nicht eine vollständige und umfassende Beschreibung der Warenbeschaffenheit beinhalte, stelle die Warenbeschreibung nur eine Minimalkonfiguration dar. Die Zollaussetzung erfasse daher auch Geräte, die über die Beschreibung hinaus weitere Bestandteile enthalte. Dieser Grundsatz werde z.B. an den Zollaussetzungen der Codenum mern 8522 9098 400 und 8522 9098 430 deutlich. Wenn die Zollaussetzung nicht gewährtwerde, sei die Ware als Teile für Waren der Pos. 8522 bis 8528 in Pos. 8529 einzureihen.Die Ware sei aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit entweder für ein Autoradiogerät mitCD-Abspielgerät und Navigationssystem der Pos. 8527 (überwiegende Verwendung) oderfür ein selbständiges Navigationsgerät, einschließlich CD-Abspielgerät der Pos. 8526 (gelegentliche Verwendung) bestimmt. Der Einbau in ein Tonwiedergabegerät der Pos. 8519 seiwirtschaftlich und technisch nicht vorstellbar, weil es sich um ein CD-ROM und nicht um einreines Audio-CD-Laufwerk handele und das Laufwerk eine gedruckte Schaltung mit Digital-Analog-Wandler und Speicherbausteine für die Steuerung eines noch nicht montierten GPS-Empfangsteils für die Funknavigation enthalte. Dementsprechend habe die Beklagte in ihrervZTA DE M/133/00-1 vom 20. Januar 2000 das fertige Gerät in die Unterpos. 8527 2120 eingereiht. Eine Einreihung in Pos. 8519 als unvollständiges Tonwiedergabegerät scheideaus, weil das vervollständigte Gerät kein Tonwiedergabegerät, sondern ein Navigationsgerätsei. Dementsprechend enthalte es ein CD-ROM-Laufwerk und weitere Bestandteile, die ausschließlich für ein Navigationssystem benötigt würden. Über die Anwendung der AV 2a könne man daher aus der str. Ware kein unvollständiges Tonwiedergabegerät machen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der vZTA DE M/2474/00-1 vom 14. Dezember 2000 und der EE die Beklagte zur Erteilung einer vZTA zu verpflichten, in der das CD-Laufwerk BP Nr. 8 618 842 585 indie Codenummer 8522 9098 440, vor dem 1. Juli 2002 in die Codenummer 8522 9098 320,hilfsweise in die Unterpos. 8529 9072 KN einzureihen ist.

Die OFD beantragt

Klageabweisung

und bezieht sich im wesentlichen auf ihre Ausführungen in der EE. Eine Einreihung in dieeine Zollaussetzung gewährende Codenummer 8522 9098 320 sei abzulehnen, weil die str.Ware von dieser Unterposition nicht erfaßt sei; denn diese Ware gehe von ihren Beschaffenheitsmerkmalen über eine Tonwiedergabebaugruppe hinaus, weil sie bereits ein unvollständiger CD-Spieler sei. Im Übrigen würden in der Zollaussetzung 8522 9098 32 die Bestandteile abschließend aufgezählt, während der Wortlaut der Zollaussetzungen 8522 9098 40 und 8522 9098 43 offen formuliert sei. Die für das Navigationsgerät enthaltenen Bauteile seienals nicht charakterbestimmend für die gesamte Ware anzusehen. Das unvollständige Tonwiedergabegerät verleihe gemäß AV 3b dem Ganzen seinen wesentlichen Charakter. Diestr. Ware könne nicht als Teil einer anderen Ware eingereiht werden, weil sie bereits die wesentlichen Bestandteile eines vollständigen Tonwiedergabegeräts aufweise und daher nachAnm. 2 zu Abschn. XVI in die dortige Position einzureihen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die OFD-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2004 hingewiesen.

Gründe

II.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Beklagte hat zu Recht in der vZTA Nr. DE M/ 2474/00-1 vom 14. Dezember 2000 das "CD-Laufwerk BP 8 618 842 585" in die Codenr. 8519 9918 000 eingereiht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH (z.B. EuGH-Urteil vom 20. Juni 1996 Rs. C-121/95, EuGHE 1996 I-3047 Rdnr. 13, Schwarz-Wockenfoth, Zollrecht, E 1814; BFH-Urteil vom 7. November 2000 VII R 46/98, BFH/NV 2001, 352, Schwarz-Wockenfoth, a.a.O., E 4791) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. AV 1 und 6 für die Auslegung der KN; Schwarz-Wockenfoth, a.a.O., Anm. 39 ff. und 86 ff. zu Teil F). Darüber hinaus sind die Erläuterungen zum Harmonisierten System - HS - und zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen. Die str. Ware besteht aus mehreren Bestandteilen, die nach ihrer Funktion zwei unterschiedlichen Positionen zugeordnet werden können, nämlich einem Tonwiedergabegerät der Unterpos. 8519 99 und einem Funknavigationsgerät der Unterpos. 8526 91 der KN.

Die Bestandteile des Funknavigationsgeräts, nämlich Prozessor, Analog/Digital-Umwandler mit Treibern und Speicherbausteinen für die Steuerung des GPS-Empfangsteiles stellen Teile eines Funknavigationsgeräts dar, die für sich der Pos. 8529 zuzuweisen wären (Anm. 2b zu Abschnitt XVI Harmonisiertes System - HS -).

Die Bestandteile des CD-Spielers sind als unvollständiges Tonwiedergabegerät i.S. von AV 2a einzureihen, weil sie bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware besitzen. Das str. Laufwerk enthält ein Lasertonabnehmersystem, die Laufwerkmechanik, drei Gleichstrommotoren zum Laden und Antreiben der CD und zum Fortbewegen des Tonabnehmers sowie eine gedruckte Schaltung mit der Motor- und Lasersteuerung einschließlich des Audioprozessors (CD-ROM-Decoder) mit Digital-Analog-Wandler für die digitale Audiosignalverarbeitung; es fehlt nach Angaben der Klägerin nur noch der Tiefpassfilter, der Signale unterhalb einer Grenzfrequenz überträgt und die Signale oberhalb dämpft. Der Tiefpassfilter ist zwar für die Wiederherstellung der ursprünglichen Audiosignale erforderlich, aber insgesamt bei der Rückgewinnung des Tonsignals von der CD von untergeordneter Bedeutung. Das Gleiche gilt für das fehlende Gehäuse, die Bedienungselemente und Displays. Damit sind diese Bestandteile wie ein vollständiges Tonwiedergabegerät in die Unterpos. 8519 99 KN einzureihen.

Da im Zolltarif keine Position besteht, die die str. Ware als solche erfasst, und daher zwei unterschiedliche Positionen, nämlich 8519 und 8529 in Betracht kommen, gelangt die AV 3 zu Anwendung (AV 3 Satz 1). Keine der beiden Positionen ist gegenüber den anderen genauer (AV 3a Satz 1); auch handelt es sich bei der str. Ware nicht um eine für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellung (AV 3a Satz 2). Es ist daher die Anwendung der AV 3b zu prüfen.

Nach der AV 3b werden Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen, nach dem Bestandteil eingereiht, der der Ware ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Bestandteil ermittelt werden kann. Von Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sind, spricht man dann, wenn die einzelnen Bestandteile trotz ihrer Zusammenfügung nicht ihre Selbständigkeit verlieren, d.h. nicht in einer völlig neuen, im Zolltarif erfassten Ware aufgehen (Schwarz-Wockenfoth, Teil F Anm. 133).

Diese Voraussetzungen liegen bei der str. Ware vor, weil die Bestandteile "Tonwiedergabegerät" und "Navigationsgerätteile" ermittelbar sind und durch ihr Zusammenfügen ihre Selbständigkeit nicht verloren haben und andererseits als einheitliche Ware im Zolltarif nicht erfasst sind.

Die Bestandteile des Tonwiedergabegeräts sind von der Anzahl, aber auch vom Umfang und Gesamteindruck gegenüber denen des Navigationsgeräts vorherrschend. Der optisch wesentliche Bestandteil der Ware ist die Laufwerkmechanik, die als solche bereits als CD-Abspielgerät angesprochen werden kann und dessen Aussehen besitzt.

Die auf dem Laufwerk angebrachte Leiterplatte ist beidseitig mit Bausteinen bestückt, die sowohl für das CD-Gerät als auch für die Funknavigation bestimmt sind. Umfangmäßig entsprechen die auf der Leiterplatte vorhandenen Bausteine beider Funktionen einander. Vom Wert, der zwar grundsätzlich kein Einreihungskriterium ist, aber wichtige Erkenntnisse über die Bedeutung von Bestandteilen und Stoffen vermittelt (s. Schwarz-Wockenfoth, Teil F Anm. 78 und 141; Dorsch, Anm. 74 zur KN-VO; EuGH Rs. C-121/95, EuGHE 1996 I-3047, Schwarz-Wockenfoth E 1814), sind nach Auskunft der Klägerin die auf der Leiterplatte aufgebrachten Bauteile, die die gesamten Navigationsgerätteile darstellen, gegenüber denen des Tonwiedergabegeräts im Anschaffungspreis höher. Bezieht man aber die auch die übrigen Bauteile der str. Ware, nämlich die Laufwerkmechanik mit in die Bewertung ein, nähert sich der Wert der beiden Hauptbestandteile an.

In Anbetracht dieser Abwägung der Beschaffenheitsmerkmale der Einzelbestandteile ist der Bestandteil "Tonwiedergabegerät", das als solches auch bereits funktionsfähig ist, charakterbestimmend i.S. der AV 3b für die Gesamtware, wie sie der vZTA zugrunde liegt.

Es kann dahinstehen, ob und inwieweit es sich bei den Beschreibungen in den Zollaussetzungen um eine sog. Minimalkonfiguration, wie die Klägerin meint, handelt. Abgesehen davon, dass es sich bei der von der Klägerin begehrten die Zollaussetzung gewährenden Unterpos. 8522 9098 320 bzw. 8522 9098 440 KN dem Wortlaut nach um eine abschließend formulierte Warenbeschreibung im Gegensatz zu den Zollaussetzungen 8522 9098 40 und 8522 9098 43 handelt, setzt die Anwendung der Unterpos. 8522 9098 mit seinen weiteren Tariflinien voraus, dass die str. Ware in die Pos. 8522 als Teil eines Tonwiedergabegerätes eingereiht werden kann. Die Parteien stimmen jedoch mit den o.a. Ausführungen im Urteil überein, dass eine Einreihung der str. Ware in Pos. 8522 nicht in Betracht kommt. Im Übrigen scheitert die begehrte Zollaussetzung daran, dass die nicht unwesentlichen Teile des Navigationsgerätes, die nach Ansicht der Klägerin sogar charakterbestimmend für die Gesamtware seien, von der Unterpos. 8522 9098 320 bzw. 8522 9098 440 nicht erfasst sind.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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