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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 14 V 1869/09
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO


Vorschriften:

FGO § 114 Abs. 1
ZPO § 920 Abs. 1
ZPO § 920 Abs. 2
AO § 249 Abs. 1
AO § 251 Abs. 1
AO § 254
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 23. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit des vom Finanzamts (FA) gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin.

Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2004 gegründete GmbH. Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z.B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens.

Ausweislich der Vollstreckungsakten des FA beliefen sich die Steuerrückstände der Antragsstellerin am 18. März 2009 auf 530.663,34 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus Umsatzsteuer 2005 (220.871,89 EUR), Umsatzsteuer 2006 (255.033,85 EUR) sowie Zinsen zur Umsatzsteuer 2005 (16.563 EUR) und Säumniszuschlägen zu den Steuerrückständen (38.083 EUR) zusammen. Die Festsetzung der Umsatzsteuer beruht im Wesentlichen auf den Erkenntnissen nach Durchführung einer Umsatzsteuer- und Steuerfahndungsprüfung.

Auf Grund der bestehenden Steuerrückstände leitete das FA verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen ein. Unter anderem brachte es Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bei mehreren Banken an, die jedoch erfolglos verliefen. Seit Fälligstellung der Steuerschulden am 30. Juli 2008 konnten keine Zahlungseingänge festgestellt werden. Die Antragstellerin unterhält keine Büroräume, ihr Geschäftsführer ist derzeit in der Justizvollzugsanstalt B inhaftiert (Bl. 110 Vollstreckungsakten FA, Heftung Haftungsanfrage).

Am 18. März 2009 beantragte das FA bei dem zuständigen Amtsgericht H die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin (Vollstreckungsakten FA, Heftung Insolvenzantrag).

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass der Antrag des FA auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtswidrig sei, da ihre Zahlungsunfähigkeit vom FA herbeigeführt worden sei. Darüber hinaus sei das FA gehalten, zunächst die im Steuerrecht vorgesehenen Beitreibungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Insbesondere seien die Steuerbehörden in dem Fall, in dem die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens durch eine Steuerbelastung gefährdet sei, verpflichtet, diese durch geeignete Billigkeits- und Erlassmaßnahmen zu beheben. Tatsächlich bestehe zu Gunsten der Antragstellerin ein Steuerguthaben, das sie anhand der dem FA vorliegenden Dokumente (beispielsweise europäische Patentanmeldungen, Kooperationsvereinbarungen mit Marktpartnern, Antragsgutachten für das Gesundheitsministerium) belegen könne. Darüber hinaus habe ihr Geschäftsführer dem FA weitere Sicherheiten angeboten, insbesondere seinen Anteil am Nachlass seiner Mutter.

Das FA missbrauche das Insolvenzverfahren jedoch als Droh- und Druckmittel, um die Firma der Klägerin zu liquidieren und verstoße mit seiner sittenwidrigen Vorgehensweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die Antragstellerin beantragt im Wege einer einstweiligen Anordnung,

das FA zu verpflichten, den Antrag vom 18. März 2009 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin zurückzunehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Die Antragstellerin kann jedoch keinen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs.1 Satz 2, Abs.3 FGO, § 920 Abs.1 und 2 ZPO) glaubhaft machen. Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs.1, § 251 Abs.1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N. zur Stellung eines Konkursantrags, BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464 zur Anwendung der Rechtsprechung bei der Stellung eines Insolvenzantrags).

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kann im Streitfall kein Ermessensfehler festgestellt werden.

Insbesondere liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor (§§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1, 254 AO). Darüber hinaus hat das FA hat die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Insolvenzantrags nicht verkannt. Es konnte im Streitfall von der Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin ausgehen (§§ 16 ff Insolvenzordnung - InsO -). Zahlungsunfähigkeit ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden zu berichtigen (BFH-Beschluss vom 23. Juli 1985 VII B 29/85 BFH/NV 1986, 41). Das FA betreibt das Insolvenzverfahren wegen vollziehbarer Steuerforderungen in Höhe von zuletzt 530.663,34 EUR. Vollstreckungsversuche wie die Anbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bei mehreren Banken blieben ohne Erfolg, Zahlungseingänge sind seit 30. Juli 2008 nicht mehr erfolgt.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass sie aufgrund des umfangreichen Aktenmaterials hinsichtlich der Patent- und Markenrechte der von ihr bereits entwickelten oder noch zu entwickelnden Produkte nunmehr die Unrichtigkeit der Vorsteuerkürzungen durch das FA belegen könne, ist sie insoweit auf die bereits anhängigen Klageverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Umsatzsteuer der Jahre 2005 und 2006 sowie die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Betriebsprüfungsberichts zu verweisen. Gleichwohl bleiben die Rückstände aufgrund der Steuerfestsetzung gemäß § 251 Abs. 1 AO vollstreckbar, da im Vollstreckungsverfahren keine Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung vorgetragen werden können (§ 256 AO).

Zu Recht weist das FA darauf hin, dass die vom Geschäftsführer der Antragstellerin angebotene Abtretung der Ansprüche aus dem noch anhängigen Erbrechtsstreit keine werthaltigen Sicherheiten für die bestehenden Steuerrückstände darstellt. Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, konnte keine Abtretungserklärung vorgelegt werden. Darüber hinaus ist das FA nicht verpflichtet, angesichts eines unsicheren Prozessausgangs und der erheblichen Steuerrückstände der Antragstellerin von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.

Im Übrigen ist die Stellung eines Insolvenzantrags nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann verhältnismäßig und ermessensgerecht, wenn er als so genannte rückstandsunterbindende Maßnahme zur Vermeidung weiterer Steuerrückstände dient (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), da die Einleitung eines Insolvenzverfahrens auch dazu dient, den Schuldner vor einer weiteren Verschuldung zu bewahren und bei einem für ihn günstigen Verlauf die Existenz zu sichern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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