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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 14 V 321/08
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 158
AO § 140
AO § 141
AO § 142
AO § 143
AO § 144
AO § 145
AO § 146
AO § 147
AO § 148
AO § 162 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

14 V 321/08

Aussetzung der Vollziehung in Sachen Umsatzsteuer 2005

In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

ohne mündliche Verhandlung

am 20. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe:

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob das Finanzamt (FA) Zuschätzungen vornehmen durfte.

Der Antragsteller betrieb von Dezember 2004 bis September 2005 die Table-Dance-Bar L in N. Im März 2005 erfolgte wegen des Verdachts der Prostitution und des Verstoßes gegen ausländerrechtliche Vorschriften eine Durchsuchung durch die Kriminalpolizei.

Im Rahmen einer durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung stellte das FA fest, dass der Antragsteller seinen Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen war (Bericht vom 27. September 2007, Bl. 5 f der Gerichtsakte). Unter Zugrundelegung der Privateinlagen, mittels derer das Personal bezahlt worden war, nahm das FA Hinzuschätzungen vor und setzte mit Bescheid vom 15. November 2007 über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat September 2005 in Höhe von 12.229,31 EUR fest. Über den dagegen eingelegten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Mit seinem bei Gericht gestellten Antrag bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass das FA aufgrund der Tätigkeit von zwölf Tänzerinnen von völlig überhöhten Umsätzen ausgegangen sei. Da das Lokal erst einige Wochen geöffnet war, hätte der Antragsteller noch nicht abschätzen können, wie viel Personal benötigt werde, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Gerade in der Eröffnungsphase hätte er seinen Kunden ein entsprechendes Programm bieten müssen. Auch die Tatsache, dass er keine Kassenstreifen vorgelegt habe, berechtigte das FA nicht zu Hinzuschätzungen. Aufgrund der Durchsuchung durch die Steuerfahndung habe er das Lokal bereits nach vier Wochen wieder schließen müssen. Der Geschäftsbetrieb sei aus Angst vor einer weiteren Razzia auf ein Minimum herabgesunken, es sei daher unmöglich gewesen, den vom FA geschätzten Umsatz zu erzielen.

Zu Unrecht gehe das FA auch davon aus, dass die Barabhebungen erst nach Schließung seines Betriebes erfolgt seien. Aufgrund der nunmehr vorgelegten Kontoauszüge könnten sich die Kontenbewegungen nachvollziehen lassen. Seinen Lebensunterhalt habe er durch den Arbeitslohn seiner Ehefrau sowie das Kindergeld bestritten. Bei dem gutgeschriebenen Betrag am 19. Mai 2005 in Höhe von 13.000 EUR handle es sich um den Erlös aus dem Verkauf einer Immobilie aus den GUS.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für September 2005 vom 15. November 2007 in Höhe von 8.004,58 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen Hilfsweise regt er an, Beschwerde zuzulassen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es weist darauf hin, dass die Umsatzsteuer 2005 nunmehr mit Jahresbescheid vom 6. Februar 2008 in Höhe von 10.210,00 EUR festgesetzt worden ist.

Da für das Jahr 2005 noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben worden sei, könne nicht nachgeprüft werden, ob und in welcher Höhe die Ehefrau des Antragstellers Arbeitslohn bezogen habe. Bis auf drei Barabhebungen in Gesamthöhe von 13.900 EUR seien alle Abhebungen erst ab Oktober 2005 erfolgt und hätten daher keine Auswirkung auf den Prüfungszeitraum. Zu berücksichtigen sei, dass kurz vor der Abhebung von 11.500 EUR am 22. Mai 2005 am 19. Mai 2005 dem Konto des Antragstellers ein Betrag von 13.000 EUR gutgeschrieben worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298) und zwar aus folgenden Erwägungen:

Der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2005 vom 6. Februar 2008 hat den angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für September 2005 i.S. von § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. Beschluss des BFH vom 22. Oktober 2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502). Das Finanzamt hat zu Recht die Umsätze des Antragstellers geschätzt und für das Streitjahr eine Umsatzsteuer von 10.210 EUR festgesetzt.

Nach § 158 der Abgabenordnung 1977 (AO) sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das Finanzamt (Urteil des BFH vom 9. August 1991 III R 129/85, BFHE 165, 326, BStBl II 1992, 55).

Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, so sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann auch durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind, sog. Sicherheitszuschlag. Entsprechendes gilt für einen durch Schätzung vorgenommenen Abschlag von den Vorsteuern im Zuge der Umsatzsteuerveranlagung.

Eine ordnungsmäßige Buchführung erfordert, dass sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Die zeitgerechte Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine ordnungsmäßige Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen in der Regel entscheidende Grundlagen einer kaufmännischen Buchführung. Mängel auf diesem Gebiet nehmen der Buchführung im Allgemeinen die Ordnungsmäßigkeit.

Werden - wie vorliegend - Geldeinlagen bzw. ihre Herkunft geprüft, ist der Steuerpflichtige darüber hinaus wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann ein Sachverhalt dahin gewürdigt werden, dass unaufgeklärte Geldzuflüsse auf nicht versteuerten Einnahmen bzw. Umsätzen beruhen, mit der Folge, dass die Buchführung als sachlich unrichtig zu betrachten ist (vgl. z.B. BFH - Urteil vom 30. Juli 2002 X B 40/02, BFH/NV 2003, 56).

Im Streitfall steht die Schätzungsbefugnis des FA außer Zweifel, da der Antragsteller über die von ihm erzielten Umsätze überhaupt nicht Buch geführt hat. Insbesondere sind auch keine Kasseneinnahmen oder Kassenausgaben aufgezeichnet worden.

Das FA ist insbesondere zu Recht davon ausgegangen, dass im Jahr 2005 ein angemessener Bargeldbestand vorhanden gewesen sein muss, der mangels Aufzeichnungen gleichfalls zu schätzen war. Anhand präsenter Beweismittel kann das Gericht die Erklärungen des Antragstellers über die Herkunft der Bareinzahlungen nicht nachvollziehen.

So ergibt sich aus dem vorgelegten Kontoauszug über die Gutschrift in Höhe von 13.000 EUR am 19. Mai 2005 nicht, dass sie aus einem Immobilienverkauf in den GUS stammt. Vielmehr ist als Buchungstext "Umbuchung von 5017011541" vermerkt. Ebenso wenig hat der Antragsteller glaubhaft dargelegt, dass er seinen Lebensunterhalt durch den Arbeitslohn seiner Ehefrau sowie das Kindergeld bestritten hat, da er nicht einmal Angaben über die monatliche Höhe des Einkommens gemacht hat.

Anhand der vorgelegten Kontoauszüge ist zwar ersichtlich, dass der Antragsteller Barabhebungen getätigt hat. Bis auf drei Abhebungen erfolgten sie jedoch erst ab Oktober 2005 und somit nach der Schließung seines Betriebes.

Die aufgedeckten Buchführungsmängel hinsichtlich der ungeklärten Geldzuflüsse lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass weitere umsatzsteuerpflichtige Entgelte nicht erfasst sind (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, zu § 162 AO, Rz 45 m.w.N.). Zudem ist es durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH geklärt, dass bei schwerwiegenden Verletzungen der Mitwirkungspflicht ohne Bindung an das Maß einer großen oder gar überwiegenden Wahrscheinlichkeit ein Sicherheitszuschlag im Wege der Schätzung angesetzt werden darf (z.B. BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741). Deswegen erscheint eine weitere Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze im Wege eines Sicherheitszuschlags erforderlich. Das Gericht hält dabei eine Umsatzerhöhung um 20% (brutto) der hinzugeschätzten Beträge - wie vom Finanzamt vorgenommen - für angemessen.

2. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen, da keiner der in § 128 Abs. 3 i.V.m. 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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