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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 14 V 3223/08
Rechtsgebiete: MwStSystRL, UStG


Vorschriften:

MwStSystRL Art. 132 Abs. 2 Buchst. e
UStG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat der 14. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

ohne mündliche Verhandlung

am 20. Januar 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2002 vom 14. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung wird in Höhe von 5.063,48 EUR und die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2003 vom 14. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung wird in Höhe von 2.984,80 EUR für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage (14 K 3222/08) beim Finanzgericht München ausgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren, ob die mit der Firma M GmbH (nachfolgend GmbH) getätigten Umsätze dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.

Der Antragsteller war in den Streitjahren mit dem Recycling kieferorthopädischer Produkte unternehmerisch tätig. Insbesondere bereitete er gebrauchte Brackets und Bänder für eine erneute Verwendung durch Zahnärzte und Kieferorthopäden auf.

Aufgrund einer Betriebsprüfung kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, dass die Umsätze des Antragstellers mit der GmbH nicht - wie von diesem angenommen - dem ermäßigten Steuersatz von 7%, sondern dem Regelsteuersatz unterlägen, da es sich bei dieser Firma um keinen Heilkundigen handle (Bericht vom 26. Juli 2007, Bl. 77 ff BP-Akte des FA). Das FA änderte daher mit den Bescheiden vom 14. September 2007 die Steuerfestsetzungen für 2002 und 2003, indem es die Umsatzsteuer für 2002 auf 5.120,50 EUR und für 2003 auf 5.623,23 EUR festsetzte.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 5. September 2008 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit seinem bei Gericht gestellten Antrag bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass er die Voraussetzungen einer steuerbegünstigten Tätigkeit als Zahntechniker im Sinne des Umsatzsteuergesetzes erfülle. Er erbringe ausschließlich Leistungen, die hauptsächlich und gewöhnlich aus der beruflichen Tätigkeit des Zahntechnikers heraus bewirkt würden und somit typisch für das Berufsbild des Zahntechnikers seien.

Bei der Firma M handle es sich um eine Firma, die die Herstellung und den Vertrieb medizinischer, dentalmedizinischer und orthodontischer Geräte und Materialen betreibe. Das FA habe bei der Bewertung der Umsätze zu Unrecht darauf abgestellt, dass die Firma M als Handelsunternehmen auftrete und angeblich kein Heilkundiger sei. Vielmehr unterliege sein Geschäftspartner dem Medizinproduktgesetz und verfüge über einen erforderlichen Medizinproduktberater.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2002 vom 14. September 2007 in Höhe von 5.063,48 EUR und des Umsatzsteuerbescheides 2003 vom 14. September 2007 in Höhe von 2.984,80 EUR auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Bei der Firma M handle es sich um ein Handelsunternehmen. Gegenstand des Unternehmens sei das Recycling gebrauchter Brackets und Bänder, die von Zahnärzten und Zahntechniklaboren übersandt würden. Mit der Tätigkeit an sich sei dann der Antragsteller beauftragt worden. Aus einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1965 ergäbe sich jedoch, dass sich die Tätigkeit eines Zahntechnikers auf die Herstellung von Zahn- und Kieferersatzteilen im Auftrag von Heilkundigen, nicht jedoch im Auftrag von Handelsunternehmen beschränke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Der Antrag ist begründet.

Es bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2002 und 2003 jeweils vom 14. September 2007, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung der zugrunde liegenden Rechtsfragen bewirken (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, u.a. Beschluss vom 13. Juli 2006 V B 70/06, BFH/NV 2006, 2008).

Nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anlage E Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -Richtlinie 77/388/EWG- bzw. Art. 370 i.V.m. Anhang X Teil A der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - können die Mitgliedstaaten die Umsätze aus den Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker, die in Art. 132 Abs. 2 Buchst. e MwStSystRL steuerfrei gestellt sind, weiterhin besteuern bzw. dem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Art. 132 Abs. 2 Buchst. e MwStSystRL umfasst alle Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen.

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 6 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) ermäßigt sich die Umsatzsteuer für die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker auf 7% der Bemessungsgrundlage. Der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG schließt somit alle Umsätze aus der Tätigkeit als Zahntechniker und damit nur diejenigen Lieferungen und sonstigen Leistungen ein, die nach dem Berufsbild des Zahntechnikers berufstypisch sind (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Rdn. 221 zu § 12).

Im hier zu entscheidenden Fall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Antragsteller als ausgebildeter Zahntechniker gegenüber der Firma M Lieferungen und Dienstleistungen erbringt, die für das Berufsbild eines Zahntechnikers typisch sind. Insbesondere entspricht auch die Wiederaufbereitung gebrauchter Brackets und Bänder dieser Tätigkeit, auch wenn sie nicht im Auftrag von Heilkundigen erbracht wurden. Zu Unrecht hat das FA dem Antragsteller die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf diese Umsätze versagt. Entgegen der Ansicht des FA ist eine Beschränkung der Steuerermäßigung auf die Umsätze, die im Auftrag eines Heilkundigen erfolgen, weder in § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG vorgesehen, noch ergibt sie sich aus dem Zusammenhang und der Systematik der Vorschrift. Auch aus dem Gemeinschaftsrecht lässt sich diese Einschränkung nicht herleiten.

Die hier anzuwendende Vorschrift geht auf § 12 des Umsatzsteuergesetzes 1967 zurück, der seinerseits Art. 9 der 2. Richtlinie (RL 67/228/EWG) in das innerstaatliche Recht umsetzte und den Mitgliedstaaten gestattete, bestimmte Lieferungen und bestimmte Dienstleistungen dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Satz zu unterwerfen. Damit blieb es dem nationalen Gesetzgeber überlassen, bestimmte Belange wie z.B. die Förderung von Bildung und Kultur, die Stärkung der Land- und Forstwirtschaft oder eben auch bestimmte Berufsgruppen zu berücksichtigen (vgl. Klenk, a.a.O., Rdn. 1 zu § 12 UStG).

Dem Einwand des FA, dass sich unter Zugrundelegung eines Urteils des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1965 ergäbe, dass sich die Tätigkeit eines Zahntechnikers auf die Herstellung von Zahn- und Kieferersatzteilen im Auftrage von Heilkundigen beschränke, kann nicht gefolgt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1965 I 415/65 U, BStBl III 1965, 692). Insoweit hat der BFH in gewerbesteuerlicher Hinsicht entschieden, dass ein sogenannter Zahnpraktiker einen ähnlichen Beruf wie ein Dentist ausübe, und dabei die Berufsbilder dargestellt und miteinander verglichen. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die Definition der Tätigkeit eines Zahntechnikers aus dem Jahr 1958 ("Kuhns, Heilberuferecht, 1958 S.I/953", BFH vom 19. Oktober 1965, a.a.O.) als Voraussetzung für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG erfüllt werden muss. Dieser Auslegung durch das FA steht der eindeutige Gesetzestext entgegen. Danach ist es nicht erforderlich, dass die Umsätze eines Zahntechnikers einem bestimmten Leistungsempfänger gegenüber erbracht werden. Vielmehr unterliegen auch die gegenüber Handelsunternehmen oder Privatpersonen erbrachten zahntechnischen Lieferungen und Dienstleistungen dem ermäßigten Steuersatz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).

Ende der Entscheidung

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