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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 15 K 1124/08
Rechtsgebiete: EStG, KHG, KHEntgG


Vorschriften:

EStG § 38a Abs. 2
EStG § 38a Abs. 3 S. 1
EStG § 41a Abs. 1 S. 1
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
KHG § 16 Nr. 1
KHEntgG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

15 K 1124/08

Haftung für Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag (früheres Aktenzeichen: 15 K 269/04)

In der Streitsache

...

hat der 15. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

....

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob drei beim Kläger angestellte Chefärzte aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen gegenüber stationären Patienten sowie aus der Behandlung ambulanter Patienten in Notfällen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt haben und der Kläger wegen der insoweit unterlassenen Einbehaltung von Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschlägen in Haftung genommen werden durfte.

Der Kläger ist Trägerin des Krankenhauses X und schloss in dieser Funktion drei Dienstverträge über die Anstellung als Leiter der jeweiligen Klinik des Krankenhauses (sog. Chefarztverträge) ab. Im Einzelnen wurden Prof. Dr. A mit Vertrag vom 7.10.1996 als Leiter der Klinik für Hals-, Nasen-, und Ohren-Heilkunde (HNO), sowie mit Verträgen jeweils vom 3.03.1997 Prof. Dr. B als Leiter der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin und Prof. Dr. C als Leiter der Frauenklinik angestellt.

Die Dienstverträge (DV) hatten im Wesentlichen den gleichen Wortlaut und enthielten u.a. folgende entscheidungserheblichen Regelungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 DV waren die Chefärzte in Fragen der ärztlichen Versorgung unabhängig. Der Umfang ihrer Dienstaufgaben war durch § 3 DV umschrieben. Hierin waren u.a. erfasst die Leitung der jeweiligen Klinik (§ 3 Abs. 1 Satz 1 DV), alle ärztlichen Tätigkeiten mit Ausnahme von Nebentätigkeiten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 DV), insbesondere die Behandlung aller stationärer Kranker (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe a DV), die Behandlung ambulanter Patienten in Notfällen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe e DV) sowie die Durchführung der notwendigen Visiten bei allen Kranken (§ 3 Abs. 3 Buchstabe a DV). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 DV war den Chefärzten vorgeschrieben, die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu erbringen. Im Fall der Verhinderung des jeweiligen Chefarztes sah § 6 Abs. 2 Satz 2 DV die Übernahme dieser Aufgabe durch dessen Stellvertreter bzw. die von ihm im Einzelfall beauftragten besonders qualifizierten ärztlichen Mitarbeiter vor. Außerhalb ihrer durch § 3 DV definierten Dienstaufgaben wurde den Chefärzten gemäß § 8 Abs. 2 Buchstabe a DV als Nebentätigkeit die ambulante Beratung und Behandlung von selbstzahlenden Patienten (sog. Privatpatienten) erlaubt, wofür der Kläger sich zur Bereitstellung von Personal, Räumen, Einrichtungen und Material verpflichtete (§ 8 Abs. 7 Buchstabe a DV). Unabhängig von der regelmäßigen Vergütung für die Klinikleitung wurde den Chefärzten dienstvertraglich ein eigenes Liquidationsrecht zum einen "für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen gegenüber denjenigen Patienten, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben" (§ 9 Abs. 2 Buchstabe a DV) und zum anderen für die "selbstzahlenden Patienten bei ambulanter Operation oder bei ambulanten Notfällen" (§ 9 Abs. 2 Buchstabe c DV) eingeräumt. Gemäß § 9 Abs. 3 DV übernahm der Krankenhausträger keine Gewähr für die Höhe und den Eingang der auf dem Liquidationsrecht nach § 9 Abs. 2 DV beruhenden Einnahmen. Als Beginn des jeweiligen Liquidationsrechts war der Abschluss der schriftlichen Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen (§ 8 Abs. 5 Satz 1 DV) und als dessen Ende die Einstellung solcher Leistungen durch das Krankenhaus (§ 8 Abs. 5 Satz 2 DV) bestimmt. Im Gegenzug für das Liquidationsrecht nach § 9 Abs. 2 DV verpflichteten sich die Chefärzte dienstvertraglich zur Erbringung einer Kostenerstattung und eines Vorteilsausgleichs an den Kläger. Die Kostenerstattung belief sich bei Leistungen nach den Abschnitten A, E, M, O und Q der GOÄ auf 40%, bei den übrigen ärztlichen Leistungen auf 20% der von den Chefärzten gegenüber den Patienten unmittelbar in Rechnung gestellten Bruttorechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 Satz 1 DV). Bei den erstgenannten ärztlichen Leistungen handelte es sich um material- oder einrichtungsintensive Leistungen wie etwa Gebühren in besonderen Fällen, physikalisch- medizinische Leistungen, Laboruntersuchungen oder Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, MRT und Ähnliches. Der o.g. Vorteilsausgleich bestand in pauschalierten und der Höhe nach gestaffelten Quoten an den Bruttoliquidationseinnahmen (§ 10 Abs. 3 Satz 1 DV). In einer in allen drei Vertragsfällen aufgrund § 11 Abs. 1 Satz 2 DV abgeschlossenen "Zusatzvereinbarung" war u.a. zum einen die Pflicht der Chefärzte zur Zahlung der Nutzungsentgelte und Vorteilsausgleichsbeträge noch eigens geregelt (dort unter § 1 Abs. 1), sowie auch deren Verpflichtung zur eigenverantwortlichen pünktlichen und vollständigen Bezahlung der für die Liquidationseinnahmen anfallenden Steuern (dort unter § 2) festgelegt. Die für nach § 8 DV erlaubte Nebentätigkeiten der Chefärzte ebenfalls an den Kläger zu entrichtenden Nutzungsentgelte wurden in § 10 Abs. 4 DV geregelt. Der Kläger verpflichtete sich, den jeweiligen Chefarzt gegen Haftpflichtansprüche aus seiner dienstlichen Tätigkeit zu versichern (§ 17 Abs. 1 Satz 1 DV). Von der Absicherungsverpflichtung waren ausdrücklich nur die erlaubten Nebentätigkeiten ausgenommen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 DV).

Aus Anlass des Abschlusses des erstgenannten Chefarztvertrags betreffend die HNO-Klinik hatte der Kläger beim Beklagten (dem Finanzamt) unter dem Datum des 8.10.1996 die Erteilung einer Anrufungsauskunft nach § 42 e Einkommensteuergesetz mit dem Ziel der Klärung der Rechtsfrage beantragt, ob die Einkünfte des betreffenden Chefarztes aufgrund des diesem eingeräumten und oben dargestellten Liquidationsrechts als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt werden müssten und der Kläger hierfür Lohnsteuer etc. einzubehalten verpflichtet wäre. Mit Schreiben vom 28.10.1996 erteilte das Finanzamt die Rechtsauskunft im Sinne des Bestehens der Lohnsteuerentrichtungspflicht für diese Fälle.

Im Rahmen der vom Finanzamt beim Kläger u.a. betreffend die Lohnsteueranmeldungszeiträume von Januar bis April 1997 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Kläger für die entsprechenden Liquidationseinnahmen der drei oben genannten Klinikleiter keine Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschläge hierauf angemeldet und abgeführt hat. Der in der erteilten Anrufungsauskunft vertretenen Rechtsansicht folgend unterwarf der Prüfer die Einnahmen der drei Chefärzte in den genannten Monaten aus der Behandlung stationärer Patienten bei wahlärztlichen Leistungen und ambulanter Patienten in Notfällen der Lohnbesteuerung und ermittelte hieraus folgende nachzuzahlende, der Höhe nach unstreitige Entrichtungsbeträge in DM (vgl. Prüfungsbericht vom 8.09.1997):

 Zeitraum Lohnsteuer Kirchensteuer SolidaritätsZ Gesamtsumme
Prof.Dr.A1/1997625,8347,9749,88 
 2/19976.990,50535,06506,53 
 3/19977.710,67592,68560,55 
 4/199715.700,501.231,851.159,77 
Prof.Dr. B1/1997------------------------ 
 2/1997------------------------ 
 3/199737.219,662.959,362.774,40 
 4/199747.320,343.767,363.531,89 
Prof.Dr. C1/1997------------------------ 
 2/1997------------------------ 
 3/19972.350,66157,14147,32 
 4/19976.015,83435,92408,67 
Summen  123.933,99 9.727,34 9.139,01 142.800,34

Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht des Prüfers und setzte gegen den Kläger mit zusammengefasstem Bescheid vom 15.09.1997 neben einer nicht klagegegenständlichen Lohnsteuernachforderung die oben bezeichneten Entrichtungssteuern in der Höhe von 142.800,34 DM als Haftungsschulden fest. Der Haftungsbescheid enthielt keine Begründung bezüglich des Auswahlermessens. Der mit Schreiben vom 19.09.1997 vom Kläger gegen den Haftungsbescheid eingelegte Einspruch blieb in der Sache erfolglos und wurde mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 14.05.1998 als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt führte darin zur Begründung aus, deshalb nur den Kläger für die o.g. Steuerschulden in Haftung genommen zu haben, weil zum einen mehrere Arbeitnehmer betroffen gewesen seien und der Kläger zum anderen die ihr erteilte verbindliche Rechtsauskunft des Finanzamts missachtet hätte.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 10.06.1998 erhobene Klage, die der Kläger wie folgt begründet:

Der klagegegenständliche Haftungsbescheid sei rechtswidrig, weil die Einkünfte der Chefärzte aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen solche aus freiberuflicher Arbeit seien. Die Behandlung aller stationärer Patienten, d.h. auch derjenigen Patienten, die wahlärztliche Leistungen vereinbart haben, sei zwar dienstvertraglich als Dienstaufgabe der Chefärzte bestimmt. Dies könne aber allein für die Qualifizierung der Einkünfte nicht maßgeblich sein. Im Krankenhaus des Klägers werde ein so genannter " totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Zusatzvereinbarung wahlärztlicher Leistungen" verwendet. Das bedeute, dass die stationär aufgenommenen Patienten den Aufnahmevertrag mit dem Kläger abschließen und bei Bedarf gleichzeitig die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen vereinbaren. Dies entspreche den gesetzlichen Regelungen durch § 22 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) und § 17 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Wegen dieser gesetzlichen Vorgaben sei die vertragliche Festlegung der Erbringung wahlärztlicher Leistungen als Dienstaufgabe des Chefarztes zur Beurteilung der Qualifikation der Einkunftsart ungeeignet. Vielmehr sei das Gesamtbild seiner Tätigkeit entscheidend. Die wahlärztlichen Leistungen würden aufgrund der praktizierten Krankenhausaufnahmeverträge den Patienten nicht nur vom jeweiligen Chefarzt sondern auch vom Kläger geschuldet. Im Verhältnis zum Kläger seien die Chefärzte im Übrigen auch nicht zur Durchführung der wahlärztlichen Leistungen gegenüber dem einzelnen Patienten, sondern lediglich zur generellen Übernahme der Behandlung von Patienten mit wahlärztlichen Leistungen verpflichtet. Die Verpflichtung des jeweiligen Chefarztes zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen gegenüber dem Patienten ergebe sich ausschließlich aus dem (konkludent oder ausdrücklich) abgeschlossenen Behandlungsvertrag mit diesem. Die Einnahmen aufgrund des Liquidationsrechts beruhten deshalb nicht auf der Dienstaufgabe, sondern auf der konkreten Rechtsbeziehung zum Patienten aufgrund des individuellen Zusatzvertrages. Diese Beurteilung werde auch durch die haftungsrechtliche Rechtslage gestützt. Da dem Kläger - wie auch in den Vertragsalternativen gespaltener Verträge oder totaler Krankenhausaufnahmeverträge ohne Zusatzvereinbarung - im Haftpflichtfall gegenüber dem Patienten gegen den Chefarzt ein Regressanspruch zustehe, komme es nicht darauf an, ob wahlärztliche Leistungen als Dienstaufgabe definiert worden sind. Die Chefärzte seien in Bezug auf die wahlärztlichen Leistungen auch deshalb als selbständig tätig zu betrachten, weil sie unternehmerisches Risiko trügen. Da die Honorare für die wahlärztlichen Leistungen von den Chefärzten selbst in Rechnung gestellt würden, treffe sie auch das Risiko der Bezahlung durch die Patienten. Schließlich seien sowohl der an das Krankenhaus zu erbringende Kostenersatz als auch der Vorteilsausgleich ein Indiz für deren Selbständigkeit. Einem Arbeitnehmer würden Einrichtungen, Personal und Material ohne weiteres unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Auch erhielten die Chefärzte in dieser Hinsicht keine Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub. Die Liquidationseinnahmen, die von dritter Seite und damit nicht vom Kläger stammten, seien keine Gegenleistung für die Arbeitskraft der Chefärzte. Soweit in der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Einzelfall Einnahmen aus dem Liquidationsrecht eines Chefarztes für wahlärztliche Leistungen als Arbeitslohn angesehen hat, habe dieser bundesgerichtlichen Entscheidung ein Sachverhalt zu Grunde gelegen, der von dem des Streitfalls abweiche (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2005 VI R 152/01, BStBl II 2006, 94). Im entschiedenen Fall habe das Krankenhaus mit seinen Patienten so genannte totale Krankenhausaufnahmeverträge ohne Arztzusatzverträge abgeschlossen. Im Streitfall seien demgegenüber Krankenhausaufnahmeverträge mit Arztzusatzverträgen üblich gewesen. In derartigen Fällen sei von Einkünften aus freiberuflicher Arbeit auszugehen, was finanzgerichtlich geklärt sei (Finanzgericht -FG- Düsseldorf Beschluss vom 22. Oktober 2007, 3 V 1703/07 A (L), MedR 2008, 114). Die seitens des Finanzamts erteilte Anrufungsauskunft sei für die Haftung nicht erheblich, weil sie nur für das Finanzamt Bindungswirkung entfaltete, nicht hingegen für Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Die Rechtsansicht des Klägers werde auch durch das Gutachten von Prof. Dr. Y vom 16.07.1993 gestützt. Schließlich sei die Haftungsinanspruchnahme des Klägers auch ermessensfehlerhaft, weil das Finanzamt weder im Haftungsbescheid noch in seiner Einspruchsentscheidung deutlich gemacht habe, warum es ausschließlich den Kläger und keine weiteren Personen in Haftung genommen habe. In diesem Zusammenhang könne sich das Finanzamt auch nicht darauf berufen, dass der Kläger die eingeforderten Entrichtungsschulden vor Ergehen der Einspruchsentscheidung bezahlt habe. Die Finanzbehörde sei nicht deshalb von der Ausübung ihres Auswahlermessens befreit, weil einer der potenziellen Gesamtschuldner vorab freiwillig bezahle.

Im Schriftsatz vom 10.06.1998 hat der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.04.2008 nicht vertretene

Kläger angekündigt, zu beantragen,

den Haftungsbescheid vom 15.09.1997 über Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und Solidaritätszuschläge für die Entrichtungszeiträume Januar bis April 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.1998 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht sei die Erbringung der vom Kläger mit den Patienten vereinbarten wahlärztlichen Leistungen Teil der nichtselbständigen Tätigkeit der Chefärzte. Entscheidend sei vor allem, dass die Erbringung wahlärztlicher Leistungen dienstvertraglich als deren Dienstaufgabe und nicht zu deren Nebentätigkeit bestimmt worden sei. Der Kreis der Nebentätigkeiten sei vielmehr anderweitig definiert worden. Das Kriterium der Unternehmerinitiative sei auch nicht gegeben, weil die Chefärzte ihre Patienten nicht selbst akquirierten. Sie hätten auch kein finanzielles Risiko zu tragen, weil sie weder einen eigenen Kapitaleinsatz zu erbringen noch eigenes Personal zu stellen hätten. Auch das Haftungsrisiko der Chefärzte sei begrenzt, weil sich der Kläger zum Abschluss einer sämtliche Dienstaufgaben - und damit auch die wahlärztlichen Leistungen - umfassenden Haftpflichtversicherung verpflichtet habe. Auch in diesem Punkt seien nur die Nebentätigkeiten im Sinne des Dienstvertrags ausgenommen worden. Die Behauptung des Klägers, es bestehe im Bereich der Vergütung wahlärztlicher Leistungen keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sei auch nicht zutreffend. § 16 Abs. 1 Satz 2 DV sehe nämlich den Fortbestand des Liquidationsrechts für immerhin eine Absenz der Chefärzte über 13 Wochen vor. Die ausschließliche Inanspruchnahme des Klägers sei schließlich auch ermessensgerecht. Da die lohnsteuerrechtliche Frage mehrere Arbeitnehmer betreffe, sei die Haftung des Arbeitgebers gegenüber der Inanspruchnahme mehrerer Arbeitnehmer zweckmäßig. Ermessenserwägungen bezüglich einer zusätzlichen Haftungsinanspruchnahme des Vorstands des Klägers als deren gesetzlicher Vertreter seien in der Einspruchsentscheidung vom 14.05.1998 deshalb unterblieben, weil der Kläger die Haftungsschuld bereits zuvor am 20.10.1997 beglichen habe.

Aufgrund Beschlusses des damaligen Berichterstatters des Senats vom 17.04.2001 wurde im Hinblick auf das seinerzeit beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 41/96 anhängige Revisionsverfahren das Ruhen des Klageverfahrens (Aktenzeichen: 15 K 2553/98) angeordnet. Nach Wiederaufnahme durch Beschluss des Berichterstatters vom 15.01.2004 (neues Aktenzeichen: 15 K 269/04) wurde das Verfahren mit weiterem Beschluss des Berichterstatters vom 21.12.2004 ausgesetzt. Grund der Aussetzung war das oben zitierte zwischenzeitlich abgeschlossene Revisionsverfahren beim BFH (Aktenzeichen: VI R 152/01). Durch Beschluss vom 28.03.2008 hat der Senat das Klageverfahren unter dem aktuellen Aktenzeichen wieder aufgenommen.

Auf richterliche Anordnung vom 4.04.2008 legte der Kläger dem Gericht die im Zeitraum von Januar bis April 1997 bei der Patientenaufnahme verwendeten Vertragsformulare für den Behandlungsvertrag sowie für den gesonderten Wahlleistungsvertrag vor. Beide Formulare sehen ausschließlich Verträge zwischen dem Kläger und dem jeweiligen Patienten vor. Letzteres sieht eine Vereinbarung zwischen dem jeweiligen Patienten und dem Kläger vor. In dem formularmäßigen Wahlleistungsvertrag beantragt der den Vertrag schließende Patient die Gewährung der die allgemeinen Krankenhausleistungen übersteigenden gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen. Der Wahlleistungsvertrag bezieht sich dabei nicht auf einen oder mehrere einzelne namentlich genannte Ärzte, sondern ausdrücklich auf die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses. Nach dem Wortlaut des Vertragsformulars werden die wahlärztlichen Leistungen von den leitenden Ärzten der Kliniken und Institute, von ihren ständigen Vertretern im Gesamtaufgabenbereich oder von ihr für spezielle Bereiche bestellten ständigen Vertretern persönlich erbracht. Das Vertragsformular enthält dabei einen ausdrücklichen Hinweis auf die Aushändigung einer Anlage zum Wahlleistungsvertrag, in der sämtliche liquidationsberechtigten Ärzte und ihre Stellvertreter namentlich verzeichnet sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Lohnsteuerakte des Klägers, insbesondere auf das darin abgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. Y vom 16.07.1993, das vorgelegte Vertragsformular für die Patientenaufnahme und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.)

Die fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist unbegründet.

Der klagegegenständliche Bescheid vom 15.09.1997, durch den das Finanzamt den Kläger für nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer von 123.933,99 DM, Lohnkirchensteuer evangelisch und römisch-katholisch von 9.727,34 DM und Solidaritätszuschläge auf die Lohnsteuer von 9139,01 DM in Haftung genommen hat, ist rechtmäßig.

1.) Ein Arbeitgeber haftet gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz in der für die streitigen Anmeldungszeiträume geltenden Fassung (EStG) für die Lohnsteuer, die er für Rechnung des Arbeitnehmers nach § 38 Abs. 3 Satz 1, § 41 a Abs. 1 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hat. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Lohnsteuer ist die Einkommensteuer, die der Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (§ 38 a Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Pflicht zur Einbehaltung der Lohnkirchensteuer ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Bayerisches Kirchensteuergesetz (BayKiStG und der auf die Arbeitslöhne entfallenden Solidaritätszuschläge aus § 51 a Abs. 2a EStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG).

Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers erfolgt nur dann nicht mittels Haftungsbescheids im Sinne des § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO), wenn dieser entweder die einzubehaltende Lohnsteuer angemeldet hat oder nach Abschluss einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt (§ 42 d Abs. 4 Satz 1 EStG). Diese Ausnahme hat im Streitfall nicht vorgelegen.

2.) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Haftung sind im Streitfall erfüllt, weil es sich bei den in Rede stehenden Liquidationseinnahmen der Chefärzte aus der Behandlung stationärer Patienten bei wahlärztlichen Leistungen sowie ambulanter Patienten in Notfällen aufgrund des Gesamtbilds der Tätigkeit der Chefärzte unter besonderer Berücksichtigung der dienstvertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger sowie der Bestimmungen in den vom Kläger praktizierten Patientenaufnahmeverträgen um Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuer- Durchführungsverordnung (LStDV) gehandelt hat.

a) Dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, als der Chefarzt eines Krankenhauses wahlärztliche Leistungen sowohl in Gestalt einer selbständigen Arbeit, d.h. einer freiberuflichen Tätigkeit, oder einer nichtselbständigen Arbeit erbringen kann. Ob das eine oder das andere im Einzelfall zutrifft, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere danach, ob wahlärztliche Leistungen innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2005, a.a.O.). In der zitierten bundesgerichtlichen Entscheidung hat der BFH die Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch einen Chefarzt als nichtselbständige Tätigkeit qualifiziert.

Ausschlaggebend hierfür waren im Wesentlichen folgende Umstände: Im dort entschiedenen Fall schlossen die Patienten Vereinbarungen über die Gewährung von Wahlleistungen unmittelbar mit dem Krankenhaus nach Maßgabe einer vom Krankenhaus formularmäßig vorbereiteten Wahlleistungsvereinbarung. Hiernach konnten die Patienten mit dem Krankenhaus Wahlleistungen u.a. für die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses vereinbaren, soweit die Ärzte zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt waren. Bei Inanspruchnahme der Wahlleistungen konnte die Wahl nicht auf einzelne liquidationsberechtigte Ärzte des Krankenhauses beschränkt werden. Nach dem dem BFH zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt gehörten die wahlärztlichen Leistungen dienstvertraglich zu den Dienstaufgaben des betreffenden Chefarztes, wobei diese ausschließlich im Krankenhaus mit dessen Geräten und Einrichtungen zu erbringen waren. Der BFH sah auch den für die nichtselbständige Tätigkeit entscheidenden Gesichtspunkt der Unternehmerinitiative im dort entschiedenen Fall deswegen nicht als erfüllt an, weil die Patientenaufnahmeverträge allein durch das Krankenhaus abgeschlossen wurden, dem betreffenden Chefarzt weder ein Recht zur Ablehnung wahlärztlicher Leistungen gegenüber bestimmten Patienten noch die Möglichkeit zustand, durch Abschluss eigener Behandlungsverträge neue Patienten zu akquirieren und ihm schließlich das Liquidationsrecht nur aufgrund Dienstvertrages eingeräumt war. In diesem Zusammenhang hielt der BFH für bedeutsam, dass sich die zwischen Krankenhaus und Patienten vereinbarten wahlärztlichen Leistungen generell auf sämtliche liquidationsberechtigten Chefärzte bezogen und in deren Verhinderungsfall durch deren Vertreter zu erbringen waren. In dem bundesgerichtlich entschiedenen Fall sah der BFH auch die Voraussetzung unternehmerischen Risikos nicht als in ausreichendem Maße erfüllt an. Zum einen hielt der BFH das Risiko des Forderungsausfalls wegen der in der Regel bestehenden privaten Krankenversicherung der Patienten und wegen der im entschiedenen Fall erfolgten Übernahme des Forderungseinzugs durch das Krankenhaus für gering. Zum anderen sah er auch eine Begrenzung des Kostenrisikos des Chefarztes darin, dass dieser dem Krankenhaus Kostenerstattung ebenso wie Vorteilsausgleich nur aufgrund vereinnahmter Honorare zu leisten verpflichtet war.

b) Bei Anwendung dieser nach Ansicht des erkennenden Senats im Wesentlichen überzeugenden Grundsätze ist auch im Streitfall von einer nichtselbständigen Tätigkeit der Chefärzte auszugehen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der vorliegende Sachverhalt vom Tatbestand der BFH-Entscheidung allerdings in vereinzelten Punkten abweicht.

aa) Der Senat hat keine Zweifel daran, dass im Streitfall die Erbringung wahlärztlicher Leistungen gegenüber stationär aufgenommenen Patienten ebenso wie die Behandlung ambulanter Patienten in Notfällen dienstvertraglich als Dienstaufgabe des jeweiligen Chefarztes festgelegt gewesen ist.

Die in § 3 Abs. 1 S. 3 Buchstabe a DV enthaltene kategorische Bestimmung definiert die Behandlung ausnahmslos aller stationärer Kranker der jeweiligen Klinik im Rahmen der Krankenhausleistungen zur Dienstaufgabe des Klinikleiters. Zweifelsfrei sind hierin auch diejenigen Patienten erfasst gewesen, die aufgrund eines zusätzlichen Wahlleistungsvertrags wahlärztliche Leistungen in Anspruch genommen haben. Dasselbe gilt nach § 3 Abs. 1 S. 3 Buchstabe e DV für die Behandlung ambulanter Patienten in Notfällen. Hieraus wird auch verständlich, dass sich der Kläger dienstvertraglich verpflichtet hat, die Chefärzte hinsichtlich ihrer gesamten dienstlichen Tätigkeit gegen Haftpflichtfälle zu versichern (§ 17 Abs. 1 Satz 1 DV). Ausgenommen hiervon sind nur erlaubte Nebentätigkeiten des jeweiligen Chefarztes im Sinne des § 8 DV, zu denen die Erbringung wahlärztlicher Leistungen aber - wie ausgeführt - nicht zählt (§ 17 Abs. 1 Satz 2 DV).

Der dienstvertraglich vereinbarte Umfang der Dienstaufgaben der Chefärzte korrespondiert auch mit den im Krankenhaus des Klägers üblichen Patientenaufnahmeverträgen, die in den in Rede stehenden Lohnsteueranmeldungszeiträumen abgeschlossen worden sind. Unstreitig hat der Kläger mit den aufgenommenen Patienten, die gesondert berechenbare wahlärztliche Leistungen in Anspruch nehmen wollten, neben dem regulären Krankenhausaufnahmevertrag noch einen Wahlleistungsvertrag entsprechend dem vorgelegten Musterformular abgeschlossen. Durch Letzteren hat sich der Kläger gegenüber den aufgenommenen Patienten zur Erbringung der vereinbarten wahlärztlichen Leistungen durch die bei ihr angestellten liquidationsberechtigten Ärzte - insbesondere die Chefärzte - verpflichtet. Wie auch in dem vom BFH entschiedenen Fall haben sich die Wahlleistungsverträge pauschal auf sämtliche liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses des Klägers bezogen. Das Angebot wahlärztlicher Leistungen hat der Kläger gerade dadurch gewährleisten können, dass die Chefärzte ihrerseits dienstvertraglich dem Kläger die Erbringung dieser Leistungen geschuldet haben. Dem Kläger ist in diesem Zusammenhang zwar einzuräumen, dass ein Krankenhaus, das wahlärztliche Leistungen in seinen Leistungsumfang aufgenommen hat, dies wegen der gesetzlichen Vorgaben durch § 16 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Verbindung mit § 22 BPflV (heute: § 17 KHEntgG) nur in der Konzeption eines so genannten totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit zusätzlichem Wahlleistungsvertrag gewährleisten kann. Dies mag - wie ausgeführt - den Umfang der chefärztlichen Dienstaufgaben nicht nur erklären, sondern möglicherweise auch maßgeblich vorbestimmt haben. Vorgegebene gesetzliche Rahmenbedingungen sind aber nicht bereits deswegen als Kriterium der Beurteilung der Einkunftsart ausgeschlossen, weil sie außersteuerrechtlichen Rechtsgebieten entstammen. Die Qualifizierung der zutreffenden Einkunftsart hat sich vielmehr am Gesamtbild der chefärztlichen Tätigkeit zu orientieren, was derlei gesetzliche Vorgaben gerade mit einschließt.

bb) Für den nichtselbständigen Charakter der hier streitigen Tätigkeit spricht - wie auch in dem vom BFH entschiedenen Fall - der Umstand, dass die Chefärzte nicht nur in die Gesamtorganisation des Krankenhauses des Klägers eingebunden gewesen sind, sondern auch, dass sie ihre wahlärztlichen Leistungen nur unter Verwendung der Geräte, Einrichtungen und des Personals des Krankenhauses zu erbringen berechtigt und verpflichtet gewesen sind. Die enge organisatorische und dienstvertragliche Einbindung der Chefärzte bei der Ausübung der wahlärztlichen Leistungen ist nicht zuletzt daraus zu erkennen, dass im Verhinderungsfall diese von deren Vertretern zu erbringen gewesen sind.

cc) Auch im Streitfall ist die für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerinitiative insoweit deutlich eingeschränkt gewesen, als zum einen die Chefärzte ihr Liquidationsrecht nur aufgrund dienstvertraglicher Konzession auszuüben befugt gewesen sind und ihnen zum anderen keine Möglichkeit zugestanden hat, den Kreis ihrer Wahl-Patienten zu erweitern. Das Liquidationsrecht hat sich sowohl dem Grunde als der Höhe nach durch die Aktivität des Klägers definiert. Schon aus dem Grund verbietet sich in dieser Hinsicht jeder Vergleich mit einem zweifellos freiberuflich tätigen, niedergelassenen Arzt. Die Behauptung des Klägers, den Chefärzten habe es freigestanden, im Einzelfall wahlärztliche Leistungen zu erbringen oder nicht, sieht der Senat nicht als überzeugend an. Aus den oben dargestellten Gründen hat die gesamte Vertragsgestaltung zwischen dem Kläger und einerseits ihren Patienten sowie andererseits ihren Chefärzten auf einer funktionierenden Organisation, einschließlich der reibungslosen Gewährleistung wahlärztlicher Leistungen durch das Krankenhaus beruht. Den Dienstverträgen ist jedenfalls ein Recht der Chefärzte zur Ablehnung der Behandlung einzelner Patienten nicht zu entnehmen. Die Frage, ob es den Chefärzten frei gestanden hat, die im Zug der Behandlung stationärer Patienten erbrachten wahlärztlichen Leistungen diesen in Rechnung zu stellen oder es zu unterlassen, ist hingegen nach Ansicht des Senats von eher theoretischer Natur und für die Qualifizierung der Einkünfte nicht von Bedeutung. Für nicht entscheidungserheblich hält der Senat die Frage, ob sich bei der im Streitfall praktizierten Vertragsgestaltung im Vergleich zu einem gespaltenen Patientenvertrag oder auch einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag die gleiche haftungsrechtliche Rechtslage ergäbe und ein Regressanspruch des Klägers gegenüber ihren Chefärzten bestünde. Die Bestimmung der Einkunftsart orientiert sich nicht an der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Ärzte.

dd) Der Qualifizierung der Einkünfte als solche aus nichtselbständiger Tätigkeit steht auch nicht entgegen, dass die liquidationsberechtigten Ärzte die Honorare für die wahlärztlichen Leistungen nicht vom Kläger sondern von den jeweils behandelten Patienten vereinnahmt haben. Auch Zahlungen von dritter Seite sind Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, wenn der Zahlende seine Leistung gerade im Hinblick auf ein bestehendes Dienstverhältnis erbringt (vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BStBl II 1999, 323 und vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BStBl II 1981, 707).

Auch wenn die Wahlleistungsverträge zwischen dem Kläger und den Patienten - ausweislich des dem Gericht vorgelegten Formulars - den Hinweis enthalten haben, dass die wahlärztlichen Leistungen von den leitenden Ärzten der Kliniken bzw. deren Vertretern persönlich erbracht würden, bildet diese Vereinbarung die Grundlage für die Verpflichtung der Patienten zur Bezahlung der während ihres Krankenhausaufenthaltes in Anspruch genommenen, gesondert berechneten wahlärztlichen Leistungen. Für den Abschluss zusätzlicher individueller schriftlicher Wahlarztverträge zwischen dem jeweils tätig gewordenen Chefarzt und jedem einzelnen Patienten im Sinne der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ergeben sich aus dem Sachvortrag des Klägers für den Streitfall keine Anhaltspunkte (vgl. Bundesgerichtshof-Urteil vom 20. Dezember 2007 III ZR 144/07, EBE/BGH 2008, 132). Ob derlei Vereinbarungen in mündlicher oder konkludenter Form üblich gewesen sind, ist nach dem Sachvortrag des Klägers nicht erkennbar und auch nicht nachgewiesen, kann aber nach Ansicht des Senats auch dahingestellt bleiben. Selbst wenn zusätzliche Behandlungsverträge in dieser Form praktiziert worden wären, so fußte die Dienstleistung des Chefarztes doch in erster Linie und in prägender Weise sowohl auf dem Wahlleistungsvertrag des Patienten mit dem Kläger als auch auf der dienstvertraglichen Verpflichtung des Chefarztes gegenüber seinem Arbeitgeber, diese auch zu erbringen. Weder die Behandlung stationärer Patienten bei Wahlleistungen noch diejenige ambulanter Patienten in Notfällen durch den Chefarzt wäre ohne vorherige Vereinbarung des Patienten mit dem Kläger denkbar oder gar zulässig gewesen. Gerade wegen der dienstvertragsrechtlichen Verpflichtung der Chefärzte sind die von den Patienten an sie entrichteten Vergütungen auf deren Anstellungsverhältnis zurückzuführen. Der Senat teilt deshalb nicht die Rechtsansicht des Klägers, die in Rechnung gestellten Gebühren seien keine Gegenleistung für die Arbeitskraft des jeweiligen Chefarztes gewesen. Vielmehr wird aus der dienstvertraglichen Verortung der wahlärztlichen Leistungen die Rechtsnatur der Liquidationseinnahmen als systematischer zweiter Bestandteil der Chefarztvergütung deutlich. Ob dem BFH-Urteil vom 5. Oktober 2005 (a.a.O) - wie der Kläger meint - ein Sachverhalt eines totalen Krankenhausaufnahmevertrags ohne (individuellen) Arztzusatzvertrag zugrunde gelegen hat, spielt deswegen nach Ansicht des erkennenden Senats keine entscheidende Rolle. Die Liquidationseinnahmen aus wahlärztlichen Leistungen wie auch aus den o.g. Notfallbehandlungen haben sich demnach einkommensteuerrechtlich grundlegend von denjenigen aus der Behandlung ambulanter Selbstzahler (so genannter Privatpatienten) unterschieden, deren Berechtigung sich dienstvertraglich eindeutig aus einer erlaubten Nebentätigkeit außerhalb der eigentlichen Dienstaufgaben im Sinne des § 8 DV ergibt.

Erfüllen die von dritter Seite vereinnahmten Vergütungen aus den wahlärztlichen Leistungen und den Notfallbehandlungen - wie ausgeführt - wegen der Art der zugrunde liegenden Tätigkeit die Tatbestandsmerkmale von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 LStDV), so ändert sich daran auch nichts allein wegen deren Höhe. Wenn ein Arbeitgeber zulässt, dass erhebliche Teile des Arbeitslohns von dritter Seite bezahlt werden und hierdurch die nach § 38 Abs. 1 Satz 1, § 39 b EStG vorgesehene Lohnsteuereinbehaltungssystematik in einzelnen Anmeldungszeiträumen nicht mehr greift, müssen die Entrichtungsschulden - wie etwa auch in Fällen der Nachversteuerung versehentlich unversteuert belassener Lohnbestandteile - in späteren Anmeldungszeiträumen einbehalten werden. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer etc. entfällt nicht deshalb, weil große Teile des Arbeitslohns von dritter Seite bezahlt werden. Der Kläger hat zudem nicht vorgetragen, im Streitfall allein wegen der Höhe der Liquidationseinnahmen dauerhaft nicht zur Einbehaltung der Entrichtungssteuern imstande gewesen zu sein.

ee) Schließlich haben die Klinikleiter auch nur ein eingeschränktes Risiko zu tragen gehabt, das mit dem eines typischen Freiberuflers nicht annähernd vergleichbar gewesen ist.

Der Streitfall unterscheidet sich zwar von dem Tatbestand der BFH-Entscheidung vom 5. Oktober 2005 insoweit, als die Honorarforderungen aufgrund der wahlärztlichen Leistungen dort durch das Krankenhaus, im Streitfall hingegen durch den jeweiligen Chefarzt persönlich eingefordert worden sind. Hierdurch hat sich das Risiko eines Forderungsausfalls bei Nichtzahlung durch den Patienten bzw. dessen privater Krankenversicherung gegenüber dem vom BFH beurteilten Tatbestand aber nicht nennenswert erhöht. Der liquidationsberechtigte Arzt trägt das Risiko eines Forderungsausfalls nämlich auch dann, wenn der Anspruch durch den Krankenhausträger geltend gemacht würde. In diesem Fall erspart er sich lediglich die Rechnungsbearbeitung und die Einforderungsbemühungen. Der Senat kann deshalb in dieser Hinsicht keinen grundlegenden Unterschied des Streitfalls gegenüber der bundesgerichtlichen Entscheidung erkennen. Für nicht überzeugend hält der Senat allerdings die Überlegung des BFH, das unternehmerische Risiko deswegen zu verneinen, weil die wahlärztliche Leistungen in Anspruch nehmenden Patienten in der Regel privat krankenversichert seien. In dieser Hinsicht schließt sich der Senat den Ausführungen des FG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2007 (a.a.O.) an, wonach sich hieraus kein Unterschied zu freiberuflich tätigen, niedergelassenen Ärzten ergäbe. Schließlich sieht der Senat auch das Kostenrisiko der liquidationsberechtigten Ärzte als eingeschränkt an. Da sich sowohl die an den Kläger zu leistende Kostenerstattung als auch der Vorteilsausgleich quotal an der Höhe der Bruttorechnungsbeträge beziehungsweise der vereinnahmten Honorare orientieren und die Chefärzte darüber hinaus weder eigenes Personal vorhalten noch Eigenkapital investieren müssen, ist deren maximales Kostenrisiko begrenzt und mit der typischen Situation eines Freiberuflers nicht vergleichbar. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass nach den dienstvertraglichen Regelungen im Streitfall die Bemessungsgrundlagen für die zu leistende Kostenerstattung und für den Vorteilsausgleich insoweit differieren, als für erstere die Bruttorechnungsbeträge und für letztere die tatsächlich vereinnahmten Honorare maßgeblich gewesen sind. Diesen Unterschied hält der Senat im Streitfall allerdings nicht für entscheidungserheblich.

3.) Der klagegegenständliche Haftungsbescheid begegnet auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsnatur als Ermessensentscheidung des Finanzamts keinen rechtlichen Bedenken (§ 191 Abs. 1 Satz 1, § 5 AO). Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch seitens des Finanzamts sind nicht ersichtlich (§ 102 Satz 1 FGO). Insbesondere liegt kein Ermessensfehler des Finanzamts bei der Ausübung des Auswahlermessens vor, der zur Aufhebung des Haftungsbescheids führen könnte.

a) Die Entscheidung des Finanzamts, den Kläger und nicht die drei angestellten Chefärzte für die Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Lohnsteuerhaftungsschuld des Arbeitgebers und die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers sind zwar nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG als Vorauszahlungssteuern Gesamtschulden im Sinne des § 44 AO (vgl. hierzu Ludes in Heuermann/Wagner Lohnsteuer Teil J Rz. 53). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer haben im Streitfall auch vorgelegen, weil der Kläger diesbezüglich die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat und die Arbeitnehmer dies sogar wussten (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG). Die Entscheidung des Finanzamts, dennoch nur den Kläger hierfür in Anspruch zu nehmen, weil zum einen mehrere Arbeitnehmer betroffen gewesen sind und der Kläger zum anderen bewusst entgegen der erteilten Anrufungsauskunft gehandelt hat, sieht der Senat insoweit als ausreichende Begründung an. Schließlich wäre im Streitfall auch die Einkommensteuer der Steuerschuldner, d.h. der drei betroffenen Chefärzte nicht einfacher zu erheben gewesen, als die Lohnsteuer in dem vom Finanzamt beschrittenen Haftungsweg (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1995 VI B 28/95, BFH/NV 1996, 32).

b) Der Senat folgt auch nicht der Rechtsansicht des Klägers, der Haftungsbescheid sei unter dem Gesichtspunkt des Auswahlermessens deswegen fehlerhaft, weil das Finanzamt nicht auch die Frage der Haftungsinanspruchnahme des Vorstands des Klägers in seine Ermessenserwägungen aufgenommen hat.

Es ist zwar zutreffend, dass die Finanzbehörde bei einer auf § 42d EStG gestützten Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers eines lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmers ihr Auswahlermessen auch dahingehend auszuüben verpflichtet ist, ob neben der Arbeitgeberhaftung noch die Haftung einer dritten Person etwa nach den Vorschriften der §§ 69 - 77 AO in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 9. August 2002 VI R 41/96, BStBl II 2003, 160). Wie der Kläger vorträgt, wäre im Streitfall die persönliche Haftungsinanspruchnahme des Vorstands des Klägers gemäß §§ 34, 69 AO nur in Betracht gekommen, wenn dieser die lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden infolge Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit nicht angemeldet und abgeführt hätte. Ob ein solcher persönlicher Schuldvorwurf angesichts der Tatsache, dass der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit die Qualität der Liquidationseinnahmen als Lohnbestandteil schlechthin bestreitet, überhaupt tragfähig wäre, ist fraglich, kann aber aus folgenden Gründen dahin gestellt bleiben:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind für die gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich. Denn aus dem Wesen einer Ermessensvorschrift, einen Spielraum dafür zu geben, unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen wählen zu lassen, folgt, dass die durch § 102 FGO dem Umfang nach umschriebene gerichtliche Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung nur auf den Zeitpunkt der Wahl durch die Verwaltungsbehörde selbst bezogen sein kann (BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BStBl II 1991, 545). Im finanzgerichtlichen Verfahren ist der Finanzbehörde nach § 102 Satz 2 FGO demgegenüber nur gestattet, bereits an- oder dargestellte Ermessenserwägungen zu vertiefen, zu verbreitern oder zu verdeutlichen. Nicht dagegen ist sie befugt, Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals anzustellen, die Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig nachzuholen (BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

Das Finanzamt hat es zwar im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Haftungsbescheids vom 15.09.1997 unterlassen, in dieser Hinsicht sein Auswahlermessen auszuüben und zu begründen. Dieses Versäumnis hätte das Finanzamt - nach der oben aufgeführten Rechtsprechung - noch in seiner Einspruchsentscheidung vom 14.05.1998 nachholen können. Hierzu hat aber wegen der zwischenzeitlich erfolgten Zahlung der haftungsrelevanten Entrichtungsschulden durch den Kläger am 20.10.1997 keine Veranlassung mehr bestanden. Infolge der Bezahlung sind die Schulden aufgrund Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer und der Solidaritätszuschläge sowohl des Klägers als Arbeitgeberin als auch der drei betroffenen Chefärzte als deren Arbeitnehmer erloschen (vgl. § 42d Abs. 3 Satz 1 und 4 EStG). Diesen Umstand hätte das Finanzamt bei der Prüfung seines Auswahlermessens in der Einspruchsentscheidung oder gar einer zusätzlichen Haftungsinanspruchnahme des Vorstands des Klägers wegen § 69 AO berücksichtigen müssen. Wegen der Akzessorietät der Haftung für eine fremde Schuld - in diesem Fall der Entrichtungsschulden des Klägers - wäre eine zusätzliche Haftungsinanspruchnahme weiterer Personen ab dem Zeitpunkt der Tilgung der originären Schuld wegen des so genannten Übermaßverbots, insbesondere auch ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung nach § 219 AO, nicht mehr zulässig gewesen (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77, BStBl II 1981, 138). Die besondere Begründung des Auswahlermessens in der Einspruchsentscheidung ist somit entbehrlich geworden, weil andere Personen als der Inanspruchgenommene als Haftungsschuldner überhaupt nicht (mehr) in Betracht gekommen sind (BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579). Der Sinn abgabenrechtlicher Haftungsnormen besteht nur in der Durchsetzung bestehender Steueransprüche der Finanzbehörde und nicht in der Gewährleistung einer zutreffenden Verteilung der finanziellen Lasten im Innenverhältnis der potenziellen Verantwortlichen.

II.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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