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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: 2 K 2254/03
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

AO § 110 Abs. 1
AO § 110 Abs. 2
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 1
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 2. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht des Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht sowie der ehrenamtlichen Richter und ohne mündliche Verhandlung am 28. März 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Einkommensteuerveranlagung der Kläger gemäß ihrer erst am 20. September 2001 beim Beklagten (dem Finanzamt -FA-) vorgelegten Einkommensteuererklärung 1998 durchgeführt werden muss.

Nachdem die Kläger-Ehegatten trotz Erinnerung von Seiten des FA für das Streitjahr 1998 immer noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen in Anlehnung an die Veranlagung für das Vorjahr unter Ansatz von Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 248.000 DM (= 250.000 DM an Einnahmen ./. 2.000 DM Werbungskosten) und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 0 DM. Den unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Schätzungsbescheid vom 28. März 2000 versandte es direkt an die Kläger.

Am 24. Mai 2000 ging beim FA die Mitteilung über einen anteiligen Verlust aus Vermietung und Verpachtung 1998 des Klägers in Höhe von 186.858 DM an der "Grundstücksgemeinschaft A in B. ein.

Noch mit Schreiben vom 4. Januar 2001 forderte das FA die Kläger unter Androhung von Zwangsgeld zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 bis spätestens 3. Februar 2001 auf. Mit Bescheid vom 9. März 2001 hob es den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 28. März 2000 sodann mit der Begründung auf, dass nach § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Antragsveranlagung vorliege und die Zweijahresfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG abgelaufen sei.

Erst am 20. September 2001 reichten die Kläger beim FA ihre Einkommensteuererklärung für 1998 ein, worin sie insgesamt folgende Einkünfte erklärten: Einkünfte des Kläger aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 324.821 DM und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 174.191 DM (= 12.667 DM aus "Vermietung der Ferienwohnung" und ./. 186.858 DM "Einkünfte aus Beteiligung"). Bei der Anfertigung der Steuererklärung wirkte wie auch im Vorjahr - der Klägervertreter mit.

Die entsprechende Veranlagung zur Einkommensteuer lehnte das FA mit Bescheid vom 9. November 2001 unter Hinweis darauf ab, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und 2 Nr. 1 bis 7 EStG für eine Veranlagung von Amts wegen nicht vorlägen und der Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht fristgerecht gestellt worden sei; die Antragsfrist sei am 31. Dezember 2000 abgelaufen.

Im dagegen geführten Einspruch (s. Schreiben vom 13. November 2001 und 11. Dezember 2001) trug der Klägervertreter vor, eine Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG komme nur in Betracht, wenn die Vorschriften des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG nicht anwendbar seien. Da der Kläger aber erhebliche negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe, sei eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durchzuführen. Zudem habe das FA bereits eine Veranlagung durchgeführt, da im März 2000 ein geschätzter Einkommensteuerbescheid für 1998 direkt an die Kläger geschickt worden sei. Ein Verlustanteil aus Vermietung und Verpachtung 1998 sei in Höhe von 186.858 DM gemäß § 179 der Abgabenordnung (AO) am 22. Mai 2000 einheitlich und gesondert festgestellt und dem FA unmittelbar darauf mitgeteilt worden. Den Einkommensteuerschätzungsbescheid 1998 vom 28. März 2000 hätte das FA gemäß § 182 AO zwingend anpassen müssen. Aufgrund der Aufhebung des Schätzungsbescheids im März 2001, also nach Ablauf der Antragsfrist i. S. von § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, hätten die Kläger als steuerliche Laien nicht ahnen können, dass sie nach dem 31. Dezember 2000 ihren Verlust aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr hätten geltend machen können. Als Laien hätten sie nicht erkennen können, dass sich die Schätzung in Nichts auflöse, wenn sie die Frist versäumen würden. Im Schätzungsbescheid sei außerdem darauf hingewiesen worden, dass die Schätzung nicht von der Abgabe der Steuererklärung 1998 befreie. Der Grundsatz von Treu und Glaube sei allein dadurch verletzt worden, dass der Schätzungsbescheid vom 28. März 2000 nicht unmittelbar nach Zugang des Grundlagenbescheids über den hohen Verlust aus Vermietung und Verpachtung im Mai 2000 geändert oder aufgehoben, sondern vielmehr erst nach Ablauf der laut § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bestehenden Antragsfrist aufgehoben worden sei. Sie hätten damit nicht mehr reagieren können, zumal keine durchgehende steuerliche Beratung vorliege. Bei einer zu niedrigen Schätzung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 80.000 DM und der gleichzeitigen Ignorierung des gesondert und einheitlich festgesetzten Verlusts aus Vermietung und Verpachtung habe das FA schließlich den Grundsatz des § 85 AO nicht erfüllt.

Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2003 zurück, da nur eine Antragsveranlagung durchgeführt werden könne und die hierfür nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG einzuhaltende Frist versäumt worden sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO könne nicht gewährt werden. Zwar werde von der Rechtsprechung steuerliche Unkenntnis in Einzelfällen grundsätzlich als Hinderungsgrund anerkannt. Aber die versäumte Handlung sei gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 AO innerhalb eine Monats nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen. Spätestens mit dem Aufhebungsbescheid vom 9. März 2001 hätten die Kläger davon Kenntnis erlangt, dass die Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG am 31. Dezember 2000 abgelaufen sei. Sie hätten damit spätestens bis 9. April 2001 die versäumte Handlung nachholen und die Einkommensteuererklärung 1998 abgeben müssen, was aber erst am 20. September 2001 geschehen sei.

Dagegen wenden sich die Kläger mit der vorliegenden Klage. Zur Begründung tragen sie teils ergänzend - im Wesentlichen vor, dass der Kläger sich im Jahr 1999 einer Hüftoperation habe unterziehen müssen und durch den zwei Monate dauernden Klinikaufenthalt mit Nachsorge für lange Zeit vom Arbeitsaufwand her bis über die Grenzen belastet worden sei. Der Schätzungsbescheid für 1998 sei ohne Beachtung der Zustellungsvollmacht aus der Einkommensteuererklärung 1997 ergangen und das Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit deutlich zu niedrig festgesetzt worden. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien mit 0 DM viel zu hoch angesetzt worden. Ohne die Mitteilung über eine einheitliche und gesonderte Feststellung aus der Grundstücksgemeinschaft in B in Höhe von 186.858 DM auszuwerten, habe das FA am 9. März 2001 die Veranlagung unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG aufgehoben. Dieser Bescheid liege aber weder dem Klägervertreter als Zustellungsbevollmächtigen noch den Klägern vor. Hierzu legen die Kläger eine Erklärung an Eides statt vom 15. März 2003 vor, wonach ihnen kein Bescheid des FA vom 9. März 2001 über die Aufhebung der Veranlagung 1998 vorliege. Erst aufgrund der eingereichten Steuererklärung sei dem Klägervertreter von Seiten des FA mit Schreiben vom 9. November 2001 die Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung 1998 mitgeteilt worden. Erstmals im Schreiben des FA vom 3. Dezember 2001 sei darauf hingewiesen worden, dass der Schätzungsbescheid 1998 mit Bescheid vom 9. März 2001 aufgehoben worden sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei bei der Veranlagung verletzt worden, da speziell die bereits lange Zeit vorliegende Mitteilung des Grundlagenbescheids hätte ausgewertet werden müssen oder zumindest vom Steuerberater bzw. den Klägern eine Stellungnahme hätte verlangt werden können. Insoweit werde auf die AO-Kartei der OFD S 0361 Karte 3 zu § 180 verwiesen. Danach habe das Wohnsitzfinanzamt das Ergebnis der gesonderten Feststellung der negativen Einkünfte möglichst umgehend auszuwerten. Liege bereits ein Steuerbescheid vor, so könne die Auswertung bis zu einer aus anderen Gründen erforderlichen Änderung der Einkommensteuer zurückgestellt werden. Die Anpassung des Folgebescheids müsse rechtzeitig vor Eintritt der Festsetzungsverjährung nachgeholt werden. Dies sei eindeutig nicht durchgeführt worden. Bis zur Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung 1998 im November 2001 habe sich das FA nicht um den Feststellungsbescheid über Verluste aus Vermietung und Verpachtung gekümmert, obwohl sich hier erhebliche Auswirkungen auf die Steuer ergeben hätten. Spätestens im Mai 2000 sei für das FA erkennbar gewesen, dass eine Antragsveranlagung gemäß § 46 EStG durchzuführen sei. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte der Schätzungsbescheid 1998 folglich unter Hinweis auf § 46 EStG aufgehoben werden müssen. Die Handhabung lasse die Vermutung zu, dass von Seiten der Veranlagung bewusst - auch unter Umgehung der Zustellungsvollmacht - eine Steuerfalle genutzt worden sei. Die Kläger seien durch den Schätzungsbescheid im Kalenderjahr 2000 in dem Glauben gelassen worden, dass die steuerlichen Verluste aus Vermietung und Verpachtung jederzeit ansetzbar seien. Immerhin seien sie aufgefordert worden, eine Steuererklärung einzureichen. Nachdem das FA den Feststellungsbescheid über Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt B erhalten habe, sei der Anschein der Amtsveranlagung aufrecht erhalten worden. Wegen des weiteren Vortrags der Kläger wird gemäß § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung auf die Klageschriftsätze vom 23. Mai und 14. Juli 2003 verwiesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 9. November 2001 und der zugehörigen Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2003 des FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 1998 gemäß der beim FA am 20. September 2001 eingegangenen Erklärung festzusetzen.

Das FA beantragt Klageabweisung.

In welchem Zusammenhang die Erkrankung des Klägers im Jahre 1999 mit der versäumten Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (Frist 31. 12. 2000) stehe, könne weder der Klagebegründung noch dem Akteninhalt entnommen werden. Der Schätzungsbescheid für 1998 sei zu Recht an die Kläger direkt versandt worden, da keine allgemeine Empfangsvollmacht-/Zustellvollmacht für den Klägervertreter vorliege, auch wenn sie von ihm durchgehend steuerlich vertreten worden seien. Die Aufhebung des Schätzungsbescheides sei auch zugegangen. Denn im außergerichtlichen Verfahren sei vom Nichtzugang keine Rede gewesen; im Schreiben vom 11. Dezember 2001 hätten sie sich vielmehr noch ausdrücklich auf diesen Bescheid berufen und erklärt, dass sie aufgrund der Aufhebung nicht hätten ahnen können, dass die Verluste nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Aber auch wenn die Aufhebung des Schätzungsbescheides 1998 nicht bekannt gegeben worden sein sollte, ändere dies nichts am Versäumnis der Antragsfrist. Weder in der Schätzung noch in der Aufforderung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung liege ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Bei § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG handle es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die sich auch nicht dadurch verlängere, dass das FA den Vorgang noch bearbeite, sei es durch Schätzung oder Aufhebung der Veranlagung. Soweit nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG keine Veranlagung durchzuführen und insoweit ein Grundlagenbescheid mit negativen Einkünften bedeutungslos werde, sei auch der Grundlagenbescheid nicht auszuwerten, wie sich aus den BFH-Urteilen vom 8. April 1986 IX R 212/84, BStBI II 1986, 790 und vom 14. März 1989 l R 77/85, BFH/NV 1991, 311 sowie aus dem Schreiben der OFD vom 24. April 2002 S 2270 - 38 St 312 ergebe.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht lehnte das FA mit Bescheid vom 9. November 2001 die Veranlagung gemäß der beim FA erst am 20. September 2001 eingegangenen Einkommensteuererklärung 1998 ab, da die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und 2 Nr. 1 bis 7 EStG für eine Pflichtveranlagung nicht vorliegen, weil der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch Vorlage der Einkommensteuererklärung 1998 am 20. September 2001 nicht fristgerecht gestellt wurde und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO nicht vorliegen.

Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung nur auf Antrag durchgeführt, wenn keiner der in Abs. 2 Nr. 1-7 der Vorschrift genannten Gründe für eine Pflichtveranlagung vorliegt. Der Antrag kann gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG nur bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung gestellt werden.

1. Im vorliegenden Streitfall kommt eine Pflichtveranlagung für das das Jahr 1998 nach § 46 Abs. 2 Nr. 1-7 EStG nicht in Betracht, da unstreitig keine der unter Nr. 2-7 bezeichneten Voraussetzungen und -entgegen dem Vortrag des Klägervertreters im Einspruchsverfahren auch die Voraussetzungen nach Nr. 1 nicht vorliegen.

Nach Nr. 1 der Vorschrift wird eine Pflichtveranlagung nur durchgeführt, wenn die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24 a, oder die Summe der Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, jeweils mehr als - so die im Streitjahr geltende Fassung - 800 DM beträgt. Die "erheblichen negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" erfüllen somit entgegen der vom Klägervertreter noch im Einspruchsverfahren vorgetragenen Auffassung nicht die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Da gemäß der am 20. September 2001 beim FA eingereichten Erklärung die Kläger an Einkünften ausschließlich 324.821 DM aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers und ./. 174.191 DM (= 12.667 DM aus "Vermietung der Ferienwohnung" und ./. 186.858 DM "Einkünfte aus Beteiligung") aus Vermietung und Verpachtung des Klägers im Streitjahr 1998 erzielt hatten, ging das FA zu Recht von keiner Pflichtveranlagung aus.

2. Der mit Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 am 20. September 2001 gestellte Antrag auf Durchführung einer entsprechenden Veranlagung ist verspätet.

Die in § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG geregelte Zweijahresfrist begann am 1. Januar 1999 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2000. Da sie eine gesetzliche Ausschlussfrist darstellt, kann sie nicht nach behördlichem Ermessen verlängert werden. Am Fristablauf ändert sich folglich auch dann nichts, wenn der Steuerpflichtige zur Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgefordert wird, ein Schätzungsbescheid oder auch ein Grundlagenbescheid ergeht (s. Anmerkung Neu in EFG 2002, 1612 m. w. N., insbesondere die BFH-Urteile in BStBI II 1986, 790 und in BFH/NV 1991, 311; s. auch die Entscheidungen des Hessischen FG vom 1. November 2004 13 K 1363/04, Haufe-Dokument Hl 1284185, des FG Berlin vom 25. Februar 2005 1 K 1432/04, EFG 2005, 1619 sowie des FG Hamburg vom 21. Juni 2005 III 271/04, Haufe-Dokument Hl 1449919).

Nichts anderes ergibt sich somit entgegen der Auffassung der Kläger daraus, dass das FA bereits eine Veranlagung durch Erlass eines Einkommensteuerschätzungsbescheids am 28. März 2000 durchgeführt hatte. Wenn die Kläger, wie sie vortragen, dadurch dem Glauben unterlagen, dass die steuerlichen Verluste aus Vermietung und Verpachtung jederzeit ansetzbar seien, so unterliegen sie damit einem bloßen Rechtsirrtum, der am Ergebnis der Fristversäumnis als solcher (zur Wiedereinsetzung s. unter 3.) nichts ändert. Nichts anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch daraus, dass im Schätzungsbescheid darauf hingewiesen wurde, dass die Schätzung nicht von einer Abgabe der Steuererklärung 1998 befreie. Der Hinweis erfolgte vielmehr zu Recht, da sich erst aus dem Inhalt der Einkommensteuererklärung erkennen lässt, ob eine Pflicht- oder nur eine Antragsveranlagung vorliegt. Deshalb war es auch rechtens und ohne weitere steuerrechtliche Auswirkung, dass das FA noch am 4. Januar 2001, also nach Ablauf der Antragsfrist, die Kläger unter Androhung von Zwangsgeld zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 bis spätestens 3. Februar 2001 aufforderte. Die Antragsfrist ist dadurch weder entfallen noch verlängert worden. Zudem war der Schätzungsbescheid entgegen der Auffassung der Kläger nicht aufgrund des Verlustanteils aus Vermietung und Verpachtung 1998, der in Höhe von 186.858 DM gemäß § 179 AO bereits am 22. Mai 2000 einheitlich und gesondert festgestellt worden war, zwingend gemäß § 182 AO anzupassen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung vorgelegen hätten oder der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG innerhalb der Zweijahresfrist gestellt worden wäre. Keinesfalls wurde folglich der Grundsatz von Treu und Glauben von Seiten des FA dadurch verletzt, dass der Schätzungsbescheid vom 28. März 2000 nicht unmittelbar nach Zugang des Grundlagenbescheids über den hohen Verlust aus Vermietung und Verpachtung im Mai 2000 geändert oder aufgehoben, sondern vielmehr erst nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 46 EStG aufgehoben worden ist. Das FA war im Gegenteil auch nach Ablauf der Antragsfrist nicht verpflichtet, den Schätzungsbescheid aufzuheben, weil vor Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 von Seiten der Kläger im September 2001 noch keine Klarheit darüber bestanden hat, ob nicht an Stelle der Antragsveranlagung eine Pflichtveranlagung durchzuführen ist. Erst mit Abgabe der Erklärung stand für das FA endgültig fest, dass für eine Pflichtveranlagung tatsächlich die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Es trifft damit entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht zu, dass das FA den Grundsatz des § 85 AO nicht erfüllt habe, indem es die Schätzung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 80.000 DM bei gleichzeitig erfolgter Ignorierung des gesondert und einheitlich festgesetzten Verlusts aus Vermietung und Verpachtung zu niedrig angesetzt hat. Wenn sie weiter vortragen, dass sie durch die Aufhebung des Schätzungsbescheids im März 2001, also nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 46 EStG, als steuerliche Laien nicht hätten ahnen können, dass sie nach dem 31. Dezember 2000 ihren Verlust aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr geltend machen könnten, und auch nicht hätten erkennen können, dass sich die Schätzung in Nichts auflöse, wenn sie die Frist versäumten, so unterliegen sie hierbei nur einem weiteren Rechtsirrtum. Denn auch die Nichtaufhebung des Schätzungsbescheids hätte sie nicht davor bewahrt, die Antragsfrist einhalten zu müssen, wenn - wie dargelegt - die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nicht vorliegen. Insoweit ist die zwischen den Parteien streitige Frage folglich ohne Bedeutung, ob der Aufhebungsbescheid vom 9. März 2001, wie die Kläger behaupten, ihnen tatsächlich nicht zugegangen ist.

3. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO sah das FA - zumindest im Ergebnis - zu Recht als nicht gegeben an.

3.1 Nach § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist der Antrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Dabei gehen die h. M. in Literatur und Rechtsprechung (s. Tipke/Kruse § 110 AO Tz. 91 m. w. N.), davon aus, dass die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist darzulegen sind und ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist unzulässig ist. Nach Auffassung des Senats trifft dies jedenfalls dann zu, wenn es sich um einen völlig neuen, bisher nicht vorgetragenen Sachverhalt handelt.

3.2 Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht gegeben.

3.2. 1 lm Klageverfahren haben die Kläger einen völlig neuen, bisher nicht dargelegten Sachverhalt vorgetragen. Insoweit war die Antragsfrist nach § 110 Abs. 1 AO bereits abgelaufen.

Hindernis i. S. der Vorschrift für die Versäumnis der Frist war offensichtlich die Tatsache, dass die Kläger wie auch der Klägervertreter einem Rechtsirrtum unterlagen. Zwar war ihnen ihrem Vortrag nach die Möglichkeit der Fristversäumnis im Rahmen einer Antragsveranlagung nicht völlig unbekannt. Doch nahmen sie gemäß den unter 2. erörterten Gründen an, dass im konkreten Fall von einer Pflichtveranlagung oder zumindest davon auszugehen sei, dass keine Antragsfrist gelte.

Wenn ihnen, wie sie im Klageverfahren vortragen, der Aufhebungsbescheid des FA vom 9. März 2001 tatsächlich nicht zugegangen ist, so wurde der Rechtsirrtum damit noch nicht ausgeräumt. Denn die im Aufhebungsbescheid benannte Begründung, dass nach § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Antragsveranlagung vorliege und die Zweijahresfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG abgelaufen sei, wurde ihnen dann noch nicht bekannt. Bekannt wurde ihnen wie dem Klägervertreter die Fristversäumnis jedenfalls mit Schreiben des FA vom 9. November 2001, womit die Einkommensteuerveranlagung 1998 gemäß der am 20. September 2001 erstmals eingereichten Steuererklärung wegen Fristversäumnis nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG abgelehnt worden ist.

Im gegen den Ablehnungsbescheid vom 9. November 2001 geführten Einspruch trugen die Kläger allerdings noch nicht vor, dass ihnen der Aufhebungsbescheid des FA vom 9. März 2001 nicht zugegangen sei. Bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung am 2. Mai 2003 musste das FA - aufgrund des klägerischen Vertrags bis dahin - im Gegenteil davon ausgehen, dass ihnen der Aufhebungsbescheid vom 9. März 2001 tatsächlich zugegangen ist. Wie hätte das FA ihre Einlassung im Einspruchsverfahren, durch die Aufhebung des Schätzungsbescheids im März 2001, hätten sie als steuerliche Laien nicht ahnen können, dass sie nach dem 31. Dezember 2000 ihren Verlust aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr geltend machen könnten, auch anders verstehen sollen. Aufgrund dieser Einlassung der Kläger verneinte das FA in der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2002 daher zu Recht die Voraussetzungen nach § 110 AO allein mit der Begründung, dass die Monatsfrist nicht eingehalten worden sei, nachdem die Kläger erst am 20. September 2001 - also mehr als 6 Monate nach Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids vom 9. März 2001 unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG - erstmals ihre Einkommensteuererklärung für 1998 eingereicht hatten.

Bei dem davon abweichenden Klagevortrag, der Aufhebungsbescheid vom 9. März 2001 sei ihnen nicht zugegangen, so dass sie erst durch die Einspruchsentscheidung von der Antragsfrist erfahren hätten, handelt es sich folglich um einen völlig neuen, bislang nicht vorgetragenen Sachverhalt. Unterstellt, er lag vor, konnte er jedenfalls mangels Vortrag der Kläger innerhalb der Antragsfrist keine Wiedereinsetzung nach § 110 AO begründen. Denn bekannt wurde den Klägern ihr Rechtsirrtum alsdann spätestens mit Schreiben des FA vom 9. November 2001, womit die Einkommensteuerveranlagung 1998 gemäß der am 20. September 2001 erstmals eingereichten Steuererklärung wegen Fristversäumnis nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG abgelehnt worden ist. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, erst am 9. November 2001 sei ihnen der Rechtsirrtum bewusst geworden und damit das Hindernis i. S. von § 110 AO entfallen, hätte folglich bis spätestens 12. Dezember 2001 gestellt werden müssen.

3.3 Darüber hinaus handelt es sich im vorliegenden Streitfall um keinen unverschuldeten Rechtsirrtum über eine Ausschlussfrist selbst. Es handelt sich vielmehr um den Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist bzw. über materielles Recht, da den Klägern ihrem Vortrag nach die Möglichkeit der Fristversäumnis im Rahmen einer Antragsveranlagung nicht völlig unbekannt war, sie nur gemäß den unter 2. erörterten Gründen annahmen, dass im konkreten Fall eine Pflichtveranlagung durchzuführen oder zumindest davon auszugehen sei, dass keine Antragsfrist gelte. Ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles Recht ist - anders als ein Irrtum über die Ausschlussfrist selbst - aber keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juli 1986 V R 133/84, BFH/NV 1986, 717).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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