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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 3 K 5382/02
Rechtsgebiete: EStG 1997, EWGRL 388/77, UStG 1993


Vorschriften:

UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
UStG 1993 § 10 Abs. 1 S. 1
UStG 1993 § 10 Abs. 1 S. 2
UStG 1993 § 10 Abs. 2 S. 2
UStG 1993 § 3 Abs. 12 S. 2
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a
EStG 1997 § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung sowie der ehrenamtlichen Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen

Tatbestand

I.

Streitig ist, mit welchem Wert die Überlassung von Firmenwägen durch die Klägerin an ihre Arbeitnehmer zu bemessen ist, wenn dafür eine Nutzungsgebühr verlangt wird.

Die Klägerin überließ im Streitjahr (1997) ihren Mitarbeitern auf der Grundlage besonderer Firmenrichtlinien (vgl. Bl. 14 ff. FG-Akte) und mittels Einschaltung von Leasinggesellschaften Firmenwägen (und zwar Pkw) zur dienstlichen und privaten Nutzung. Solche Firmenwägen konnten dabei von Mitarbeitern des und des sowie von so genannten Vielfahrern in Anspruch genommen werden.

Nach Auswahl und Bestellung des Fahrzeugs durch den Mitarbeiter mietete es die Klägerin bei der jeweiligen Leasinggesellschaft an. Neben den Leasingraten übernahm die Klägerin auch die Kosten für die Kfz-Haftpflicht- und die Vollkaskoversicherung sowie die laufenden Betriebskosten (insbesondere die Kosten für Kraftstoff).

Der Mitarbeiter hatten entsprechend den Firmenwagenrichtlinien für die private Nutzung des Kfz eine monatliche Nutzungsgebühr in Höhe der Leasingrate abzüglich eines von der Position des Mitarbeiters abhängigen Betrags für die dienstliche Nutzung, mindestens jedoch 1% des Bruttolistenpreises zu entrichten. Hinzu kam ein zusätzliches Entgelt für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage der privaten Pkw-Nutzung ermittelte die Klägerin mit 1% des Bruttolistenpreises zuzüglich der lohnsteuerlichen Werte für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie Familienheimfahrten und setzte von diesem Pauschalwert einen Betrag von 20% für nicht mit Vorsteuern belastete Kosten ab. Diesen so gewonnenen Wert verglich sie mit der vom jeweiligen Mitarbeiter bezahlten Nutzungsgebühr und zog den jeweils höheren Wert als Bruttobemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer heran.

Auf Grund einer Betriebsprüfung (Prüfungsbericht vom 21. Dezember 2001) erließ der Beklagte (Finanzamt -FA) am 7. Juni 2002 einen Änderungsbescheid, mit dem er die Umsatzsteuer der Klägerin für 1997 auf EUR festsetzte. Das FA folgte dabei in Bezug auf die Bemessungsgrundlage der privaten Pkw-Nutzung durch die Mitarbeiter der Methode der Klägerin, ließ aber den Abzug von 20% für nicht mit Vorsteuern belastete Kosten nicht mehr zu.

Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2002 als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage gerichtet. Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, dass Gegenleistung des Mitarbeiters für die Firmenwagenüberlassung ausschließlich die zu entrichtende Nutzungsgebühr als das konkret vereinbarte Entgelt sei. Die Fahrzeugüberlassung stelle in einem solchen Fall keine Vergütung für geleistete Dienste dar. Eine Verknüpfung der Fahrzeugüberlassung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn sei nicht gegeben, weil dieser nicht von der Annahme des Firmenwagenangebots abhängig sei. Nach dem EuGH-Urteil vom 16. Oktober 1997 C-258/95 -Fillibeck erbringe ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung befördere, keine Dienstleistung gegen Entgelt. Die griffweise Abspaltung eines Teils der geschuldeten Arbeitsleistung als Gegenleistung für eine Dienstleistung des Arbeitgebers sei danach nicht zulässig. Im Streitfall komme vielmehr die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG zur Anwendung, bei der infolge des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie solche Kosten auszuscheiden seien, bei denen kein Vorsteuerabzug möglich sei.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 9. Dezember 2002 und 7. März 2003 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheids vom 7. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2002 die Umsatzsteuer für 1997 um zu mindern, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Auf dessen Schriftsätze vom 24. Januar und 16. April 2003 wird verwiesen.

Es wird ferner Bezug genommen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Mit der Überlassung der Firmenwagen an die berechtigten Arbeitnehmer zur privaten Nutzung gegen Nutzungsgebühr hat die Klägerin an diese Leistungen gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz 1993 in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) erbracht.

2. Das FA hat im Streitfall zutreffend für die jeweilige Kfz-Nutzungsüberlassung entweder die Nutzungsgebühr oder - soweit diese höher gewesen sind - die anteiligen Kosten der privaten Kfz-Nutzungsüberlassung als Bemessungsgrundlage herangezogen, ohne richtigerweise im zweiten Fall nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Kosten (mittels des von der Klägerin begehrten pauschalen Abschlags von 20%) auszuscheiden.

Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG) gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG).

Nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) ist - soweit vorliegend von Interesse-Besteuerungsgrundlage (Bemessungsgrundlage) bei (Lieferungen von Gegenständen und) Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der (Lieferer oder) Dienstleistende für diese Umsätze vom (Abnehmer oder) Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll.

a) Vorliegend erhält die Klägerin als Dienstleistende für die Nutzungsüberlassung der Firmenwagen von den Dienstleistungsempfängern (also den begünstigten Arbeitnehmern) die Nutzungsgebühren. Diese sind von den Leistungsempfängern i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG aufgewendet worden, um die Leistung zu erhalten. Die Nutzungsgebühr ist mithin in jedem Fall als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

b) Ferner erbringen die Arbeitnehmer der Klägerin für die dauernde Nutzungsüberlassung der Firmenwagen als zusätzliches Entgelt einen Teil ihrer Arbeitsleistung (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 87/98, BFHE 189, 196, BStBl II 1999, 580, und FG München, Urteil vom 28. Februar 2004 14 K 1689/01, Haufe-Index, 1161382, DStRE 2004, 1299), soweit deren Wert das zu entrichtende Nutzungsentgelt übersteigt.

Insoweit handelt es sich bei der streitigen Nutzungsüberlassung um eine (freiwillige) Erhöhung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber in Form einer Sachleistung. Das erhöhte Arbeitsentgelt wird für die Arbeitsleistung und die Arbeitsleistung für das erhöhte Arbeitsentgelt erbracht. Zwischen Leistung (hier: der Arbeitsleistung) und Gegenleistung (hier: der Entgeltserhöhung durch Nutzungsüberlassung) besteht der erforderliche unmittelbare Zusammenhang (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile vom 15. Mai 2001 C-34/99 -Primback, EuGHE 2001, I-3833, UR 2001, 308, und vom 24. Oktober 1996 C-317/94 -Elida Gibbs, EuGHE 1996 I5339, HFR 1997, 111). Dies zeigt sich daran, dass von der Klägerin nur ihre Mitarbeiter einen günstigen Firmenwagen zur privaten Nutzung erhalten.

aa) Auszugehen ist für die Wertbemessung bei richtlinienkonformer Auslegung unter Beachtung von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG vom subjektiven Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (vgl. EuGH-Urteile vom 23. November 1988 230/87 - Naturally Yours Cosmetics, EuGHE 1988, 6365, UR 1990, 307, Rn. 16, und vom 2. Juni 1994 C-33/93 - Empire Stores, EuGHE 1994, I-2329, UR 1995, 64, Rn. 18, 19; BFH-Urteil vom 1. August 2002 V R 21/01, BFHE 200, 101, BStBl II 2003, 438). Dafür ist derjenige Wert festzustellen, den der Empfänger den Dienstleistungen (hier: den Arbeitsleistungen der Mitarbeiter) beimisst, die er sich verschaffen will, und der dem "Betrag" entspricht, den er (hier: die Klägerin) zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (EuGH-Urteile Empire Stores, a.a.O., Rn. 19, und vom 3.Juli 2001 C-380/99 -Bertelsmann, EuGHE 2001, I-5163, UR 2001, 346, Rn. 23; Hartmann/Metzenmacher, UStG, Kommentar, § 10 Tz 293). Abzustellen ist auf die vom Leistenden aufgewendeten Gesamtkosten (vgl. EuGH-Urteil Bertelsmann, a.a.O.).

Das Entgelt (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG) für die Pkw-Überlassung zur privaten Nutzung, soweit es aus der Arbeitsleistung besteht, kann mit den anteiligen Kosten der privaten Nutzung geschätzt werden (BFH in BStBl II 1999, 580).

Über die Schätzung der vorstehend genannten Kosten der privaten Nutzung nach lohnsteuerlichen Grundsätzen insbesondere nach der sog. 1%-Methode, die andernfalls umsatzsteuerrechtlich keine Anwendung finden kann (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1999 V R 78/98, BFHE 188, 160, BFH/NV 1999, 1178), besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit (vgl. auch BMF-Schreiben vom 11.3.1997, BStBl 1997 I S. 324, Abschnitt III Abs. 4, und das Protokoll der mündlichen Verhandlung).

bb) Abzuziehen von dem nach vorstehenden Grundsätzen im Einzelfall ermittelten Wert sind allerdings die vom Arbeitnehmer für die jeweilige private Pkw-Nutzung an den Leistenden (hier: die Klägerin) gezahlten (und bereits als Entgelt herangezogenen) Nutzungsgebühren, da der Leistende insoweit letztlich nicht mit Kosten belastetet ist und der Leistungsempfänger keinen Vorteil erhält.

c) Da es sich vorliegend bei der Firmenwagenüberlassung um Leistungen gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 USt (Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) handelt, dürfen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage keine Kosten ausgeschieden werden, bei denen ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist (vgl. EuGH-Urteile vom 5. Dezember 1989 C-165/88 -Oro Amsterdam, EuGHE 1989, 4081, UR 1991, 81, und vom 8. März 20001 C-415/98 Bakcsi, EuGHE, 2001, I-1831, UR 2001, 149; BFH in BStBl II 1999, 580; BMF-Schreiben vom 11. März 1997, BStBl I 1997, 324). Für den von der Klägerin beantragten pauschalen Abschlag in Höhe von 20 v.H. für Kosten, bei denen kein Vorsteuerabzug möglich war, fehlt es - auch im Rahmen der hier von der Klägerin begehrten Schätzung - an einer entsprechenden Rechtsgrundlage (FG München, Urteil vom 28. Februar 2004 14 K 1689/01, a.a.O.).

3. Die von der Klägerin eingewandte Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 UStG) kommt auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zur Anwendung, da diese das vorstehend nach § 10 Abs. 1 (der durch § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG lediglich ergänzt wird) ermittelte Entgelt nicht übersteigt (vgl. § 10 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 UStG).

Sie könnte hier im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis führen:

Für die Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG hat zwar der BFH entschieden, dass bei der Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage Kosten auszuscheiden sind, bei denen kein Vorsteuerabzug möglich ist (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 12/96, BFHE 182, 395, BStBl II 1997, 374; ebenso Abschn. 158 Abs. 4 Satz 1 UStR 1996). Dies kann allerdings nicht für die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG gelten, da diese einer Gleichstellung mit entgeltlichen Umsätzen an Dritte dient, bei denen keine nicht vorsteuerentlasteten Kosten ausgeschieden werden dürfen (Robisch, UVR 1996, 289, 292).

Die Mindestbemessungsgrundlage hat, da sie entgeltliche Umsätze betrifft, ihre Richtliniengrundlage nicht in Art. 6 Abs. 2 sondern in Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Januar 2005 C-412/03 -Scandic Gasabäck, BFH/NV Beilage 2005, 90, UR 2005, 98, Rn. 24). § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung beschränkt sich noch nicht auf Kosten oder Ausgaben, "soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben" (so die Änderung ab 1. April 1999 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zur Einführung der Mindestbemessungsgrundlage, die öffentlich nicht zugänglich ist, eine solche Einschränkung gebieten würde.

Davon ausgehend könnte der Senat ebenso wenig dem eigentlichen Begehren der Klägerin entsprechen, den für private Kfz-Nutzung ermittelten Pauschalwert um einen Abschlag (etwa von 20%) für nicht mit Vorsteuern belastete Kosten zu mindern.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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