Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 4 K 1480/03
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 6
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

4 K 1480/03

Grunderwerbsteuer (II. Rechtsgang)

In der Streitsache hat der 4. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[....] sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2006

für Rech erkannt:

Tenor:

I.

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 04. September 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. Januar 1996 wird ersatzlos aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Streitig ist, ob die Benennung der Käufer durch den Empfänger eines Grundstücksverkaufsangebotes nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Mit notariell beurkundetem Vertragsangebot vom 04. Januar 1995 (Urkundsrollennr.: R des Notars) bot der Grundstückseigentümer, Herr N, der Klägerin (Klin), der Grundstücks-GmbH & Co. Betriebs KG, oder einem von der Klägerin noch zu benennenden Dritten den Abschluss eines Kaufvertrages bezüglich des zunächst mit einem Veräußerungsverbot belasteten Grundstücks Fl.Nr. .... und teilweise Fl.Nr. .... und .... der Gemarkung E an.

Für die Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Das Grundstück war mit Grundschulden einer Bank belastet, die aus mehreren Darlehensverträgen Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Grundstückseigentümer besaß. Die Bank war alleinige Kommanditistin der Klägerin. Sie bediente sich der Klägerin zur Rückführung der Verbindlichkeiten des (später in Konkurs gefallenen) Grundstückseigentümers in der Erwartung, der bei einem freihändigen Verkauf zu erzielende Kaufpreis werde höher sein, als der Erlös aus einer Zwangsvollstreckung.

Mit notarieller Urkunde (Annahme eines Vertragsangebotes) vom 20. Februar 1995 (Urkundsrollennr.:) benannte die Klägerin die Eheleute P als Käufer des Grundstücks und trat ihnen die ihr aus dem Kaufangebot zustehenden Rechte ab. Die Eheleute P nahmen das Angebot an.

Der Beklagte (das Finanzamt = FA) setzte gegen die Klägerin - als Benennungsberechtigte und Angebotsabtretende - mit Bescheid vom 04. September 1995 Grunderwerbsteuer in Höhe von 31.264,00 DM aus dem 1,4-fachen Einheitswert = 1.563.240,00 DM fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung, da der Einheitswert für diese Grunderwerbsteuerfestsetzung zunächst geschätzt wurde. Das Finanzamt beurteilte den Vorgang als Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG).

Der hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Klage mit Urteil vom 14. April 1999 ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe bei der Benennung und der Abtretung in Verfolgung wirtschaftlicher Interessen der Bank gehandelt, die als Grundpfandrechtsgläubigerin ein Interesse an einem hohen Verkaufserlös unter Vermeidung einer Zwangsvollstreckung gehabt habe.

Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18. Dezember 2002, Az.: II R 12/00 in BStBl. 2003 S. 357 das Urteil des Finanzgerichts München vom 14. April 1999 4 K 447/96 auf und verwies die Sache an das Finanzgericht München zurück. Der BFH führte hierbei insbesondere aus, unter Verfolgung wirtschaftlicher Interessen bei Abtretung eines Kaufangebots durch den Benennungsberechtigten sei die Möglichkeit zu verstehen, bei der Weitergabe des Grundstücks unter Ausnützung der Rechtsstellung als Benennungsberechtigter wirtschaftliche Vorteile aus dem Handel mit einem Grundstück zu ziehen. Läge der Vorteil in der Ausübung der sonst dem Veräußerer gegebenen Möglichkeit, den jeweiligen benannten Angebotsempfänger und Annehmenden zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen, setze die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG voraus, dass der Benennungsberechtigte - verdeckt - an den neuen Verträgen verdiene und dadurch zu seinem Vorteil an der Verwertung des Grundstücks teilhabe. Sofern sich das Interesse des Benennungsberechtigten oder der mit ihm verbundenen Bank darauf beschränke, Forderungen auf Rückzahlung der Kreditbeträge aus bestehenden Darlehensverträgen mit dem Grundstückseigentümer zu realisieren, liege kein die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG begründendes Interesse vor.

Der BFH führte weiter aus, hierfür wäre es erforderlich gewesen festzustellen, wem der Erlös aus der Grundstücksveräußerung, insbesondere ein eventueller Spitzenbetrag, der die ablösenden Darlehensbeträge übersteige, zu Gute komme.

Sofern sich das Interesse darauf beschränkte, ihre Forderungen auf Rückzahlung der Kreditbeträge aus den bestehenden Darlehensverträgen zu realisieren, läge kein die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG begründendes Interesse vor. Für die Beurteilung, ob ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Klägerin gegeben sei, wäre unter anderem festzustellen, welche Vorteile die Klägerin selbst aus ihrer Tätigkeit zur Verwertung des Grundstücks hätte ziehen können.

Da im Streitfall die Bank Dritter im Verhältnis zur benennungsberechtigten Klägerin sei, müsste für den Fall, dass ein rechtserheblicher Vorteil der Bank feststellbar sei, die Klägerin wirtschaftliches Interesse wahrgenommen haben und ihr gegenüber im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden gewesen sein.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der BFH habe zur Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. 7 GrEStG ausgeführt, die Vorschrift enthalte ein weiteres Tatbestandsmerkmal, das der Benennungsberechtigte das Kaufangebot zum Nutzen der eigenen wirtschaftlichen Interessen verwerte oder dabei die wirtschaftlichen Interessen eines Dritten wahrnehme, demgegenüber er vertraglich gebunden sei. Dazu komme es darauf an, dass der Benennungsberechtigte wie ein Eigentümer oder Zwischenhändler verfahre und sich bzw. dem Dritten einen Vorteil aus der Weitergabe des Grundstücks verschaffe.

Im Streitfall beschränkten sich die Verfügungsmöglichkeiten der Klägerin aber definitiv auf die Käuferbenennung. Im notariellen Vertragsangebot sei der Kaufpreis auf insgesamt 7.100.000,00 DM festgelegt worden, wovon ein Teilbetrag von 6.800.000,00 DM mit der Annahme fällig gewesen sei, ein weiterer Teilbetrag von 60.000,00 DM, sobald der Verkäufer die Tiefgarage fertig gestellt habe und der Restbetrag von 240.000,00 DM sobald der Innenausbau der Arztpraxis Dr. Pf durchgeführt worden sei. In der notariellen Annahmeerklärung hätten die von der Klägerin benannten Käufer die Kosten für die Fertigstellung der Tiefgarage und den Innenausbau der Arztpraxis übernommen. Damit seien die Kaufpreisbestandteile von 60.000,00 DM und 240.000,00 DM entfallen, so dass sich der Kaufpreis auf 6.800.000,00 DM beschränkt habe.

Mit einem Eigeninteresse der Klägerin bzw. einem Vorteil zu ihren Gunsten habe diese Vertragsgestaltung nichts zu tun. Sie sei zwischen Verkäufer und Käufer ohne Zutun der Klägerin vereinbart worden. Das sich die Verfügungsbefugnis der Klägerin in der Benennung des Angebotsempfängers beschränkt habe und dass sie auf die Vertragsgestaltung keinerlei Einfluss habe nehmen können und wollen, zeige sich auch daran, dass die Klägerin im Rahmen der Angebotsannahme vor dem Notar vom Käufer P vertreten worden sei. Ein eventueller wirtschaftlicher Mehrerlös hätte dem Verkäufer N zugestanden. Nur der Verkäufer habe gegenüber den Eheleuten P als Käufern den Kaufpreis fordern und ihnen folglich auch zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung stellen können. Festzuhalten sei insbesondere, dass ein eventueller Spitzenbetrag, der die ablösenden Darlehensbeträge überstiegen hätte, ausschließlich dem Verkäufer N zu Gute gekommen wäre.

Die Klägerin als Benennungsberechtigte habe auch nicht ihre Stellung ausgenützt, um der Bank damit einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Die Übernahme der Verpflichtung für den Innenausbau der Arztpraxis beruhe auf einer autonomen Entscheidung der Eheleute P, für die als Gegenleistung die Kaufpreisminderung von 240.000,00 DM gestanden habe.

Auch wirtschaftlich gesehen sei die Bank durch den Eintritt der Eheleute P in die Vereinbarung vom 02. Februar 1995 weder entlastet noch begünstigt worden. Es sei daher insgesamt festzustellen, dass sich für die Bank über den Geldmittelzufluss durch Verwertung ihrer Sicherheiten hinaus kein zusätzlicher Vorteil aus der Verwertung des Grundstücks ergeben habe. Das Interesse der Bank habe sich darauf beschränkt, durch Einschaltung der Klägerin als Tochtergesellschaft ihre Forderungen auf Rückzahlung der Kreditbeträge aus den bestehenden Darlehensbeträgen - die den Erlös aus dem Grundstücksverkauf bei weitem überstiegen - (teilweise) zu realisieren.

Die Klägerin beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 04. September 1995 sowie die Einspruchsentscheidung vom 05. Januar 1996 ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt trägt vor, der Rechtsstreit konzentriere sich auf die Frage, ob die Klägerin über den Geldmittelzufluss hinaus einen zusätzlichen Vorteil aus der Verwertung des Grundstücks habe ziehen können und ob die Klägerin wirtschaftliche Interessen der Bank im Rahmen der vertraglichen Verbundenheit wahrgenommen hat.

Die Klägerin als Benennungsberechtigte habe die uneingeschränkte Möglichkeit gehabt, das Grundstück zu ihren Gunsten weiterzugeben, was nach den Ausführungen des BFH gerade den Grundsatz eines Handelns in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen indiziere. Indiz für die Möglichkeit des Handelns im Eigeninteresse sei die offenbar gegebene Berechtigung der Klägerin von dem in der notariellen Urkunde vom 04. Januar 1995 festgelegten wahren Kaufpreis von 7.100.000,00 DM abweichen zu können. Klärungsbedürftig bleibe weiterhin, wem ein eventuell erwirtschafteter Mehrerlös, der über den Kaufpreis von 7,1 Mio. DM hinausgehe, zugestanden hätte, woraus sich entweder ein eigener Vorteil oder der eines Dritten ergeben könnte. Darüber hinaus ergebe sich die Annahme des Vorteils eines Dritten auch noch aus folgender Konstellation: zwischen der Bank und Herrn Pf habe eine Vereinbarung bestanden, die u.a. zum Inhalt gehabt habe, dass die Bank Herrn Pf Kosten für den Innenausbau bis zur Höhe von 280.000,00 DM ersetzen würde. In diesen Vertrag ist der Erwerber des Grundstücks in der notariellen Urkunde der Annahme des Vertragsangebots vom 20. Februar 1995 unter Punkt V eingetreten, woraus sich für die Bank als Dritten eine Entlastung in eben dieser Höhe durch die Ausübung des Benennungsrechts in der erfolgten Weise ergeben habe. Das diesbezüglich keinerlei Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Bank vorgelegen habe, scheine nicht nachvollziehbar. Das Finanzamt sei weiterhin der Auffassung, dass die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen bzw. der Bank zu bejahen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Juli 2004 und auf die Schriftsätze des Finanzamts vom 27. Juni 2003 und vom 13. Oktober 2004 Bezug genommen. Ferner wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 27. November 1985 betreffend die Klägerin zwischen der Grundstücks-GmbH und der Bank AG, den Vertrag vom 17. März 1987 zwischen der Bank AG und der Klägerin sowie auf die Aufhebungsvereinbarung vom 14. Dezember 1988 zwischen der Bank AG und der Klägerin, worin der Vertrag vom 17. März 1987 in vollem Umfang aufgehoben wurde Bezug genommen.

Am 22. November 2006 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenfalls Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet. Wie der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2002 II R 12/00 für den Senat bindend festgestellt hat, setzt die Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 Grunderwerbsteuergesetz voraus, dass der Benennungsberechtigte - verdeckt - an den neuen Verträgen "verdient" und dadurch zu seinem Vorteil an der Verwertung des Grundstücks teilhat.

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin aus der Benennung irgendwelche Vorteile hätte erzielen bzw. erwarten können.

Dies ergibt sich daraus, dass der Kaufpreis als solcher feststand ohne dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte selbst einen Mehrerlös zu erzielen; zumal die Verbindlichkeiten des Grundstücksverkäufers gegenüber der Bank aus früheren Darlehensverträgen den Kaufpreis beiweiten überstiegen, sodass der gesamte Kaufpreis der Bank zustand.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts, ergibt sich aus dem Umstand, dass zwischen Verkäufer und Benannten hinsichtlich der Kaufpreiszahlung eine Verrechnungsvereinbarung - hinsichtlich den Praxisräumen und der Tiefgarage - getroffen wurde, in keiner Weise für die Klägerin die Möglichkeit selbst aus der Benennung irgendwelche Vorteile zu ziehen.

Ferner ist nach der bindenden BFH-Entscheidung in Fällen, in denen die Benennung einem Dritten (hier der Bank) wirtschaftliche Vorteile verschafft, die Benennung nur dann nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 Grunderwerbsteuergesetz steuerpflichtig, wenn der Benennende dem Dritten gegenüber im Hinblick auf die Ausübung des Benennungsrechts vertraglich gebunden gewesen ist.

Eine derartige vertragliche Bindung bestand im Streitfalle schon deshalb nicht, weil der zwischen der Klägerin und der Bank getroffene Vertrag vom 17. März 1987, aus dem man auf eine vertragliche Bindung möglicherweise hätte schließen können, ausdrücklich durch vertragliche Vereinbarung vom 14. Dezember 1988 wieder aufgehoben worden ist. Damit kann der Senat offen lassen, ob die Bank im Hinblick auf ihre ursprüngliche Verpflichtung, für die Praxisräume und die Tiefgarage 280.000 DM zur Verfügung zu stellen, einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt hätte.

Im Übrigen liegt, auch wie der BFH in seinem Urteil ausdrücklich dargelegt hat, kein die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 Grunderwerbsteuergesetz begründendes Interesse vor, wenn sich das Interesse des Benennungsberechtigten oder der mit ihm verbundenen Bank darauf beschränkt, Forderungen auf Rückzahlung der Kreditbeträge aus bestehenden Darlehensverträgen mit dem Grundstückseigentümer zu realisieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.



Ende der Entscheidung

Zurück