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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: 5 K 1161/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 2
EStG § 63
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 1161/07

Kindergeld 2006

In der Streitsache

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

[....]

aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 20. September 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Gründe:

I. Bis November 2006 erhielt die Klägerin Kindergeld für ihren Sohn T. (geb. am 23.11.1985) und bezog unter Anrechnung des Kindergelds Arbeitslosengeld II (ALG II) von der Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung von Arbeitssuchenden im Landkreis X. (Arbeitsgemeinschaft X.).

Mit Bescheid vom 13.02.2007 hob die Beklagte (die Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2005 auf und forderte das überzahlte Kindergeld mit der Begründung zurück, die Einkünfte und Bezüge T. s hätten den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) überschritten. Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.2007 als unbegründet zurück.

Das Verfahren wegen Kindergeld 2005 hat der Senat abgetrennt.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen folgendes vor: T. und sie seien um den von der Familienkasse geleisteten Betrag entreichert. Die ALG II-Leistungen seien -um den Betrag des bezahlten Kindergelds gekürzt -bezahlt worden. Nach jüngerer und nun geänderter Auffassung der Arbeitsgemeinschaft X. seien die ALG II-Leistungen zwar berücksichtigungsfähige Bezüge im Sinne von § 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Jedoch habe die Arbeitsgemeinschaft X. trotz der Rückforderung des Kindergeldes seitens der Familienkasse eine Korrektur ihres Bescheides abgelehnt, weil dieser zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen sei. Eine Nachzahlung komme nicht in Betracht. Hätte die Familienkasse den Betrag bereits zu dem Zeitpunkt belastet, zu dem der ALG II-Bezug stattgefunden habe, wäre die Arbeitsgemeinschaft X. verpflichtet gewesen, den entsprechenden Differenzbetrag zu bezahlen und bei ihr -der Klägerin -wären keine Schulden in Höhe des überzahlten Kindergelds entstanden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13.02.2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 06.03.2007 für den Zeitraum Januar 2006 bis November 2006 aufzuheben.

Die Familienkasse beantragt

unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 06.03.2007 Klageabweisung .

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 06.03.2007, die eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 20.09.2007.

II. Der Klage ist unbegründet.

1. Nach § 70 Abs. 4 EStG ist eine Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 7.680 EUR über- oder unterschreiten.

Bei den ALG II-Leistungen handelt es sich um Bezüge im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (Schmidt/Loschelder, EStG, 26. Aufl., § 32 Rz. 54). Denn zu den Bezügen gehören alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden. Kindergeldschädlich sind aber nur solche Bezüge, die das Kind "hat". Entscheidend ist daher, dass das Kind die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Geld oder die geldwerten Leistungen hat (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 16.04.2002 VIII R 96/01, BFH/NV 2002, 1027).

Die Aufhebung des Kindergelds mit Bescheid vom 13.02.2007 für den Zeitraum Januar 2006 bis November 2006 nach § 70 Abs. 4 EStG ist rechtmäßig. Die T. ausgezahlten ALG II- Leistungen in Höhe von 7.900,20 EUR (= 718,20 EUR x 11 Monate) überstiegen den anteiligen Jahresgrenzbetrag von 7.040 EUR (11/12 von 7.680 EUR).

Der Umstand, dass im Fall der Nichtgewährung von Kindergeld Sozialhilfe gewährt worden wäre, die keinem Rückforderungsanspruch unterlegen hätte, berührt die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides nicht. Sofern der Rechtsanspruch auf Kindergeldleistungen nunmehr nachträglich wegfällt, führt dies nicht zu einem rückwirkenden Wiederaufleben eines Anspruches auf Sozialhilfe, da der in der Vergangenheit bereits gedeckte Bedarf nunmehr nicht erneut gedeckt werden kann (BVerwG-Urteil vom 13.11.2003 5 C 26/02 FEVS 55, 320-323). Gleichzeitig stellt dieser Vorgang aber nicht die Rechtswidrigkeit der seinerzeit festgesetzten Kindergeldleistungen in Frage und berührt damit die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids nicht (BFH-Urteil vom 15.03.2007 III R 54/05, BFH/NV 2007, 1298).

Die Klägerin kann sich gegenüber dem nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 Abgabenordnung 1977 (AO 1977) begründeten Rückforderungsanspruch der Familienkasse schließlich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) berufen. Diese Vorschrift ist nämlich im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs nicht anwendbar (vgl. dazu die Entscheidungen des BFH vom 27.04.1998 VII B 296/97, BStBl II 1998, 499 undvom 03.04.2002 VIII B 186/01, BFH/NV 2002, 1150). Sie enthält auch keinen allgemeinen Rechtsgedanken, der bei einer Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern nach § 37 Abs. 2 AO 1977 in jedem Falle zu berücksichtigen wäre.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

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