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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 5 K 1948/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 K 1948/05

Einkommensteuer 2003

In der Streitsache ...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht,

des Richters am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richterinnen und

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die ledige, 1977 geborene Klägerin erzielt als pharmazeutisch-technische Assistentin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie wird beim Finanzamt, dem Beklagten, zur Einkommensteuer veranlagt. In der für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung machte sie folgende Aufwendungen als Werbungskosten geltend: Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte für 280 Arbeitstage Anschaffung Berufskleidung 72 EUR Reinigung Berufskleidung 492 EUR PC 257 EUR Fachliteratur 182 EUR Mobilfunk und Internet 240 EUR Übrige Werbungskosten 271 EUR Doppelte Haushaltsführung 4.283 EUR Zu den Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung erklärte die Klägerin, dass sie anlässlich ihres Wechsels der Arbeitsstätte zum 01.04.2002 neben ihrem Haushalt in x einen weiteren Haushalt in y eingerichtet habe. Im Streitjahr seien 53 Familienheimfahrten à 202 km durchgeführt worden.

Der Beklagte lehnte den Ansatz der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung ab, da die Klägerin zum 20.03.2002 in y, ...str. 1 eine selbstgenutzte Eigentumswohnung erworben habe und deshalb davon auszugehen sei, dass sich ihr Lebensmittelpunkt am Beschäftigungsort befinde. Die übrigen Werbungskosten wurden antragsgemäß übernommen, die Einkommensteuer 2003 wurde mit Bescheid vom 28.03.2004 festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und führte aus, dass sich ihre Hauptwohnung im Dachgeschoss ihres Elternhauses in x befinde, wo sie ihre Freunde, Eltern, Bekannten und Verwandten habe. Als Nachweis für die Fahrleistung ihres Pkw legte sie zwei Inspektionsrechnungen vor (km-Stand des Fahrzeugs ... am 07.10.2002: 64.160 km, am 30.04.2004: 87.439 km). Hierauf entgegnete der Beklagte, die rechnerische Jahresfahrleistung von ca. 14.702 km unterschreite die Kilometer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (10.080km) und die Familienheimfahrten (21.412 km). Dazu trug die Klägerin vor, sie habe des Öfteren den Zweitwagen Mercedes A 140 ihrer Eltern benutzt, und legte eine schriftliche Bestätigung der Eltern sowie Belege über die Kilometerleistung dieses Pkw vor (10.03.2003: 102.235 km; 20.04.2004: 126.193 km).

Daraufhin wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03.05.2005 ab.

Es sei nicht nachgewiesen, dass die Klägerin in x einen eigenen Hausstand besitze und dass sich dort der Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse befinde. Zugleich führte der Beklagte eine vorher angekündigte Verböserung dahingehend durch, dass er die übrigen, bisher antragsgemäß festgesetzten Werbungskosten reduzierte (Arbeitstage der Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte, Reinigung von Berufskleidung, Nutzung des privaten PC für berufliche Zwecke) bzw. strich (Mobilfunk und Internet).

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie nutze die Wohnung im Haus ihrer Eltern (Zweifamilienhaus) seit dem 28.12.1993 aufgrund eines unentgeltlichen Nutzungsrechts und verbringe jede freie Minute in Miltach und Umgebung.

Die Klägerin beantragt,

bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die erklärten Werbungskosten abzuziehen und unter Änderung des angefochtenen Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.05.2005 die Einkommensteuer für 2003 entsprechend festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Weder die Zahl der Heimfahrten noch der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse in x sei nachgewiesen.

Der Beklagte verweist darauf, dass die Mutter der Klägerin mit dem Pkw Mercedes A 140 in ihrer Anlage N zur Einkommensteuererklärung 2003 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an 230 Arbeitstagen als Werbungskosten geltend gemacht hat. Die Klägerin entgegnet hierauf, diese Fahrten hätten pro Arbeitstag nur 4 km ausgemacht, die restlichen Kilometer sei sie mit diesem Fahrzeug gefahren.

Im Übrigen wird auf die Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, den ablehnenden Beschluss über die beantragte Aussetzung der Vollziehung vom 26.08.2005, Az. 5 V 2800/05, den ablehnenden Beschluss über die erneut beantragte Aussetzung der Vollziehung vom 06.07.2006, Az. 5 V 2164/06 und die Aufklärungsanordnung vom 28.03.2006 Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, können gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als Werbungskosten abgezogen werden, unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird.

Gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung dann vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Erforderlich ist somit das Halten von zwei Wohnungen sowie die Aufsplittung der ansonsten einheitlichen Lebensführung auf zwei Haushalte (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 02.01.1972 VI R 95/71, BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262). Ferner muss sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht am Beschäftigungsort, sondern weiterhin am Wohnort befinden. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer doppelten Haushaltsführung ist, dass der Ort des Lebensmittelpunkts am Heimathausstand verbleibt, während der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort wohnt. Der Lebensmittelpunkt eines Menschen liegt dort, wo sich seine sozialen und familiären Belange konzentrieren. Dies ist der Ort, an dem er gesellschaftlich eingebunden ist, an dem er seine Freundes- und Bekanntenkreis hat und an dem er seine sozialen und gesellschaftlichen Bindungen pflegt (FG Hamburg, Urteil vom 08.03.2002 II 42/01, EFG 2002, 1029; BFH vom 05.10.1994 a.a.O.).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sich der Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse im Streitjahr in x befand und sie dort einen eigenen Haushalt bewirtschaftete.

a) Die Anzahl der Heimfahrten ist nur ein Indiz für den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse.

Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, sie führe vierzehntägige Heimfahrten durch, für die sie nicht nur ihren eigenen Pkw, sondern auch den Pkw ihrer Mutter benutzt habe. Nachweise über Benzinkosten oder Reparaturrechnungen, die eine entsprechende Fahrleistung dokumentieren, konnte sie jedoch nicht vorlegen. Ihre Eltern haben zwar pauschal bestätigt, dass sie ihrer Tochter den Zweitwagen zur Verfügung stellten, aber keine näheren Aussagen dazu getroffen, wie die Mutter der Klägerin in dieser Zeit ihre Arbeitsstätte aufgesucht hat. Selbst wenn die Eltern der Klägerin eine entsprechende Aussage in einer Zeugenvernehmung gemacht hätten, bestünden hinsichtlich des Wahrheitsgehalts dieser Aussage wegen der entgegenstehenden Angaben in der Anlage N Zweifel. Über diese Zweifel mag sich der Senat zwar noch mit der Vermutung hinwegsetzen, die Mutter der Klägerin habe ihre Fahrten zur Arbeitsstätte in diesen Wochen mit dem Pkw der Tochter durchgeführt. Weitere erhebliche Zweifel, ob die Klägerin die erforderlichen Heimfahrten überhaupt durchgeführt hat, ergeben sich aber aus ihrer Aussage, sie habe regelmäßig die Heimspiele des FC x besucht. Denn die Klägerin konnte diese Heimspiele selbst bei Antritt der Heimfahrt unmittelbar nach Beendigung ihrer Arbeit an ihrer Arbeitsstätte und ohne zwischenzeitliche Nahrungsaufnahme nur teilweise oder kaum besuchen. Die Heimspiele begannen nämlich jeweils um 14.30 bzw. 15 Uhr, und die Fahrtdauer zwischen y und x beträgt ca. 2,5 Stunden (vgl. Internetseite des Fußballverbandes für 2003, Landesliga, und Falk-Routenplaner). Die Klägerin hat zu den Zeiten ihrer Hin- und Rückfahrten keine Angaben gemacht, die diese Zweifel ausräumen könnten, sodass der Senat von einem Arbeitszeitende an den Samstagen um 13 Uhr ausgeht, wie im Arbeitsvertrag festgelegt.

Auch die von der Klägerin selbst erstellte Auflistung ihrer Fahrten ab Juni 2004 ist nicht geeignet, die im Streitjahr aufgetretenen Zweifel auszuräumen.

b) Zum Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass sich ihre Freunde und Bekannten sowie ihre Familie in x befänden. Sie hat jedoch nichts dazu vorgetragen, wie sie die in A verbrachten Wochenenden sowie ihren freien Dienstag verbracht hat. Die A Wohnung liegt in ...(Stadtteil von y), ist 45 qm groß, laut der von der Klägerin vorgelegten Maklerexpertise sehr hell und freundlich und befindet sich in Bestlage. Sie ist ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Innenaufnahmen vollständig und komfortabel möbliert. Ähnlich ausführliche Informationen hat die Klägerin über die ihr im elterlichen Haus unentgeltlich seit ihrem 16. Lebensjahr überlassene, von der Fläche her nur geringfügig größere Dachgeschosswohnung nicht geliefert. Der Senat sieht deshalb den Wohnwert der ... Wohnung zumindest als gleichwertig an und kann aus den von der Klägerin gelieferten Hinweisen auf Bekannte und Verwandte - selbst wenn diese gelegentliche oder gar häufige Treffen mit der Klägerin bestätigen könnten - wegen der gleichzeitig fehlenden Angaben über Freizeitaktivitäten in y nicht auf einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin in x schließen. Denn der Senat hatte auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin jedes zweite Wochenende und ihren wöchentlichen freien Dienstag in y verbringt und sich aufgrund der vielfältigen dort anzutreffenden Freizeitmöglichkeiten der Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse auch dort befinden könnte. Dies wäre aufgrund der bereits länger andauernden auswärtigen Beschäftigung der Klägerin - vom 30.06.2001 bis 31.3.2002 Regensburg, davor Ismaning - sowie der altersbedingt typischerweise fortschreitenden Loslösung vom Elternhaus durchaus ebenso naheliegend wie die Beibehaltung des Mittelpunkts der Lebensverhältnisse in x. Der Senat stützt sich hier auch auf die Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2002 bei den Umzugskosten. Dort hatte sie ausgeführt, der Umzug erfolge aus einer vorübergehenden in eine endgültige Unterkunft.

Um weitere Anhaltspunkte zu gewinnen, hatte der Berichterstatter in einer Aufklärungsanordnung auch die Kontoauszüge der Klägerin für das Streitjahr angefordert; dieser Aufforderung ist sie jedoch nur sehr eingeschränkt durch die Vorlage einiger weniger Auszüge nach7 gekommen. Auch dieses Verhalten der Klägerin begrenzt die Amtsermittlungspflicht des Senats (vgl. BFH-Beschluss vom 06.05.2005 XI B 239/03, BFH/NV 2005, 1605).

c) Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn Voraussetzung für die Anerkennung von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung ist die Eigenbewirtschaftung im Sinne des Unterhaltens eines Haushalts am Wohnort. Das Gesetz unterscheidet in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG zwischen dem Wohnen am Beschäftigungsort und dem Unterhalten eines eigenen Hausstandes außerhalb dieses Ortes. Daraus wird gefolgert, dass der Arbeitnehmer die Haushaltsführung wesentlich bestimmen und das dort herrschende hauswirtschaftliche Leben in einem Maße fördern muss, dass dieser Hausstand als der Haupthausstand erscheint (Schmidt/Drenseck, EStG § 9 Rz 144 m.w.N.). Dies ist aufgrund der Aufenthaltszeiten in x und der nach der Lebenserfahrung zu vermutenden Verköstigung durch die Eltern der Klägerin nicht nachgewiesen.

d) Wegen der bereits vorliegenden langjährigen auswärtigen Beschäftigung der Klägerin und wegen ihrer Erklärung, in y eine endgültige Unterkunft käuflich erworben zu haben, kommt auch eine sog. unechte doppelte Haushaltsführung von vornherein nicht in Betracht (siehe hierzu umfassend BFH-Urteil vom 16.12.2004 IV R 8/04, BFH/NV 2005, 772 m.w.N.).

e) Damit lässt sich nicht feststellen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Klägerin in x befunden hat. Hierfür trägt die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen die Feststellungslast.

3. Der Beklagte hat die weiteren Werbungskosten der Klägerin in der Einspruchsentscheidung zutreffend ermittelt.

a) Der Ansatz von 230 Arbeitstagen bei den Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte erscheint bei einer nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin vereinbarten 5-Tage-Woche und zusätzlichen 19 Fortbildungstagen bei weitem als ausreichend.

b) Da die Klägerin höhere Kosten für die Reinigung ihrer Berufskleidung nicht nachweisen konnte, ist der Beklagte zutreffend nach den anerkannten Erfahrungssätzen vorgegangen.

c) Eine berufliche Nutzung ihres PC hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Dennoch verbleibt es mangels einer Verböserungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfahren beim Ansatz in der Einspruchsentscheidung.

d) Auch für die geltend gemachten Kosten für Mobilfunk und Telefon hat die Klägerin keine berufliche Veranlassung glaubhaft gemacht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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