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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Beschluss verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 5 V 1112/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 33 Abs. 2
FGO § 114 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

5 V 1112/07

Erlass einer einstweiligen Anordnung in Sachen Hinterlegung beschlagnahmter (kopierter) Kanzlei-EDV-Daten und Akten

In der Streitsache

...

hat der 5. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxx,

des Richters am Finanzgericht xxx und der Richterin am Finanzgericht xxx

ohne mündliche Verhandlung

am 05. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe:

I. Der Antragsteller (Ast.) beantragt die Herausgabe bzw. Löschung, hilfsweise die Hinterlegung von Unterlagen, Kopien von Unterlagen und von auf Datenverarbeitungsgeräte der Finanzverwaltung aufgespielten Daten des Ast. und seiner Mandanten, die anlässlich der Durchsuchung seiner Anwaltskanzlei gefertigt wurden. Die Durchsuchung und Beschlagnahme habe auf Antrag der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts München I durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts München I stattgefunden. Die beschlagnahmten Akten würden in Räumen des Antragsgegners (Ag.), des Finanzamts München IV, aufbewahrt, wo sich auch Kopien der beschlagnahmten Datenträger befänden. Der vom Ag. erstellte Betriebsprüfungsbericht habe nur durch die Auswertung der beschlagnahmten Akten und EDV-Daten erstellt werden können. Diese Beweismittel seien jedoch rechtswidrig und unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewonnen worden und dürften deshalb nicht verwertet werden. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in einem Parallelfall per einstweiliger Anordnung untersagt (BVerfG-Beschluss vom 17.07.2002 2 BvR 1027/02, BVerfGE 105, 365). Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant bedürfe besonderer Rücksicht, und die Beschlagnahme ganzer Mandantenakten, nicht nur der Abrechnungsteile der Akten oder der Buchhaltungsunterlagen, verletze sowohl das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Ast. als Berufsgeheimnisträger als auch seiner Mandanten.

Der Grundrechtseingriff geschehe bei der Bearbeitung der Einsprüche gegen die aufgrund der Fahndungsprüfung vom Ag. erlassenen Steuerbescheide. Dessen Betriebsprüfungsstelle habe die Fahndungsergebnisse ausgewertet, und dessen Rechtsbehelfsstelle bearbeite im Einspruchsverfahren weiterhin die beschlagnahmten Akten und Daten und werte sie aus. Dem müsse im Sinne eines Beweisverwertungsverbots Einhalt geboten werden.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei inzwischen abgeschlossen und die Anklageschrift zwar erstellt, aber das Hauptverfahren bislang nicht eröffnet.

Der Ag. weist darauf hin, dass gegen die Beschlagnahme der Rechtsweg der Beschwerde zum Amtsgericht München gegeben sei und dieses eine Beschwerde des Ast. bereits im Januar 2005 verworfen habe. Auch eine Herausgabe bzw. Hinterlegung der beschlagnahmten Unterlagen sei vom Amtsgericht München zu prüfen bzw. anzuordnen. Der vom Ast. zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beziehe sich auf die Beschlagnahme der gesamten Kanzleidaten eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters. Vorliegend gehe es nur um die im Rahmen der Durchsuchung gesichteten und vom Ast. zunächst freiwillig herausgegebenen verfahrensrelevanten Unterlagen und Daten im Rahmen der Steuerfahndungsprüfung gegen den Ast. Ein Verwertungsverbot bestehe nicht.

Der Ast. hat hilfsweise im Wege des gewillkürten Parteiwechsels den Antrag gegen das Finanzamt München I für den Fall gerichtet, dass das Gericht die Antragsgegnerschaft des Finanzamts München IV nicht für gegeben halten sollte.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten, den Bericht über die Außenprüfung beim Ast. vom 17.08.2005 und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II. 1. Der Antrag ist zulässig.

Das Finanzamt München IV ist zutreffender Antragsgegner und Verfahrensbeteiligter hinsichtlich der beantragten einstweiligen Anordnung auf Hinterlegung der sichergestellten Akten und Datenkopien. Der Ast. hat in seinem Antrag ausdrücklich klargestellt, dass er den Weg in das finanzgerichtliche Verfahren in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und insbesondere in Kenntnis des vorher zu durchlaufenden Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten bei Durchsuchung und Beschlagnahme gewählt hat. Der Ast. wendet sich auch nicht dagegen, dass der Ag. die sichergestellten Unterlagen zur Ermittlung seiner eigenen steuerlichen Verhältnisse auswertet. Deshalb legt der Senat den Antrag dahingehend aus, dass der Ast. in erster Linie die Auswertung der sichergestellten Daten in Bezug auf seine Mandaten verhindern will, nicht in Bezug auf die Ermittlung seiner eigenen Einkommen- und Umsatzsteuer im Fahndungsprüfungszeitraum. Der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist dann eröffnet, wenn es sich um eine Abgabenangelegenheit handelt und nicht um ein steuerstrafrechtliches Verfahren. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann zu bejahen, wenn die Weitergabe von Beweismaterial an Bankkunden unterbunden werden soll, gegen die sich das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht richtetet(Beschluss vom 06.02.2001 VII B 277/00, BStBl II 2001, 306). Gleiches gilt für die Befürchtung des Ast., der Ag. werde Mandantendaten auswerten bzw. an die Wohnsitzfinanzämter der Mandanten zur dortigen Auswertung weitergeben. Der Finanzrechtsweg ist auch dann eröffnet, wenn die Sicherstellung der Unterlagen und Daten nach dem Abschluss des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens angegriffen wird, um die Auswertung in eigenen steuerlichen Angelegenheiten zu verhindern (siehe hierzu ausführlich BFH-Beschluss vom 06.02.2001 VII B 277/00, BStBl II 2001, 306, unter Tz. II. 2. a, aa).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Eine Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO setzt voraus, dass der Ast. eine Rechtsposition innehat, die eine einstweilige Maßnahme rechtfertigt (Anordnungsanspruch) und dass derartige Maßnahmen außerdem zur Abwehr wesentlicher Nachteile für den Antragsteller oder aus anderen Gründen nötig erscheinen (Anordnungsanspruch). Zudem sind sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen, § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO).

Diesen Voraussetzungen genügt der gestellte Antrag nicht.

Bezüglich der Auswertung der sichergestellten Daten und Unterlagen zur Feststellung der steuerlichen Verhältnisse des Ast. selbst fehlt es bereits am Anordnungsanspruch (vgl. hierzu neben den zitierten Entscheidungen auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 114 Rz 45).

Hinsichtlich der Mandanten des Ast. läge ein Anordnungsgrund nur vor, wenn eine einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für diese als nötig erschiene.

Der Ast. hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass der Ag. die sichergestellten Unterlagen und Datensätze im Hinblick auf steuerliche Verpflichtungen seiner - des Ag. - Mandanten auswertet oder auswerten will und deshalb eine einstweilige Anordnung zur Sicherung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant erforderlich erscheint.

Der Ag. hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Beschlagnahme den gesamten Datenbestand seiner Kanzlei betroffen und deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hätte. Hierbei war zum einen der Umfang der dem Ast. zur Last gelegten Steuerstraftaten zu berücksichtigen. Zum anderen hat das BVerfG betont, dass die Verletzung dieses Grundsatzes allein nicht ausreichen würde, um Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wirksam zu verhindern (vgl. die Hauptsacheentscheidung zu dem bereits zitierten Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz, 2 BvR 1027/02 vom 12.04.2005, BVerfGE 113, 29 ff.). Vielmehr sei der Grundrechtsschutz auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung zu bewirken, wozu auch die Durchsicht der vorhandenen Daten zur Vermeidung einer übermäßigen Datenerhebung diene. Hat der Ag. aber die Daten und Unterlagen nur teilweise und in Kopie erhoben und ist eine endgültige Sichtung im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens noch nicht beendet, so ist keine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Ast. glaubhaft gemacht.

3. Die Erfolglosigkeit des Hilfsantrags ergibt sich aus den Ausführungen zu 1. Deshalb war auch eine Verweisung nach § 17 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht vorzunehmen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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