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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 6 K 5289/01
Rechtsgebiete: AO 1977, AnfG, ZPO


Vorschriften:

AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 191 Abs. 1
AnfG § 9
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

6 K 5289/01

Duldung für Steuern der Fa. M

In der Streitsache

hat der 6. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

ohne mündliche Verhandlung am 28. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Duldungsbescheid vom 14. Oktober 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2001 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheides vom 14.10.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001, mit dem der Beklagte (das Finanzamt -FA-) den Kläger auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Forderungen der M (M-GmbH) in Anspruch nimmt, die der Kläger durch Aufrechnung mit eigenen Forderungen zum Erlöschen gebracht hat.

Gegenstand des Unternehmens der Firma M-GmbH war der Vertrieb von Computersystemen und die Realisierung von Hard- und Softwarelösungen für die industriellen Computeranwender und Großabnehmer. Mit Beschluss vom 06.05.1999 des Amtsgerichts - Insolvenzgericht -wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Firma M-GmbH abgewiesen, da keine die Kosten des Verfahrens deckenden Masse vorhanden war. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 27.07.1999.

Am 14.10.1999 erließ das FA gegen den Kläger einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 6 und 14 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens in der Fassung vom 05.10.1994 (Anfechtungsgesetz -AnfG-). In dem Bescheid war unter anderem ausgeführt, die Firma M-GmbH schulde der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Freistaat Bayern, vertreten durch den Vorsteher des Finanzamts, Abgaben in Höhe von 1.460.902,41 DM. Diese Steuern seien vollstreckbar. Der M-GmbH stünden gegen den Kläger gemäß der Summen- und Saldenliste zum 31.10.1998 Forderungen in Höhe von insgesamt 779.710,62 DM zu. Der Kläger war der Ansicht, dass ihm gegen die M-GmbH Forderungen aus Tantieme-Ansprüchen für 1995 und 1996 in Höhe von 112.100 DM, sowie aus Vorsteuerkürzungen in Höhe von 223.500 DM und 270.968,82 DM zustünden und rechnete in Höhe von 606.568,82 DM auf.

Das Finanzamt war in dem oben genannten Duldungsbescheid vom 14.10.1999 der Ansicht, dass ein Nachweis über die Existenz und die Berechtigung dieser Forderungen trotz ausdrücklicher Aufforderung seitens des Klägers nicht erbracht worden sei. Wegen der in dem Bescheid bezeichneten Abgaben hat es deshalb die oben genannten Aufrechnungen gemäß §§ 6 und 14 AnfG i.V.m. § 191 AO angefochten und gegen den Kläger in dem Duldungsbescheid den gesetzlichen Rückgewährsanspruch nach § 11 AnfG in Höhe von 606.568,82 DM geltend gemacht.

Der Duldungsbescheid vom 14.10.1999 war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Eine Anlage war dem Bescheid nicht beigefügt. In dem Bescheid erfolgte keine Aufgliederung der geschuldeten Abgaben in Höhe von 1.460.902,41 DM nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum.

Den hiergegen mit Schreiben vom 10.11.1999 eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führte das FA unter anderem aus, dass die M-GmbH dem Finanzamt insgesamt 1.716.649,48 DM an Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Zinsen, Solidaritätszuschlägen und den darauf entfallenden Säumniszuschlägen schuldet.

Mit der anschließend am 12.12.2001 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass die fraglichen Forderungen in Höhe von 606.568,82 DM durch Aufrechnung bereits wirksam erloschen sind. Insbesondere seien die fraglichen Forderungen durch Aufrechnung vor Zustellung der Pfändung und Einziehungsverfügung vom 27.11.1998, mit der Forderungen der M-GmbH gegen den Kläger in Höhe von 896.030,20 DM durch das FA gepfändet worden seien, erloschen. Im Rahmen des Klageverfahrens wurden die Aufrechnungserklärungen vom 05., 13. und 10.10.1998 sowie vom 16.06.1996 vorgelegt. Weiter habe das FA die Forderungen unrichtig berechnet, gegen den Kläger verbleibe lediglich ein Restanspruch der GmbH am 30.11.1998 in Höhe von 14.675,75 DM. Auf diese Restforderung seien nach dem 30.11.1998 insgesamt 3 Einzahlungen mit jeweils 5.000 DM geleistet worden.

Der Kläger habe, als er die Aufrechnungen erklärt habe, keine Benachteiligungsabsicht i.S. des § 3 AnfG gehabt. Insbesondere liege kein unlauteres Handeln vor. Selbst der Schuldner, der diese Verschuldung kenne, dem es aber mehr auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als die Schädigung der übrigen Gläubiger ankomme, erfülle diese Voraussetzung nicht. Im vorliegenden Fall sei es dem Kläger lediglich darum gegangen, seinen Verbindlichkeiten gegenüber der M - GmbH gerecht zu werden, deshalb habe er die Aufrechnung mit den ihm zustehenden Forderungen erklärt. Weder im Duldungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung habe der Beklagte hierzu Stellung genommen. Es fehle deshalb bereits an der notwendigen Benachteiligungsabsicht. Dem Beklagten obliege hier die objektive Beweislast im Hinblick auf die Benachteiligungsabsicht. Auch habe der Beklagte kein Anfechtungsrecht nach § 3 b AnfG. Bei den streitgegenständlichen Forderungen des Klägers habe es sich nicht um eigenkapitalsersetzende Darlehen i.S. von § 32 a Abs. 1 und 3 GmbH-Gesetz bzw. diesen gleichgestellte Forderungen gehandelt. Die M-GmbH sei im März 1999 kreditwürdig gewesen und insoweit lägen bis zu diesem Zeitpunkt bei objektiver Würdigung sämtlicher Umstände keine kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen vor. Der Beklagte habe jedoch pauschal unterstellt, dass jede Forderung des Klägers an die GmbH ein eigenkapitalerset-zendes Darlehen gewesen sei.

Zusammenfassend sei deshalb festzuhalten, dass der Kläger nach alledem im September bzw. Oktober 1998 mit seinen Forderungen gegen die M-GmbH aufrechnen durfte. Die dort geltend gemachten Forderungen seien fällig gewesen. Durch die Aufrechnung sei keine Vermögensminderung der GmbH erfolgt. Eine Benachteiligungsabsicht des Klägers habe nicht vorgelegen und der Beklagte habe diese auch nicht dargelegt. Eine Verhaftung der Forderungen des Klägers nach §§ 32 a und 32 b GmbH-Gesetz sei nicht eingetreten. Die Anfechtung der Aufrechnungserklärung des Klägers durch den Beklagten sei daher rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Duldungsbescheid vom 14. Oktober 1999 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2001 wegen Steuerschulden der M GmbH, ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA führt aus, die Steuerschulden der M-GmbH, die dem mit der Klage angefochtenen Duldungsbescheid zugrunde lägen, umfassten nicht nur die Körperschaftsteuer 1997, sondern insbesondere auch die Körperschaftsteuer 1993 und 1994 mit Nebenleistungen. Selbst wenn die für das Jahr 1997 rückständigen Steuern der M-GmbH in vollem Umfang wegfallen sollten, würden Steuerrückstände verbleiben, die höher seien als die im Duldungsbescheid vom 14.10.1999 festgesetzte Duldungssumme in Höhe von 606.568,82 DM, was 310.133,71 Euro entspreche. Sowohl die Körperschaftsteuer 1993, als auch die Körperschaftsteuer 1994 seien seit dem 30.09.1998 zur Zahlung fällig. Es seien heute noch säumige Beträge zur Zahlung offen:

 Steuernoch zu zahlender Betrag gesamtdavon fällig sei 30.09.1998
Körperschaftsteuer 1993408.645,29 Euro329.238,08 Euro
Zinsen zur Körperschaftsteuer26.056,46 Euro17.247,41 Euro
1993  
Körperschaftsteuer 199449.653,70 Euro46.434,61 Euro
Zinsen zur Körperschaftsteuer755,16 Euro232,13 Euro
1994  
Summe485.110,63 Euro393.152,23 Euro

Ob die Aufrechnungserklärung vom 05.10.1998 authentisch sei, müsse ernstlich bezweifelt werden. Hiergegen spreche sowohl die Tatsache, dass der Kläger eine Erklärung mit diesem Datum während des Einspruchsverfahrens nicht habe vorlegen können, als auch die Formulierung. Außerdem ergebe sich aus der Buchführung ein späterer Zeitpunkt der Aufrechnung, da es nicht glaubhaft sei, dass ausgerechnet die betragsmäßig größte und in der wirtschaftlichen Bedeutung sowohl für den Kläger als auch für die M - GmbH wichtigste Buchung unterlassen worden sei. Nach Ansicht des FA sei das Konstrukt der Aufrechnung erst nach Ergehen der Pfändungsverfügung vom 27.11.1998 vorgeschrieben worden, um dieser Zahlungsverpflichtung zu entgehen. Dies sei in der Absicht geschehen, das FA eindeutig als Gläubiger zu benachteiligen. Insbesondere hätten die Forderungen der M-GmbH an den Kläger zum 31.10.1998 in voller Höhe noch bestanden. In der am 09.11.1998 erstellten Summen-und Saldenliste seien Forderungen der M - GmbH an den Kläger in Höhe von insgesamt 779.710,62 DM ausgewiesen. Die Forderungen des Klägers hätten jedenfalls auch zu dem vom Kläger behaupteten Aufrechnungszeitpunkt bereits eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt. Aufgrund einer im September 1998 mit der Datentechnik getroffenen Stundungsvereinbarung über einen Betrag von 95.529,34 DM sei dem Kläger die Zahlungsunfähigkeit und Kreditunwürdigkeit der GmbH sehr wohl bekannt gewesen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Zum 1. Januar 2006 ist durch einen Organisationsakt des Freistaates Bayern ( vgl. ZustVO vom 1. Dezember 2005, BStBl I 2006, 167) ein gesetzlicher Beklagtenwechsel eingetreten.

II.

Die Klage ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Duldungsbescheides sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung. Der Duldungsbescheid ist rechtswidrig.

1. Ein Duldungsbescheid ist nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ein Verwaltungsakt, in dem die Behörde einen gegen den Duldungspflichtigen bestehenden gesetzlichen Duldungsanspruch festsetzt. Duldungspflichtiger ist, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung in Vermögensgegenstände, die sich in seinem Eigentum oder seiner Verfügungsgewalt bzw. seinem Gewahrsam befinden, wegen eines gegen einen Dritten bestehenden Anspruchs aus dem Steuerverhältnis zu dulden. Die Duldungspflicht ist eine modifizierte Form der Haftung. Die materiellen und formellen Grundregeln für die Haftung gelten demgemäß für die Duldung entsprechend.

a) Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Für die hinreichende Bestimmtheit eines Duldungsbescheides kommt es allein auf die Angabe an, wer was in welchem Umfang zu dulden hat. Dazu genügt die Angabe der Steuer, deretwegen die Anfechtung erfolgt, nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum (vgl. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 19. Dezember 2000, Az.: 6 K 1821/95, juris; Bundesfinanzhof-Beschluss vom 03. Dezember 1996, I B 44/96, BFH/NV 1997, 200). Die Angabe der Bescheiddaten oder der Besteuerungsgrundlagen ist nicht erforderlich. Wird die Duldungspflicht - wie vorliegend - auf einen Tatbestand des Anfechtungsgesetzes gestützt, so wird zugleich ein zivilrechtlicher Anspruch geltend gemacht, der außerhalb des Anwendungsbereiches des § 191 Abs. 1 AO durch eine Klage vor dem Zivilgericht verfolgt werden müsste. An den notwendigen Inhalt und die Bestimmtheit eines solchen Duldungsbescheids sind daher die selben Anforderungen zu stellen, die das Gesetz als Zulässigkeits-voraussetzung der zivilrechtlichen Anfechtungsklage auferlegt (BundesverwaltungsgerichtUrteil vom 18. April 1997, Az.: 8 C 43/95, BVerwG 104, 301 ff.) Die Klageschrift müsste daher die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches, sowie einen bestimmten Antrag enthalten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-). Der Antrag einer zivilrechtlichen Anfechtungsklage hätte darüber hinaus bestimmt zu bezeichnen, in welchem Umfang und in welcher Weise die Rückgewähr des Empfängers bewirkt werden soll (§ 9 AnfG). Ein Duldungsbescheid muss mit Blick hierauf die zu befriedigende Forderung, den Anfechtungsgrund, den zurückzugewährenden Gegenstand und die Art und Weise angeben, wie die Rückgewähr erfolgen soll (Bundesverwaltungsgericht a.a.O.).

Ob der angefochtene Duldungsbescheid diesen notwendigen Inhalt mit hinreichender Bestimmtheit bezeichnet, ist durch Auslegung seines verfügenden Teils im Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzustellen.

b) Unter Anlegung der oben genannten Maßstäbe ist es nicht ausreichend nach § 119 Abs. 1 i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO, dass die Abgaben lediglich in einer Gesamtsumme ohne betragsmäßige Aufschlüsselung nach den jeweiligen Erhebungszeiträumen angegeben werden.

Das Bestimmtheitsgebot verlangt nämlich, dass die Ansprüche, deretwegen die Vollstreckung geduldet werden soll, einzeln bezeichnet werden, dass mit anderen Worten die Erstschuld nach Art, Betrag, Erhebungszeitraum und Schuldner individualisiert wird. Dies folgt aus der Regelung in § 191 Abs. 1 AO, nach der die Duldungspflicht "für eine Steuer" bestehen muss. Die Duldungspflicht ist akzessorisch. Sie setzt das Bestehen einer Steuerschuld voraus; die Steuerschuld muss entstanden und darf nicht wieder untergegangen sein. Steuerschuld in diesem Sinne ist nicht die Gesamtheit an Steuerforderungen in einem Zeitpunkt, sondern die einzelne Steuerschuld. Ist die Duldungspflicht untrennbar an das Bestehen der einzelnen Steuerschuld geknüpft, so muss aus dem Duldungsbescheid, wenn er wie hier mehrere Steuerschulden und Veranlagungszeiträume betrifft, hervorgehen, für welche einzelne Steuerschuld die Duldungspflicht bestehen soll. Soweit ein Duldungsbescheid ergeht, ergibt sich eine Pflicht zur betragsmäßigen Aufschlüsselung nach Erhebungszeiträumen jedenfalls aus dem Anfechtungsgesetz. Die pauschale Angabe der Steuerforderungen in einer Summe genügt dem nicht. Entsprechendes gilt, wenn der Steuergläubiger wegen mehrerer vollstreckbarer Steuerforderungen die Gläubigeranfechtung statt durch zivilrechtliche Anfechtungsklage durch einen öffentlich-rechtlichen Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO verfolgt. Die Duldungsverpflichtung bezüglich jeder einzelnen Steuerschuld stellt eine selbständige Regelung dar, die auch in einem Duldungsbescheid hätte ausgesprochen werden können. Die Zusammenfassung mehrerer derartiger Regelungen in einem Bescheid ist zwar ohne weiteres möglich und auch sinnvoll, ändert aber nichts daran, dass sie ihrem Betrag nach bestimmbar sein muss (Bundesverwaltungsgericht a.a.O.). Dem genügt sowohl der angefochtene Duldungsbescheid vom 14.10.1999 wie auch die Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001 nicht.

Der Bescheid vom 14.10.1999 enthält lediglich den Hinweis, dass die Firma M-GmbH "Abgaben in Höhe von 1.460.902,41 DM" schuldet. Eine Angabe der Steuer, deretwegen die Anfechtung erfolgt und eine Aufgliederung nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum erfolgt nicht. In der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001 werden die Abgaben, die die M-GmbH schuldet, mit 1.716.649,48 DM "Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Zinsen, Solidaritätszuschlägen und den darauf entfallenden Säumniszuschlägen" bezeichnet. Auch hier erfolgt keine Aufschlüsselung nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum der Steuer, deretwegen die Anfechtung erfolgt. Sowohl der Bescheid vom 14.10.1999 wie auch die Einspruchsentscheidung vom 20.11.2001 entsprechen daher nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO. Hierfür spricht auch, dass in der Einspruchsentscheidung ohne nähere Begründung die Abgaben deretwegen die Duldung der Zwangsvollstreckung begehrt wird von 1.460.902,41 DM auf 1.716.649,48 DM heraufgesetzt werden. In der Klagebegründung vom 28.09.2005 werden dagegen die Abgaben mit 485.110,63 Euro bzw. 393.152,23 Euro genannt. Auch diese Veränderung der Steuerforderungen durch Heraufsetzung und Reduzierung lässt im Einzelnen offen, wegen welcher Steuerforderungen genau der Kläger in Anspruch genommen wurde und auch wird.

2. Bei der Inanspruchnahme auf Duldung der Zwangsvollstreckung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (s. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 191 AO Rz. 78). Das Finanzamt hat alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, die ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt sein konnten, zu berücksichtigen. Mangelnde Sachverhaltsermittlung führt zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung. Folglich muss das FA den entscheidungserheblichen Sachverhalt umfassend und einwandfrei ermitteln (s. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 5 AO Rz. 37). Dies bedeutet auch, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt ausreichend in den Bescheiden dargestellt und damit abgewogen wird.

Da die Verpflichtung zur Duldung an die einzelne Steuerschuld anknüpft, muss somit auch unter Ermessensgesichtspunkten aus dem Duldungsbescheid hervorgehen, für welche Steuern nach Art, Betrag und Erhebungszeitraum zu dulden hat. Daran fehlt es hier. Darin liegt zugleich ein Ermessensfehler, der ebenfalls zur Rechtswidrigkeit des Duldungsbescheides und der Einspruchsentscheidung führt.

3. Soweit die Abgaben, deretwegen der Kläger die Zwangsvollstreckung dulden muss, im Einspruchsbescheid heraufgesetzt wurden, stellt dies nach Ansicht des Senates eine Verböserung dar. Aus den Akten ergibt sich kein Hinweis, dass das FA auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO hingewiesen hat. Insoweit liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der auch zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) führt ( BFH - Urteil vom 4. September 1959 III 286/57 U, BStBl III 1959, 472 und BFH - Beschluss vom 14. Juli 2004 IX B 102/03, BFH/NV 2004, 1514). Der an sich gebotenen Zurückverweisung bedarf es aber nicht, weil die Klage begründet ist (s. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 367 AO Rz. 32). Soweit sich der Betrag der Abgaben - wie sich aus dem Schriftsatz vom 28.09.2005 ergibt - deretwegen der Kläger zur Duldung der Zwangsvollstreckung und in Anspruch genommen wird, reduziert hat, hätte eine Anpassung des insoweit rechtswidrig gewordenen Bescheides im

Wege der Teilabhilfe entsprechend § 130 Abs. 1 AO erfolgen können. Zwischen dem Umfang des Rückgewähranspruchs nach dem Anfechtungsgesetz in der Höhe der Steuerrückstände besteht insoweit ein relevanter Zusammenhang, als dieser durch die Höhe der Steuerrückstände begrenzt wird (BFH-Beschluss vom 13. März 2002, VII B 42/01, BFH/NV 2002, 896 ff.).

4. Die dem FA unterlaufenen Fehler sind auch nicht heilbar. Dies gilt für den Mangel inhaltlicher Bestimmtheit ebenso wie für den Ermessensfehler. Fehlende Tatsachenfeststellungen können bei einer Ermessenentscheidung nicht nach § 102 Satz 2 FGO nachgeholt werden(s. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 102 FGO Rz. 14).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 1 und 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

6. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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