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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.05.2009
Aktenzeichen: 7 K 1531/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 50a Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Streitsache

...

hat das Finanzgericht München, 7. Senat,

durch

den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 25. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Nachforderungsbescheid vom 7. Oktober 2004 über Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 EStG für IV/1997 bis IV/2001 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 27. März 2007 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Motor-Sportclub. Sie veranstaltet einmal im Jahr ein internationales Grasbahnrennen, an dem auch ausländische Motorsportler teilnehmen. Für die in den Streitjahren 1997 bis 2001 durchgeführten Rennen wurden an ausländische Motorsportler Start- bzw. Punktegelder gezahlt.

Für zwei Profi-Fahrer wurden von der Klägerin Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) angemeldet. Den Anmeldungen wurden Anlagen beigefügt, in denen die ausländischen Fahrer und die Höhe des jeweils ausbezahlten Start- /Punktegeldes aufgeführt sind. In den Spalten daneben sind die Kosten für Fahrer, einem Mechaniker und einem Helfer für Fahrten mit 1,04 DM pro Entfernungskilometer, für Verpflegung nach Reisekostenpauschalen sowie für Übernachtungskosten ermittelt worden. Außerdem wurden die einzelnen Fahrer als Profi oder Amateur eingestuft und nur bei den als Profi bezeichneten Fahrern der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG vorgenommen.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass - unabhängig von der Bezeichnung als Profi oder Amateur - stets bei den Fahrern ein Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG vorzunehmen sei, bei denen die ausgezahlten Vergütungen höher seien als die ihnen zustehenden Aufwandsentschädigungsbeträge für Fahrtaufwendungen, Verpflegungsaufwendungen und Übernachtung. Dies sei bei den an die ausländischen Fahrer ...(A), ...(B) und ...(C) ausbezahlten Startgelder der Fall. Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an und erließ mit Datum vom 7. Oktober 2004 zusätzlich zu den bisherigen Anmeldungen gegen die Klägerin einen Nachforderungsbescheid über einen Betrag von 2.432,44 EUR. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 27. März 2007).

Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, sie habe bei den Sportlern, die als Amateurfahrer einzustufen seien, zu Recht keinen Steuerabzug vorgenommen, da bei diesen die Gewinnerzielungsabsicht fehle. Zu berücksichtigen sei, dass die von ihr gezahlten Vergütungen nur einen Zuschuss zum erforderlichen Aufwand der Fahrer darstelle, die die tatsächlichen Kosten nicht deckten. Im Motorsport fielen gegenüber anderen Sportarten erheblich größere Aufwendungen an. Allein für Methanol, Öl, Motorverschleiß, Reifen und andere Hilfsmittel fielen pro Renntag durchschnittliche Kosten in Höhe von 1.115 DM (570 EUR) an. Darüber hinaus fielen, neben den Reise- und Transportkosten, noch weitere Kosten an, z.B. Lizenzgebühren und Versicherungen. Einen Einzelnachweis könne der Veranstalter insbesondere bei auswärtigen Sportlern, kaum fordern da diese nicht zur Offenlegung ihrer gesamten "Buchführung" bezüglich des ihnen entstandenen Aufwands verpflichtet werden könnten. Es sei jedoch offensichtlich, dass die Summe der Aufwendungen die gezahlten Start- und Punktegelder weit überstiegen. Dies ergebe sich auch aus einer überschlägigen Gegenüberstellung der Start- und Punktegelder und der geschätzten Aufwendungen der Fahrer, bei denen nach Auffassung des Finanzamts ein Steuerabzug vorzunehmen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Aufhebung des Nachforderungsbescheids vom 7. Oktober 2004 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 27. März 2007.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 27. März 2007, die Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 25. Mai 2009 Bezug genommen.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. April 2009 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat bei der Klägerin zu Unrecht für die an ausländischen Grasbahnrennfahrer A, B und C geleisteten Zahlungen Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG nachgefordert.

1. Nach § 50a Abs. 4 EStG wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer in bestimmten Fällen (hier § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) im Wege des Steuerabzugs erhoben. In diesen Fällen muss der Schuldner der Vergütungen den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubiger vornehmen und die einbehaltene Steuer an das zuständige Finanzamt abführen (§ 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG).

Die Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 4 EStG knüpft daran an, dass der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte (§ 1 Abs. 4 EStG) erzielt. Sie setzt mithin voraus, dass die vom Vergütungsschuldner geleisteten Zahlungen aus der Sicht des Vergütungsgläubigers dem Einkünftekatalog des § 49 EStG unterfallen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Zahlungen nicht der Einkunftserzielung zuzuordnen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die sich als steuerlich unbeachtliche "Liebhaberei" darstellen (BFH-Urteil vom 7. November 2001 I R 14/01, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2002, 861). Eine solche liegt vor, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinnerzielung getragen sind, sondern aus persönlichen Motiven erfolgen (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl II 1998, 663). Eine Zahlung, die auf einer solchen Leistung beruht, unterliegt deshalb bei dem Empfänger nicht der Einkommensteuer und löst für den Zahlenden keine Einbehaltungs- und Abführungspflicht i.S. des § 50a Abs. 4 EStG aus (BFH in BStBl II 2002, 861).

Eine Zuordnung der vorliegenden Einkünfte zu den einzelnen Einkunftsarten gemäß § 49 Abs. 1 EStG erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der im In- und Ausland gegebenen Tatbestandmerkmale. Ob eine bestimmte Leistung der steuerrechtlich relevanten Einkunftserzielung oder dem Bereich der Liebhaberei zuzuordnen ist, muss daher bei beschränkt Steuerpflichtigen nach denselben Kriterien beurteilt werden wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (BFH in BStBl II 2002, 861). Bei der Frage nach der Gewinnerzielungsabsicht ist somit auf die zu beurteilende Tätigkeit der Zahlungsempfänger in ihrer Gesamtheit abzustellen.

2. Im Streitfall stellen die an die ausländischen Grasbahnrennfahrer A, B und C gezahlten Startgelder bei diesen keine steuerlich relevanten Einkünfte i.S.d. § 49 EStG dar, weil sich eine Einkunftserzielungsabsicht nicht feststellen lässt.

Die Gewinnerzielungsabsicht ist eine sogenannte innere Tatsache, deren Vorliegen nur anhand äußerer Umstände beurteilt werden kann. Für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht trägt das Finanzamt die Feststellungslast, denn die Einkunftserzielungsabsicht betrifft ein die Steuerpflicht begründendes Tatbestandsmerkmal.

Die Teilnahme an Grasbahnrennen ist keine Tätigkeit, bei der eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass sie mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird. Es ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung, dass die Durchführung dieser Sportart mit erheblichen Kosten für das Fahrzeug, ein Ersatzfahrzeug, Reparaturmaterial, Reifen, Betriebsstoffe, Haftpflichtversicherungen und Transport der Fahrzeuge verbunden ist. Auf die Ausführungen der Klägerin in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung, die vom Finanzamt auch nicht bestritten wurden, wird Bezug genommen. Wie aus den im Internet veröffentlichten Informationen über die betreffenden Fahrer (vgl....) bekannt ist, handelt es sich bei ihnen nicht um Berufsrennfahrer, vielmehr üben sie alle einen anderen Beruf aus. Es ist nachvollziehbar und erscheint glaubhaft, dass die anlässlich der Rennen an diese Fahrer bezahlten Startgelder nur einen Teil ihrer gesamten Kosten abdecken können und dass bei dieser Sportart nicht mit kostendeckenden Einnahmen durch Sponsorengelder und Marketingmaßnahmen zu rechnen ist.

Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, spielt im Rahmen des Bahnsports die Sportart Grasbahnrennen nur eine untergeordnete Rolle. Anders als bei der Bahnsportart Speedway, für die es eine Bundesliga gibt, werden hier nicht sehr viele Rennen durchgeführt und in den Medien Fernsehen und Presse wird darüber nur wenig berichtet. Allenfalls im Lokalteil der Zeitungen finden sich Berichte über vor Ort veranstaltete Rennen. Wegen der fehlenden Öffentlichkeitswirksamkeit sei diese Sportart für Sponsor- und Marketingmaßnahmen nicht interessant, so dass es für die Fahrer, die ausschließlich Grasbahnrennen fahren, nicht möglich sei, an lukrative Verträge mit Sponsoren heranzukommen. Wirtschaftlich erfolgreicher seien nur die Fahrer, die neben Langbahn (Gras- und Sandbahnrennen) auch Speedway fahren. Dies sei nur bei den Fahrern der Fall, die bei den von der Klägerin veranstalteten Rennen als Profis gestartet seien und für die sie den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG vorgenommen habe. Für diese seien auch wesentlich höhere Startgelder gezahlt worden.

Das Gericht ist aufgrund der im Internet verfügbaren Informationen über den Bahnsport davon überzeugt, dass der Vortrag der Klägerin zutrifft. Aus der Berichterstattung über die drei Fahrer A, B und C ergibt sich, dass sie reine Langbahnfahrer sind und an Speedwayrennen nicht teilgenommen haben. Zwar werden auf ihrer Internetseite jeweils einige Sponsoren genannt, die sie unterstützen. Es ist jedoch glaubhaft und entspricht wegen der geringen Medienwirksamkeit dieser Sportart der Lebenserfahrung, dass es sich dabei in erster Linie um Ausrüster handelt, die verbilligt für die Rennmaschinen erforderliche Teile zur Verfügung stellen und nicht um Sponsoren, die die Sportler mit laufenden Geldzahlungen unterstützen. Die Fahrer bringen auf der Internetseite (vgl. ...und...) auch zum Ausdruck, dass die Teilnahme an internationalen Rennen wegen der hohen Kosten überhaupt nur möglich ist, wenn sie von Sponsoren unterstützt werden. Gegen eine professionelle Betätigung der hier betroffenen Fahrer spricht auch, dass die Mechaniker- und Tuningarbeit zum Teil von Familienangehörigen vorgenommen wird, ebenso der deutliche Unterschied in der Höhe der Start- /Punktegelder zwischen den unstreitig professionellen Fahrern, die mehr als ... DM je Rennen erhalten haben und den anderen Fahrern mit Geldern in der Größenordnung zwischen ... DM und .... DM je Rennen. Insgesamt gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die betroffenen Fahrer die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen haben, vielmehr spricht viel dafür, dass es sich bei ihnen um motorsportbegeisterte Idealisten handelt, die auch auf längere Sicht nicht mit einem Gewinn aus ihrer Betätigung rechnen können.

3. Das Gericht kann keine Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin erkennen, die nach § 90 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zu einer Beweislastumkehr zu ihren Lasten führen könnte, insbesondere ist es unklar, welche Beweismittel sie sich hätte sichern sollen. So wäre es etwa unzumutbar, von der Klägerin zu verlangen, sich vor Auszahlung der Start- /Punktegelder zunächst Gewinnermittlungen der Empfänger vorlegen zu lassen (vgl. BFH in BStBl II 2002, 861). Das Finanzamt hat die Klägerin auch nicht zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert. Auch das Gericht sieht sich nicht in der Lage, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die für die Frage der Gewinnerzielungsabsicht wesentlichen Informationen hat das Gericht - soweit verfügbar - aus den im Internet zugänglichen Veröffentlichungen über die Fahrer recherchiert. Weitere greifbare Ansatzpunkte für eine erfolgversprechende Aufklärung bestehen nicht. Damit scheidet die Anwendung des § 90 Abs. 2 AO aus.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und dem Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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