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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 7 K 2505/05
Rechtsgebiete: HGB, EStG


Vorschriften:

HGB § 249 Abs. 1 S. 1
EStG § 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

7 K 2505/05

Streitsache

Körperschaftsteuer 2002

Gewerbesteuermessbetrag 2002

In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

... sowie

der ehrenamtlichen Richter

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung; Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist insbesondere die Beratung in Fragen der Datenverarbeitung und die Produktion sowie der Vertrieb von Software.

In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2002 berücksichtigte die Klägerin gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) u.a. Rückstellungen für ausstehende Urlaubstage und Überstunden der Belegschaft. Entsprechend den Vorgaben ihrer Mehrheitsgesellschafterin bewertete die Klägerin die Urlaubsrückstellungen entsprechend dem vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW) vorgeschlagenen Bewertungsschema; nach der insoweit vorgegebenen Berechnungsformel (Rückstellung = Jahresgehalt ÷ 220 Gesamtarbeitstage x ausstehende Urlaubstage) errechnete die Klägerin zum Bilanzstichtag am 31.12.2002 eine Urlaubsrückstellung in Höhe von 73.200 EUR sowie eine Überstundenrückstellung in Höhe von 900 EUR, insgesamt 74.100 EUR.

Im Zuge einer u.a. das Streitjahr 2002 betreffenden Betriebsprüfung beanstandete der Betriebsprüfer die Bewertung der Rückstellung für ausstehende Urlaube bzw. Überstunden hinsichtlich der Verwendung des Divisors (220 Gesamtarbeitstage). Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass Urlaubsrückstellungen --abweichend von der im Jahresabschluss der Klägerin angewandten Berechnungsformel--unter Zugrundelegung von 250 ("Soll"-)Arbeitstagen zu berechnen seien; als Divisor sei danach die Zahl der regulären Arbeitstage anzusetzen. Aufgrund dieser Prämisse ermittelte der Betriebsprüfer einen um 8.800 EUR geringeren Rückstellungsbetrag. Der Beklagte (Finanzamt) folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ unter dem 15. November 2004 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr, in denen der Berechnung der Rückstellung für rückständige Urlaubsverpflichtungen 250 Soll-Arbeitstage zu Grunde gelegt wurden. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die Rückstellung für ausstehende Urlaubsverpflichtungen in der im Jahresabschluss zum 31.12.2002 ausgewiesenen Höhe zum Ansatz zu bringen, weiter. Sie legt dar, dass zwischen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der führenden handelsrechtlichen Kommentarliteratur ein Dissens hinsichtlich des den Urlaubsrückstellungen zu Grunde zu legenden Berechnungsansatzes bestehe. Der vom Finanzamt angewandte Berechnungsansatz beruhe auf der Überlegung, dass die Urlaubsrückstellung in Höhe desjenigen Urlaubsentgelts zu bilden sei, das der Arbeitgeber in bar zahlen müsste, wenn der Arbeitnehmer zum Bilanzstichtag ausscheide. Dies widerspreche dem Grundsatz des § 252 Abs. 2 Nr. 2 HGB, wonach bei der Bilanzierung von der Annahme der Unternehmensfortführung und damit auch von der Fortsetzung bestehender Arbeitsverhältnisse auszugehen sei. Eine korrekte Abgrenzung der Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer (und ihr folgend eine zutreffende Zuordnung zur richtigen Periode) sei nur zu erreichen, wenn das tatsächliche Jahresgehalt durch die Zahl der tatsächlich vom Arbeitnehmer zu erbringenden Jahresarbeitstage dividiert werde. Hierfür sei im Jahresabschluss vereinfachend --unter Berücksichtigung von durchschnittlich 30 gewährten Jahresurlaubstagen sowie Feiertagen und Wochenenden-- von 220 tatsächlich zu erbringenden Arbeitstagen auszugehen. Dies habe die Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2002 auch getan. Bei Verwendung eines Divisors von 250 Arbeitstagen komme es zu Fehlern bei der Aufwandsabgrenzung, da sich der Gehaltsaufwand auch dann verschieben könne, wenn es zu keinerlei Veränderungen bei der Gehaltshöhe gekommen sei. Die vom Finanzamt angewandte Berechnungsmethode auf Basis der regulären Arbeitstage verletze daher die tragenden handelsbilanziellen Grundsätze des § 252 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 HGB.

Die Klägerin beantragt,

1. die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer 2002 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2002 vom 15. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Rückstellung für ausstehende Urlaubsverpflichtungen in der im Jahresabschluss zum 31.12.2002 ausgewiesenen Höhe zum Ansatz kommt,

2. hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, dass bei der Bewertung von Rückstellungen für ausstehende Urlaubsverpflichtungen nur die Soll-Arbeitstage als Divisor zu Grunde gelegt werden könnten. Würde man entsprechend dem Begehren der Klägerin die Ist-Arbeitstage zu Grunde legen, würde dies eine Verteilung des Lohnaufwandes für die Ausfalltage des Folgejahres auf die Tage, an denen der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet, bewirken. Damit wäre keine zutreffende Berechnungsgrundlage für den Aufwand, der auf die rückständigen Urlaubstage entfalle, mehr vorhanden. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass bei der Bewertung einer Rückstellung nur die objektiven Wertverhältnisse zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen seien.

Mit Schreiben vom 21. November 2005 weist die Klägerin in Erwiderung auf die Stellungnahme des Finanzamts noch einmal darauf hin, dass der Rückstellungsberechnung der Klägerin nicht die Ist- bzw. Soll-Arbeitstage zu Grunde gelegt worden seien, sondern typisiert die tatsächlich geleisteten Arbeitstage.

Der Senat hat unter dem 15. Februar 2007 einen Gerichtsbescheid erlassen, gegen den die Klägerin rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Der Senat hat in der Streitsache am 7. Mai 2007 die mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf das Sitzungsprotokoll sowie auf die vorgelegten Steuerakten wird Bezug genommen.

II. Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Nach § 249 Abs.1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen u.a. für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die Vorschrift enthält einen Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung und statuiert eine handelsrechtliche Passivierungspflicht, die nach § 5 Abs.1 EStG auch steuerrechtlich zu beachten ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH--vom28. Juni 1989 -I R 86/85, BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550, m.w.N.). Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass die Voraussetzungen für die Passivierung einer Rückstellung im Streitfall erfüllt sind.

2. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind rückständige Urlaubsverpflichtungen als sog. Erfüllungsrückstand zurückzustellen. Die Höhe der Rückstellung bestimmt sich nach dem Urlaubsentgelt, das der Arbeitgeber hätte aufwenden müssen, wenn er seine Zahlungsverpflichtung bereits am Bilanzstichtag erfüllt hätte. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Berechnung nicht die --typisierend ermittelte--Zahl der tatsächlichen Arbeitstage zugrunde zu legen. Die Höhe der Rückstellung bemisst sich vielmehr nach dem Wert der den Arbeitnehmern gegenüber zu erbringenden Leistungen zum Bilanzstichtag, der der Höhe des Urlaubsentgelts entsprechen muss. Daher ist der maßgebliche Lohnaufwand im Falle einer Durchschnittsberechnung durch die Zahl der regulären Arbeitstage zu dividieren und mit der Zahl der offenen Urlaubstage zu vervielfachen (vgl. BFH-Urteile vom 8. Juli 1992 -XI R 50/89, BFHE 168, 329, BStBl II 1992, 910;vom 10. März 1993 -I R 70/91, BFHE 170, 433, BStBl II 1993, 446; s. auch Weber-Grellet, DB 1992, 2567 m. Replik Breidenbach).

Der Senat verkennt nicht, dass diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung getragene Rechtsauffassung in der Literatur umstritten ist; er vermag den Argumenten der Gegenauffassung (s. hierzu etwa Hoyos/M. Ring, in Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 Rz. 100 "Urlaub"; Tonner, DB 1992, 1594; Breidenbach, DB 1992, 2203 ; Müller, DB 1993, 1582), auf die sich auch die Klägerin beruft, indes nicht zu folgen. Nach Auffassung des Senats ist rückständiger Urlaub nicht als (Minder-)Arbeitsleistung im Folgejahr abzugrenzen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen im Streitfall nicht vor. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Im Streitfall liegt insbesondere der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht vor. Eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits entschiedene Rechtsfrage ist nur dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn Finanzgerichte der Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt sind oder im Fachschrifttum neue gewichtige Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht erwogen hat. Dies ist noch nicht der Fall, wenn im Fachschrifttum lediglich Kritik an dem --nach Auffassung der Autoren falschen--Ergebnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung geübt wird.

Ende der Entscheidung

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