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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 10.11.2008
Aktenzeichen: 7 K 2556/06
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO § 110
BGB § 133
Widersprüchliche Angaben darüber, wann der steuerliche Vertreter erstmals Kenntnis vom Steuerbescheid erlangt hat, führen dazu, dass die zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebrachten Tatsachen nicht ausreichend substantiiert und schlüssig dargelegt worden sind.
Finanzgericht München

7 K 2556/06

Körperschaftsteuer 2002

In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung ...

ohne mündlicher Verhandlung

am 10. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob gegen den Körperschaftsteueränderungsbescheid 2002 vom 14. März 2005 ein zulässiger Einspruch eingelegt worden ist.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmenszweck die Übernahme der Stellung einer persönlich haftenden Gesellschafterin in Kommanditgesellschaften der "P-Gruppe" ist. Nachdem die Klägerin die Steuererklärungen 2002 am 07. Mai 2004 zunächst ohne Bilanz und GuV-Rechnung beim Beklagten (Finanzamt) abgegeben hatte, reichte sie aufgrund eines Schreibens des Finanzamts vom 12. Mai 2004 am 18. Mai 2004 die Bilanz und GuV-Rechnung nach. Das Finanzamt führte die Veranlagung 2002 mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stehenden Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 28. Juni 2004 erklärungsgemäß durch. Parallel dazu forderte das Finanzamt den steuerlichen Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 2004 auf, die Anstellungsverträge für die Geschäftsführer vorzulegen, sowie die Konten "sonstige betriebliche Aufwendungen" (Konto 6003) und "sonstige Kosten Projekte" (Konto 5902) zu erläutern. Es folgten diverse Erinnerungen und Telefonate, zuletzt am 15. Dezember 2004, auf die der Vertreter der Klägerin jedoch nicht reagierte. Mit Schreiben vom 20. Januar 2005 wandte sich das Finanzamt direkt an die Klägerin und bat um Vorlage der Anstellungsverträge der Geschäftsführer sowie Erläuterung der sonstigen betrieblichen Aufwendungen und der sonstigen Kosten mit dem Hinweis, dass diese Aufwendungen in der endgültigen Veranlagung 2002 nicht zu berücksichtigen seien, wenn bis 11. Februar 2005 keine Unterlagen eingereicht würden. Mangels Reaktion erließ das Finanzamt am 14. März 2005 einen Körperschaftsteueränderungsbescheid 2002, mit dem dem erklärten Gewinn ein Betrag von 264.309 EUR hinzugerechnet wurde. Laut Erläuterung zum Bescheid wurden die Konten "Aufwendungen Projekte" und "sonstige betriebliche Aufwendungen" nicht anerkannt, da die zahlreichen wiederholten schriftlichen und mündlichen Anfragen nicht beantwortet worden waren. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2005, Eingang am 17. Mai 2005, stellte die Klägerin einen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist zum Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 14. März 2005 und für einen gegebenenfalls ebenfalls vorliegenden Gewerbesteuermessbescheid 2002". Zur Begründung wurde vorgetragen, am 13. Mai 2005 habe sich herausgestellt, dass das Finanzamt den Körperschaftsteuerbescheid 2002 wegen Nichtvorlage nachträglich angeforderter Unterlagen geändert und die Positionen sonstige betriebliche Aufwendungen und Aufwendungen für Projekte nicht mehr anerkannt habe. Die Steuerbescheide seien der Klägerin direkt zugestellt worden und schließlich in die Buchhaltungsabteilung gelangt. Diese sei angewiesen, alle Steuerbescheide zu kopieren, die Zahlungsziele zu erfassen und die Bescheide zur Prüfung, zur Fristwahrung und für weitere Rechtsmittel an den steuerlichen Vertreter weiter zu leiten. Die Weiterleitung geschehe entweder per Post, per Bote oder durch persönliche Übergabe an den steuerlichen Vertreter oder einen seiner Mitarbeiter. Bislang seien alle Bescheide und Unterlagen immer zeitnah und vollständig der Kanzlei zugestellt worden. Der o.g. Steuerbescheid sei zwar am 15. März 2005 im Unternehmen der Klägerin eingegangen, am 17. März 2005 seien auch Kopien zur Weiterleitung erstellt worden. Auf dem Weiterleitungsweg zur Kanzlei müsse der Bescheid jedoch verloren gegangen sein, da er diese nicht erreicht habe. Da die Geschäftsführung der Klägerin grundsätzlich dafür Sorge getragen habe, dass Fristen eingehalten würden, bislang auch der Prozess der Bescheidweiterleitung ohne Störung und Zeitüberschreitungen funktioniert habe, sei kein subjektives Verschulden feststellbar.

Das Finanzamt teilte der Klägerin mit Schreiben vom 02. Juni 2005 mit, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 110 AO nicht stattgegeben werden könne, da die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden sei und keine Gründe vorgetragen worden seien, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen würden. Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 bat der steuerliche Vertreter darum, das Schreiben vom 14. Mai 2005 als Einspruch gegen den Bescheid vom 14. März 2005 auszulegen. Die Gründe für die Wiedereinsetzung seien im Schreiben vom 14. Mai 2005 bereits dargelegt worden.

Das Finanzamt teilte mit Schreiben vom 19. Juli 2005 mit, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung auch als Einspruch ausgelegt werde. Der Wiedereinsetzungsantrag werde jedoch abgelehnt, da die von der Klägerin vorgetragenen Gründe keine Wiedereinsetzung rechtfertigten.

In einer Besprechung am 18. Januar 2006 legte der steuerliche Vertreter dem Finanzamt einen Ausdruck einer an ihn gerichteten E-Mail eines Herrn Gvon der P AG vom 20. April 2005, 08.01 Uhr mit dem Betreff "FA-Bescheid 2002 Körp-St./SOLZ" mit folgendem Inhalt vor: "Für die P-GmbH liegt der Bescheid für 2002 (Körperschaftsteuer/Solidaritätszuschlag) vor, bei welchem die Konten "Aufwendungen Projekte" und "sonstige betriebliche Aufwendungen" nicht anerkannt worden - gesamt zu zahlen EUR 73.343,24. Wurde hierzu Einspruch eingelegt? Betrag wird heute per Eilauftrag überwiesen. Bitte kurz um Ihre Info." Der steuerliche Vertreter der Klägerin teilte in der Unterredung ferner mit, dass er an diesem Tag (20. April 2005) auch eine Abschrift des Körperschaftsteuerbescheides 2002 erhalten und am 14. Mai 2005 dann den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt habe. Laut Mitteilung des Finanzamts (Aktenvermerk vom 18. Januar 2006) legte der steuerliche Vertreter bei der Besprechung auch die Kopie des Körperschaftsteuerbescheids 2002 vor. Auf diesem habe sich ein "Durchschnittzeichen" sowie ein Vermerk befunden. Wer wann auf welchen Weg den Bescheid an ihn übermittelt haben soll, sei jedoch nicht erkennbar gewesen.

Mit Schreiben vom 16. April 2006 reichte der steuerliche Vertreter zur weiteren Glaubhaftmachung der Gründe für die Wiedereinsetzung eine Stellungnahme des Herrn G von der Unternehmensgruppe P vom 23. März 2006 beim Finanzamt ein. Dieser teilte darin mit, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2002 am 15. März 2005 auf den Postweg "entsprechend Eingangsstempel" eingegangen sei. Entsprechend einer Bestätigung/Vermerk auf den Bescheid sei am 17. März 2005 eine Kopie des Bescheids durch ihn persönlich einkuvertiert und zur Poststelle am Empfang gebracht worden. Der Empfang habe diesen frankiert und persönlich in den Briefkasten in der Hstraße (Höhe Nr. 27) eingeworfen. Aufgrund der Fälligkeit habe er am 20. April 2005 eine E-Mail an den steuerlichen Vertreter verfasst, ob in dieser Angelegenheit ein Einspruch erfolgt sei. Außerdem legte der steuerliche Vertreter Kopien des in der Steuerkanzlei geführten Fristenbuchs für den Zeitraum 01. März 2005 bis 25. April 2005 vor, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Das Finanzamt hat mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 14. März 2005 als unzulässig verworfen, da dieser verspätet eingegangen sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen würden. Das Hindernis, durch das die Fristversäumnis verursacht worden sei, sei am 20. April 2005 mit Erhalt der E-Mail durch den Buchhalter der Klägerin weggefallen. Die Frist für die Einspruchseinlegung, den Wiedereinsetzungsantrag und die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe habe damit am 20. Mai 2005 geendet. Tatsächlich sei bis dahin jedoch nur ein Wiedereinsetzungsantrag ohne eingehende Begründung und ohne genaue Bezeichnung des tatsächlichen Geschehensablaufs gestellt worden. Ein Einspruch gegen den Körperschaftsteueränderungsbescheid sei nicht eingelegt worden. Zwar könnten unklare Angaben noch nachträglich erläutert und ergänzt, wesentliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung jedoch nicht mehr geschlossen werden. Auch das Nachschieben neuer Wiedereinsetzungsgründe sei unzulässig. Bis zum Schreiben vom 16. April 2006 habe es der steuerliche Vertreter offen gelassen, auf welchem Weg (per Post, per Bote oder persönliche Übergabe) der Steuerbescheid von der Klägerin zu ihm gelangt sei. Es sei immer noch unklar, ob seitens der Klägerin ein Überwachungsverschulden hinsichtlich des ausgewählten Botens zur Absendung der Bescheidkopie vorliege. Dies sei aber letztlich nicht mehr entscheidungserheblich, da die Darlegungsfrist des § 110 Abs. 2 AO versäumt sei. Der Vortrag, der Bescheid sei auf dem Postwege verloren gegangen, sei im Antrag auf Wiedereinsetzung nicht hinreichend dargelegt und begründet worden. Wer den Verlust oder eine Verzögerung bei der Postbeförderung behaupte, müsse substantiierte Angaben über die Versendungsart sowie darüber machen, zu welchem Zeitpunkt der Briefumschlag mit dem Schriftsatz von welcher Person auf welche Weise aufgegeben worden sei. Falls bei einem "alternativen Sachvortrag" die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumnis offen bleibe, fehle eine hinreichende Begründung des Wiedereinsetzungsantrags.

Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, das Finanzamt stelle überspannte Anforderungen hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO. Eine mehrmals angekündigte weitere Begründung der Klage ging nicht bei Gericht ein. Das Schreiben des Berichterstatters vom 09. November 2006, mit dem dieser auf verschiedene Ungereimtheiten des Sachverhalts hinwies und um Aufklärung bat, blieb unbeantwortet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 aufzuheben und unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 14. März 2005 dahingehend zu ändern, dass die Hinzurechnung von nicht anerkannten Betriebsausgaben in Höhe von 264.309 EUR rückgängig gemacht und die Körperschaftsteuer entsprechend herabgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgelehnt, so dass der Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 14. März 2005 bestandskräftig geworden ist.

1. Die einmonatige Frist nach § 355 AO zur Einlegung des Einspruchs gegen den Körperschaftsteuerbescheid vom 14. März 2005 ist - was unter den Beteiligten nicht streitig ist - am Montag, den 18. April 2005 um 24.00 Uhr abgelaufen (§§ 122, Abs. 2, 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist ist kein Einspruch eingelegt worden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 AO).

a) Im Streitfall fehlt es bereits an der erforderlichen Nachholung der versäumten Handlung innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses. Geht man davon aus, dass der steuerliche Vertreter der Klägerin - wie zuletzt von ihm dargelegt - am 20. April 2005 eine Abschrift des Körperschaftsteuerbescheids 2002 erhalten hat, so wäre an diesem Tag das Hindernis weggefallen. Innerhalb der Monatsfrist ist jedoch nur der Wiedereinsetzungsantrag vom 14. Mai 2005 am 17. Mai 2005 beim Finanzamt eingegangen. Zwar liegt in einem Wiedereinsetzungsantrag vielfach zugleich die Nachholung der versäumten Handlung (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 110 AO Rz. 536). Ob mit dem Wiedereinsetzungsantrag zugleich Einspruch eingelegt wird, ist jedoch Auslegungsfrage. Ist der Wille eines Antragstellers in einem Schriftsatz nicht eindeutig und zweifelsfrei ausgedrückt, hat die Finanzbehörde ihn durch Auslegung der Erklärung in entsprechender Anwendung des § 133 BGB zu ermitteln; maßgebend ist, wie die Finanzbehörde als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Einspruchsschreibens verstehen musste. Eine Auslegung ist nicht möglich, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Bei Rechtsanwälten und Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist davon auszugehen, dass sie die zutreffenden Begriffe gebrauchen. Auslegung und Umdeutung haben ihre Grenzen im unmissverständlich erklärten Willen, auch wenn die Befolgung dieses Willens nicht zum Ziele führt (vgl. Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung § 357 Rz. 4).

Das Schreiben des steuerlichen Vertreters der Klägerin vom 14. Mai 2005 enthält nur einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist zum Körperschaftsteuerbescheid 2002 vom 14. März 2005. Die Bezugnahme auf die Einspruchsfrist zum Körperschaftsteuerbescheid beinhaltet nur die versäumte gesetzliche Frist im Sinne von § 110 Abs. 1 Satz 1 AO. Der Wille, gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag Einspruch einzulegen, kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Darauf weist auch der Hinweis in der Begründung des Antrags hin, dass die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides, nämlich die Frage, ob die strittigen Positionen in der Gewinn- und Verlustrechnung zutreffend vom Finanzamt nicht anerkannt worden sind, einer "gesonderten Überprüfung vorbehalten bleiben" (Seite 2, 2. Absatz des Schreibens vom 14. Mai 2005). Der Antrag selbst bezieht sich nur auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Damit kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand bereits aus diesem Grund nicht stattgegeben werden.

b) Selbst wenn man das Schreiben vom 14. Mai 2005 auch als konkludenten Einspruch gegen den Bescheid vom 14. März 2005 auslegen würde, könnte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, weil die Frist nicht ohne Verschulden versäumt worden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Fristversäumnis nur dann als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 20. Februar 2001 IX R 48/98, BFH/NV 2002, 1010). Im Streitfall kann ein Verschulden der Klägerin oder ihres steuerlichen Vertreters nicht ausgeschlossen werden. Die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Tatsachen hinsichtlich der Verhinderung ohne Verschulden müssen innerhalb der Antragsfrist substantiiert und schlüssig, d.h. widerspruchslos, dargelegt werden. Daran fehlt es.

Es bestehen bereits widersprüchliche Angaben darüber, wann der steuerliche Vertreter erstmals Kenntnis von dem streitgegenständlichen Bescheid erlangt haben soll. Laut Schreiben vom 14. Mai 2005 habe sich der Sachverhalt, dass das Finanzamt einen Körperschaftsteueränderungsbescheid 2002 erlassen hat, "gestern" herausgestellt. In der Besprechung vom 18. Januar 2006 teilte der steuerliche Vertreter dagegen mit, dass er eine Abschrift des Körperschaftsteuerbescheides 2002 am 20. April 2005 erhalten habe. Das Schreiben vom 14. Mai 2005 lässt auch offen, wer und auf welchem Weg eine Kopie des Bescheids an die Kanzlei des steuerlichen Vertreters übermittelt haben soll.

Auch ist der vorgetragene Vorgang nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Die am 18. April 2006 vorgelegte Bestätigung des Herrn G, der die Angaben auf Grundlage einer Bestätigung bzw. eines Vermerks auf dem Bescheid und nicht aufgrund eigener Erinnerung gemacht hat, lässt offen, wer den Brief mit der Bescheidskopie in den Briefkasten eingeworfen hat bzw. ob sichergestellt wurde, dass der Brief auch tatsächlich an die Kanzlei versandt worden ist. Die E-Mail des Herrn G vom 20. April 2005 an den steuerlichen Vertreter der Klägerin schließt die Möglichkeit nicht aus, dass der Bescheid nicht weitergeleitet wurde, da auf Seiten der Klägerin davon ausgegangen worden ist, dass der steuerliche Vertreter auf andere Weise Kenntnis von dem Bescheid erlangt hat. Ein Verschulden der Klägerin wäre in diesem Fall in der fehlenden Abstimmung zwischen ihr und dem steuerlichen Vertreter zu sehen.

Im Übrigen hätte die Klägerin allein durch die Übersendung einer Kopie des Bescheids an den steuerlichen Vertreter ihre Sorgfaltspflicht nicht ausreichend erfüllt, denn es handelte sich nicht um einen normalen Steuerbescheid, sondern um einen Steuerbescheid, in dem die bisherige Steuerfestsetzung dadurch zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert wurde, dass Betriebsausgaben in erheblicher Größenordnung nicht anerkannt wurden, wodurch sich eine Steuernachzahlung von 66.077 EUR ergab. In diesem außergewöhnlichen Fall hätte ein sorgfältig handelnder Steuerpflichtiger sich zumindest telefonisch innerhalb der Einspruchsfrist mit dem steuerlichen Vertreter abgestimmt, um zu klären, was hier falsch gelaufen ist und wie Abhilfe geschaffen werden kann. Dass erstmals zum Fälligkeitszeitpunkt der Steuernachzahlung eine Kontaktaufnahme mit dem steuerlichen Vertreter erfolgt ist, stellt eine deutliche Verletzung der Sorgfaltspflichten dar.

Eine andere, nicht auszuschließende Möglichkeit ist es, dass die Bescheidskopien zwar innerhalb der Einspruchsfrist beim steuerlichen Berater eingegangen sind, dieser es aber aus Fahrlässigkeit versäumt hat, dagegen Einspruch einzulegen. In den in Kopie vorgelegten Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch des steuerlichen Vertreters ist der streitgegenständliche Bescheid zwar nicht enthalten. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, dass die in der Kanzlei eingegangenen Bescheide vollständig in das Fristenkontrollbuch eingetragen worden sind, da es an einer chronologischen Eintragung der eingegangenen Bescheide fehlt. So wurden z.B. nach einem am 20. April 2005 eingegangenen Bescheid verschiedene an die P-Gruppe gerichtete Bescheide mit dem Eingangsdatum vom 07.04.2005 eingetragen. Wenn die eingegangenen Bescheide jedoch nicht zeitnah in das Fristenkontrollbuch eingetragen werden, hat dieses keinen Beweiswert.

Da verbleibende Zweifel am fehlenden Verschulden an der Fristversäumnis - wie im Streitfall - zu Lasten desjenigen gehen, der die Wiedereinsetzung betragt, kann die Klage keinen Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

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