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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 18.08.2008
Aktenzeichen: 7 K 742/06
Rechtsgebiete: AO, KStG, GewStG


Vorschriften:

AO § 118
KStG § 14 Abs. 1 S. 1
GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

7 K 742/06

Widerruf der verbindlichen Auskunft vom 14. November 2002 zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses vom 29. August 2005

In der Streitsache

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Präsidenten des Finanzgerichts,

des Richters am Finanzgericht und

der Richterin am Finanzgericht sowie

der ehrenamtlichen Richter ... und ...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18. August 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Widerruf der verbindlichen Auskunft vom 29. August 2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2006 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Klägerin ist die ... mit ihrem Betrieb gewerblicher Art ....

Bis zum 31. Dezember 1997 umfasste der Eigenbetrieb ... die Betriebssparten.... Dieser bildet einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) nach § 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Mit Beschluss der ... vom ... wurde der bisherige Eigenbetrieb ... gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 124 Umwandlungsgesetz (UmwG) ausgegliedert und auf die neu gegründete Eigengesellschaft S-GmbH übertragen. Die S-GmbH wurde am ..1998 ins Handelsregister eingetragen. Als handelsrechtlicher Umwandlungsstichtag gilt der 31. Dezember 1997.

Die bis zum ...1998 bereits fertig gestellten und in Betrieb befindlichen ...Anlagen sind als Teilbetrieb nach § 20 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) vom BgA gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die S-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Klägerin ist, eingebracht. Nicht eingebracht wurden die zu diesem Zeitpunkt noch in Bau befindlichen ...Anlagen der Klägerin. Diese verblieben im Betriebsvermögen des BgA. Sie wurden nach Fertigstellung im Rahmen des verbliebenen BgA an die S-GmbH verpachtet.

Zwischen dem BgA und der S-GmbH besteht gemäß einer verbindlichen Auskunft des beklagten Finanzamts vom ...1998 seit Beginn der Verpachtung der ...Anlagen eine Betriebsaufspaltung. Sämtliche GmbH-Anteile an dem Betriebsunternehmen S-GmbH wurden damit notwendiges Betriebsvermögen des BgA als Besitzunternehmen.

Neben der Verpachtung der ...Anlagen erbringt der BgA Dienstleistungen gegenüber Dritten im Bereich ..., ähnlich einem Ingenieurbüro. Hinsichtlich der vor dem 31.12.1997 fertig gestellten... Anlagen besteht ein Baubetreuungsvertrag mit der S-GmbH.

Die Betriebssparten ... wurden später teilweise aus der S-GmbH ausgegliedert und auf zwei 100%-ige Tochtergesellschaften der S-GmbH, die ...GmbH (zum 1.1....) und die ...mbH - (zum 1.1....) übertragen. Zwischen der S-GmbH und diesen Tochtergesellschaften bestehen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge.

...

Mit Schreiben vom 20. September 2002 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zur Frage der Begründung einer körperschaftsteuerlichen und gewebesteuerlichen Organschaft zwischen dem BgA und der S-GmbH und legte den Entwurf eines Gewinnabführungsvertrags vor.

Mit Schreiben vom 14. November 2002 erteilte der Beklagte die verbindliche Auskunft, dass durch den Abschluss des vorgelegten Gewinnabführungsvertrags zwischen dem BgA und der S-GmbH eine körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft begründet und so die steuerwirksame Ergebnisverrechnung zwischen dem BgA und der S-GmbH bewirkt werde. Am 19. November 2002 wurde der Gewinnabführungsvertrag zwischen dem BgA und der S-GmbH abgeschlossen und am 26. November 2002 ins Handelsregister eingetragen.

Mit der Verpachtung der ...Anlage sowie mit seinem operativen Geschäft in Gestalt von Baubetreuungs- und Projektierungsleistungen hat der BgA im Zeitraum ab 1998 stets Verluste erwirtschaftet. Dagegen erzielte er ab 2001 unter Einbeziehung der Gewinnausschüttung der S-GmbH in 2001 bzw. der Gewinnabführungen der S-GmbH ab 2002 Gewinne.

Mit Schreiben vom 29. August 2005 hat der Beklagte die verbindliche Auskunft vom 14. November 2002 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2006 widerrufen. Zur Begründung verwies er darauf, dass aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. August 2003 IV A 2-S 2770-18/03 (Bundessteuerblatt - BStBl - I 2003, 437) und des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG 2004 in Verbindung mit § 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) Organträger nur noch ein gewerbliches Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland sein könne. Ein gewerbliches Unternehmen liege vor, wenn die Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 GewStG erfüllt seien. Diese Voraussetzungen seien bei einem dauerdefizitären BgA aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht erfüllt. Für die Prüfung der Frage, ob ein "Dauerverlust-BgA" vorliege, seien die Beteiligungserträge dann nicht einzubeziehen, wenn mit der Beteiligungsgesellschaft ein Organschaftsverhältnis begründet werde solle. Da es sich bei dem BgA der Klägerin um einen dauerdefizitären BgA handele, könne dieser nicht mehr Organträger sein.

Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2004).

Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, der Beklagte verneine zu Unrecht, dass der BgA ein gewerbliches Unternehmen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG sei. Der ratio legis des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG entsprechend, solle das Merkmal des "gewerblichen Unternehmens" in den Fällen als Korrektiv wirken, in denen durch die Abführung des Gewinns eine Umqualifizierung der gewerblichen Einkünfte der Organgesellschaft in gewerbesteuerfreie, nicht gewerbliche Einkünfte des Organträgers stattfinden würde. Das Organschaftsverhältnis solle also nicht zur Vermeidung der Gewerbesteuer führen können. Da der BgA vorliegend mit seinen Ergebnissen der Gewerbesteuer unterliege, bestehe auf Grundlage einer teleologischen Betrachtung keine Notwendigkeit, das Merkmal des "gewerblichen Unternehmens" als nicht erfüllt anzusehen. Der Auffassung der Finanzverwaltung und der herrschenden Kommentarliteratur, dass auch Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 2 GewStG und damit das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) erfüllen müssten, könne bereits entgegengehalten werden, dass § 4 KStG - insoweit vergleichbar zu der Regelung zu Gewerbebetrieben kraft Rechtsform im § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG - als lex specialis zu § 15 Abs. 2 EStG nicht nur die Grenze festlege, ab deren Überschreiten ein körperschaftsteuerliches Rechtssubjekt vorliege, sondern den Begriff der Gewerblichkeit einschränke. In diesem Fall sei ein Gewerbebetrieb unabhängig vom Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen.

Fordere man dagegen auch für einen BgA Gewinnerzielungsabsicht, so bedeute dies zwangläufig einen Ausschluss dauerdefizitärer BgA als Organträger. Für die Beurteilung, ob ein BgA dauerdefizitär sei, komme es maßgeblich auf den Umfang der zu berücksichtigenden Einnahmen an. Auszugehen sei dabei von § 15 Abs. 2 EStG und den hierzu entwickelten Grundsätzen. Eine Betätigung werde danach mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, wenn sie auf Dauer ein Totalgewinn erwarten lasse. Der vom Gewerbetreibenden anzustrebende Totalgewinn stelle das Gesamtergebnis des Betriebes in der Zeit von seiner Gründung bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation dar.

In die Ermittlung des Totalgewinns eines BgA seien nach herrschender Auffassung in der Kommentarliteratur neben dem eigenen operativen Geschäftsergebnis auch Beteiligungserträge einzubeziehen. Dabei sei es bereits ausreichend, wenn die Beteiligungen dem gewillkürten Betriebsvermögen des BgA zugeordnet würden. Diese Auffassung werde von der Rechtsprechung geteilt (Bundesfinanzhof -BFH-Beschluss vom 25. Juli 2002 I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341). Wenn demnach bereits die Erträge aus einer Beteiligung, die zum gewillkürten Betriebsvermögen eines BgA gehöre, bei der Ermittlung des Totalgewinnes des BgA zu berücksichtigen seien, so müsse dies erst Recht für Beteiligungen gelten, die, wie im Streitfall, dem notwendigen Betriebsvermögen eines BgA zugeordnet seien. Aus der der Klagebegründung als Anlage 1 beigefügten Übersicht "Gewinnprognose" ergebe sich, dass ohne der Organschaft, aber unter Berücksichtigung der Beteiligungserträge - bezogen auf die Jahre 1998 bis 2010 - der BgA voraussichtlich einen Totalgewinn von rund ... EUR erzielen werde. Nach einer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten aktualisierten Übersicht beträgt das prognostizierte Geschäftsergebnis des BgA ohne Berücksichtigung der Organschaft vom 01.01.1998 bis 31.12.2010 rund ...EUR. Die Argumentation des Beklagten, durch die Einbeziehung der Beteiligungserträge von S-GmbH in die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht würden Rechtsfolgen der Organschaft in den Tatbestand vorgezogen, greife schon deshalb nicht, weil sich - wie sich aus der Übersicht ergebe - bereits ohne Organschaft unter Berücksichtigung der Beteiligungserträge S-GmbH ein Totalgewinn ergebe.

Der Totalgewinn umfasse neben den laufenden Ergebnissen auch den Veräußerungs- oder Aufgabegewinn/-verlust. Könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Betrieb veräußert oder aufgegeben werde, so sei der Schätzung des Totalgewinnes ein fiktiver Aufgabegewinn/-verlust gemäß § 16 Abs. 3 EStG zugrund zu legen, in den nach ständiger Rechtsprechung des BFH die stillen Reserven des Betriebsvermögen einzubeziehen seien. Neben stillen Reserven aus Anlagegütern des BgA seien hier insbesondere die in der Beteilung an der S-GmbH enthaltenen stillen Reserven zu berücksichtigen, die z.B. im Falle einer Veräußerung der Beteiligung aufgedeckt würden. Diese stillen Reserven aus dem Ansatz von Grundstücken (ohne Bauten) sowie diverser Beteiligungen der S-GmbH würden derzeit auf etwa ... EUR geschätzt.

Dieser, aus der Aufdeckung dieser stillen Reserven resultierende, fiktive Aufgabegewinn sei auf einen fiktiven Zeitraum pro rata temporis zu verteilen. Als Betrachtungszeitraum sei hier ein großzügiger Zeitraum von 50 Jahren zugrunde gelegt. Dies würde im Betrachtungszeitraum zu einer jährlichen Einkommenserhöhung des BgA von ...EUR führen. Bezogen auf den Realisations-/Prognosezeitraum 1998 bis 2010 ergäbe sich ohne Organschaft unter Einbeziehung des fiktiven Aufgabegewinnes von rund ... (... EUR x 13 Jahre) unter Berücksichtigung des nach § 8 b KStG steuerpflichtigen Anteils von 5% und der darauf entfallenden Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer beim BgA eine Erhöhung des Totalgewinnes von rund ...EUR um rund ...auf rund .... EUR.

Dass es sich bei dem BgA um ein gewerbliches Unternehmen handele, ergebe sich zusätzlich aus den zur Betriebsaufspaltung entwickelten Grundsätzen des BFH. Danach werde einem Besitzunternehmen die gewerbliche Tätigkeit des Betriebsunternehmens zugerechnet, so dass bereits aus diesem Grund Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt würden. Diese fiktive Gewerblichkeit sei nach herrschender Auffassung von Kommentarliteratur und Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 10. November 2005 IV B 7-S-2770-24/05) einer originär gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens gleichzustellen. Eine Ausnahme mache das Gesetz lediglich bei Personengesellschaften, da diese nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG ab 2003 nur dann Organträger sein könnten, wenn sie eine Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübten. Im Umkehrschluss folge daraus, dass für Organträger anderer Rechtsform eine originär eigengewerbliche Tätigkeit keine zwingende Voraussetzung sei.

Im Übrigen seien an den Umfang der originär gewerblichen Tätigkeit nur sehr geringe Anforderungen zu stellen, da auch durch die an die S-GmbH und Dritte erbrachten Baubetreuungs- und Projektierungsleistungen die Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit erfüllt seien.

Ein Widerruf der verbindlichen Auskunft komme damit nicht in Betracht, da sich seit ihrer Erteilung die Auslegung des Gesetzes weder durch die Rechtsprechung noch durch die Finanzverwaltung in Form von BMF-Schreiben zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert habe.

Die Klägerin beantragt,

den Widerruf vom 29. August 2005 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Rdnr. 4.6 des BMF-Schreibens vom 29. Dezember 2003 IV A 4 - S 0430 - 7/03 (BStBl I 2003, 742) könne das Finanzamt eine unrichtig erteilte verbindliche Auskunft mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Im Streitfall habe sie bei Erteilung der verbindlichen Auskunft vom 14. November 2002 die bestehenden Rechtsvorschriften nicht zutreffend gewürdigt und infolge dessen eine unrichtige Auskunft gegeben, so dass sie mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden könne, ohne dass es einer Änderung der Rechtsvorschriften bedürfe.

Das zu § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG geforderte Tatbestandsmerkmal eines gewerblichen Unternehmens liege nur vor, wenn die Voraussetzungen für ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG erfüllt seien (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Dies gelte nach § 2 Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) auch für Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Ein dauerdefizitärer BgA erfülle aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht diese Voraussetzungen nicht. Dieser könne damit nicht Organträger sein.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses sei eine speziell auf die Vorschrift des § 14 KStG ausgelegte Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht des BgA vorzunehmen. Bei der Frage, ob ein BgA Organträger sein könne, sei somit zu prüfen, ob der BgA für sich ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 2 GewStG sei. Um diese Frage beantworten zu können, seien demnach alle organschaftsspezifischen Kriterien auszuschließen. Deshalb müssten sowohl Beteiligungserträge als auch potentielle stille Reserven in der Beteiligung unberücksichtigt bleiben. Wolle man die Beteiligungserträge und die stillen Reserven in die Prüfung der Gewerblichkeit des BgA mit einbeziehen, würde man Aspekte der Rechtsfolge in den Tatbestand vorziehen.

Da der BgA die Merkmale der Gewinnerzielungsabsicht nur unter Berücksichtigung der Erträge und stillen Reserven aus der Beteiligung an der S-GmbH erfülle, komme er als Organträger nicht in Betracht. Denn der Grundgedanke der wirtschaftlichen Einheit von Besitz- und Betriebsgesellschaft sei bei einer steuerlichen Organschaft nicht anwendbar. Hier sei der einheitliche Gewerbebetrieb nicht Ausgangspunkt, sondern Rechtsfolge, so dass andere Maßstäbe anzulegen seien.

Wenn in Rdnr. 16 des BMF-Schreibens vom 10. November 2005 IV B 7-S 2770-24/05 (BStBl I 2005, 1038) ausgeführt werde, eine Besitzpersonengesellschaft komme im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Organträger in Betracht, weil ihr die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft zugerechnet werde, so bedeute dies nicht, dass sie quasi automatisch als Organträger anerkannt werde. Vor der Anerkennung der Organschaft stehe auch hier die Prüfung, ob die Besitzpersonengesellschaft für sich gesehen einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 GewStG darstelle.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die verbindliche Auskunft vom14. November 2002, den Widerruf der verbindlichen Auskunft vom 29. August 2005, die Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2006, die Klagebegründung vom 18. April 2006 nebst Anlage 1, die Jahresabschlüsse des BgA von 1998 bis 2005 und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18. August 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig. Der Widerruf der verbindlichen Auskunft stellt einen Verwaltungsakt i.S.v. § 118 Abgabenordnung (AO) dar. Hiergegen ist - da das Einspruchsverfahren erfolglos durchgeführt worden ist - die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -) statthaft.

Zwar qualifiziert der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung die verbindliche Auskunft nicht als Verwaltungsakt, sondern leitet die von ihr ausgehende Bindungswirkung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ab (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274; ebenso Rüsken in Klein, AO, 9. Auflage, § 204 Rz. 19a; offen gelassen im BFH-Beschluss vom 20. Februar 1997 V B 148/96, BFH/NV 1997, 463). Gegen diese Rechtsprechung wurden jedoch in der Literatur (vgl. z.B. Buciek, DStZ 1999, 389/394; Brockmeyer in Klein a.a.O. § 118 Rz. 7; Intemann in Pahlke/König, AO § 204 Rz. 65 m.w.N.) und zum Teil in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss des FG Brandenburg vom 2. Februar 1996 1 V 1554/95 U, EFG 1996, 403) beachtliche Gründe vorgebracht. Ob der Rechtsauffassung des BFH trotz der bereits vor der Normierung in § 89 Abs. 2 AO erfolgten Regelung der verbindlichen Auskunft durch eine zur Selbstbindung der Verwaltung führenden Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben vom 29. Dezember 2003 IV A 4 -S 0430-7/03, BStBl I 2003, 742) weiterhin zu folgen ist, kann indessen dahingestellt bleiben. Denn der hier vorliegende Widerruf der verbindlichen Auskunft erschöpft sich nicht in einem bloßem "actus contrarius" zu der zuvor erteilten Auskunft, sondern hat eine andere Rechtsqualität (a.A. zum Widerruf der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO Wagner in Kühn/von Wedelstädt, AO, 19. Auflage, § 89 Rz. 23). Denn während die verbindliche Auskunft zu einem Zeitpunkt erteilt wurde, in der die Klägerin noch keine Dispositionen getroffen hatte, so dass von ihr noch keine Bindung ausgegangen ist (der Gewinnabführungsvertrag wurde erst im Anschluss an die Erteilung der verbindlichen Auskunft geschlossen), erfolgte der Widerruf zu einem Zeitpunkt, in dem der Gewinnabführungsvertrag bereits in Kraft war und die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft bereits eingetreten ist. Durch die mit dem Widerruf der verbindlichen Auskunft verbundene Feststellung des FA, der BgA könne nicht mehr Organträger sein, trifft das FA eine Regelung i.S.v. § 118 AO, da es sich aus der Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft, die erst mit dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrags eingetreten ist, lösen will. Ohne die Sicherheit einer weiter bestehenden verbindlichen Zusage müsste die Klägerin ansonsten auf einer unsicheren rechtlichen Basis wirtschaften. Zutreffend hält die überwiegende steuerrechtliche Literatur daher die für verbindliche Zusagen nach § 204 ff AO geltende Regelung in § 207 Abs. 2 und 3 AO auch für die Rücknahme und den Widerruf der nicht gesetzlich geregelten verbindlichen Auskunft für entsprechend anwendbar (vgl. Rüsken in Klein, a.a.O. § 204 Rz. 27; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordung, Finanzgerichtsordnung, § 89 Rz. 55 m.w.N.).

2. Die Klage ist auch begründet. Da die der Klägerin mit Schreiben vom 14. November 2002 erteilte verbindliche Auskunft rechtmäßig war, ist deren Widerruf ermessensfehlerhaft.

2.1 Durch die verbindliche Auskunft vom 14. November 2002 ist für den Beklagten eine Bindungswirkung auf Grund von Treu und Glauben nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 29. Dezember 2003 IV A 4 - S 0430 - 7/03 (BStBl I 2003, 742) eingetreten. Ein Widerruf ex nunc steht in entsprechender Anwendung von § 207 AO im Ermessen des Finanzamts. Der Widerruf der verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Zukunft ist in der Regel dann ermessensgerecht, wenn sich der Inhalt der Auskunft als materiell-rechtlich unzutreffend und damit als rechtswidrig erweist (BMF in BStBl I 2003, 742 Tz. 4.6). Dagegen bedarf der Widerruf einer rechtmäßigen verbindlichen Auskunft einer besonderen Legitimation und kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sein Vertrauen noch nicht betätigt hat und außerdem kein besonderes steuerliches Interesse an der verbindlichen Auskunft darlegen kann (Tipke/Kruse, a.a.O. § 89 Rz. 55). Im Streitfall ist die Entscheidung über den Widerruf jedenfalls deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte den der verbindlichen Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalt rechtlich falsch beurteilt hat und somit sein Ermessen nicht richtig ausüben konnte (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage, § 102 Rz. 15).

2.2 Der von der Klägerin unterhaltene BgA (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG) kann nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG nur dann Organträger sein, wenn er ein gewerbliches Unternehmen betreibt.

Damit muss der BgA auch die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG erfüllen. Zwar bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG, dass für einen BgA die Absicht, Gewinne zur erzielen und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich sind. § 4 KStG definiert jedoch lediglich den körperschaftsteuerpflichtigen BgA und grenzt ihn vom nicht körperschaftsteuerpflichtigen Hoheitsbetrieb ab. Für die Qualifikation als möglicher Organträger muss jedoch auch das Merkmal des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG erfüllt sein (Neumann in Gosch, KStG, § 14 Rz. 109).

Gewerbebetriebe sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG gewerbliche Unternehmen i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Gewerbesteuerpflicht eines von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts betriebenen Unternehmens setzt daher - anders als die Körperschaftsteuerpflicht hinsichtlich des BgA - die Absicht voraus, durch das Unternehmen Gewinne zu erzielen (BFH-Beschluss vom 17. März 2005 I B 245/04, BFH/NV 2005, 1135 m.w.N.). Daher kann ein BgA nur dann Organträger sein, wenn er mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.

Im Streitfall bestehen an der Gewinnerzielungsabsicht des BgA keine Zweifel. Zwar schlägt bei der im Streitfall unstreitig vorliegenden Betriebsaufspaltung die Gewinnerzielungsabsicht der Betriebsgesellschaft (hier der S-GmbH) nicht - wie die Klägerin sinngemäß geltend macht - automatisch auf das Besitzunternehmen (hier den BgA) durch. Vielmehr kann bei einer Betriebsaufspaltung dem Besitzunternehmen die Gewinnerzielungsabsicht fehlen, wenn sie z.B. der mit Gewinn tätigen Betriebsgesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen zu einem nicht kostendeckenden Entgelt überlässt (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2007 IV B 38/05 - [...] -). Die Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens kann jedoch im Streben liegen, Beteiligungserträge zu erzielen. Unerheblich ist dabei, ob die Betriebsgesellschaft Gewinnausschüttungen an das Besitzunternehmen vorgenommen oder sie die Gewinne ganz oder teilweise thesauriert hat, denn unterbliebene Ausschüttungen können nachgeholt werden und erhöhen im Übrigen den Wert der Beteiligung. Die Gewinnerzielungsabsicht ist erst dann zu verneinen, wenn der Gesellschafter mit den vereinbarten Nutzungsentgelten und den tatsächlichen und möglichen Ausschüttungen auf die Dauer keine Kostendeckung erwarten kann (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1991 X R 84/88, BStBl II 1991, 713).

Der BgA erwirtschaftete zwar seit Beginn der Verpachtung der ...Anlagen an die S-GmbH in 1998 aus der Verpachtung und seinem sonstigen operativen Geschäft im Bereich Baubetreuung und Projektierung dauerhaft Verluste. Unter Einbeziehung der in 2001 erfolgten und der seit 2002 möglichen Gewinnausschüttungen der S-GmbH ist jedoch auf Dauer ein positives Geschäftsergebnis zu erwarten. Dies ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten Übersicht über die Geschäftsergebnisse des BgA von 1998 bis 2010 und wird vom Beklagten auch nicht bestritten. In dieser Übersicht hat die Klägerin die seit 2002 erfolgten bzw. künftig zu erwartenden Gewinnabführungen der S-GmbH in fiktive Gewinnausschüttungen umgerechnet, d.h. ermittelt, in welcher Höhe bei einer fehlenden Organschaft die S-GmbH ihre Gewinne unter Berücksichtigung der darauf entfallenden Körperschaftsteuerbelastung ausschütten könnte und kam auf diese Weise zu einem positiven Geschäftsergebnis. Der Senat hält diese Berechnung für schlüssig und folgt ihr. Ferner sprechen auch die in der Beteiligung an der S-GmbH enthaltenen und der Höhe nach nicht bestrittenen stillen Reserven für eine Gewinnerzielungsabsicht des BgA.

Dagegen findet die Auffassung des Beklagten, die Erträge und die stillen Reserven aus der Beteiligung, auch wenn sie sich im notwendigen Betriebsvermögen befindet, seien wegen einer speziell auf die Vorschrift des § 14 KStG ausgelegten Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht des BgA nicht zu berücksichtigen, im Gesetz keine Stütze. Sie wird auch - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung, noch in der Literatur vertreten.

Dahingestellt kann es bleiben, ob auch Ausschüttungen aus einer zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung zu berücksichtigen sind (bejahend BFH-Beschluss vom 25. Juli 2002 I B 52/02, BFH/NV 2002, 1341; Neumann in Gosch, KStG, § 14 Rz. 116; vgl. auch Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG n.F. Rz. 83). Die Berücksichtigung von möglichen Ausschüttungen aus einer 100%-igen Beteiligung, die - wie im Streitfall - zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, ist jedenfalls zwingend, zumal Ausschüttungen und Nutzungsentgelte in gewissem Umfang austauschbar sind (BFH in BStBl II 1991, 710). Die Frage eines Rechtsmissbrauchs (vgl. Neumann in Gosch a.a.O), stellt sich in diesem Falle nicht.

Da die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG unstreitig gegeben sind, erfüllt der BgA die Voraussetzungen des § 14 KStG, um Organträger zu sein.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und dem Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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