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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: 8 K 1197/03
Rechtsgebiete: EStG 1997, EStG 1990


Vorschriften:

EStG 1990 § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1990 § 18 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1997 § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1997 § 18 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... der Richterin am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Haftungsbescheid vom 22. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2003 in Gestalt des herabgesetzten Haftungsbescheides vom 10. Juni 2003 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Streitig ist die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin wegen nicht angemeldeter und abgeführter Lohnsteuer für ausländische Fotomodelle, die bei der Produktion von Werbespots in den Jahren 1996, 1997 und 1998 mitgewirkt haben.

Die Klägerin produziert Werbefilme. Die Aufträge hierzu erhält sie von Werbeagenturen, die wiederum ihrerseits Beauftragte des Produktherstellers sind. Das Drehen der Werbefilme beansprucht zwischen 1 und 3 Tagen. Nach einem von Werbeagentur und Produkthersteller festgelegten Profil werden für die Auswahl des oder der Darsteller 10 bis 15 Fotomodelle gecastet und letztlich gemeinsam mit dem Regisseur das darstellende Modell ausgewählt. Auch der Regisseur wird der Klägerin in der Regel von Werbeagentur und Produkthersteller vorgegeben.

Die Beschäftigung des ausgewählten Modells bei der Klägerin beschränkt sich auf einen Werbespot. Zu einem wiederholten Einsatz könnte es dann kommen, wenn der Produktanbieter dies ausdrücklich wünscht. Im Falle der Klägerin wurden allerdings sämtliche 18 Modelle, deren Besteuerung in Streit steht, nur einmalig zu Dreharbeiten herangezogen.

Die Modelle werden durch Agenturen vertreten. Diese (die Agenturen) wirken als Ansprechpartner für die Klägerin bei der Buchung eines Modells und geben die Konditionen für die Buchung des Modells im Einzelnen vor. Der Erfolg einer Buchung hängt davon ab, ob das Modell zeitlich verfügbar ist und nicht von einem Vorbehalt Gebrauch macht, Aufträge auch abzulehnen.

Die Entlohnung des Modells setzt sich regelmäßig aus der Gage für das Drehen eines Spots und dessen weiterer Verwendung (Buy-Out) zusammen. Die pro Tag vereinbarte Gage variiert der Höhe nach von 250 engl. Pfund (gerundet 750 DM) bis 2.300 DM und 1.000 DM bis 6.000 DM für das Buy-Out oder auch 3.000 DM als Fixum für Gage und Buy-Out zusammen und kann sich bis auf 15.000 DM Gesamtvergütung summieren. Der Ersatz von Spesen, Zahlung einer ausgewiesenen Agenturprovision, Berechnung von Überstunden ist unterschiedlich vereinbart, eine Garantie für Entlohnung, unabhängig vom Erscheinen des Modells z.B. im Krankheitsfall oder die Vergütung von Urlaubstagen ist durchgängig nicht vereinbart. Der Anspruch auf die Vergütung entsteht für das Modell erst ab dem Zeitpunkt der laufenden Kamera. Die Klägerin sichert ihr eigenes Risiko für den Ausfall oder die Verschiebung des Drehs, welcher auch auf der Verhinderung eines Modells beruhen kann, durch eine Ausfallversicherung ab, da in derartigen Fällen eine Verzögerung der Herstellung eintritt. Denn, wenn die Festlegung auf ein Modell erfolgt ist, wird die Produktion in dessen Krankheitsfall nicht mit einem anderen Modell durchgeführt, sondern auf einen anderen Tag verschoben.

Im Rahmen der von der Klägerin durchgeführten und vor allem organisierten Produktion werden die eigentlichen Dreharbeiten umfangreich vorbereitet, indem eine Crew, die bei der Klägerin fest angestellt ist, sämtliche notwendigen Vorbereitungsarbeiten durchführt. Diese Vorarbeiten sind je nach Projekt von unterschiedlicher Dauer und Intensität. Das Modell ist darin in keiner Weise einbezogen. Sein/Ihr Auftreten beschränkt sich auf den eigentlichen Dreh, wo es nach den Vorstellungen des Regisseurs, der Werbeagentur und des Kunden zu posieren und dabei seine persönlichen Eigenschaften zur Vermarktung des Produkts einzubringen hat. Eine eigenständige, künstlerische Entfaltung des Modells ist dabei ausgeschlossen.

Im Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom Dezember 1999 vertrat der Prüfer in Anlehnung an Tz. 1.4. des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 1990 (BStBl I S. 638) die Ansicht, die Beschäftigung der Modelle erfolge nichtselbstständig und unterliege dem Lohnsteuerabzug. Dieser Meinung folgend, erließ der Beklagte (das Finanzamt/FA) am Dezember 1999 einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag, der allein die Lohnsteuerforderung der ausländischen Modelle für die Werbespots zum Gegenstand hatte. Diesen focht die Klägerin mit Einspruch vom Januar 2000 an. Am Februar 2003 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück, setzte aber die Haftungsschuld am Juni 2003 herab, so dass letztlich noch 29.082 DM (= 14.869,39) Lohnsteuer und 1.958,61 DM (= 1.001,42) Solidaritätszuschlag von der Klägerin verlangt wurden, die sich wie folgt zusammensetzen (in DM):

 199619971998
Lohnsteuer8.553,009.402,0011.127,00
SolZ641,47705,15611,99

Mit ihrer am März 2003 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin die Aufhebung der Haftungsinanspruchnahme weiter. Sie weist darauf hin, eine persönliche Abhängigkeit der eingesetzten Modelle sei schon deshalb nicht darstellbar, weil deren Tätigkeit auf einen Tag beschränkt und sie in die aufwendigen Vorbereitungsvorgänge durch die Klägerin in keiner

Weise eingebunden seien. Die Modelle hätten keinerlei Zugang zu den Einrichtungen des Arbeitgebers, denn der Drehort stimme nie mit der Betriebsstätte der Klägerin überein. Zwar gebe die Klägerin Ort und Zeit des Auftritts vor, doch hänge der Erfolg des Werbespots von Figur, Aussehen und Ausstrahlung des Modells ab, Modalitäten die einer inhaltlichen Weisungsgebundenheit durch die Klägerin gar nicht zugänglich seien. Deshalb handle es sich auch nicht um die Ausführung einfacher Tätigkeiten, bei denen die Weisungsgebundenheit die Regel sei. Anders als bei Komparsen stehe den Modellen in Form des Buy-Out eine Vergütung für ihr Recht am Bild zu, nachdem die Einbringung ihrer Persönlichkeit Kernbereich ihrer Tätigkeit sei und nicht, wie bei Statisten, in der Menge untergehe. Die Vergütung sei auf die einmalige Tätigkeit abgestimmt, arbeitnehmertypische Zusatzleistungen, wie Urlaubs-, Essens- oder Weihnachtsgeld würden nicht gewährt, auch sichere die Klägerin die Modelle für den Krankheitsfall nicht ab, ebenso wenig existierten tarifvertragliche Vorgaben zur Höhe ihrer Vergütung. Die Betätigung als Modell erfordere insoweit Kapitaleinsatz, als diese jährlich dem Wechsel der Mode folgend in aktuelles Bildmaterial investieren müssten, ebenso in Kosmetikartikel und aktuelle Kleidung. Ihre Unternehmerinitiative entfalte sich durch die Beauftragung der Agenturen, ihr Unternehmerrisiko verwirkliche sich dadurch, dass die Vergütung vom tatsächlichen Einsatz abhänge.

Die Klägerin beantragt, den Haftungsbescheid vom Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Februar 2003 in Gestalt des herabgesetzten Haftungsbescheides vom Juni 2003 aufzuheben; hilfsweise die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass der Bundesfinanzhof - BFH - zwar bislang nicht entschieden habe, wie die Tätigkeit von Modellen bei Werbefilmen zu qualifizieren sei, Tz. 1.4. des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 1990 (BStBl I S. 638) jedoch vor gebe, dass die Mitarbeiter bei der Herstellung von Werbefilmen im allgemeinen nichtselbstständig tätig seien. Im Fall der Klägerin sei entscheidend, dass die Modelle durch das notwendige Zusammenwirken aller Beteiligten in den Organismus der Produktion derart eingegliedert seien, dass von einer nichtselbstständigen Tätigkeit, vergleichbar mit dem Einsatz von Komparsen, auszugehen sei. Es handle sich auch bei Werbemodellen um die Ausführung einfacher Tätigkeiten, die von den Weisungen der Klägerin bestimmt sei. Letztlich unterlägen Zeit, Ort und Art der Tätigkeit den Anweisungen der Produktionsfirma.

Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO - auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten, sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25. November 2005 verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist begründet.

Nach § 42d Abs.1 Nr.1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Weder der angegriffene Haftungsbescheid vom Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Februar 2003, noch der herabgesetzte Haftungsbescheid vom Juni 2003, der nach § 68 Finanzgerichtsordnung - FGO - Gegenstand des Verfahrens geworden ist, halten einer rechtlichen Überprüfung stand, weil die Klägerin nicht Arbeitgeberin der Modelle war und demgemäß für diese keine Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen hatte.

Nach § 19 Abs.1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach § 1 Abs. 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung LStDV, worin nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Arbeitnehmerbegriff zutreffend umschrieben ist (z.B. BFH, Urteil vom 23. Oktober 1992 VI R 59/91, BStBl II 1993, 303; Urteile vom 24. November 1961 VI 183/59 S, BFHE 74, 97, BStBl III 1962, 37 und vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661), liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Die Frage, wer Arbeitnehmer ist, ist unter Beachtung der vorgenannten Bestimmung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, und vom 20. April 1988 X R 40/81, BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804, mit weiteren Nachweisen). Der steuerliche Arbeitnehmerbegriff lässt sich nicht durch Aufzählung bestimmter Merkmale abschließend festlegen, sondern wird im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse bestimmt. Eine Würdigung nach dem Gesamtbild bedeutet, dass die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BStBl II 1985, 661, BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303 BFH, BFH-Beschlüsse vom 9. September 2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42 und vom 20. Dezember 2004 VI B 137/03, BFH/NV 2005, 552).

Bei der Beurteilung, ob eine Qualifikation als Arbeitnehmer geboten ist, erlangen insbesondere die folgenden Merkmalen Bedeutung (BFH, BStBl II 1985, 661; vgl. auch H 67 Arbeitnehmer, Amtliches Lohnsteuer-Handbuch 2004, und Herrmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 23 a ff., m.w.N.), wobei diese dann im konkreten Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303 und BFH-Urteil vom 23. April 1997 VI R 12/96, VI R 99/96, BFH/NV 1997, 656, sowie BFH/NV 2004, 42 und Beschluss vom 9. November 2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347):

persönliche Abhängigkeit

Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit

feste Arbeitszeiten

Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort

feste Bezüge

Urlaubsanspruch

Anspruch auf sonstige Sozialleistungen

Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall

Überstundenvergütung

zeitlicher Umfang der Dienstleistungen

Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit

kein Unternehmerrisiko

keine Unternehmerinitiative

kein Kapitaleinsatz

keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln

Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern

Eingliederung in den Betrieb

Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges

Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.

1. Basis der Beurteilung nach den vorstehenden Kriterien bildet nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung die Ausgestaltung des der Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses, soweit außer Zweifel steht, dass die dortigen Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind (vgl. BFH/NV 2005, 552, m.w.N.).

Nachdem außer Zweifel steht, dass die Verträge mit den Modellagenturen für die Ausgestaltung und tatsächliche Durchführung der Tätigkeit der Modelle maßgeblich waren, hat die Beurteilung einer eventuellen Arbeitnehmereigenschaft an Hand der dort getroffenen Vereinbarungen, ergänzt durch die Darstellung des Ablaufs des tatsächlichen Arbeitseinsatzes bei der Produktion, zu erfolgen.

2. Bei der Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse fällt ins Auge, dass sie maßgeblich dadurch charakterisiert sind, dass die Zusammenarbeit zwischen Klägerin und Modell einmalig und von nur extrem kurzer Dauer, nämlich 1 bis 3 Tage, ist. Diesem Umstand ist bei der Würdigung der Gesamtumstände besondere Beachtung zu schenken.

a) So kann bei einer Zusammenarbeit für den Zeitraum von nur 1 bis 3 Tagen eine persönlichen Abhängigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur unter besonderen Umständen entstehen, etwa, wenn der Arbeitgeber bereits bei einer nur kurzen Zusammenarbeit maßgebenden Einfluss auf das weitere berufliche Wirken des Arbeitnehmers nehmen könnte. Solche besonderen Umstände sind aber für die streitgegenständliche Beschäftigung der Modelle nicht erkennbar.

b) Eine kurze Zeit der Zusammenarbeit lässt des Weiteren nur ausnahmsweise eine Eingliederung in den Gesamtorganismus eines Betriebes zu. Entsprechend betont auch der BFH, dass bei zeitlich nur kurzer Berührung mit einem Betrieb die Eingliederung eines Beauftragten besonders sorgfältig zu prüfen ist (vgl. BFH, Urteil v. 10. September 1976 VI R 80/74, BFHE 120, 465, BStBl II 1977, 178 unter 2. BStBl II 1985, 661) und, dass bei nur kurzer Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers die Arbeitnehmereigenschaft eines Auftragnehmers eher zu verneinen als zu bejahen ist. Denn bei nur kurzzeitigen Aufträgen trägt der Auftragnehmer ein verstärktes Unternehmerrisiko und kann auch weniger in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und dessen Weisungen auch nur in geringerem Umfang unterworfen sein (BStBl II 1985, 661). Genau so verhält es sich im Falle der Klägerin. Eine Einbindung der Modelle findet nur zum Zwecke der reibungslosen Durchführung der Dreharbeiten statt. Angesichts ihrer zeitlichen Beschränktheit auf 1 bis 3 Tage bilden die Dreharbeiten aber nur einen geringen Teil des Betriebsorganismus der Klägerin ab, so dass von einer Eingliederung in den Betrieb nicht die Rede sein kann.

Dies wird besonders deutlich, wenn man die Tätigkeit der Modelle bei Werbefilmen mit derjenigen von Schauspielern bei Filmproduktionen vergleicht. Die Tätigkeit der Schauspieler ist dabei auf einen längeren Zeitraum in den vom BFH entschiedenen Fällen (BFH, Urteil v. vom 6. Oktober 1971 I R 207/66, BStBl II, 1972 S. 88 und v. 20. Januar 1972 IV R 1/69, BStBl II 1972, 214) auf rund 55 Tage aktives Tätigwerden angelegt und muss im Rahmen einer Filmproduktion, die sich über mehrere Monate erstreckt und bei der eine Vielzahl von Personen zum Einsatz kommt, koordiniert werden. Damit ist der Einsatz der Schauspieler Teil einer prospektiven Planung, die eine über einen längeren Zeitraum geplante Einbindung in den Organismus der Produktionsfirma nach sich zieht (vgl. BStBl II 1972, S. 88; 214).

Demgegenüber ist bei der in Streit stehenden Tätigkeit eines Werbemodells ähnlich wie im Falle von Synchronsprechern (vgl. BFH v. 1. März 1973 IV R 231/69 BStBl. II 1973, 458) weder die Tatsache noch die Notwendigkeit einer derartigen Einbindung in einen Gesamtorganismus ersichtlich. Denn wegen der Beschränkung auf eine extrem kurze Zeitspanne von 1 bis 3 Tagen lässt sich ein Termin mit dem Modell ohne weiteres abstimmen und im Krankheitsfall auch verschieben und ist nicht den Zwängen eines über einen längeren Zeitraum auf abgestimmte Zusammenarbeit angewiesenen Teams, wie bei einem Fernsehfilm, ausgesetzt.

Die organisatorische Einbindung eines Modells bei einem Tagesdreh erweist sich als nicht größer als diejenige eines Orchestermusikers, der sich an einen fixierten Konzerttermin und an die musikalischen Weisungen des Dirigenten bei einer Aufführung halten muss (deren Arbeitnehmereigenschaft verneinend BFH, Urteil vom 03. November 1955 IV 106/54 U, BFHE 62, 296, BStBl III 1956, 110). Die Einbindung der Modelle in den Organisationsablauf der Klägerin eignet sich entgegen der Auffassung des Finanzamts deshalb nicht als tragendes Argument, um deren Qualifikation als Arbeitnehmer zu rechtfertigen.

3. Die Vertragsbedingungen, zu denen die Modelle beschäftigt werden, entsprechen in keiner Weise denjenigen eines Arbeitnehmers. Deren Ausgestaltung ist von den für die Modelle auftretenden Agenturen bestimmt, nicht aber von der Klägerin. Je nach Vertragsabschluss variieren sie von Produktion zu Produktion. Insoweit ist nicht der innere Organismus der Klägerin Gestalter der Vertragsbedingungen, als für gleich gestaltete Tätigkeiten, wie das Posieren vor der Kamera für einen kurzen Werbefilm, gleiche Konditionen vereinbart werden. Vielmehr gibt der vom Modell am Markt erworbene Vermittlungswert die Bedingungen vor. Überstunden werden nur in Einzelfällen vergütet (vgl. z.B. Gideon Escott, John Hasler; nicht dagegen Carmen Ward, Vania und Vanessa Nunes, Michelle Blatchford) ebenso die Reise- oder sonstigen Spesen (z.B. Eva Seblon, Amanda Hall).

4. Das eigene Unternehmerrisiko der Modelle zeigt sich insbesondere darin, dass sie das volle Risiko ihrer Vergütung tragen. So erhalten sie eine solche weder im Krankheitsfalle noch bei sonstiger Verhinderung, denn erst mit dem tatsächlichen Lauf der Kamera wird die Gage fällig. Dies spricht, wie der BFH in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2002 (IV R 94/99, BFHE 199, 261, BStBl II 2002, 565) ausführt (ebenso BFH/NV 2005, 552) wiederum eher für eine selbständige Tätigkeit. Ihr Unternehmerrisiko verwirklicht sich daneben insofern, als die Vertretung durch ihre Agentur die Vertragsmodalitäten und damit den kommerziellen Erfolg ihrer Tätigkeit gestaltet. Je besser die Vertretung durch die Agentur, desto besser Vergütung und Nebenleistungen für die Modelle. In diesem Zusammenhang bleibt zu vermerken, dass arbeitnehmeruntypisch in keinem Fall Urlaubsansprüche, Wehnachtsgeld oder sonstige Sozialleistungen ausgehandelt oder überhaupt Gegenstand vertraglicher Behandlung wurden.

5. Letztlich lässt sich die Tätigkeit der Modelle auch nicht als solche einfacher Art qualifizieren. Von einfachen Tätigkeiten wird aus lohnsteuerrechtlicher Sicht dann ausgegangen, wenn es sich um Handarbeiten handelt, bei denen der Tätige kaum eine eigene Initiative entfalten kann und deshalb besonders den Weisungen des Auftraggebers unterliegt (vgl. BFH, Urteil vom 3. August 1978 VI R 212/75, BFHE 126, 271, BStBl II 1979, 131 unter I.; BStBl II 1985, 661). Zwar ist die Darstellung der Modelle in den Werbefilmen nicht Ausdruck ihrer persönlichen oder künstlerischen Initiative, doch setzt bereits die Auswahl für die Darstellung besondere persönliche Fähigkeiten, Eigenschaften und Ausstrahlung der Modelle voraus. Insoweit ist das Ergebnis der Darstellung nicht austauschbares Produkt der besonderen Weisungen des Auftraggebers wie etwa bei Komparsen sondern Ausdruck des auf den persönlichen Eigenschaften des Modells basierenden Zusammenwirkens zwischen Darsteller und Regisseur.

6. Nach vorstehenden Ausführungen sprechen gewichtige Gründe für eine selbständige Tätigkeit. Umstände, die für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen könnten, kommt dagegen keine entscheidende Bedeutung zu. So enthalten die Verträge zwar, arbeitnehmertypisch, keine Verpflichtung, besondere Arbeitsmittel zu beschaffen. Dies liegt aber eher in der Natur der Tätigkeit der Modelle, die anders als beispielsweise Handwerker oder Reinigungskräfte in der Regel nicht vom Einsatz besonderer Arbeitsmittel abhängig sind. Insoweit kann der fehlende Einsatz von Arbeitsmitteln auch nicht entscheidendes Kriterium für oder gegen eine Arbeitnehmerstellung sein. Der ohne Nennung konkreter Zahlen und ohne Belege erfolgte Hinweis der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die Modelle hätten durchaus besondere Kosten für Kleidung und Kosmetik, bedurfte deshalb auch keiner weiteren Überprüfung, da es letztlich hierauf nicht ankommen kann.

Die Gesamtwürdigung der Umstände führt nach Auffassung des Senats zu der Einschätzung, dass die Modelle für die Klägerin selbstständig tätig geworden sind.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen, zumal Tz. 1.4. des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 1990 BStBl I S. 638, entgegen der Auffassung des Senats für den entschiedenen Fall, die Verwaltung anweist, Mitarbeiter - womit nach der Thematik des Schreibens Steuerabzug vom Arbeitslohn bei Künstlern und verwandten Berufen die Modelle gemeint sind - bei der Herstellung eines Werbefilms in der Regel als nichtselbstständig Tätige zu behandeln.

Ende der Entscheidung

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