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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: 8 K 3510/03
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 8 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

wegen Gewerbesteuermessbetrag 2000

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ...,des Richters am Finanzgericht ... und der Richterin am Finanzgericht ...sowie der ehrenamtlichen Richter ...ohne mündliche Verhandlung am 01. September 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Gewerbesteuermessbetrag für 2000 wird auf ... EUR (= ... DM) festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob eine Avalgebühr für eine Ausfallbürgschaft zu Gunsten des Darlehens eines Dritten gem. § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen ist.

Die Klägerin, seit dem 01. Januar 2000 eine atypisch stille Gesellschaft (GmbH & atypisch Still), ist gewerblich tätig. Im Jahr 1994 nahm sie von einer Bank ein Gewerbedarlehen über 3 Mio. DM auf, das durch eine Ausfallbürgschaft seitens der Stadt M abgesichert wurde. Bei dem Darlehen handelt es sich unstreitig um eine Dauerschuld i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG. Für die Ausfallbürgschaft fiel eine jährliche Gebühr in Höhe von 30.000 DM (1 % der Darlehenssumme) an. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte (das Finanzamt) die Auffassung, dass es sich auch bei der Avalgebühr um ein Entgelt i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG handele. Denn diese wäre ohne die Inanspruchnahme des Kredites nicht entstanden. Da sich ein Avalkredit insofern nicht von einem Effektivkredit unterscheide, habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91 (BStBl II 1992, 600) zu Recht entschieden, dass Avalprovisionen als Entgelt für eine Kreditgewährung beim Schuldner zu den zinsähnlichen Aufwendungen zu rechnen seien. Im vorliegenden Fall richte sich die Höhe der Avalprovision zudem nach dem jeweiligen Darlehensstand. Auch dies spreche dafür, sie mit zu den Dauerschuldzinsen für den Gewerbekredit zu rechnen. Mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung geändertem Bescheid vom 11. April 2003 erhöhte das Finanzamt den Gewinn der Klägerin für 2000 gem. § 8 Nr. 1 GewStG auch unter Einbeziehung der (halben) Avalgebühr von 30.000 DM und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf ... EUR (= ... DM) fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2003, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung vorgetragen wird, § 8 Nr. 1 GewStG würde nur solche Entgelte erfassen, die für das Zurverfügungstellen von Kapital geschuldet werden. Wie weit der Begriff des "Entgeltes" zu fassen sei, sei in der Literatur umstritten. Der Meinungsstreit könne für den vorliegenden Streitfall jedoch dahingestellt bleiben. Denn eine Avalgebühr werde nicht für die Inanspruchnahme eines Kredites geschuldet. Es handele sich vielmehr um Kosten für die Absicherung eines Kredites. Da sie nicht dem Kreditgeber geschuldet werde, sondern einem Dritten, dem Sicherungsgeber, gehe sie auch nicht in die Berechnung des sog. Effektivzinses ein.

Die Klägerin beantragt,

den Gewerbesteuermessbetrag für 2000 auf ... EUR (= ... DM) herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt

unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2003, die Klage abzuweisen.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung; die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gründe

II.

Die Klage ist begründet.

Ungeachtet der zutreffenden Annahme der Beteiligten, dass es sich bei dem Gewerbedarlehen um eine Dauerschuld i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG handelt, hat das Finanzamt die Gebühr für die Avalbürgschaft seitens der Stadt M zu Unrecht dem Gewinn der Klägerin hinzugerechnet.

Gem. § 8 Nr. 1 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) die Hälfte der Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals zusammenhängen. Entgelte für Schulden sind die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 8 Nr. 1 Rz.33). In erster Linie sind dies die für die Schulden geleisteten Zinsen (§§ 246, 248 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-). Während sich die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG bis zum Erhebungszeitraum 1990 dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift nach aber hierauf beschränkte, sind seitdem "Entgelte" jedwelcher Art hinzuzurechnen (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil vom 25. Februar 1999 IV R 55/97, BFHE 188, 406, BStBl II 1999, 473; siehe auch BTDrucks 11/2157, 175). Im Schrifttum ist allerdings kontrovers, wie dieser Begriff zu verstehen ist. Teilweise wird vertreten, darunter falle nur die für die eigentliche Nutzungsmöglichkeit zu erbringende Gegenleistung im engeren Sinne (so Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz u. a., 16. Aufl., § 8 GewStG Rz. 59; vgl. auch BFH-Urteil vom 8. März 1984 I R 31/80, BFHE 141, 158, BStBl II 1984, 623, 625, unter 3.). Andere sind der Auffassung, Entgelte seien alle Aufwendungen, die ohne die Inanspruchnahme von Dauerschulden nicht entstanden wären (so z. B. Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Rz. 352; Pauka, Der Betrieb -DB-1988, 2224, 2226; einschränkend Glanegger/Güroff, a.a.O.). Wie weit der Begriff "Entgelt" in § 8 Nr. 1 GewStG auszulegen ist, wurde vom BFH in seinem Urteil vom 09. August 2000 I R 92/99 (BFHE 193, 141, BStBl II 2001, 609) ausdrücklich offen gelassen.

Der Senat ist der Auffassung, dass unter den Begriff des "Entgelts" nicht alle Aufwendungen, die durch die Kreditaufnahme kausal verursacht sind, fallen, sondern nur solche, die sich - im weitesten Sinn - als Gegenleistungen für die Überlassung des Fremdkapitals und dessen Nutzung darstellen. Dies folgt bereits aus der Bedeutung des Begriffes "Entgelt". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist darunter das für beschaffte Waren, Dienst- oder Arbeitsleistungen geldliche Äquivalent oder der Anspruch darauf zu verstehen (Gabler's Wirtschaftslexikon, 14. Aufl.1997). Das somit von dem Entgeltbegriff nach wie vor vorausgesetzte Gegenleistungsverhältnis im weiteren Sinn lässt nach Auffassung des Senats die von einem Teil der Literatur vertretene weite Auslegung des § 8 Nr. 1 GewStG nicht zu. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 8 Nr. 1 GewStG weitere, nicht unter den engen Zinsbegriff fallende Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital mit in die Hinzurechnungsregelung einbeziehen wollte, bedeutet dies nicht, dass nunmehr alle mit einem Kredit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Aufwendungen hinzugerechnet werden sollen, also selbst solche, die wie Geldbeschaffungskosten keinerlei Entgeltcharakter mehr haben. Eine solche Auslegung lässt der in § 8 Nr. 1 GewStG verwandte Entgeltbegriff nicht zu. Wie bei dem in § 8 Nr. 1 GewStG früher verwandten Zinsbegriff hält der Senat eine extensive, d. h. über seine Bedeutung hinausgehende Auslegung des Entgeltbegriffes nicht für möglich (ebenso zum früheren Zinsbegriff BFH-Urteil vom 08. März 1984 I R 31/80, BFHE 1985, 158, BStBl II 1984, 623). Hätte der Gesetzgeber jeglichen durch eine Dauerschuld veranlassten Aufwand durch § 8 Nr. 1 GewStG erfassen wollen, hätte er dies daher aus Gründen der Rechtsklarheit eindeutig z. B. durch den Gebrauch des Wortes "Aufwand" zum Ausdruck bringen müssen.

Wie bei einem Bürgschaftsakzept ist daher der Senat der Auffassung, dass die hier streitige und letztlich nur für die Absicherung des Gewerbedarlehens angefallene Gebühr nicht unter den Entgeltsbegriff des § 8 Nr. 1 GewStG fällt (vgl. zum Bürgschaftsakzept Bittner, Komm. zur Gewerbesteuer, § 8 Rz. 60 unter Hinweis auf das Urteil des RFH vom 21. Februar 1939, RStBl III 1939, 711; Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Rz. 33; Hofmeister, a.a.O., § 8 Rz. 60). Hierfür spricht auch, dass eine Avalgebühr nicht dem Darlehensgeber als Entgelt für die Nutzung des Kredites geschuldet wird, sondern einem Dritten, mit dem der Avalkreditnehmer einen eigenständig zu beurteilenden Geschäftsbesorgungsvertrag (Bürgschaftsvertrag) geschlossen hat. Sie geht damit auch nicht in die Berechnung des Effektivzinses ein.

Dieser Auslegung des Entgeltbegriffes in § 8 Nr. 1 GewStG steht nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass sich eine Avalgebühr - wie Zinsen - üblicherweise nach der Höhe und der Laufzeit des Kredites richtet. Die Vergütung für den Avalkreditgeber deckt u. a. dessen Risiko ab. Es ist daher nur folgerichtig, wenn sie auch den Haftungsumfang berücksichtigt. Das bedeutet aber nicht, dass sie deshalb Entgelt i. S. einer Gegenleistung für die Möglichkeit, den Kredit zu nutzen, ist. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes lässt sich dies auch nicht dem BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91 (BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600) entnehmen. Mit diesem Urteil hat der BFH lediglich zu der Frage Stellung genommen, wann für die Verpflichtung zur Zahlung einer Avalprovision eine Rückstellung gebildet werden kann. Das Urteil betraf damit nicht das Verhältnis des Kreditnehmers zum eigentlichen Gläubiger (Kredit- bzw. Geldgeber), sondern das zum Avalkreditgeber (Bürgen).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision zum Bundesfinanzhof ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, wie weit der Entgeltbegriff in § 8 Nr. 1 GewStG auszulegen ist, zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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