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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 8 K 765/06
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 179 Abs. 3
EStG § 10d Abs. 4 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

8 K 765/06

Gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 (Ablehnung eines Ergänzungsbescheides)

In der Streitsache

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

.... sowie

der ehrenamtlichen Richter ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht den Erlass eines Ergänzungsbescheides zum Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2002 wegen eines nach Bestandskraft der Verlustfeststellung erklärten weiteren Verlustes ablehnen durfte.

Der Kläger wurde im Streitjahr 2002 im Wesentlichen entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung veranlagt. Am 11.12.2003 ergingen sowohl der Einkommensteuerbescheid als auch der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2002. Die Einkommensteuer 2002 wurde auf 0 EUR festgesetzt, der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2002 für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 207 EUR und aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 386.160 EUR festgestellt. Der mit Schreiben vom 10.1.2004 gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 eingelegte Einspruch wurde mit Schriftsatz vom 9.3.2004 zurückgenommen. Den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2002 ließ der Kläger bestandskräftig werden.

Am 14.9.2004 ging beim Beklagten (Finanzamt) die Nachmeldung eines Verlustes nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus dem Verkauf von S-Aktien in Höhe von 4.642.400 EUR ein. Mit Schreiben vom 8.10.2004 beantragte der heutige Prozessbevollmächtigte für den Kläger, diesen Verlust unter Beachtung des Halbeinkünfteverfahrens nach § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG gesondert festzustellen. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Schreiben vom 19.10.2004 ab. Dagegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Seiner Meinung sei eine Berichtigung der Verlustfeststellung zum 31.12.2002 nach § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG noch möglich. Im Übrigen könnte die Änderung des Verlustfeststellungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vorgenommen werden. Hilfsweise stellte der Kläger den Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO, mit dem der nachträglich erklärte Verlust aus § 17 EStG berücksichtigt werde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 14.7.2005). Klage wurde hiergegen nicht erhoben.

Der Antrag auf Erteilung eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO wurde mit Schreiben vom 14.7.2005 abgelehnt. Auch den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet ab (Einspruchsentscheidung vom 19.1.2006). Nach Ansicht des Finanzamts dürften durch den Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO die Änderungsvorschriften der §§ 172 ff AO nicht unterlaufen werden. In der Vorschrift des § 179 Abs. 3 AO liege keine die Bestandskraft ergangener Feststellungsbescheide durchbrechende Regelung, sondern lediglich die Eröffnung der Vervollständigung lückenhafter Feststellungsbescheide. Der Feststellungsbescheid vom 11.12.2003 sei aber in diesem Sinne nicht ergänzungsbedürftig, sondern fehlerhaft. Dies verbiete eine nachträgliche Feststellung des verspätet geltend gemachten Verlustes nach § 17 EStG aus dem Verkauf von S-Aktien in Höhe von 4.642.400 EUR im Rahmen eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO.

Hiergegen richtet sich die am 17.2.2006 bei Gericht eingegangene Klage. Der Kläger ist der Ansicht, dass das Finanzamt zu Unrecht den beantragten Erlass eines Ergänzungsbescheids abgelehnt habe. Der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 sei unvollständig. Festgestellt seinen lediglich die Verluste aus Vermietung und Verpachtung von 207 EUR sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften von 386.160 EUR. Einen Gesamtbetrag des vortragsfähigen Verlustes habe das Finanzamt nicht festgestellt. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass keine weiteren Verluste aus anderen Einkunftsarten vorlägen. In Bestandskraft erwachsen seien deshalb nur die ausdrücklich festgestellten Verluste. Einer Nachholung der unterbliebenen Feststellung des nicht berücksichtigten Verlustes nach § 17 EStG könne deshalb auch nicht die Bestandskraft der bisher festgestellten Verluste entgegenstehen. Denn diese würden unverändert fortbestehen bleiben. Der Verlustfeststellungsbescheid vom 11.12.2002 sei deshalb auch nicht fehlerhaft, sondern lediglich lückenhaft. Das Schließen derartiger Lücken mithilfe eines Ergänzungsbescheides werde aber gerade durch die Vorschrift des § 179 Abs. 3 AO eröffnet. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zur Klagebegründung wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.2.2006 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 14.7.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19.1.2006 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, durch Ergänzungsbescheid zum Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 vom 11.12.2002 den nachträglich geltend gemachten Verlust nach § 17 EStG als verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nachzuholen,

hilfsweise

die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 19.1.2006

Klageabweisung.

In der mündlichen Verhandlung machten die Beteiligten Ausführungen zur Sach- und Rechtslage. Auf die Niederschrift der Sitzung wird insoweit hingewiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat zu Recht den Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheides zum Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 vom 11.12.2003 abgelehnt.

Nach § 179 Abs. 3 AO ist eine notwendige Feststellung, die in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist, durch Ergänzungsbescheid nachzuholen. Nachholbar sind danach nur unterbliebene Feststellungen, die an sich hätten getroffen werden müssen, aber nicht getroffen worden sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass Ergänzungsbescheide deshalb nur einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheids korrigieren oder die in dem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern dürfen (BFH-Urteil vom 15.1.2002 IX R 21/98, BStBl II 2002, 309 unter II. 3., m.w.N.). Dies verkennt auch der Kläger nicht, wenn er argumentiert, die Ansicht des Finanzamts, der bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheid vom 11.12.2003 sei fehlerhaft, träfe nur zu, wenn darin die Feststellung getroffen worden wäre, dass die Verluste nach § 17 EStG 0 EUR betragen würden, oder festgestellt worden wäre, dass Verluste aus anderen Einkunftsarten nicht vorlägen.

Nach Ansicht des Senats stellt sich der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2002 vom 11.12.2003 als fehlerhaft, nicht jedoch lückenhaft dar. Gemäß § 10 d Abs. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (a.F.) ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag getrennt nach Einkunftsarten - nach Ansicht des Senats in einem Bescheid - gesondert festzustellen. Satz 2 des § 10 d Abs. 4 EStG definiert den verbleibenden Verlustvortrag als die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Absatz 1 abgezogenen und die nach Absatz 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Danach enthält die getrennt nach Einkunftsarten vom nach Satz 3 des § 10 d Abs. 4 EStG hierfür zuständigen Finanzamt getroffene Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags konkludent die gesetzlich nicht geforderte, - weil sich bereits aus § 10 d Abs. 4 Satz 2 EStG ergebende -, ausdrückliche Feststellung, dass andere als die im Feststellungsbescheid aufgeführten Einkunftsarten keine negativen Einkünfte auswiesen, die bei Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht hätten ausgeglichen werden können.

Die Feststellung des Finanzamts vom 11.12.2003, dass der verbleibende Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 4 für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 207 EUR und für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften 386.160 EUR betrage, beinhaltet deshalb gleichzeitig - unausgesprochen - die negative Aussage, dass keine weiteren negativen Einkünfte bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte des Klägers im Veranlagungsjahr 2002 unausgeglichen geblieben sind. Diese Feststellung hat sich im Streitfall zwar objektiv als falsch erwiesen. Darin liegt die Fehlerhaftigkeit des Verlustfeststellungsbescheids vom 11.12.2003. Im Streitfall ist keine notwendige (weitere) Feststellung unterblieben, die nachzuholen wäre, sondern die getroffene Feststellung hat sich im Nachhinein als fehlerhaft herausgestellt. Für den Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO ist deshalb kein Raum. Es bedarf im Streitfall deshalb auch keiner Klärung, ob der Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids rechtzeitig gestellt worden ist.

Ferner braucht der Senat nicht zu prüfen, ob eine Änderungsmöglichkeit des Verlustfeststellungsbescheids vom 11.12.2003 nach den einschlägigen Änderungsvorschriften bestand. Diese Frage ist, abgesehen davon, dass der Kläger die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14.7.2005 hat bestandskräftig werden lassen, nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht aus § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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