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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 14.12.2007
Aktenzeichen: 8 K 849/05
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
AO § 12 S. 1
AO § 191 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

8 K 849/05

Haftung für Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag 1996 bis 2000

In der Streitsache

...

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht xxx, des Richters am Finanzgericht xxx und der Richterin am Finanzgericht xxx sowie der ehrenamtlichen Richter xxx und xxx

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt seit dem 01. März 1996 den Sex- und Saunaclub "W" in M. Streitig ist im Wesentlichen, ob sie Arbeitgeberin der dort tätigen Prostituierten war.

Am 11. März 2002 fand bei der Klägerin eine Steuerfahndungsprüfung statt. Nach den Feststellungen des Prüfers (vgl. Fahndungsbericht vom 08. Dezember 2003) war das "W" wie folgt organisiert:

- Organisation des Clubs und Stellung der Prostituierten im Betrieb:

Die Prostituierten sollen ihre Tätigkeit ausschließlich in den Club-Räumen ausgeübt haben, um dort den sexuellen Wünschen der sog. Kunden in entsprechender Form nachzukommen. Hierzu seien von der Klägerin Zimmer vorgehalten worden, welche die Prostituierten mit den Kunden nach Bedarf aufsuchten. Jede Prostituierte sei mit ihrem Freier auf ein Zimmer gegangen, das gerade frei war. Eine feste Zuordnung der Zimmer habe es nicht gegeben. Für die Nutzung der Zimmer, Bettwäsche, Handtücher etc. sollen die Prostituierten eine tägliche "Zimmermiete" von 100 DM bzw. 50 EUR bezahlt haben. Wie viele Prostituierte genau in den einzelnen Jahren im Club tätig waren, lässt sich dem Fahndungsbericht nicht entnehmen.

Der Club sei von 20.00 bis 5.00 geöffnet gewesen. Nur in dieser Zeit hätten die Prostituierten ihrer Tätigkeit nachgehen können. In den Clubräumen hätten sie nicht nackt arbeiten dürfen. Um eine Mindestbesetzung des Clubs mit Prostituierten zu gewährleisten, soll es Tagespläne gegeben haben, die hinter der Bar aufbewahrt wurden und in die von den Prostituierten einzutragen war, an welchen Tagen sie kommen wollten. Die Öffnungszeiten des Clubs habe die Klägerin per Inserat in den einschlägigen Tageszeitungen und Zeitschriften bekannt gegeben. Hierfür habe sie den Prostituierten in der Woche 80 DM/40 EUR berechnet. Den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit und damit auch die Höhe der Einnahmen hätten die Prostituierten dem Grunde nach selbst bestimmen können. Sie hätten auch die Kunden zum Konsum von Getränken des Clubs animieren sollen und seien prozentual oder mit einer Pauschale am Getränkeumsatz beteiligt gewesen.

Für die von den Prostituierten zu erbringenden sexuellen Leistungen soll es im Club ein festes Preisgefüge gegeben haben, das je nach Art und Dauer der sexuellen Handlungen von 50 EUR (15 Minuten Massage mit Handentspannung) bis zu 540 EUR (1 Stunde Verkehr plus französisch plus Pool inkl. Champagner) reichte. In den Zimmern seien Überwachungskameras und Alarmglocken installiert gewesen. Ging eine Prostituierte mit einem Freier auf ein Zimmer, habe sie sich bei der Barfrau unter Angabe der voraussichtlichen Verweildauer abmelden müssen. Sei diese überschritten worden, habe die Barfrau auf dem Zimmer nachgesehen. Wollte ein mit Kreditkarte zahlender Kunde "verlängern", habe er an die Bar kommen und dort nachzahlen müssen.

Die im Club installierten Telefone seien ausschließlich auf den Club bzw. die Klägerin gemeldet gewesen. Die Kunden hätten weder den tatsächlichen Namen noch die private Anschrift der Prostituierten gekannt. Diese seien nach außen hin auch nicht in Erscheinung getreten. Es sei für sie persönlich weder im Club noch außerhalb davon geworben worden. Die Prostituierten hätten der Klägerin bestätigen müssen, dass sie ihre Einnahmen selbst versteuern und keine Drogen nahmen. Außerdem hätten sie in regelmäßigen Abständen die Durchführung eines HIV-Testes nachweisen müssen. Sämtliche Arbeitsmittel (Zimmer mit Mobiliar, Wäsche, Sauna, Whirlpool, Toilette, Telefon, Getränke, Barkeeper bzw. Bardame, Türsteher etc.) seien von der Klägerin gestellt worden. Ein Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder sonstige soziale Leistungen habe nicht bestanden.

- Ablauf der "Kundenbesuche":

Die Kunden hätten - nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung - 90 DM bzw. 45 EUR Eintrittsgeld bezahlen müssen. Hierfür seien drei Getränke frei gewesen (außer Champagner). Alle Leistungen (Getränke und Leistungen der Prostituierten) sollen aufgezeichnet und vom Kunden in der Regel mit Kreditkarte bezahlt worden sein. Der Kartenautomat habe sich in einem kleinen Büro neben dem Eingang befunden. Von den Kreditkartenumsätzen habe die Klägerin eine 8%-ige Kartenbearbeitungs- bzw. Wechselgebühr einbehalten. Der Restbetrag (= 92%) sei aber nicht ausbezahlt, sondern mit den Getränken und Leistungen der Prostituierten verrechnet worden.

Hierzu bildete der Prüfer folgendes Beispiel: Wenn ein Kunde im Büro mit seiner Kreditkarte 1.000 DM "abhob", um mit dem Geld seine Getränke (= 400 DM) und die Prostituierte (= 600 DM) zu bezahlen, soll die Bardame nur den Getränkeumsatz abzüglich des an die Prostituierte gehenden Getränkeumsatzes (400 DM abzgl. Provision) und die auf den Dirnenlohn entfallende Wechselgebühr (20% von 600 DM) aufgezeichnet haben. Das sog. Stichgeld sei einbehalten und an die Prostituierte zum Arbeitsende ausbezahlt worden. Der Kunde habe also von dem "Wechselgeld" nichts oder nur einen geringen Teil ausgehändigt bekommen. Dennoch habe er schriftlich bestätigen müssen, den Gesamtbetrag in bar erhalten zu haben. Welche Teilzahlungen die Prostituierte erhielt, d.h.: was ihr für ihre sexuellen Dienste letztlich von dem Club ausbezahlt wurde, soll er nicht gewusst haben, da ihm u.a. die Höhe der einbehaltenen "Wechselgebühr" nicht bekannt gewesen sei.

- Abrechnung mit den Prostituierten:

Von der Bardame oder einer anderen Bürokraft sollen die auf die einzelne Prostituierten entfallenden Getränkeumsätze bzw. die Getränkeprovisionen und die Dirnenlöhne täglich aufgezeichnet worden sein. Beides sei sodann bei Arbeitsende unter Abzug der sog. "Wechselgebühr" und der Zimmermiete etc. in bar ausbezahlt worden. Habe ein Kunde mit seiner Kreditkarte Geld abgehoben, habe die Prostituierte daher warten müssen, bis die Klägerin abrechnete und ihr ihren "Lohn" ausbezahlte.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Fahndungsbericht vom 08. Dezember 2003 und die Stellungnahme des Prüfers vom 06. Oktober 2004 verwiesen.

Entgegen der Klägerin, welche die Prostituierten als freie Mitarbeiterinnen ansah und lediglich die Getränke- und Mietumsätze sowie die Kartenbearbeitungs- bzw. Wechselgebühren verbucht hatte, war der Fahndungsprüfer der Auffassung, die Klägerin sei Arbeitgeberin der im Club eingesetzten Prostituierten gewesen. Sie hätte demzufolge von den Stichgeldern die Lohnsteuerabzugsbeträge einbehalten und abführen müssen. Da er in Ermangelung geeigneter Unterlagen nicht feststellen konnte, welche Beträge die einzelnen Prostituierten in den Streitjahren vereinnahmt hatten, rechnete der Prüfer die (brutto) verbuchten Wechselgebühren auf 100% hoch. Von den so ermittelten Kreditkartenumsätzen zog er die einbehaltenen (Wechsel-)Gebühren ab. Der Rest sei von der Klägerin bzw. der Bardame an die Prostituierten als die "mit Kreditkarte bezahlten" Stichgelder ausbezahlt worden. Ein Teil der Kunden bezahlte auch bar. Diese Beträge hatten die Prostituierten selbst vereinnahmt. Die bar vereinnahmten Stichgelder schätzte er mit 25% der (ungekürzten) Kreditkartenumsätze. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage 2 zum Fahndungsbericht vom 08. Dezember 2003 und die korrigierte Berechnung im Schreiben vom 28. August 2007 verwiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt/FA) folgte der Auffassung des Fahndungsprüfers. Am 14. Juni 2004 erließ das FA gegen die Klägerin wegen in den Jahren 1996 bis 2000 nicht abgeführter Lohn- und Kirchensteuerbeträge sowie Solidaritätszuschläge einen Haftungsbescheid über insgesamt 646.277,03 EUR. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2005 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage. Zu deren Begründung lässt die Klägerin vortragen, die in ihrem Club tätigen Prostituierten seien selbständig tätig gewesen. Die vom FA für eine nichtselbständige Tätigkeit angeführten Kriterien würden nicht vorliegen. So seien unstreitig weder feste Bezüge, noch Ansprüche auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Überstundenvergütungen vereinbart gewesen. Die Prostituierten seien von der Klägerin auch nicht persönlich abhängig gewesen. Sie hätten sich vielmehr aus freien Stücken bei ihr gemeldet und ihren Arbeitsplatz selbst ausgesucht. Sie hätten jederzeit wieder gehen können. Es habe keine Weisungsgebundenheit in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit der Prostituierten bestanden. Eine feste Zimmereinteilung habe es nicht gegeben. Die Damen hätten mit ihren Kunden nach ihrer Wahl jedes freie Zimmer nutzen können. Dass die Prostituierten nur zu den Öffnungszeiten des Clubs tätig werden konnten, sei kein Indiz für eine Nichtselbständigkeit. Auch Handwerker hätten sich an die Zeitvorgaben ihrer Auftraggeber zu halten. Soweit in einem großen Kaufhaus eine externe Firma einen Stand habe, könne sie diesen nur innerhalb der Öffnungszeiten des Kaufhauses betreiben. Im Übrigen hätten die Prostituierten selbst bestimmen können, wie lange und an welchen Tagen sie arbeiten wollten. Man habe sich insoweit untereinander frei abgesprochen. Dass immer eine gewisse Anzahl an Prostituierten anwesend war, sei ihr gemeinsames wirtschaftliches Interesse gewesen. Um möglichst viel zu verdienen, habe jede von ihnen möglichst häufig und lange arbeiten wollen. Dass es keinen festen Dienstplan gab, hätten alle vom Amtsgericht M in der Strafsache gegen die Klägerin als Zeugen vernommenen Prostituierten ausgesagt. So habe z.B. die Zeugin A bestätigt, dass jede von ihnen selbst entscheiden konnte, wann und wie lange sie arbeiten wollte und ob sie mit einem Freier aufs Zimmer gehe. Da keine Stundenzahl vorgegeben war, die hätte abgearbeitet werden müssen, habe es sich entgegen der Auffassung des FA auch nicht um eine "flexible" Arbeitszeitregelung gehandelt. Sie, die Klägerin, habe jedenfalls weder verlangen können, dass eine bestimmte Anzahl Damen tätig ist, noch bestimmen können, wann die eine oder andere Prostituierte arbeiten sollte. Sie habe auch keinerlei Einfluss darauf gehabt, ob, wie lange und mit wie viel Prostituierten ein Kunde seine Zeit verbrachte und welche Leistungen er dabei in Anspruch nahm. Was sie mit ihrem Kunden machte, sei allein die Entscheidung der einzelnen Prostituierten gewesen, die sich die Kunden habe auswählen und damit den einen oder anderen auch ablehnen können. Dies ergebe sich u.a. aus der Aussage der Zeugin D anlässlich ihrer Vernehmung durch das Amtsgericht M. Die Prostituierten hätten ihre Arbeitskraft nicht - wie ein Arbeitnehmer - ausschließlich der Klägerin geschuldet. Sie hätten jederzeit außerhalb des Clubs privat oder in einem anderen Club tätig sein können. Der Umstand, dass die Preise für die zu erbringenden Leistungen von Fall zu Fall mit dem jeweiligen Kunden ausgehandelt wurden, habe zu einer gewissen Konkurrenzsituation der Prostituierten untereinander geführt. Die Prostituierten hätten auch das volle Unternehmerrisiko und nicht nur ein "Arbeitnehmerrisiko" besonderer Art getragen. Ob und wie viel sie verdienten, sei ausschließlich von ihrer Leistungsbereitschaft anhängig gewesen. Die Preise für die einzelnen sexuellen Leistungen seien nicht von ihr, der Klägerin, vorgegeben, sondern von den Prostituierten untereinander abgesprochen worden. Sie selbst habe nur die Preise für die Getränke festgelegt. Was die Prostituierten bar an Stichgeldern einnahmen, sei ihr nicht bekannt gewesen. Ihre Leistungen hätten die Prostituierten auch nicht der Klägerin, sondern dem Kunden geschuldet. Es sei ihr ureigenstes unternehmerisches Risiko gewesen, den Kunden so zu bedienen, dass er ihre Leistungen längere Zeit oder wiederholt in Anspruch nahm. Ihr persönlicher Arbeitseinsatz sei also - wie bei einer selbständigen Tätigkeit - ausschlaggebend für den eigenen finanziellen Erfolg gewesen. Die Kunden hätten überwiegend mit Kreditkarten bezahlt. Da aber nur sie, die Klägerin, die technischen Voraussetzungen hierfür hatte, habe sie die Beträge für die Prostituierten vereinnahmt. Dabei habe sie wegen des Kreditkartenrisikos einen Sicherheitseinbehalt vornehmen müssen. Davon abgesehen habe jeder Kunde gewusst, was für die sexuellen Leistungen der Prostituierten zu bezahlen war. Der von ihm mit der Prostituierten ausgehandelte Preis sei an diese weitergegeben worden. Die Behauptung des FA, der Betrieb der Klägerin sei seiner Struktur und Organisation nach ausschließlich darauf ausgerichtet gewesen, sexuelle Kontakte bzw. Leistungen anzubieten, sei schlichtweg falsch. Die Klägerin habe lediglich eine Bar betrieben und Zimmer vermietet. Derartige "Plattformen" seien durchwegs üblich. So gebe es ständige Floh- und Antikmärkte, die von einem Hallen- oder Platzbetreiber durchgeführt werden. Dieser stelle aber den Händlern nur die Stellplätze zur Verfügung. Auch in ihrem Fall sei zwischen Bordellbetrieb einerseits und Barbetrieb andererseits zu unterscheiden. Sie sei nur für den Barbetrieb zuständig gewesen und nach außen hin nur mit diesem, nicht aber als Arbeitgeberin der Prostituierten in Erscheinung getreten. Die Weisung, dass in den Aufenthaltsräumen nicht nackt gearbeitet werden durfte, habe sie nicht als Arbeitgeberin ausgesprochen. Sie habe damit lediglich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Barräumen sorgen wollen. Ein Kunde sei im Übrigen nur deshalb in den Club gekommen, weil er wusste, dass dort jemand seine sexuellen Gelüste befriedigen werde. Mit diesem seinen Anliegen hätte er sich aber unmittelbar an den "Gegenstand seiner Begierde" wenden müssen. Dass sie den Prostituierten vorgeben konnte, im Club nur ihre Getränke, d.h. die der Klägerin, zu dem vorbestimmten Preis zu verkaufen, sei auf die klare Bereichsteilung zurückzuführen. Die Tätigkeit der Prostituierten habe sich zwar indirekt auf den Getränkeumsatz ausgewirkt. Daraus folge jedoch noch nicht, dass diese Arbeitnehmerinnen der Klägerin waren. Sie seien vielmehr selbständig tätig gewesen mit der Folge, dass die Klägerin für sie auch keine Lohnsteuerabzugsbeträge einzubehalten hatte. Wie die Zeugin M ausgesagt habe, hätten die Prostituierten selbst für sich geworben. Dass sie kein Kapital einsetzen mussten, schließe eine selbständige Tätigkeit nicht aus. Es gebe viele Dienstleistungsberufe, bei denen dies der Fall sei. Dass die Prostituierten ihre Arbeit in den Räumen der Klägerin verrichteten und der Zugang zum Club und die Zimmer mit Kameras und Alarmglocken abgesichert waren, bedeute ebenfalls nicht, dass sie zwingend Arbeitnehmer der Klägerin waren. Dies sei auch bei Subunternehmer üblich.

Ergänzend trägt die Klägerin vor, sie habe sich von Fachleuten beraten lassen und von diesen zur Auskunft bekommen, dass die Stichgelder, gleich ob diese bar oder mit Kreditkarte bezahlt wurden, von den Prostituierten selbst zu versteuern seien und sie, die Klägerin, insoweit keine Lohnsteuerabzugsbeträge abzuführen habe. Sie könne daher schon wegen fehlenden Verschuldens nicht in Anspruch genommen werden. Auf den Kreditkartenauszahlungsbelegen seien im Übrigen neben den an die Prostituierten ausbezahlten Beträgen auch deren Namen und Adressen vermerkt gewesen. Weitere Aufzeichnungen darüber, welche Prostituierte wann bei ihr gearbeitet hatte, seien bei den amtsärztlichen Untersuchungsberichten abgelegt gewesen. Das FA hätte sich also durchaus direkt an die Prostituierten wenden können und dies auch vorrangig tun müssen. Soweit sie, die Klägerin, dennoch in Haftung genommen werde, sei dies deshalb ermessensfehlerhaft. Die Höhe der dem Haftungsbescheid zu Grunde gelegten Lohnsummen für die einzelnen Jahre werde bestritten. Sie, die Klägerin, behalte sich die persönliche Einvernahme der einzelnen Prostituierten als Zeuginnen vor.

Die Klägerin beantragt,

den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 14. Juni 2004 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2005 ersatzlos aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise

Zulassung der Revision zum Bundesfinanzhof.

Das FA beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung,

die Klage abzuweisen.

Mit Aufklärungsanordnung vom 15. Juni 2007 wurden die Beteiligten aufgefordert, u.a. zur Höhe der vom Fahndungsprüfer errechneten Haftungsschuld Stellung zu nehmen. Daraufhin legte das FA mit Schreiben vom 28. August 2007 eine korrigierte Schätzung der Lohnsummen für die Streitjahre vor. Auf dieses Schreiben und die von den Beteiligten eingereichten Protokolle betreffend die Zeugeneinvernahmen in dem Strafverfahren gegen die Klägerin durch das Amtsgericht M wird Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin mit Anordnung gem. § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung --FGO-vom 06. November 2007 aufgefordert worden war, bis zum 20. November 2007 die Tatsachen genau zu bezeichnen, die vom FA in seinem Schreiben vom 28. August 2007 unzutreffend dargestellt wurden, nahm ihr Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 19. November 2007 nochmals ausführlich zur Sache Stellung. Auf sein Schreiben wird Bezug genommen.

Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 20007 wird verwiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 14. Juni 2004 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin wurde zu Recht gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz --EStG-- i. Verb. m. § 191 Abs. 1 Abgabenordnung --AO-- für die in den Jahren 1996 - 2000 nicht abgeführten Lohnsteuerabzugsbeträge in Haftung genommen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig (BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579 m. w. Nachw.). Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung bzw. Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar.

1. Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin gem. § 42d EStG ist nicht zu beanstanden. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er gem. § 41a EStG für die an seine Arbeitnehmer ausbezahlten Löhne einzubehalten und abzuführen hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Klägerin war Arbeitgeberin der in ihrem Betrieb, dem Sex- und Saunaclub "W", tätigen Prostituierten. Arbeitgeber ist diejenige natürliche oder juristische Person, die mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt und diesem dafür eine Vergütung schuldet (vgl. MünchKomBGB, Müller-Glöge, Komm. zum Bürgerlichen Gesetzbuch --BGB--, 4. Aufl. 2005, § 611 RdNr. 231; Palandt/Weidenkaff, Komm. zum BGB, 66. Aufl. 2007, § 611 Rn. 6). Im Zivilrecht gilt als Arbeitnehmer, wer (auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags) im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. Urteile des Bundesarbeitsgerichts --BAG--vom20. August 2003 5 AZR 610/02, NJW 2004, 461, vom 19. Januar 2000 5 AZR 644/98, NZA 2000, 1102). Wie § 84 Abs. 2 i. Verb. m. dessen Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch --HGB--entnommen werden kann, ist Arbeitnehmer und nicht selbständiger (freier) Mitarbeiter, wer seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit nicht im Wesentlichen frei gestalten bzw. bestimmen kann. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB enthält insoweit eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche Wertung (vgl. BAG vom 19. Januar 2000 in NZA 2000, 1102). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist daher, ob der Dienstverpflichtete in den Betrieb eines anderen eingegliedert ist und dabei dessen Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann je nach Art der Beschäftigung eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltbare Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Kann der Betreffende daher seine Arbeitszeit (innerhalb eines bestimmten Zeitkorridors) im Wesentlichen frei gestalten und schuldet er zudem keine persönliche Arbeitsleistung, sondern - wie z.B. bei einem globalen Reinigungsauftrag - einen Arbeitserfolg, wird von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen sein (vgl. Urteile BAG vom 20. August 2003 5 in NJW 2004, 461 und des FG Thüringen vom 27. August 1998 II 227/97, EFG 1999, 235, betreffend eine Haushaltshilfe). Abstrakte, für alle Verhältnisse geltende Abgrenzungsmerkmale bestehen nicht. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, beurteilt sich vielmehr nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Dabei sind die Bezeichnung, die die Beteiligten ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, und die von ihnen gewünschte Rechtsfolge mit zu berücksichtigen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letzteres maßgebend. Die vom BAG für das Arbeitsrecht herausgearbeitete Abgrenzung des Arbeitnehmers vom selbständigen (freien) Mitarbeiter deckt sich weitgehend mit der vom BFH vorgenommenen Auslegung des steuerrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 5/06, BFH/NV 2007, 1977 m. w. Rspr. Hinw.). Zur Abgrenzung, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hat der BFH im Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82 (BStBl II 1985, 661), auf das insoweit verwiesen wird, zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft herausgearbeitet (vgl. hierzu auch den BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI B 137/03, BFH/NV 2005, 552). Es müssen jedoch nicht alle in diesem Urteil exemplarisch angeführten, für ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale vorliegen. Je nach Lage des konkreten Falles kann das eine oder andere Merkmal auch anders gewichtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. März 1973 IV R 231/69, BStBl II 1973, 458). Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (§ 38 AO).

Für das Sozialversicherungsrecht gelten ebenfalls entsprechende Abgrenzungskriterien (vgl. hierzu Urteile des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 22. Juni 2005 B 12 KR 28/03 R, NZS 2006, 318, vom 10. August 2000 B 12 KR 21/98 R, NZS 2001, 414, vom 04. Juni 1998 B 12 KR 5/97 R, NZS 1999, 298).

Im Kern deckt sich damit der steuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers mit dem im Arbeits- bzw. Sozialversicherungsrecht verwendeten. Abweichungen sind möglich, soweit das Steuerrecht dies erfordert und erlaubt. Auch wenn die sozialrechtliche oder arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig für die steuerrechtliche Beurteilung damit nicht ausschlaggebend ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BStBl II 1980, 303), spricht daher doch vieles dafür, dass jemand, der vom Arbeits- oder Sozialversicherungsrecht als Arbeitnehmer eingestuft wird, ebenfalls unter den steuerrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers zu subsumieren ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2006 X B 110/06, n. v., und vom 17. Februar 2006 V B 103/05, BFH/NV 2006, 1361 jew. m. w. Rspr.-Hinw.; BFH-Urteil vom 29. November 1978 I R 159/76, BStBl II 1979, 182; Schmidt/Drenseck, Komm. zum EStG, 26. Aufl. 2007, § 19 Rz. 4).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die im "W" eingesetzten Prostituierten unselbständig tätig waren. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass einige Indizien - vordergründig - für eine gewisse Selbständigkeit der Prostituierten sprechen. So wurde z.B. kein Grundlohn bezahlt, bei Erkrankung war kein Verdienstausfall vorgesehen, es wurden keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, die Prostituierten konnten wohl weitgehend selbst entscheiden, an welchen Tagen und wie oft sie im Club tätig sein wollten. Ob die - allerdings nur vordergründig - für eine gewisse Selbständigkeit der Prostituierten sprechenden Indizien von der Klägerin bewusst so gestaltet wurden, um nach außen hin den Anschein einer nichtselbständigen Tätigkeit der Prostituierten zu vermeiden, kann dahingestellt bleiben. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH lässt sich der (steuerliche) Arbeitnehmerbegriff nicht dadurch bestimmen, dass einzelne für oder gegen ein Arbeitsverhältnis sprechende Merkmale vorliegen bzw. fehlen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI B 137/903, BFH/NV 2005, 552). Entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles. Bei der danach gebotenen Gesamtschau überwiegen aber nach Auffassung des Senats die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale doch eindeutig. Diese Überzeugung des Senats gründet auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere dem Vorbringen der Beteiligten und den von diesen vorgelegten Unterlagen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Nachdem die Beteiligten die Protokolle des Amtsgericht M, soweit es die Einvernahme der Prostituierten zum Strafverfahren gegen die Klägerin betraf, als Beweismittel vorgelegt hatten, konnte der Senat von deren Einvernahme absehen, zumal eine solche nicht beantragt war und der entscheidungsrelevante Sachverhalt im Wesentlichen unstreitig ist. Differenzen bestehen lediglich in Bezug auf dessen (steuer)rechtliche Wertung.

Insbesondere folgende Umstände sprechen nach Auffassung des Senats dafür, dass die im Club der Klägerin eingesetzten Prostituierten keine selbständigen Unternehmer waren, sondern unselbständig, d.h. in abhängiger Beschäftigung standen:

a. Ein gewichtiges Indiz für deren selbständige Tätigkeit wäre u.a., wenn die Prostituierten im Club eine eigene Betriebsstätte unterhalten hätten. Gerade dies war hier aber nicht der Fall. Es ist zudem nicht feststellbar, dass die Prostituierten - wie ein selbständiger Unternehmer - außerhalb des Clubs in eigenen betrieblichen Räumen einen Betrieb unterhielten. Das "W" stellte sich nach außen hin als eine organisatorische Einheit dar, in der alle Leistungen, die in Anspruch genommen werden konnten, als betriebseigene angeboten wurden. So wurde nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung weder im Club noch außerhalb für eine einzelne Prostituierte oder unter deren Namen geworben. Die Klägerin trat auch nicht als Dienstleistungsvermittlerin auf. Sie warb vielmehr für den Club mit den vom "Club" angebotenen Dienstleistungen sexueller Art durch "seine Damen", deren Bedeutung damit nach außen hin auf "Inventarfunktion" reduziert war. Dies wurde von den Prostituierten bei ihrer Vernehmung durch das Amtsgericht M im Ergebnis bestätigt (vgl. Aussagen der Zeuginnen S, D und M). Dementsprechend waren die im Club vorhandenen Telefone auch nicht auf die Prostituierten angemeldet, sondern auf die Klägerin bzw. den "Club". Wie die Zeugin S vor dem Amtsgericht M aussagte, entsprach die Situation im Club keineswegs der eines Hotels, in dem lediglich Zimmer vermietet werden.

Wollte ein Kunde mit Kreditkarte bezahlen, konnte er dies nur im Büro des "Clubs" tun, wo die zuständige Person neben der Wechselgebühr und dem Entgelt für den Getränkekonsum auch das Stichgeld einbehielt (vgl. hierzu die Aussage der Zeugin H). War ein Kunde noch nicht (ausreichend) befriedigt, musste er das Zimmer verlassen und im Büro "nachbuchen". Schon auf Grund dieser Konstellation mussten die Kunden davon ausgehen, dass ihr Vertragspartner für die in Anspruch genommenen Leistungen nur der "Club" bzw. die Klägerin als die Inhaberin des Clubs war und nicht die Prostituierte, von welcher der Kunde in der Regel wohl weder den tatsächlichen Namen noch die Adresse kannte. Bei irgendwelchen Problemen oder Fragen hätte sich ein Kunde daher nur an die Klägerin halten können (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. Januar 1991 VI R 122/87, BStBl II 1991, 409). Andererseits konnte sich nur die Klägerin an den Kunden wenden, wenn dieser der Abbuchung von seinem Kreditkarte widersprach.

Nach den Gesamtumständen des Falles ist außerdem davon auszugehen, dass allein der Klägerin das Hausrecht zustand. Hierfür spricht nicht nur die Ausstattung des Clubs und insbesondere der Stichzimmer mit Überwachungskameras bzw. Alarmglocken. Die Aussage der Zeugin K, sie sei "ziemlich unsanft rausgeschmissen worden" mit den Worten: "Die R hat gesagt, Du sollst gehen/ausziehen" bestätigt dies nur. Die Reinigung der Zimmer des Clubs wurde offensichtlich zentral von einer vom Club bzw. der Klägerin angestellten Person erledigt (vgl. Aussage der Zeugin D).

Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Prostituierten im Club eine nach außen hin nicht erkennbare eigene Betriebsstätte unterhielten, gibt es dagegen nicht. Hierzu hätten sie für ihre Tätigkeit eine Geschäftseinrichtung von gewisser Dauer unterhalten und hierüber auch eine hinreichende Verfügungsmacht haben müssen (vgl. Tipke/Kruse, Komm. zur AO und FGO, § 12 AO Tz. 6 ff.). Dies war aber nach den im Ergebnis unbestrittenen Feststellungen der Fahndungsprüfung nicht der Fall. So hatten die einzelnen Prostituierten keine eigenen, festen Zimmer. Sie gingen mit dem Kunden vielmehr auf das Zimmer, das gerade frei war. Dies wird wohl insbesondere wegen der Mindestaufenthaltszeit von einer Stunde für die wenigen Zimmer mit Whirlpool gegolten haben. Die Möglichkeit zur Mitbenutzung verschiedener Räume reicht aber für die Annahme einer festen Geschäftseinrichtung i. S. des § 12 Satz 1 AO nicht aus. Es kann sich dann die Tätigkeit des vorgeblichen Unternehmers nicht "verwurzeln", wie dies von der Rechtsprechung des BFH für erforderlich angesehen wird (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 2002 III R 8/00, BStBl II 2002, 512 und vom 03. Februar 1993 I R 8081/91, BStBl II 1993, 462). Hinzu kommt, dass die Prostituierten die Zimmer auch nicht auf Grund einer eigenständigen, rechtlich abgesicherten, einem Mieter vergleichbaren Position nutzen konnten (vgl. AO-Praktikerkomm. § 12 Rz. 12). Dass sie die Zimmer im Club nur auf Grund und im Rahmen ihres Dienstvertrages mit der Klägerin nutzen konnten bzw. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nutzen konnten, wird durch die vorgenannte Aussage der Zeugin K bestätigt.

b) Die Prostituierten waren auch fest in die Organisation des Betriebes der Klägerin eingebunden und unterstanden damit deren Personalhoheit. Für eine unselbständige arbeitsorganisatorische Eingliederung in einen Betrieb spricht, wenn jemand in die Arbeitsabläufe eines fremden Unternehmens fest, d.h. auf Dauer, eingeplant ist, er dieselben Arbeiten ausführt wie andere Arbeitnehmer des Betriebes und deshalb ständig eng mit diesen zusammenarbeiten muss. Weitere gewichtige Indizien für eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation sind die Unterordnung unter einen fremden Organisationsplan nach Zeit und Ort, eine laufende Arbeitskontrolle, die Einbindung in den fremden Betriebsablauf mit entsprechender Präsenzpflicht (vgl. MünchKomBGB, Müller-Glöge, § 611 RdNr. 179) sowie der Umstand, dass der Betreffende für die Erfüllung seiner Aufgaben auf die technischen Einrichtungen des fremden Unternehmens wie Räume, Telefon, Kasse etc. angewiesen ist (vgl. Küttner/Röller, Personalbuch 2007, Freie Mitarbeit Rz. 7). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betreffende alleine und höchstpersönlich zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, er diese also weder delegieren, noch durch Einsatz von Hilfskräften erledigen kann (vgl. MünchKomBGB, Müller-Glöge, § 611 RdNr. 181). Kann der Dienstberechtigte zudem innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens auf die Arbeitsleistung des Dienstverpflichteten zugreifen, wobei es ausreichend ist, wenn dieser auf Anforderung zur Verfügung steht (vgl. BAG-Urteil vom 19. Januar 2000 in NZA 2000, 1102), zumindest bei der Planung seiner weiteren Aktivitäten die zeitlichen Vorgaben und Wünsche des Dienstberechtigten zu berücksichtigen hat (vgl. BAG-Urteil vom 07. Mai 1980 5 AZR 293/78, WzS 1985, 252), wird in der Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sein. Weitere ganz gewichtige Indizien für ein Arbeitsverhältnis sind die Befugnisse des Dienstberechtigten, einseitig Dienst- oder Stundenpläne aufstellen (vgl. BAG-Urteil16. März 1994 5 AZR 519/92, n.v.), den Inhalt der Arbeitsleistung weitgehend zu bestimmen und dem Dienstverpflichteten im Rahmen des bereits bestehenden Dienstverhältnisses weitere Aufgaben übertragen zu können (vgl. BAG-Urteil vom 19. November 1997 5 AZR 21/97, NZA 1998, 595; Küttner/Röller, a.a.O., Rz. 8 f.).

Auch diese Merkmale für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sind hier mehr oder weniger stark gegeben. So hatten die Prostituierten im Ergebnis die gleichen Tätigkeiten zu verrichten. Sie mussten diese zudem persönlich erbringen und konnten sie nicht delegieren (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes --BGH--vom21. Oktober 1998 VIII ZB 54/97, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 11). Aufgrund des insoweit übereinstimmenden Vortrags der Beteiligten ist davon auszugehen, dass sich die Damen vorbehaltslos bereit erklärt hatten, alle gängigen sexuellen Wünsche der Kunden des Clubs zu befriedigen. Dem steht nicht entgegen, dass im konkreten Fall mit dem Kunden die geschuldete sexuelle Leistung erst auszuhandeln war. Eine Teilnahme am sog. wirtschaftlichen Verkehr als freier Unternehmer bedeutete dies jedenfalls nicht. Die Prostituierten hatten dem Kunden lediglich aufzuzeigen, welche sexuellen Leistungen zu welchen Preisen im Club "gebucht" werden konnten und ihn entsprechend zu animieren. Die Wahl traf aber letztlich allein der Kunde, der diese auch vorweg zu bezahlen hatte. Wollte er mit Kreditkarte bezahlen, behielt zudem die Bardame das Geld ein. Der Vortrag der Klägerin, ihre Prostituierten hätten einen Kunden zurückweisen können, kann als zutreffend unterstellt werden. Dieser "Freiraum" belegt nur, dass Rücksicht genommen wurde auf die höchstpersönliche und intime Art der geschuldeten Arbeitsleistungen, den eigenen Körper für sexuelle Dienste zur Verfügung zu stellen. Davon abgesehen waren die Gestaltungsmöglichkeiten und Aktivitäten der Prostituierten darauf beschränkt, für eine Auswahl durch die Freier zur Verfügung zustehen und sich für dessen Verlangen nach sexuellen Diensten "attraktiv" zu machen.

Ob die Klägerin die "Preise" für die einzelnen sexuellen Dienstleistungen festgelegt oder die Prostituierten Art, Dauer und Preis untereinander abgesprochen hatten, kann dahinstehen. Es gab jedenfalls einen Leistungskatalog mit festen Preisen. Hätte eine der Prostituierten "ausscheren" wollen, hätte sie - wie die Zeugin S aussagte - "Probleme ... bekommen". Der unstreitig vorhandene Leistungskatalog mit seinen festen Preisen gab dem Club nicht nur ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen; intern wurde damit ein Preiskampf ausgeschlossen, was wiederum ein deutliches Indiz dafür ist, dass die einzelne Prostituierte keine echte Unternehmerinitiative entfalten konnte. Vorgegeben waren außerdem die Arbeitszeiten der Prostituierten (Öffnungszeiten des "W") und ihr Arbeitsplatz (ausschließlich im "Club"). Sie hatten keine Schlüssel zu den Club-Räumen (vgl. u.a. die Aussagen der Zeuginnen S, D, B). Mit Ausnahme der persönlichen Utensilien wie Präservative, Kleidung und Schminke wurden ihnen dort alle notwendigen Arbeitsmittel, Zimmer, Bett, Bettwäsche, Toilette, Pool etc., von der Klägerin gestellt. Für ihr Auftreten im Club gab es Reglements (außerhalb der Stichzimmer nicht nackt). Mit der Installation von Alarmglocken in den Stichzimmern hatte diese sichergestellt, dass die Prostituierten bei ihrer eigentlichen Tätigkeit keinen Übergriffen seitens der Kunden ausgesetzt wurden. Das Einhalten der vereinbarten "Stichzeit" wurde überprüft. Einstellung und Fortsetzung einer Tätigkeit im Club waren offensichtlich wie bei einem Arbeitsverhältnis von der Vorlage von Gesundheitszeugnissen abhängig. So hatten die Prostituierten ungeachtet ihres Persönlichkeitsrechtes der Klägerin nachzuweisen, dass sie sich regelmäßigen HIV-Untersuchungen unterzogen, und ihr zu bestätigen, dass sie keine Drogen nahmen. Die Klägerin hatte die ihr vorgelegten amtsärztlichen Untersuchungsberichte selbst aufbewahrt. Die Getränkeprovision und das Stichgeld aus den Kreditkartenumsätzen, das vom "Club" vereinnahmt wurde, wurde den Prostituierten nicht unmittelbar ausgehändigt, sondern täglich nach Abzug der Kostenpauschalen, wie "Zimmermiete" und Inseratsumlagen, abgerechnet. Nur der Restbetrag wurde ihnen sodann von der Bardame bar ausbezahlt (vgl. Aussage der Zeuginnen D, B und M). Auf diese Weise hatte die Klägerin nicht nur den Großteil der Einnahmen "einkassiert". Sie hatte zudem einen guten Überblick, wie viel jede Dame "einbrachte". War sie mit einer nicht mehr zufrieden, wurde sie (vgl. Aussage der Zeugin K) "unsanft rausgeschmissen". Die daraus folgende organisatorische Eingliederung der Prostituierten in den Betrieb der Klägerin (vgl. BSG-Urteil vom 10. August 2000 in NZS 2001, 414 "Telefonsex") wird durch die Aussage der Zeugin S bestätigt, sie habe die Situation damals so empfunden, sie und der Club hätten das (Stich-)Geld zu versteuern. Hinzu kommt, dass mit Tagesplänen, die von der Zeugin H aufgestellt und hinter der Bar aufbewahrt wurden (vgl. deren Aussage vor dem Amtsgericht M), die für den Betrieb des "W" ausreichende Präsenz an Prostituierten sichergestellt wurde. Ob und inwieweit die Prostituierten frei wählen konnten, an welchen Tagen sie arbeiten wollten, kann dahingestellt bleiben (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 24. Februar 1999 2 K 7576/95, [...]). Völlig ausreichend für ihre Eingliederung in die Organisation der Klägerin ist, dass durch ihre gegenseitige Absprache, an welchen Tagen die einen bzw. die anderen kommen wollten und damit auch kommen sollten, eine ausreichende Präsenz an "Damen" gewährleistet war, zumal sie nach Aktenlage auch einzuspringen bereit waren, falls eine von ihnen wider Erwarten nicht kommen konnte. Schließlich wollten die Prostituierten - wie die Klägerin selbst vortrug - aus eigenem wirtschaftlichem Interesse möglichst oft und möglichst lange arbeiten. Da somit bereits auf diese Weise sichergestellt war, dass der Club "lief", waren weitergehende Weisungen seitens der Klägerin entbehrlich. Inwieweit in Etablissements wie dem vorliegenden Weisungen der Betreiber(in) überhaupt üblich sind, kann daher dahingestellt bleiben (vgl. § 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001, BStBl I 2001, 3983). Zu berücksichtigen ist insoweit allerdings, dass die Klägerin anhand der Tagespläne wie ein Arbeitgeber die Einsatzbereitschaft jeder Dame überprüfen und ggf. - wie möglicherweise im Fall K - entsprechend reagieren konnte. Dass die Prostituierten nicht ausschließlich für den Club arbeiten mussten, sondern weiteren Beschäftigungen nachgehen konnten, dass sie die Arbeit bei der Klägerin aus freien Stücken aufnahmen und jederzeit beenden konnten, schließt die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht aus. Eher von Bedeutung ist insoweit, dass sie sich, so sie überhaupt zur Arbeit kamen, - wie Arbeitnehmer - grundsätzlich an die Öffnungszeiten des Clubs zu halten hatten und auch sonst gleichberechtigt waren (vgl. Aussage der Zeugin S).

Die Prostituierten hatten aber nicht nur die sexuellen Wünsche der Kunden des Clubs zu befriedigen. Sie hatten diese darüberhinaus zum Getränkekonsum anzuhalten, zu bedienen und wohl auch zu tanzen (vgl. Aussage der Zeugin H). Eigene Getränke zu verkaufen, war ihnen nicht erlaubt. Zum Ausgleich dafür waren sie - wie in der Gastronomie üblich - am Getränkeumsatz beteiligt. Auch in ihrer Funktion als Animierdamen waren sie also in arbeitsorganisatorischer Abhängigkeit in den Betrieb des Clubs eingegliedert und zwar unabhängig davon, wo sie die Getränke an den "Mann" brachten. Da davon auszugehen ist, dass die Klägerin bzw. die von ihr damit beauftragte H eine Prostituierte nur einstellte, wenn sich diese neben ihrer Bereitschaft zur Prostitution auch als Animierdame einsetzen lies, beide Tätigkeiten am gleichen Ort und unter den gleichen organisatorischen Bedingungen auszuüben waren, sind beide Tätigkeiten einheitlich zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1987 IV R 189/85, BStBl II 1987, 783; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 10).

c) Entgegen dem Vortrag der Klägerin trugen ihre Prostituierten kein eigenes unternehmerisches Risiko. Abgesehen davon, dass sie nach außen hin nicht als (Sub-)Unternehmer auftraten (s. o.), hatten sie weder eigenes Kapital einzusetzen, noch ein sonstiges Kostenrisiko, das - wie dies für einen Unternehmer typisch ist - über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. "Miete" für die Zimmernutzung einschließlich der Bettwäsche, Handtücher und Bademäntel war ohnehin nur zu bezahlen, wenn eine Prostituierte zur Arbeit erschien. Die Miete wurde dann zum Arbeitsende mit dem Stichgeld und der Getränkeprovision verrechnet. Wenn ein Mädchen mal keine Einnahmen erzielte, konnte die Miete auch später bezahlt werden (vgl. Aussage der Zeugin S); ggf. wurde sie erlassen (vgl. Aussage der Zeugin H). Entsprechendes gilt wohl für den Werbeaufwand der Klägerin. Ob und inwieweit dieser auf die Prostituierten umgelegt wurde, ist nach deren Aussagen allerdings offen (keine Umlage: S, D: teilweise Umlage: M; unbestimmt: B, K, Ch. Scholz). Im Ergebnis hatte die Klägerin also von den gesamten Einnahmen des "Clubs", auf die sie kraft dessen Organisation Zugriff hatte, soviel vorweg selbst einbehalten, dass sie auf ihre Kosten kam, und nur den "Überhang" an ihre Prostituierten für deren Arbeit ausbezahlt. Soweit das Amtsgericht M in seinem Urteil vom 03. Juli 2007 Az. 44 C 37234/06 die Auffassung vertrat, die Klägerin habe die im Jahr 2003 mit Kreditkarten bezahlten Stichgelder nur für die betreffende Prostituierte vereinnahmt, folgt dem der Senat nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die Verhältnisse im Laufe der Jahre geändert hatten. Dafür, dass die Klägerin in den Streitjahren nur als "Zahlstelle" für die Prostituierten fungierte, gibt es keine Anhaltspunkte. So kann nach Auffassung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass Vertragpartner der Kunden die im Club "umherschwirrenden" Prostituierten waren. Abgesehen davon, dass er wohl weder deren tatsächlichen Namen noch die Anschrift kannte, musste er davon ausgehen, dass diese zum "Club" gehörte und er daher zusammen mit den Getränken die Leistungen des Clubs in Anspruch nahm. Schließlich bezahlte er auch beides mit einer Rechnung (Abbuchung).

Die Prostituierten hatten zwar ein eindeutiges Entgeltrisiko. So erhielten sie Getränkeprovision nur, wenn sie Kunden zum Verzehr animieren konnten, Stichgelder, wenn ihre Bereitschaft zu sexuellen Handlungen tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Andererseits hatten sie aber auch keine fixen Kosten. Nach Auffassung des Senats schließt daher selbst ihr stark umsatzorientiertes Entgeltrisiko die Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht aus (vgl. BSG-Urteil vom 10. August 2000 in NZS 2001, 414). Denn zum echten Unternehmerrisiko wird ein Entgeltrisiko erst, wenn trotz fehlender Einnahmen Betriebsausgaben zu tragen sind und damit ein "Unternehmen bezogenes Vermögensrisiko" besteht (vgl. BFH-Urteile vom 20. April 1988 X R 40/81, BStBl II 1988, 804 und vom 02. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl II 1999, 534; Urteil des BSG vom 04. Juni 1998 in NZS 1999, 298, Urteile des Landessozialgerichts NRW vom 11. November 2005 L 13 R 112/05, [...], und vom 02. Februar 2006 L 16 KR 253/04, [...]). Ein solches hatten die Prostituierten im vorliegenden Fall aber nicht. Sie hatten, von der zu vernachlässigenden Zimmermiete (vgl. BFH-Beschluss vom 31. März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138), die ohnehin nur anfiel, wenn eine Prostituierte zur Arbeit erschien und ggf. gestundet oder erlassen wurde, und ev. der Umlage für den Werbeaufwand der Klägerin abgesehen, jedenfalls weiter keinen erwerbssichernden Aufwand zu tragen (vgl. BFH-Urteil vom 02. Dezember 1998 in BStBl II 1999, 534). Hinzu kommt, dass sie durch ihre Arbeitsbereitschaft ihren Verdienst durchaus steuern konnten.

2. Der Haftungsbescheid vom 14. Juni 2004 ist im Ergebnis auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Klägerin haftet gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen hatte. Da dem Fahndungsprüfer bzw. dem FA keine Aufzeichnungen zur Entlohnung der Prostituierten vorgelegt wurden, war die Höhe der in den einzelnen Streitjahren ausbezahlten Löhne gem. § 162 AO zu schätzen. Dabei konnte das FA von einer individuellen Ermittlung der Abzugsbeträge für jede Prostituierte absehen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI B 137/03, BFH/NV 2005, 552). Die vom FA mit dem Schreiben vom 28. August 2007 korrigierte Schätzung der Lohnsummen ist im Ergebnis schlüssig. Sie kommt auch der Wirklichkeit hinreichend nahe (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1999 V R 78/98, BFH/NV-BFH/R 1999, 1178). Dass der Kreditkartenumsatz auf Basis der von der Klägerin verbuchten Kreditkartenprovision in Höhe von 8% hochgerechnet und der Bruttolohn sodann mit 80% des so errechneten Kreditkartenumsatzes geschätzt wurde, begegnet keinen Bedenken. Bei dieser Berechnung konnte sich das FA auf die Aussagen der Klägerin und ihrer Prostituierten stützen. Hinzu kommt, dass die Klägerin trotz der Anordnung gem. § 79b Abs. 2 FGO vom 06. November 2007 gegen die Berechnung des FA im Schreiben vom 28. August 2007 keine substantiierten Einwände vorgetragen hat. Gleiches gilt für die Bareinnahmen in Höhe von 25% des Kreditkartenumsatzes. Dieser Satz 1iegt nach Kenntnis des Senats, der bereits mehrfach mit vergleichbaren Fällen befasst war (vgl. z.B. die im Internet abrufbaren Senats-Urteile vom 23. Juni 2003 8 K 5109/02 und vom 21. Juli 2006 8 K 5113/03), im Rahmen des Gängigen. Der Hinzurechnung der Bareinnahmen zum haftungsrelevanten Lohn steht nicht entgegen, dass die Prostituierten diese möglicherweise direkt von den Kunden erhielten. Der Klägerin war bekannt, dass die Prostituierten die bar bezahlten Stichgelder direkt kassierten. Sie hatte dies wohl mit ihren Prostituierten vereinbart, zumindest geduldet. Sie war in den Vorgang auch insoweit eingeschaltet, als Leistung und Bezahlung in ihrem Club erfolgten (vgl. BFH-Urteile vom 10. Mai 2006 IX R 110/00, BFH/NV 2006, 2048 und vom 24. Januar 2001 I R 119/98, BStBl II 2001, 512). Der Senat geht weiter auch davon aus, dass die Klägerin die Höhe der Bareinnahmen ihrer Damen kannte, da in dem sog. "Bonbuch" vermerkt wurde, ob bar oder mit Kreditkarte bezahlt wurde (vgl. Aussage H). Zumindest hätte sie die Bareinnahmen anhand der sonstigen Unterlagen errechnen können. Schließlich waren die Preise lt. Leistungskatalog unabhängig von der Art der Bezahlung. Da zudem der Zeitfaktor das wesentliche preisbestimmende Kriterium war, sich die Prostituierte für ihren "Einsatz" bei der Bardame abmelden musste, die auch zu kontrollieren hatte, ob die gebuchte Zeit eingehalten wird, hätte die Klägerin die Bareinnahmen ihrer Damen zumindest überschlägig aus diesen Unterlagen ermitteln können (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BStBl II 1999, 323; BFH-Beschluss vom 28. Juni 2007 VI R 45/02, BFH/NV 2007, 1871).

Zu den so ermittelten Einnahmen der Prostituierten wären jedoch die an ihre Prostituierten ausbezahlten Getränkeprovisionen zu rechnen gewesen, d.h. die Klägerin hätte auch hiervon die Lohnsteuerabzugsbeträge einbehalten und abführen müssen (§§ 38a Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Prostituierten erhielten die Getränkeprovisionen für und in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Club (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Andererseits wären die Löhne der Prostituierten um die sog. "Zimmermiete" zu kürzen gewesen. Die Prostituierten erhielten nur die gekürzten Beträge ausbezahlt (§ 38a Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei der sog. "Zimmermiete" handelt es sich nach Auffassung des Senats auch nicht um bei der Ermittlung der Lohnsteuer nicht zu berücksichtigende Werbungskosten. Die Prostituierten schuldeten der Klägerin keine Miete im eigentlichen Sinn. Vielmehr behielt die Klägerin von den Einnahmen des Clubs, auf die sie Zugriff hatte, von vorneherein soviel ein, wie sie brauchte, um auf ihre Kosten einschließlich eines Unternehmergewinns zu kommen, und leitete an ihre Damen nur das weiter, was übrig blieb. Dafür, dass die Prostituierten keine Miete zu zahlen hatten, sondern das "Haus" alle Betriebskosten trug und diese pauschal von den Einnahmen der Prostituierten vorab abzog, sprechen mehrere Indizien. So hatten sie nach Auffassung des Senats die "Miete" nicht aus eigenständigem Rechtsgrund zu bezahlen. Vielmehr behielt die Klägerin von den Einnahmen des "Clubs", auf die sie kraft Organisation direkten Zugriff hatte, so viel ein, wie sie brauchte, um auf ihre Kosten zu kommen (s. o.). Die Prostituierten hatten weder einen Anspruch auf ein festes Zimmer, noch einen eigenen Schlüssel. Die "Miete" wurde zudem pauschal erhoben und war nur zu bezahlen, wenn eine Dame auch zur Arbeit kam. Sie wurde am Arbeitsende vom Stichgeld bzw. der Getränkeprovision einbehalten, so dass die Prostituierten keinerlei Zugriff auf die Beträge hatten. Hatte eine Prostituierte keine oder nicht ausreichend hohe Einnahmen erzielt, wurde ihr ggf. die "Miete" gestundet oder gar erlassen. Ob wohl das FA die von den Prostituierten vereinnahmten Stichgelder nicht um vorweg einbehaltenen "Mieten" gekürzt hatte, ergibt sich per Saldo keine Minderung der Haftungsbeträge. Nach den unbestrittenen Angaben des FA im Schreiben vom 28. August 2007 erhielten die Prostituierten in jedem Streitjahr deutlich höhere Getränkeprovisionen, als ihnen für die Betriebskosten der Zimmer (sog. "Miete") abgezogen wurde, so dass sich im Ergebnis keine Minderung der Lohnsummen ergibt.

Entsprechendes gilt für die Inseratumlagen. Nachdem die überwiegende Zahl der vom Amtsgericht M vernommenen Prostituierten aussagte, sie hätten keinen Werbeaufwand getragen und weitere Damen sich hieran nicht mehr erinnern konnten, geht der Senat davon aus, dass die Schätzung des FA über den von der Klägerin umgelegten Werbeaufwand zu hoch gegriffen ist und sich die von der Klägerin umgelegten Kosten mit den von den Prostituierten vereinnahmten Getränkeprovisionen selbst im letzten Jahr die Waage halten. Selbst wenn man daher auch einen Vorwegabzug für Werbeaufwand unterstellt, ist nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass die dem Haftungsbescheid zugrunde gelegten Lohnsummen für die einzelnen Jahre per Saldo nicht zu hoch angesetzt wurde.

Die Ermittlung der Lohnsteuer mit einem Durchschnittssteuersatz von 20%, der unter demjenigen von Arbeitnehmern ohne Lohnsteuerkarte gem. § 38c Abs. 1 S. 4 EStG in den Streitjahren liegt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist im Lohnsteuerhaftungsverfahren eine Schätzung nach Durchschnittssteuersätzen zulässig und insbesondere dann geboten, wenn der Arbeitgeber - wie im Streitfall - die erforderlichen Aufzeichnungen nicht vorlegen kann (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164 und VI R 72/82, BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170) und das FA von sich aus Nachforschungen anstellen müsste (BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VI R 167/83, BFHE 146, 553, BStBl II 1986, 681, unter Nr. 2 e);vom 17. März 1994 VI R 120/92, BFHE 174, 89, BStBl II 1994, 536).

3. Das FA hat sein im Rahmen des § 42d Abs. 3 EStG eröffnetes Ermessen, soweit dies vom Gericht in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbar ist, in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Es hat seine Begründungspflicht im Hinblick auf sein Entschließungsermessen, die Klägerin überhaupt in Anspruch zu nehmen, nicht verletzt. Im Hinblick auf die dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegende Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, war der Erlass des Haftungsbescheides geboten (vgl. BFH-Urteile vom 29. September 1987 VII R 54/84, BStBl II 1988, 176, vom 29. Mai 1990 VII R 81/89, BFH/NV 1991, 283, vom 13. November 1990 VII R 96/88, BFH/NV 1991, 641, 643 undvom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Aufzeichnungen zu den in den einzelnen Jahren im Club tätigen Prostituierten lagen dem Fahndungsprüfer offensichtlich nicht vor. Sie wurden trotz mehrfacher Aufforderung seitens des FA auch nicht nachgereicht. Hinzu kommt, dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer Beitreibungsmöglichkeit bei den einzelnen Prostituierten ausgegangen werden konnte.

4. Ob und inwieweit sich die Klägerin über ihre Pflichten als Arbeitgeberin informiert hatte, kann dahingestellt bleiben. Die Haftung des Arbeitgebers gem. § 42d EStG ist - wie die Klägerin selbst vorgetragen hat - verschuldensunabhängig. Da dies der ständigen Rechtsprechung des BFH entspricht (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Februar 2007 VI B 29/06, BFH/NV 2007, 969 m. w. Rspr.Hinw.), sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2004 in BFH/NV 2005, 552).



Ende der Entscheidung

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