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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 9 K 1329/04
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4
EStG § 9
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 8
EStG § 12 Nr. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Kosten für eine Haushaltshilfe sind nach § 12 Nr. 1 EStG auch dann nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn deren Beschäftigung Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sein sollte. Die Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen verstößt weder gegen Art. 6, noch gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 2, noch gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Finanzgericht München

In der Streitsache

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ..., des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ...

ohne mündliche Verhandlung am 20. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger erzielt als Notar Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Einkünfte für die Streitjahre 1999 bis 2001 wurden vom beklagten Finanzamt (FA) nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 b Abgabenordnung (AO) gesondert festgestellt.

Nach einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung erließ das FA mit Datum vom 12. August 2003 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewinnfeststellungsbescheide, in denen Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1.861.532 DM (1999), 1.714.610 DM (2000) und 231.548 DM (2001) festgestellt wurden.

Der Kläger legte gegen die Gewinnfeststellungsbescheide vom 12. August 2003 Einspruch ein und beantragte, die Kosten für eine Haushaltshilfe als Betriebsausgaben abzuziehen. Die Beschäftigung einer Haushaltshilfe sei erforderlich, um trotz betreuungsbedürftiger Kinder die angegebenen Einnahmen zu erzielen, da diese Einnahmeerzielung einen Arbeitseinsatz voraussetze, der beim Steuerpflichtigen und seiner ebenfalls berufstätigen Ehefrau die übliche Stundenzahl eines Arbeitnehmers deutlich übersteige. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 3. März 2004). Nach Auffassung des FA entstehen die Aufwendungen im Bereich der privaten Lebensführung, auch wenn sie mittelbar die Erzielung von Einnahmen förderten. Eine Aufteilung der Kosten in einen privaten und beruflichen Teil sei nicht nach objektiven und leicht nachprüfbaren Merkmalen möglich. Die Regelung des § 12 Nr. 1 EStG sei für das FA bindend. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) liege durch die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nicht vor.

Dagegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger weiterhin den Abzug der Kosten für eine Haushaltshilfe als Betriebsausgaben begehrt. Er trägt vor, der Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse, der z.B. schon zu einer Änderung der Rechtsprechung bei der Abgrenzung zwischen Aus- und Fortbildungskosten geführt habe, erfordere, die Grenzlinie zwischen den Kosten der Lebensführung und den Betriebsausgaben/Werbungskosten auch bei den haushaltsnahen Dienstleistungen neu zu ziehen. Die Abgrenzung könne so gezogen werden, dass Betriebsausgaben/Werbungskosten dann vorlägen, wenn es dem Steuerpflichtigen, z.B. wegen der zeitlichen Beanspruchung durch seinen Beruf oder wegen betreuungsbedürftiger Kinder oder sonstiger Angehöriger, nicht zugemutet werden könne, die in seinem Haushalt anfallenden Arbeiten in vollem Umfang selbst zu erledigen. Auf der Ebene des Verfassungsrechts verstoße die Klassifizierung der Aufwendungen für ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis als nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), denn es sei für einen Unternehmer ein "Kinderspiel", aus den Kosten für eine Haushaltshilfe steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben "zu machen", indem die Haushaltshilfe als betriebliche Angestellte deklariert werde. Diese Abgabenverkürzung bleibe in der Praxis sanktionslos, da dieser Tatbestand von der Finanzverwaltung nicht aufgegriffen werde. Damit liege ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, welches seine Ursache in den gesetzlichen Regelungen des Erhebungsverfahrens und in den Verwaltungsvorschriften habe, die der Gesetzgeber bewusst und gewollt bei seiner Regelung hingenommen habe. Die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit führe nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Zinsbesteuerung (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2BvR 1493/89, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1991, 652) zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Norm des § 12 Nr. 1 EStG.

Daneben verstoße die Nichtabzugsfähigkeit der Kosten von Haushaltshilfen gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und Art. 6 GG, da sie sich im Ergebnis frauen-, familien- und kinderfeindlich auswirke und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen wirke. Das BVerfG habe in der Entscheidung zur Gleichstellung von Familien- und Erwerbsarbeit (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 1 BvR 105/95 u.a., BVerfGE 105, 1) letztlich auch verfassungsrechtliche Vorgaben für § 12 Nr. 1 EStG aufgestellt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

in Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1999 bis 2001 vom 12. August 2003 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 3. März 2004 den Gewinn aus selbständiger Arbeit um 66.676,44 DM in 1999, 67.278,35 DM in 2000 und 65.923,05 DM in 2001 herabzusetzen.

Das FA beantragt

Klageabweisung und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat zu Recht den Abzug der streitigen Aufwendungen als Betriebsausgaben abgelehnt. 1. Betriebsausgaben sind nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine betriebliche Veranlassung liegt bei Aufwendungen, die in Form von Arbeitslohn an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen getätigt werden, grundsätzlich nur vor, wenn es sich um einen im Betrieb des Steuerpflichtigen beschäftigten Arbeitnehmer handelt. Dagegen ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für Arbeitnehmer, die im Haushalt des Steuerpflichtigen beschäftigt sind, als Betriebsausgaben selbst dann nicht möglich, wenn diese Aufwendungen Voraussetzung für die Ausübung des Berufs des Steuerpflichtigen sein sollten. Die Systematik des Einkommensteuerrechts steht einer Berücksichtigung solcher Aufwendungen entgegen, die primär im privaten Haushalt des Steuerpflichtigen entstehen und mit seinem Beruf nur in einem mittelbaren Zusammenhang stehen (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 5. Dezember 1997 VI R 94/96, BStBl II 1998, 211 unter II.2). Der Gesetzgeber hat die steuerliche Berücksichtigung dieser Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen dem Bereich der Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 1997 bis 2001), ab 2002 dem Bereich der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33c EStG (Kinderbetreuung) und ab 2003 dem Bereich des § 35 a EStG (Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse) zugeordnet. Erst ab dem Veranlagungszeitraum 2006 hat der Gesetzgeber mit § 4 f EStG in Abkehr von der bisherigen Beurteilung die Möglichkeit geschaffen, Aufwendungen für Kinderbetreuung in begrenzter Höhe zwar nicht als aber "wie" Betriebsausgaben (bzw. Werbungskosten nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 f EStG) abzuziehen.

Eine - wie der Kläger vorschlägt - Auslegung der §§ 4 Abs. 4 und 9 EStG in Verbindung mit § 12 Nr. 1 EStG dahingehend, dass Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsausgaben /Werbungskosten abzugsfähig sind, würde dazu führen, dass die ausdifferenzierten gesetzlichen Regelungen im Bereich der Sonderausgaben bzw. der außergewöhnlichen Belastungen und in der neu geschaffenen Norm des § 4 f EStG weitgehend leer liefen. Ein Gesetz darf nach einem allgemeinen Grundsatz der Methodenlehre nicht in der Weise ausgelegt werden, dass es keinen nennenswerten Regelungsbereich mehr hat (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BStBl II 2006, 420 unter II. 5. b m.w.N.).

Eine solche Auslegung würde zudem der erkennbaren Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der Forderung nach einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit nachzukommen, ohne dadurch diejenigen Steuerpflichtigen über Gebühr zu benachteiligen, die unter ganzen oder teilweisen Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit eines Ehepartners nicht in größerem Umfang Hausangestellte beschäftigen. Bereits die bis 2001 bestehende Möglichkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG, Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse bis 18.000 DM im Jahr als Sonderausgaben abzuziehen, war als sog. "Dienstmädchenprivileg für Besserverdienende" sehr umstritten (vgl. z.B. Süddeutsche Zeitung vom 13. März 2002 "Aus für das Dienstmädchenprivileg"). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots, dass es Ehegatten frei stehen muss, ihre Ehe so zu führen, dass ein Ehepartner allein einer Berufstätigkeit nachgeht und der andere sich der Familienarbeit widmet, ebenso wie sie sich dafür entscheiden können, beide einen Beruf ganz oder teilweise auszuüben und sich die Hausarbeit und Kinderbetreuung zu teilen oder diese durch Dritte durchführen zu lassen (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 1 BvR 105/95 u.a., BVerfGE 105, 1) wäre ein unbeschränkter Abzug der entsprechenden Aufwendungen nur für Ehegatten, die beide Erwerbseinkünfte beziehen, verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Dazu kommt, dass Selbständige - anders als Nichtselbständige - durch Abschluss von Ehegattenarbeitsverträgen unschwer in der Lage wären, die Erwerbstätigkeit des Ehegatten herbeizuführen. 2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Nichtabzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis auch nicht nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, weil Gewerbetreibende und Selbständige bei einer Deklaration einer Hausangestellten als betriebliche Kraft die Möglichkeit hätten, die Kosten steuerlich geltend zu machen.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann die gesetzliche Besteuerungsgrundlage verfassungswidrig sein, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt wird (sog. strukturelles Vollzugsdefizit; vgl. BVerfG- Urteile vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89 , BStBl II 1991, 654, 664 ff. zur Zinsbesteuerung, sog. Zinsurteil; und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BStBl II 2005, 56, 62 ff. zur Besteuerung von Veräußerungsgeschäften bei Wertpapieren, sog. Spekulationsurteil).

Ein solches dem Gesetzgeber zuzurechnendes Defizit in der Erhebung der in Frage stehenden Steuer kann im Bereich der Aufwendungen für ein haushaltsnahes Beschäftigungsverhältnis nicht festgestellt werden. Führt ein Gewerbetreibender oder Selbständiger dadurch eine Steuerverkürzung durch, dass er eine Hausangestellte als betriebliche Angestellte deklariert, so kann nicht davon die Rede sein, dass wegen der rechtlichen Gestaltung des Erhebungsverfahrens kein nennenswertes Entdeckungsrisiko besteht. Vielmehr muss er damit rechnen, dass diese Steuerverkürzung - ebenso wie bei jeder anderen Form der Steuerverkürzung im Bereich der Betriebsausgaben - im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt wird. Die Behauptung des Klägers, dass die in Frage stehende Form der Steuerverkürzung von den Betriebsprüfungen mehr oder weniger gewollt nicht aufgegriffen wird, erscheint dem Senat fern liegend. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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