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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 9 K 1893/02
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 31 S. 3
EStG § 70 Abs. 2
EStG § 169 Abs. 1 S. 1
EStG § 169 Abs. 2 Nr. 2
AO 1977 § 8
AO 1977 § 155 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

9 K 1893/02

In der Streitsache

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht, des Richters am Finanzgericht ... und der Richterin am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richter ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 11. Februar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 wird insoweit aufgehoben, als er den Zeitraum Januar 1996 bis einschließlich Dezember 1997 betrifft. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/7 und der Beklagte zu 2/7.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger für seine Stieftochter, geboren am 20. Januar 1977, Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 zusteht.

Der Kläger ist seit 27. Dezember 1990 mit einer Thailänderin verheiratet und Stiefvater deren Tochter P. P hielt sich laut amtlicher Bescheinigung der Gemeinde H seit 4. April 1992 in Deutschland auf und wohnte beim Kläger. Laut Aufenthaltsbescheinigung der Stadt M vom 28. August 2001 zog sie am 15. Mai 1993 nach M und hatte den Hauptwohnsitz in der AStraße.

Am 19. Mai 1995 ging sie zurück nach Thailand und besuchte nach Abschluss des Gymnasiums in S, Thailand vom 1. Juni 1996 bis 25. März 1998 die Berufsschule für Buchhaltung und Handel, Fachbereich Betriebswirtschaft, in Bangkok. Ab dem 9. Juni 1998 studierte sie Philologie mit Studienschwerpunkt Englisch an der Universität B und lebte auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin in Thailand.

Nach Angabe des Klägers hatte die Stieftochter in der Zeit von Januar 1996 bis Juli 1999 folgende Aufenthalte in Deutschland:

 Ausreise ThailandEinreise DeutschlandWiedereinreise Thailand
27. April 199622. Mai 19962. Oktober 1996
6. November 19969. April 199726. April 1997
12. Juli 199726. Juli 19974. Oktober 1997
1. November 199718. Mai 199819. Mai 1998
25. Mai 199812. Juli 199926. Juli 1999.

Die Agentur für Arbeit D - Familienkasse (= der Beklagte) - hatte dem Kläger anlässlich eines Sozialgerichtsverfahrens für den Zeitraum ab Mai 1994 mit Bescheid vom 10. Dezember 1999 Kindergeld bis einschließlich Dezember 1995 gewährt. Mit Bescheid vom 11. Februar 2002 nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 mit der Begründung auf, dass P im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002) erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin Kindergeld für seine Tochter ab Januar 1996. Zur Begründung trägt er vor, die Tochter habe trotz der Rückkehr nach Thailand, um nach Abschluss des dortigen Abiturs Betriebswirtschaftslehre und Englisch zu studieren, von Anfang an die feste Absicht gehabt, nach Abschluss des Studiums nach Deutschland zurückzukehren und bei einem deutschen Arbeitgeber Arbeit zu finden. Seit Januar 1999 habe sie in Thailand eine IT-Fachausbildung absolviert, wie die beigefügte Schulbestätigung für den Zeitraum 16. Januar 1999 bis 22. Dezember 2000 belege.

Es sei von ihr bisher und auch weiterhin beabsichtigt gewesen, bei der B-AG, bei der er seit über 33 Jahren beschäftigt sei, eine Ausbildung durchzuführen, was sich aus der vorgelegten Bewerbung bei der B-AG ergebe, die P dort in ihren Semesterferien am 19. Juli 1999 eingereicht habe. Die Ausbildung habe zuerst in Deutschland stattfinden sollen. Eine Entsendung nach Thailand sei erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen gewesen.

Die Tochter habe im elterlichen Reihenhaus in M, in dem sie den Hauptwohnsitz habe und gemeldet sei, ein komplettes, eigens für sie umgebautes Dachstudio mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und Duschbad mit einer Gesamtgröße von ca. 29 qm zur Verfügung, das mit ihren eigenen Möbeln eingerichtet sei. Dort befänden sich große Teile der Winter- bzw. Sommergarderobe, insbesondere die Wander- und Sportschuhe.

Sie habe seit 1996 alle Semesterferien in Deutschland verbracht und dabei weiterhin auch Deutsch-Intensivkurse belegt, so dass es auch keine sprachlichen Hindernisse gebe, die Ausbildung in Deutschland zu absolvieren.

Da die Aufenthaltserlaubnis seit 14. Mai 1992 niemals unterbrochen gewesen sei und die aktuelle Aufenthaltserlaubnis vom 17. Juli 2001 datiere, gebe es außerdem keine ausländerrechtlichen Probleme. Der Pass selbst sei nicht in Thailand, sondern von ihr selbst bei der thailändischen Botschaft in B beantragt und von dieser ausgestellt worden.

Sie habe auch seit Jahren Konten sowie einen Sparvertrag bei der Bank M. Sie habe außerdem religiöse und kulturelle Betreuung und einen Freundeskreis in M. Schließlich sei sie weiterhin bei der Betriebskrankenkasse der BAG bei ihm familienversichert und habe die anfallenden Arzttermine in M wahrgenommen.

In Thailand habe sie im Haus der Schwester seiner Ehefrau gelebt. Ihr letzter Aufenthalt in M sei in der Zeit vom 24. Juli bzw. etwa 10 Tage früher bis 23. September 2001 gewesen.

Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 26. April und vom 26. Juni 2002 sowie die damit eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 11. Februar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Bezüglich der Frage der Verjährung weist er darauf hin, dass § 78 EStG a.F. auf den Streitfall nicht anzuwenden sei. Ein nahtloser Übergang vom Bundeskindergeldgesetz auf das EStG läge hier nicht vor, da die Kindergeldfestsetzung 1999 rückwirkend ergangen sei. Die Familienkasse hätte vielmehr statt einer Aufhebung der Festsetzung einen neuen Kindergeldantrag ablehnen müssen.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2006 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist hinsichtlich der Jahre 1996 und 1997 begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Änderung der Kindergeldfestsetzung für die Jahre 1996 und 1997 war rechtswidrig und daher aufzuheben. Zu Recht hat die Familienkasse jedoch die Kindergeldfestsetzung für P ab Januar 1998 aufgehoben.

1. Für die Jahre 1996 und 1997 war zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheids am 11. Februar 2002 die Festsetzungsfrist gemäß §§ 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, 155 Abs. 4 AO i.V.m. § 31 S. 3 EStG bereits abgelaufen.

a) Die Festsetzungsfrist für das Kindergeld beträgt grundsätzlich 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer(-vergütung) entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO), hier also mit Ablauf des Jahres 1996 bzw. 1997. Die vierjährige Festsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des Jahres 2000 bzw. 2001.

b) Die Festsetzungsfrist wurde auch nicht durch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 a AO hinausgeschoben. Danach läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über einen eingelegten Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist, es sei denn, der Rechtsbehelf ist unzulässig.

Der Kläger erhob am 2. Februar 1996 vor dem Sozialgericht (SozG) München gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Mai 1994 Klage, die nach Erlass des Änderungsbescheids vom 10. Dezember 1999, mit dem Kindergeld bis einschließlich Dezember 1995 gewährt wurde, von den Parteien für erledigt erklärt wurde. Die vom SozG für die Jahre ab Januar 1996 mit Beschluss vom 12. Mai 1999 an das Finanzgericht (FG) München verwiesene Klage mit dem Aktenzeichen 9 K 2670/99 hat der Kläger am 26. April 2002 zurückgenommen.

Die Klagerücknahme erfolgte damit zwar erst nach Erlass des im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Aufhebungsbescheids vom 11. Februar 2002. Die Klage 9 K 2670/99 ist aber durch Erlass des Änderungsbescheids vom 10. Dezember 1999 und die daraus folgende Erledigung des Verfahrens vor dem SozG unzulässig geworden, denn gemäß § 78 EStG a.F. galt Kindergeld, das - wie im Streitfall - bis zum 31. Dezember 1995 nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährt worden war, als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist § 78 EStG a.F. auf den Streitfall anwendbar. Der Einwand des Beklagten, ein nahtloser Übergang vom Bundeskindergeldgesetz auf das EStG läge hier nicht vor, da 1999 eine Kindergeldfestsetzung rückwirkend ergangen sei, greift nicht durch. Vielmehr bezweckte § 78 Abs. 1 EStG a.F. gerade, dass gewährtes Kindergeld grundsätzlich ohne weitere Antragstellung und Festsetzung weiterhin gezahlt wird (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 15. Aufl., § 78 Rz. 1; Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG - DA-FamEStG - 78.1, in der in den Streitjahren 1996 und 1997 geltenden Fassung vom 28. Juni 1996, Bundessteuerblatt - BStBl - I 1996, 707, 818). Nach DA-FamEStG 1996, 78.2 ist Kindergeld i.S. des § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. auch dann gewährt, wenn es - unabhängig vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts - für Dezember 1995 zwar bewilligt wurde, jedoch nicht mehr im Jahre 1995 zur Auszahlung gelangt ist.

Da ein Aufhebungsbescheid für die Jahre ab 1996 zunächst nicht erlassen wurde, war dem Begehren des Klägers mit Erlass des Änderungsbescheids vom 10. Dezember 1999 auch für die Jahre ab 1996 i.S. des § 78 Abs. 1 EStG a.F. Rechnung getragen. Es fehlte daher für das FG-Verfahren an einer Beschwer. Zusätzlich richtete sich die Klage gegen den falschen Bescheid, da der Bescheid vom 10. Dezember 1999 nicht gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war, so dass die Klage auch aus diesem Grund unzulässig geworden ist. Infolgedessen endete mit Erledigung des SozG-Verfahrens auch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 a AO.

c) Eine Änderung der Festsetzung war aus denselben Gründen auch nicht nach § 70 Abs. 2 EStG in der in den Streitjahren 1996 und 1997 geltenden Fassung möglich, da diese Änderung zwar rückwirkend, aber gleichfalls nur in den Grenzen der Verjährung erfolgen kann (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 70 Rz. 5).

d) Die Festsetzungsfrist verlängerte sich auch nicht auf zehn bzw. fünf Jahre, weil der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen oder Steuern leichtfertig verkürzt hätte (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Insbesondere war der Familienkasse bereits aus dem für die Jahre vor 1996 geführten SozG-Verfahren bekannt, dass die Stieftochter wieder in Thailand lebt, so dass der Kläger die Finanzbehörden nicht pflichtwidrig i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hat.

2. Für die Jahre ab 1998 hatte die Stieftochter im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

a) Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 EStG hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben.

Thailand zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

Der Wohnsitzbegriff i.S. von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reichen nicht aus (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294 m.w.N.).

Kinder, die sich lediglich zum Zwecke einer zeitlich begrenzten Schul- oder Berufsausbildung im Ausland aufhalten, behalten zwar in der Regel ihren Wohnsitz im Inland bei. Begibt sich das Kind aber zum Zwecke einer Schul- oder Berufsausbildung zu Verwandten ins Ausland und hält es sich dort länger auf, reicht nach der Rechtsprechung die Absicht, nach Abschluss der Ausbildung wieder nach Deutschland zurückzukehren, allein nicht aus, um den Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes anzunehmen. Der Inlandswohnsitz besteht in derartigen Fällen nur fort, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Inland hat (also keine Wohnsitzbegründung im Ausland) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt (vgl. BFH in BStBl II 2001, 294; Urteil des FG München vom 16. Oktober 2002 9 K 1526/98, juris; Hessisches FG Urteil vom 16. Februar 2005 9 K 1246/02, juris).

Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht "zwischenzeitliches Wohnen" in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Zum einen müssen die objektiven Wohnverhältnisse so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten. Zum anderen darf die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung nicht nur Besuchscharakter haben, wie das bei Aufenthalten von jeweils zwei bis drei Wochen pro Jahr der Fall ist (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFH/NV 2001, 680 m.w.N.). Auch ein achtwöchiger Ferienaufenthalt reicht jedoch nicht aus, um die Aufrechterhaltung seines Inlandswohnsitzes anzunehmen (Hessisches FG, a.a.O.; vgl. auch Urteil des FG München vom 29. März 2006 9 K 5241/04, juris). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

b) Bei Anwendung der genannten Grundsätze kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die Stieftochter des Klägers in den Jahren 1998 bis 2002 weder einen Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hatte. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob im streitigen Zeitraum in der Wohnung des Klägers ein eigenes Zimmer für die Tochter bereitstand. Auch in diesem Fall hätte die Tochter in Deutschland keinen Wohnsitz gehabt.

Zwar hat der Kläger schlüssig vorgetragen, dass sich P vom 19. bis 25. Mai 1998 in Deutschland aufgehalten hat. Für die Zeit vom 12. bis 26. Juli 1999 ist hingegen festzuhalten, dass trotz des Stempels im Pass, der eine Ausreise aus Thailand am 12. Juli 1999 bestätigen soll, eine von P unterschriebene Bescheinigung der Berufsschule zum Nachweis ihrer Ausbildung vorgelegt wurde, die vom 13. Juli 1999 datiert. Eine Einreise in Deutschland kann daher am 12. bzw. 13. Juli 1999 nicht stattgefunden haben. Für die Zeit vom 24. Juli bzw. 10 Tage früher bis 23. September 2001 wurde lediglich eine Kopie des Tickets vorgelegt.

Eine entsprechende Passkopie, auf der sich ein Einreisestempel von Deutschland befindet, fehlt ebenfalls. Doch auch wenn man, dem Vortrag des Klägers folgend, einen Aufenthalt der Stieftochter in der Bundesrepublik während der angegebenen Zeiten annimmt, führt dies zu keiner anderen Entscheidung, weshalb der Senat auf die Einvernahme der für diese Tatsache als Zeugin angebotenen Stieftochter verzichten konnte.

Die angeblichen Aufenthaltszeiten der Stieftochter in Deutschland reichen im Streitfall nicht aus, um nach Wiederbegründung des Wohnsitzes in Thailand in der Wohnung ihrer Tante in ... im Jahr 1995 ein Fortbestehen des früheren inländischen Wohnsitzes anzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei Anwesenheitszeiten von zwei bis drei Wochen im Jahr - wie im Streitfall in den Jahren 1998 und 1999, wobei der Aufenthalt im Jahr 1998 sogar nur eine Woche betrug - vom Besuchscharakter des Aufenthalts auszugehen. Doch auch der vom Kläger behauptete achtwöchige Aufenthalt der Stieftochter in Deutschland im Jahr 2001 führt nicht dazu, dass vom Fortbestand oder der Wiederaufnahme des ehemaligen Wohnsitzes in der Bundesrepublik auszugehen ist. Bei Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles kommt der Senat zu der Auffassung, dass auch diesem Aufenthalt nur Besuchscharakter beizumessen ist. Die Tochter war nach wie vor in Thailand in Ausbildung und hatte dort ihren Wohnsitz. In den Jahren zuvor war sie laut Vortrag des Klägers nur für insgesamt drei Wochen in Deutschland. Einen zweiten Schwerpunkt der Lebensverhältnisse, wie ihn der BFH im Fall der Begründung eines Auslandswohnsitzes fordert, vermag der Senat dabei nicht zu erkennen. Dass P in dieser Zeit eine Wohngelegenheit bei ihrem Stiefvater in M hatte und sich ein Teil ihrer Freizeitkleidung in M befand, sie weiter bei ihrem Vater familienversichert war und Arzttermine in M wahrnahm, ändert an diesem Ergebnis ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie im Inland ein Bankkonto unterhalten und Deutschkurse besucht hat.

Diese Umstände stellen lediglich Begleiterscheinungen der Tatsache dar, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater ihren Wohnsitz in M hatten. Sie führen jedoch angesichts der Tatsache, dass P seit Mai 1995 wieder in Thailand bei ihrer Tante lebt, im Streitfall nicht dazu, dass aus kurzfristigen Besuchen die Begründung eines Lebensmittelpunktes wird. Ein gewöhnlicher Aufenthalt (§ 9 AO) der Tochter besteht unstreitig nicht.

Für das Jahr 2000 und die Zeit von Januar bis einschließlich April 2002 fehlt es diesbezüglich an einem hinreichend substantiierten Vortrag des Klägers, obwohl dieser mit gerichtlicher Verfügung gemäß § 79 b Abs. 2 FGO aufgefordert worden war, entsprechende Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Da der Kläger dafür die Feststellungslast trägt, war die Klage auch insoweit abzuweisen.

3. Da somit ab 1998 eine Änderung der Verhältnisse eingetreten war, konnte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab diesem Jahr gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

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