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Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 9 K 4039/06
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 19
Der Umstand, dass das FA in einem Veranlagungszeitraum rechtsirrig den Zufluss eines geldwerten Vorteils annnimmt, obwohl dieser erst in einem späteren Veranlagungszeitraum zu erfassen ist, entbindet den Stpfl. nicht von der Verpflichtung, in der Einkommensteuererklärung für den späteren Veranlagungszeitraum, in dem der geldwerte Vorteil richtigerweise zu erfassen ist, den Sachverhalt umfassend zu erklären. Erklärt er den Sachverhalt nur unvollständig und erfasst das FA den Zuflussim Einkommensteuerbescheid nicht, ist eine spätere Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das FA seine Ermittlungspflicht verletzt hat.
Finanzgericht München

9 K 4039/06

Einkommensteuer 1999

In der Streitsache

...

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Finanzgerichts ..., des Richters am Finanzgericht ... und des Richters am Finanzgericht ... sowie der ehrenamtlichen Richterinnen ... und ...

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 13. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger erzielte im Streitjahr 1999 als Angestellter der Firma X-AG (AG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG). Am 3. November 1999 machte er von seinem Wandelungsrecht aus einem im Jahr 1997 mit seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Darlehensvertrag Gebrauch. In diesem Vertrag hatte der Kläger als Darlehensgeber der AG als Darlehensnehmerin ein als Wandeldarlehen bezeichnetes Darlehen über 20.000 DM gewährt. Das mit 2% verzinsliche Darlehen war mit einem Wandelungsrecht ausgestattet. Hiernach war der Kläger berechtigt, erstmalig am 28. Oktober 1999 für maximal 50% der Darlehenssumme Darlehensteilbeträge von je 5 DM in Aktien der AG im Nennbetrag von je 5 DM zu wandeln. Aufgrund der Veränderung der Aktien- und Kapitalstruktur der AG in den Folgejahren wurden die Ansprüche des Klägers auf ursprünglich vorgesehene 2000 Aktien zum Nennbetrag von 5 DM je Aktie auf 100.000 nennbetragslosen Stückaktien umgewandelt. Das Wandeldarlehen beruhte nach dem Geschäftsbericht der AG für 1997 auf einem Beschluss der Hauptversammlung vom 17. September 1997, der den Vorstand der AG ermächtigte, Wandelschuldverschreibungen auszugeben und diese u.a. allen Arbeitnehmern der Gesellschaft im Wege des mittelbaren Bezugsrechts anzubieten. Der Kläger hatte dem zum damaligen Zeitpunkt für ihn zuständigen Wohnsitzfinanzamt S nach Abgabe seiner Steuererklärung für 1997 am 25. Mai 1999 angezeigt, dass er von der Zeichnung eines Wandeldarlehens Gebrauch gemacht habe und ihm von seinem Arbeitgeber mitgeteilt worden sei, dass er mit der Zeichnung einen steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe von 26.946 DM erzielt habe. Als Anlagen fügte er den Wandeldarlehensvertrag mit der AG vom 21. Oktober 1997, das Anschreiben des Arbeitgebers vom 7. Mai 1999 und ein Schreiben der P vom 27. April 1999 über die Berechnung des Wandelschuldverschreibungspreises bei, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Im Einkommensteuerbescheid 1997 des Finanzamts S vom 13. August 1999 wurden die erklärten Einkünfte der Einkommensbesteuerung unterworfen. Seiner am 2. Februar 2000 beim nunmehr zuständig gewordenen beklagten Finanzamt (dem Finanzamt - FA - ) eingegangenen Einkommensteuererklärung 1999 fügte der Kläger eine Anlage KSO bei, in der lediglich auf ein Beiblatt verwiesen wurde. In dem Beiblatt erläuterte der Kläger, dass aus den 1999 aus Wandelanleihen bezogenen X-Aktien noch keine Dividenden zugeflossen seien. Weitere Angaben hierzu machte der Kläger nicht. Das FA setzte daraufhin die Einkommensteuer 1999 mit Bescheid vom 24. Februar 2000 erklärungsgemäß fest. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 übersandte das Finanzamt K dem FA eine nach §§ 38 Abs. 4, 41 c Abs. 4 EStG vom Arbeitgeber erstattete Anzeige über nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer mit der Bitte um Auswertung. Aus einer beigefügten tabellarischen Aufstellung ergab sich, dass der Kläger am 3. November 1999 einen Teilbetrag seines Wandeldarlehens i.H. von 10.000 DM in 100.000 Aktien gewandelt hatte. Hieraus errechnete das FA einen geldwerten Vorteil von 8.693.129,49 DM und teilte dem Kläger eine entsprechend beabsichtigte Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 mit. Mit Bescheid vom 9. Mai 2001, geändert durch Bescheid vom 31. Januar 2006, führte das FA die angekündigte Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) durch. Gleichzeitig änderte es den Einkommensteuerbescheid 1997 gemäß § 174 AO und besteuerte den Zufluss aus der Wandelanleihe nicht mehr im Veranlagungszeitraum der Zeichnung.

Der Kläger legte gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 Einspruch ein und begründete diesen damit, dass die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gegeben seien. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. September 2006 setzte das FA die festgesetzte Einkommensteuer herab, da es für die Berechnung des geldwerten Vorteils einen niedrigeren Börsenkurs ansetzte und mit einem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG besteuerte. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung führt der Kläger aus, das FA habe von allen für den Besteuerungstatbestand des § 19 EStG relevanten Tatsachen Kenntnis gehabt, so dass dem FA keine neuen Tatsachen bekannt geworden seien. Hierzu verweist er auf die im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1997 erstattete Anzeige vom 25. Mai 1999 und seine Angaben über die Ausübung des Wandelungsrechtes in der Einkommensteuererklärung 1999. Die Ausübung des Wandelungsrechts, insbesondere der Zeitpunkt und der Umfang der Wandelung, könne vorliegend kein Merkmal des gesetzlichen Steuertatbestands "Einnahmen aus Wandeldarlehen" i.S.d. § 19 EStG i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG im Veranlagungszeitraum 1999 mehr sein, da die Finanzbehörde sich bereits im Veranlagungszeitraum 1997 abschließend für die Vornahme der Anfangsbesteuerung entschieden habe. Es habe insoweit die Erfüllung des gesetzlichen Steuertatbestands von der Einräumung des Wandeldarlehens im Veranlagungszeitraum 1997 abhängig gemacht. Somit könne die Ausübung des Wandelungsrechts in 1999 keine steuerrechtliche Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mehr sein, da die eine Besteuerung auslösenden Tatbestandsmerkmale aus Sicht der Finanzbehörde sämtlich bereits in 1997 verwirklicht worden seien. Im Übrigen sei dem FA bei der Erstveranlagung für 1999 die Ausübung des Wandelungsrechts aufgrund der Angaben in der Einkommensteuererklärung bekannt gewesen. Selbst wenn diese Angaben nicht ausreichend gewesen sein sollten, ergebe sich unter Heranziehung der Grundsätze von Treu und Glauben keine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, da das FA zum einen seiner Ermittlungspflicht aufgrund der gegebenen Angaben nicht nachgekommen sei, zum anderen durch die Durchführung der Anfangsbesteuerung im Einkommensteuerbescheid 1997 einen Vertrauenstatbestand gesetzt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1997 alle maßgebenden Unterlagen dem Finanzamt S vorgelegt habe. Da in den vorgelegten Unterlagen auf die Besteuerungsproblematik hingewiesen worden sei, hätte das FA erkennen können, dass der steuerliche Sachverhalt "Zeichnung des Wandeldarlehens" im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1997 nicht abschließend steuerlich gewürdigt werden könne. Dies hätte es dazu veranlassen müssen, die Einkommensteuerveranlagung 1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO durchzuführen. Da der Einkommensteuerbescheid 1997 dennoch ohne weitere Nachfragen und Ermittlungen ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass das FA den Sachverhalt abschließend gewürdigt habe und sich für die Anfangsbesteuerung des Wandeldarlehens durch die Besteuerung des geldwerten Vorteils im Zeitpunkt der Gewährung des Wandeldarlehens entschieden habe. Damit sei aus seiner Sicht der Vorgang "Besteuerung des geldwerten Vorteils aus dem Wandeldarlehen" abgeschlossen gewesen und es habe für ihn keinen Grund mehr gegeben, im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1999 detailliertere Angaben zur Ausübung des Wandelungsrechts zu machen, als er es getan habe. Denn mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung 1997 hätten der Finanzbehörde explizit alle Informationen zum Wandeldarlehen vorgelegen, die es benötigt habe, um sich für die Anfangs- oder Endbesteuerung des gezeichneten Wandeldarlehens zu entscheiden.

Mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung 1999 sei der Finanzbehörde zusätzlich bekannt geworden, dass er das Wandelungsrecht im Veranlagungsjahr 1999 ausgeübt habe. Lediglich der genaue Zeitpunkt und der Umfang der Wandlung seien der Finanzbehörde unbekannt gewesen. Diese Angaben seien für die grundsätzliche Entscheidung, ob eine Anfangs- oder Endbesteuerung des Wandeldarlehens vorzunehmen sei, jedoch nicht von Bedeutung und hätten durch Rückfrage leicht ermittelt werden können. Der Vorwurf des FA, dass er eine "sukzessiv bruchstückweise Sachverhaltsdarlegung" mit einer "offenbar gezielten Unvollständigkeitstaktik" betrieben habe, um sich - unter planmäßiger Ausnutzung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung und des Systems der aktenlosen Ver7 anlagung im Arbeitnehmerbereich" - einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen, treffe nicht zu. Er habe bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 1997 noch nicht abschließend gewusst, dass er später im Jahr 1999 wandeln werde und demzufolge auch keine Angaben dazu gemacht. Die getrennten Sachverhalte "Gewährung des Wandeldarlehens" sowie "Ausübung des Wandelungsrechts" seien nicht sukzessive und bruchstückweise, sondern in den jeweils zutreffenden Veranlagungszeiträumen vollständig dargelegt worden. Der Sachbearbeiter hätte im übrigen durch einfaches Lesen des vorliegenden Darlehensvertrages bereits im Rahmen der Veranlagungsarbeiten 1997 erkennen können, dass im Jahr 1999 die Möglichkeit einer Wandelung bestehe und sich entsprechende Notizen für eine Rückfrage im Rahmen der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 1999 machen können. Dass die Finanzverwaltung im Arbeitnehmerbereich eine aktenlose Veranlagung durchführe, könne nicht auf ihn und seine Mitwirkungspflicht abgewälzt werden, sondern sei vielmehr als Organisationsverschulden der Finanzverwaltung zu werten. Auch der Umstand, dass er die Einkommensteuererklärung 1999 frühzeitig am 2. Februar 2000 eingereicht habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, da nur die verspätete Abgabe der Steuererklärung nach den deutschen Steuergesetzen zu Sanktionen führen dürfe. Dies sei auch nicht mit Kollegen der X-AG abgestimmt worden. Vielmehr habe er vor seinem Umzug nach L im März 2000 seinen steuerlichen Pflichten nachkommen wollen. Dagegen sei dem FA eine schwerwiegende Verletzung seiner Ermittlungspflicht nach § 88 AO auch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1999 vorzuwerfen. Im Zusammenhang mit den bereits zur Einkommensteuererklärung 1997 eingereichten Unterlagen zum Wandeldarlehen hätte der Hinweis auf die Ausübung der Wandelungsrechte das FA dazu anhalten müssen, Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich Zeitpunkt und Umfang der Wandelung einzuleiten und sich mit der Problematik der Anfangs- bzw. Endbesteuerung bei Wandeldarlehen auseinanderzusetzen. Da es im Zeitpunkt der Einkommensteuerveranlagung 1999 im Februar 2000 in der Literatur und Rechtsprechung eine anhaltende Diskussion um den Besteuerungszeitpunkt bei Aktienoptionsrechten bzw. Wandelschuldverschreibungen gab, stelle es eine Sorgfaltspflichtverletzung des Sachbearbeiters des betreffenden Finanzamts dar, wenn dieser, statt die Rechtsprechung zur Besteuerung von Wandeldarlehen zu verfolgen und die Einkommensteuerbescheide 1997 und 1999 unter Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen, um damit die Chance wahrnehmen zu können, die Besteuerung des Wandeldarlehens später nach der Endbesteuerung vorzunehmen, den Einkommensteuerbescheid 1999 innerhalb kurzer Zeit nach Einreichung der Steuererklärung ohne weitere Ermittlungsmaßnahmen und ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen habe. Die in Nr. 1 des Einführungserlasses zu § 88 AO zum Ausdruck gebrachte und im Streitfall vom jeweiligen Sachbearbeiter verinnerlichte "ertragsorientierte Denkweise", nach der sich der Umfang der Ermittlungen am Verhältnis zwischen dem voraussichtlichen Arbeitsaufwand und dem angestrebten steuerlichen Erfolg orientiere, widerspreche dem Besteuerungsgrundsatz des § 85 AO, nach dem die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben hätten. Es könne nicht die Aufgabe des Steuerpflichtigen sein, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch überhöhte Mitwirkungspflichten sicherzustellen.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteueränderungsbescheide für 1999 vom 31. Januar 2006 und vom 9. Mai 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2006 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Da FA beantragt,

Klageabweisung

und beruft sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2008 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das FA war zu einer Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids vom 24. Februar 2000 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO befugt.

1. Darüber, dass dem Kläger im Streitjahr aus der verbilligten Überlassung der Aktien ein bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassender geldwerter Vorteil zugeflossen ist, besteht dem Grunde nach kein Streit mehr (siehe auch Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 23. Juni 2005 VIR 10/03, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2005, 770).

2. Ein Steuerbescheid ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Wird ein steuerlicher Tatbestand durch eine Mehrheit von Tatsachen, die zusammenfassend zu würdigen sind, verwirklicht, so sind Tatsachen, die nach der Veranlagung bekannt werden, dann neu, wenn sie den ganzen Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 7. September 1965 I R 69/63 U, BStBl III 1965, 677). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, denn dem FA war bei Erlass des Einkommensteuerbescheids 1999 nicht bekannt, wie viele Aktien der Kläger zu welchem Kurs aufgrund der Wandelung erhalten hat und in welcher Höhe ihm demzufolge ein geldwerter Vorteil zugeflossen ist. Ein steuerlich relevanter Tatbestand ist nicht bereits dann dem Finanzamt bekannt, wenn - wie im Streitfall durch die Mitteilung, dass aus den 1999 aus Wandelanleihen bezogenen X-Aktien noch keine Dividenden zugeflossen sind - nur Bruchstücke eines steuerlich relevanten Tatbestands bekannt gemacht worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung führt das Bekanntwerden von neuen Tatsachen nur dann zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 AO, wenn diese rechtserheblich sind. Rechtserheblichkeit ist zu verneinen, wenn das FA auch bei Kenntnis der Tatsache im Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung gekommen wäre (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2006 II B 33/05, BFH/NV 2006, 911; BFH-Urteil vom 10. März 1999 II R 99/97, BStBl II 1999, 433). Wie der BFH in dem Beschluss vom 14. September 2005 VI R 18/03 (BFH/NV 2006, 13) in einem sowohl hinsichtlich des Sachverhalts, wie auch der maßgebenden Zeiträume gleichgelagerten Fall entschieden hat, hätte das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der später bekannt gewordenen Tatsachen im März 2000 - nichts anderes gilt für den hier maßgeblichen Zeitpunkt Februar 2000 - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Vornahme der Endbesteuerung eine höhere Steuer festgesetzt. Insoweit wird auf die Gründe des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2006, 13 Bezug genommen. Die hiergegen vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen. Dass das FA mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Kenntnis des vollen Tatbestands die Endbesteuerung vorgenommen hätte, ergibt sich nicht allein aus der Entscheidung des FG München vom 24. Juni 1999 10 K 3851/94 (die der Finanzverwaltung im Übrigen bereits vor der Veröffentlichung in der EFG bekannt gewesen sein dürfte), sondern aus der bereits im Jahr 1999 deutlich erkennbaren Tendenz in der Rechtsprechung, in den Fällen der Einräumung von nicht handelbaren Optionsrechten auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis an Arbeitnehmer die Endbesteuerung vorzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 23 Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684 m.w.N.). Bei dem hier vorliegenden Modell der Mitarbeiterbeteiligung über eine Wandelanleihe handelt es sich wirtschaftlich gesehen um eine dem Aktienoptionsmodell vergleichbare Gestaltung (vgl. BFH in BStBl II 2005, 770), so dass es lebensfremd erscheint anzunehmen, das FA hätte diesen Sachverhalt anders beurteilt.

Auch der Umstand, dass sich das FA - wie der Kläger geltend macht - zur Vornahme der Anfangsbesteuerung im Jahr 1997 "entschieden" habe, bedeutet nicht, dass die Ausübung des Wandelungsrechts im Jahr 1999 steuerlich keine Bedeutung mehr gehabt habe. Denn die Änderung eines Bescheides aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem FA bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung ein Rechtsfehler unterlaufen ist, wenn die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen ungeachtet des unterlaufenen Rechtsfehlers bedeutsam sind (Schöll/Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung § 173 Rz. 28 unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 13/86, BStBl II 1989, 694).

3. Die Änderung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids 1999 ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar ist eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht zulässig, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Dies setzt jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BStBl II 2006, 835). Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des FA kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit der steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich dem FA zur Prüfung unterbreitet worden ist. Macht er in der Steuererklärung falsche oder unvollständige Angaben oder drückt er sich bewusst missverständlich aus und ruft er dadurch bei der Finanzbehörde einen Irrtum hervor, verstößt die Änderung des Bescheides nicht gegen Treu und Glauben (BFH-Urteil vom 20. April 2004 XI R 39/01, BStBl II 2004, 1072). Im Streitfall hat der Kläger in der Einkommensteuererklärung 1999 den steuerlich relevanten Sachverhalt nicht dargelegt. Insbesondere hat er den Zufluss des geldwerten Vorteils aus der Ausübung des Wandelungsrechts nicht erklärt. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des FA in der Einspruchsentscheidung und sieht von einer Darstellung der Gründe im Einzelnen ab (§ 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung sich der Kläger nicht darauf berufen kann, der sich aus dem Sachverhalt "Zeichnung des Wandeldarlehns" ergebende steuerliche Sachverhalt wäre bereits im Veranlagungszeitraum 1997 der Besteuerung unterworfen worden, so dass er nicht mehr verpflichtet gewesen sei, diesen Vorgang in einem späteren Veranlagungszeitraum erneut zu erklären. Vielmehr hat das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen und muss eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (BFH in BFH/NV 2006, 13). Auch wenn der Zeitpunkt, in dem ein steuerlich relevanter Sachverhalt zu besteuern ist, umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, entbindet dies den Steuerpflichtigen nicht, den Sachverhalt vollständig darzulegen, ebenso wenig der Umstand, dass das FA für das Jahr 1997 rechtsirrig den vom Kläger unzutreffend erklärten geldwerten Vorteil besteuert hat. Von einer vollständigen Darlegung des Sachverhalts kann im Streitfall aber nicht die Rede sein. Diese konnte auch nicht wegen der im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1997 vorgelegten Unterlagen unterbleiben. Denn aus diesen Unterlagen ergibt sich nicht - auch nicht im Zusammenhang mit der im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen für 1999 abgegebenen Erklärung, dass aus den im Jahr 1999 aus Wandeldarlehen bezogenen Aktien keine Dividende zugeflossen sei - , wie viele Aktien aus der Ausübung des Wandelungsrechts der Kläger erworben hat und welchen Kurswert die Aktien hatten. Das FA konnte dies aus den ihm vorgelegten Unterlagen auch nicht annäherungsweise erkennen, denn über die vorgenommene Kapitalerhöhung, verbunden mit dem Aktiensplitt, die dazu geführt hat, dass aus den ursprünglich vorgesehenen 2000 Aktien 100.000 Aktien geworden sind, ist das FA nicht in Kenntnis gesetzt worden. Damit konnte das FA das Ausmaß des Erwerbsvorgangs und seine steuerrechtlichen Konsequenzen in keiner Weise abschätzen. Der Kläger hat seine Erklärungspflicht in erheblichem Umfang verletzt, so dass diese im Verhältnis zu der unstreitig vorliegenden Ermittlungspflichtverletzung des FA auch nicht von untergeordneter Bedeutung ist mit der Folge, dass die Verantwortlichkeit dem Kläger obliegt und eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorzunehmen ist (BFH-Urteil vom 27.10.1992 VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.



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