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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht München
Urteil verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 9 K 706/07
Rechtsgebiete: EStG, BBiG, BaföG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1
BBiG § 14 Abs. 3 a.F.
BBiG § 21 Abs. 3 a.F.
BaföG § 15b Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München

9 K 706/07

Kindergeld September 2004 bis Januar 2005

In der Streitsache

...

hat der 9. Senat des Finanzgerichts München

unter Mitwirkung

...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Abänderung des Bescheids vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 wird die Beklagte verpflichtet, Kindergeld für den Sohn A des Klägers für die Monate September 2004 bis Januar 2005 festzusetzen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger hatte für seinen Sohn A geb. ......... 1983, Kindergeld für die Monate August 2004 bis Januar 2005 beantragt. Zur Begründung trug er vor, dass sein Sohn die Gesellenprüfung im August 2004 nicht bestanden habe, sich aber wegen der Vorbereitung auf die erfolgreich abgelegte Wiederholungsprüfung im Januar 2005 weiter in Ausbildung befunden habe. Er legte zum Nachweis verschiedene Unterlagen vor.

Nachdem die Beklagte (Familienkasse) weitere Bescheinigungen des Ausbildungsbetriebs angefordert hatte und darauf hinwies, dass die vorgelegten Gehaltsabrechnungen nicht genügten, lehnte sie mit Verwaltungsakt vom 14. November 2006 den Kindergeldantrag mangels vollständiger Nachweise ab. Nach Vorlage weiterer Bestätigungen gewährte die Familienkasse dem Kläger mit der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 Kindergeld für August 2004, im Übrigen lehnte sie den Antrag weiterhin ab. Auf die Einspruchsentscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Mit der dagegen gerichteten Klage begehrt der Kläger Kindergeld auch für September 2004 bis Januar 2005. Zur Begründung trägt er vor, dass auch für diese Monate eine Berufsausbildung vorgelegen habe. Entscheidend sei, dass die Berufsausbildung ende, wenn das Kind sein Berufsziel erreicht habe. Vorliegend sei das mit der Ablegung der Wiederholungsprüfung erfolgt, denn erst dann sei eine Ausübung des angestrebten Berufs möglich. Dies gelte auch, wenn das Ausbildungsverhältnis bereits geendet habe. Diese Auffassung ergebe sich auch aus dem Berufsbildungsgesetz.

Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Ausbildungsbetrieb auf Stundenlohnbasis in der Zeit vom 1. September bis 15. November 2004 sei nicht schädlich, zumal es sich um keine Vollzeiterwerbstätigkeit gehandelt habe. Unerheblich sei, ob die Vergütung als Ausbildungsvergütung oder Stundenlohn bezeichnet werde. Vom 16. November 2004 bis Ende Januar 2005 habe der Sohn keine Vergütung erhalten, sei aber zur Vorbereitung auf den praktischen Teil der Wiederholungsprüfung im Ausbildungsbetrieb tätig gewesen, da er hierfür auf das Arbeitsmaterial und die technischen Einrichtungen des Betriebes angewiesen gewesen sei. Hierbei habe er auch Unterweisungen, Unterricht und praktische Hilfestellungen erhalten. Das Bestehen des praktischen Teils in der Nachprüfung rechtfertige die Annahme, dass sich der Sohn ernsthaft auf die Wiederholungsprüfung vorbe5 reitet habe. Da auch die Einkünfte- und Bezügegrenze nicht überschritten sei, seien die Voraussetzungen für das Kindergeld erfüllt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Bescheids vom 14. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2007 die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für September 2004 bis Januar 2005 für seinen Sohn A festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt sinngemäß,

die Klage insoweit abzuweisen, als Kindergeld für September und Oktober 2004 begehrt wird.

Zur Begründung verweist sie auf die Einspruchsentscheidung. Da kein Berücksichtigungstatbestand vorliege, sei von einer Prüfung der Einkünfte und Bezüge abgesehen worden. Der Ausbildungsvertrag erstrecke sich nur auf die Zeit bis 31. August 2004. Bei einer Verlängerung - wie vom Kläger vorgetragen - müssten konkrete Abreden getroffen worden sein, die Ablauf, Dauer und Ausgestaltung der Verlängerung regelten. Nach der Zeugenaussage des Sohnes könne für den Zeitraum ab November 2004 bis Januar 2005 von einer Berufsausbildung ausgegangen werden. Für die Monate September und Oktober 2004 sei der Sohn jedoch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig gewesen, bei dem die Ausbildung nicht im Vordergrund gestanden habe. Der Sohn habe hier lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Unterweisungen, Unterricht oder praktische Hilfestellung habe er dabei nicht erhalten. Auch sei die Beschäftigung nicht als Ausbildungsverhältnis in der Lehrlingsrolle der Handwerkskammer eingetragen gewesen. Im Übrigen habe der Betrieb laut den vorgelegten Abrechnungen keine Ausbildungsvergütung wie bis August 2004, sondern ab September 2004 Stundenlohn gezahlt.

Nachdem der Kläger aufgefordert worden war, die vertraglichen Vereinbarungen vorzulegen, die der Tätigkeit des Sohnes von September 2004 bis Januar 2005 zugrunde gelegen hätten, verwies der Kläger auf den bereits vorgelegten Berufsausbildungsvertrag vom 3. August 2001 und die Bestätigung des Betriebes vom 19. Dezember 2006. Weitere Vereinbarungen lägen nicht vor.

Mit Beschluss vom 7. August 2008 hat der Senat beschlossen, den Sohn des Klägers als Zeugen zu vernehmen. Hinsichtlich des Beweisthemas wird ergänzend auf den Beschluss Bezug genommen.

Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage und des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. September 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat die Familienkasse die Gewährung von Kindergeld für September 2004 bis Januar 2005 abgelehnt.

Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wurde - solange es das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat - nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a Einkommensteuergesetz (EStG) in der während des Streitzeitraums geltenden Fassung berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wurde.

Berufsausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG ist jede Ausbildung für einen künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind.

Die Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung gehört auch dann noch zur Berufsausbildung, wenn der Auszubildende während dieser Zeit nicht mehr in einem Ausbildungsverhältnis steht, sondern sich eigenverantwortlich darauf vorbereitet. Nach § 21 Abs. 3 des Berufsbildungsgesetzes bzw. § 14 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz a.F. verlängert sich ein Berufsausbildungsverhältnis bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung auf Verlangen des Auszubildenden bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung. Nach § 15 b Abs. 3 Satz 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz endet die Ausbildung erst mit dem Bestehen der Abschlussprüfung des Ausbildungsabschnitts oder, wenn eine solche nicht vorgesehen ist, mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung des Ausbildungsabschnitts. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts über den Bereich der Ausbildungsförderung hinaus auch für die Bestimmungen über das steuerrechtliche Kindergeld und nicht nur für Ausbildungsabschnitte, sondern darüber hinaus für die Ausbildung im Ganzen. Auch nach den die Beklagte bindenden Weisungen des vormaligen Bundesamtes für Finanzen ist ein Auszubildender, der die Abschlussprüfung nicht besteht, weiter als Kind in Berufsausbildung zu berücksichtigen, wenn sich das Ausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung verlängert, er zur Prüfung zugelassen wird und - wie im Streitfall - seine Berufsausbildung nicht durch Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit unterbricht (vgl. DA 63.3.2.6. Abs. 5 Satz 4 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - vom 5. August 2004, Bundessteuerblatt I 2004, 742). Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, die Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses anders zu behandeln als die Vorbereitung auf eine solche Prüfung ohne Fortbestehen des Ausbildungsverhältnisses. Sollte eine derartige Differenzierung im Hinblick auf die Anweisung in DA 63.3.2.1 DAFamEStG gewollt sein, so könnte sich das Gericht ihr aus den im Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 21. Februar 2006 10 K 171/03 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 1073) dargelegten Gründen nicht anschließen. Das Gericht folgt vielmehr der Entscheidung des Hessischen FG vom 23. Februar 2006 (2 K 644/03, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2006, 1452), wonach es für die Frage, ob sich ein Kind, das sich auf eine Wiederholungsprüfung vorbereitet, kindergeldrechtlich weiterhin in Berufsausbildung befindet, nicht auf das Fortbestehen des Ausbildungsverhältnisses ankommt, sondern nur darauf, ob es sich ernstlich auf die Wiederholungsprüfung vorbereitet (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 10. Juli 2007 - 10 K 4278/06 Kg, EFG 2007,1529; Rev. eingelegt: III R 70/07).

Nach der glaubwürdigen Zeugenaussage des Sohnes hat er sich in dem Zeitraum September 2004 bis Januar 2005 in seinem "Ausbildungsbetrieb" intensiv und ernstlich auf den nochmals abzuleistenden praktischen Teil der Wiederholungsprüfung vorbereitet. Damit befand er sich in dem strittigen Zeitraum weiterhin in Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG. Davon ging auch die Vertreterin der Familienkasse in der mündlichen Verhandlung für den Zeitraum ab November 2004 aus.

Soweit sie jedoch für die Monate September und Oktober 2004 das Vorliegen einer Berufsausbildung verneinte, folgt dem der Senat nicht. Auch wenn der Sohn in diesem Zeitraum nur sehr eingeschränkt für die Fertigung seines Prüfungsstückes tätig gewesen ist, so ist auch dieser Zeitraum als Fortsetzung der Ausbildung anzusehen, zumal der Sohn nach seiner Aussage die gleichen Tätigkeiten verrichtet hat wie vor der Ablegung der ersten Prüfung während des Bestehens des Ausbildungsvertrages. Es ist daher davon auszugehen, dass auch diese Tätigkeiten der Vervollkommnung seiner handwerklichen Geschicklichkeit zur Fertigung des Prüfungsstückes dienten.

Die Einkünfte und Bezüge des Kindes im Jahr 2004 bzw. 2005 überschreiten nicht den Grenzbetrag in Höhe von 7.680 Euro. Eine detaillierte Berechnung kann unterbleiben, da der Sohn in 2004 insgesamt Bruttoeinnahmen in Höhe von nur ......... EUR erzielt hat, so dass es auf einzelne Abzüge nicht mehr ankommt. 2005 hat er nach Aktenlage lediglich ab 21. April 2005 in seinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb auf 400 EUR Basis gearbeitet, so dass auch für diesen Zeitraum die Einkünfte und Bezüge des Sohnes dem Kindergeldanspruch nicht entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und dem Vollstreckungsschutz beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war im Hinblick auf die anhängige Revision III R 70/07 zuzulassen.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Ende der Entscheidung

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