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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: 1 K 2104/03 F
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 129
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 8.3.2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtliche Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist die Änderungsmöglichkeit eines bestandskräftigen Steuerbescheides für das Streitjahr 2000 nach § 129 AO.

Die Klägerin betreibt ein Hotel mit Restaurant unter der Bezeichnung "M. ". Die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfolgte aufgrund der am 28.2.2002 eingereichten Feststellungserklärung durch Bescheid vom 11.10.2002. Der Gewinn wurde unter Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG um einen Betrag von 23.666,00 DM erhöht. Dieser wurde wie folgt berechnet und im Feststellungsbescheid erläutert:

 "Gewinn des Wj. 2000503 DM
- Entnahmen des Wj 20001.242.159 DM
= Überentnahmen-1.241.656 DM
+ Unterentnahmen des Vj.847.213 DM

 Ergebnis-394.443 DM
* 0,0623.666 DM

Maximal: Schuldzinsen abzüglich 4.000 DM, abzüglich Schuldzinsen für Investitionsdarlehen = 25.384 DM"

Aus den Jahresabschlüssen einschließlich der Sonderbilanzen ergab sich ein Gesamtzinsaufwand von 297.823 DM. Davon entfielen 7.910 DM (2.588,88 DM + 5.231 DM) auf Darlehen, die die Klägerin von ihren Gesellschaftern erhalten hatte. Von diesem war der mit Schreiben des Klägervertreters vom 4.7.2002 dargelegte Zinsaufwand für Investitionen in Höhe von 268.439 DM abgezogen worden. Zinsen in Höhe von 16.275 DM, die die Instandsetzung eines Schwimmbades betrafen, wurden nach einem Telefonat mit dem Klägervertreter vom 27.8.2002 nicht berücksichtigt.

Die Aktenverfügung zu diesem Bescheid enthielt den handschriftlichen Vermerk "QSST P2".

Mit Schreiben vom 2.12.2002 beantragte die Klägerin, den Feststellungsbescheid nach § 129 AO zu ändern. Dieses Schreiben befindet sich im Original nicht in der Feststellungsakte. Es ist aufgrund eines Schreibens des Beklagten vom 27.12.2002 am 30.12.2002 in Kopie zur Akte gegeben worden. Beantragt wurde die Reduzierung des Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG um die an die Gesellschafter gezahlten Zinsen von 7.910 DM auf maximal 17.474 DM. Der Grund läge darin, dass bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages Zinsen der Gesellschafter in Höhe von 7.910 DM erfasst worden seien, obwohl diese im Rahmen der Sonderbilanzen bzw. außerhalb der Bilanz hinzugerechnet würden. Dieser Ansicht schloss sich der Beklagte zwar an, lehnte aber den Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides für 2000 mit Bescheid vom 21.1.2003 ab, da es sich nach seiner Ansicht nicht um ein mechanisches Versehen sondern um eine fehlerhafte Sachverhaltsermittlung handele.

Der Klägervertreter legte am 17.2.2003 gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 31.3.2003 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Klage wurde am 15.4.2003 eingereicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei der Falschberechnung des Maximalbetrages aus § 4 Abs. 4a EStG um ein schlichtes Versehen des Beklagten handele. Der Beklagte habe übersehen, dass die Zinsen, die offensichtlich bereits in der Sonderbilanz bzw. in der Feststellungserklärung hinzugerechnet worden seien, von den insgesamt ermittelten Schuldzinsen abzuziehen seien. Der richtige Sachverhalt sei bekannt gewesen, allerdings falsch ausgewertet worden. Ein Rechtsfehler liege nicht vor, da hier bei der Berechnung die Doppelhinzurechnung schlicht übersehen worden sei. Es sei nicht umstritten, dass die auf die Komplementärin entfallenden Zinsen in Höhe von 2.588,88 DM dem Gewinn der Klägerin zugerechnet worden seien. Daneben sei er in dem Jahresabschluss der Komplementärin zum 31.12.2000 erfasst und versteuert worden. Dies sei ein Fall widerstreitender Steuerfestsetzung nach § 174 AO.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.3.2003 dahingehend zu ändern, dass die Sonderbetriebseinnahmen auf 17.474 DM reduziert festgestellt und der Gesellschafterin J. X. zugerechnet werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass der Beklagte trotz umfassender Überprüfung des Jahresabschlusses nicht erkannt habe, dass eine nochmalige Hinzurechnung der an die Gesellschafter zu zahlenden Zinsen bei der Berechnung des § 4 Abs. 4a EStG zu unterbleiben habe.

Die Beteiligten haben der Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung des Senats erfolgt gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist unbegründet.

Der Feststellungsbescheid vom 11.10.2002 ist zwar fehlerhaft, dieser Fehler kann aber weder gemäß § 129 Satz 1 AO noch gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Ein Fall widerstreitender Steuerfestsetzung i.S.d. § 174 AO ist nicht gegeben.

§ 129 AO scheidet aus, da im vorliegenden Fall Überlegungen des Sachbearbeiters und damit auch ein Denkfehler nicht ausgeschlossen erscheinen. § 129 AO ermöglicht die Änderung bestandskräftiger Bescheide, wenn beim Erlass dieser Bescheide Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnlich offenbare Unrichtigkeiten unterlaufen sind. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 128. 494, BStBl II 1980, 2). Unrichtige Tatsachenwürdigung wie auch die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bei der Findung einer Entscheidung beruhen, schließen die Anwendung der Vorschrift aus. Dabei reicht es aus, dass das Finanzamt Überlegungen hätte anstellen müssen (BFH-Urteil vom 18. April 1986 VI R 4/83, BFHE 146, 350, BStBl II 1986, 541 m. w. N.) bzw. eine mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums vorliegt (BFH-Urteil vom 13.9.2005 X B 55/05, BFH/NV 2005, 2158 m. w. N.)

Der hier streitige Feststellungsbescheid ist hinsichtlich der Erhöhungssumme aus der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG fehlerhaft. Der Klägerseite ist dahingehend zuzustimmen, dass aufgrund der fehlerhaften Berücksichtigung der Zinsen von Gesellschafterdarlehen ein zu hoher Betrag berücksichtigt worden ist. Richtigerweise wäre nur ein Betrag von 17.474 DM gewinnerhöhend gewesen.

Dieser Fehler liegt nicht aufgrund einer mangelnden Sachaufklärung vor. Der Beklagte hatte vielmehr bei der Bearbeitung der vom beratenen Feststellungspflichtigen eingereichten Erklärung in 2002 erkannt, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb um den in § 4 Abs. 4a EStG beschriebenen Wert zu erhöhen war. Dies war auch Folge davon, davon geht der Senat aus, dass die erst mit dem sog. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (BStBl. I 1999, 304) eingefügte und schon im sog. Steuerbereinigungsgesetz 1999 (BStBl I 2000, 3) geänderte Norm Teil der Prüffeldarbeit des Beklagten für das Streitjahr war. Dies zeigt der Vermerk "QSST P 2".

Aus Sicht des Senats ist aber die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass der Veranlagungssachbearbeiter und ihm folgend auch der Sachbearbeiter der Qualitätssicherungsstelle des Beklagten den Sachverhalt falsch werteten.

Obwohl im Rahmen des der Anfrage des Veranlagungssachbearbeiters folgenden Schriftverkehrs mit der Klägerseite, der im Telefonat vom 27.8.2002 seinen Abschluss fand, die von Beklagtenseite geforderten Angaben zur Struktur der Darlehen gegeben worden sind und der Beklagte aufgrund der vorliegenden Bilanz hätte erkennen können, dass die Zinsen teilweise an die Gesellschafter gezahlt worden sind, werden diese im Rahmen der weiteren Berechnungen anders als die Schuldzinsen für Investitionsdarlehen nicht mindernd berücksichtigt. Dieser Fehler kann zwar, auch das ist denkbar, ein bloßes Übersehen sowohl des Veranlagungssachbearbeiters wie auch der Qualitätssicherungsstelle sein. Es kann sich aber trotz der üblichen besonderen Schulungsmaßnahmen bei Prüffeldern auch um einen Denkfehler handeln.

Die Möglichkeit, dass ein solcher Rechtsirrtum auf Seiten des Beklagten - zweimal - erfolgte, ist nicht nur theoretisch denkbar. Hierfür spricht aus Sicht des Senats zum einen die Komplexität der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG. Zum anderen war gerade diese Regelung noch relativ neu, so dass ein solcher Fehler auch bei einem durchschnittlich ausgebildeten Veranlagungssachbearbeiter wie auch einem Mitarbeiter der Qualitätssicherungsstelle nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es entspricht fast schon der allgemeinen Lebenserfahrung, dass auch die Finanzverwaltung angesichts komplexer Neuregelungen des Steuergesetzgebers trotz Prüffeldarbeit nicht ohne Rechtsfehler arbeiten kann.

Der Senat kann es letztlich dahinstehen lassen, ob ein doppeltes Versehen oder ein doppelter Rechtsirrtum vorliegt, da allein die Möglichkeit eines Denkfehlers, der hier wie dargestellt, nicht nur theoretischer Art ist, ausreicht, eine offenbare Unrichtigkeit und damit die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 129 AO auszuschließen.

Eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO scheitert hier bereits daran, dass die Klägerseite die Einspruchsfrist verstreichen ließ. Dies ist als grobes Verschulden zu werten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur FG Münster, Urteil vom 10.8.2005, Az. 1 K 5419/02 E, EFG 2006, 7).

Eine widerstreitende Steuerfestsetzung i.S.d § 174 AO liegt nicht vor, da die Beklagtenseite den Sachverhalt, der der Hinzurechnung gemäß § 4 Abs. 4a EStG zugrunde liegt, nur in diesem Feststellungsbescheid und nicht ansonsten berücksichtigt hat. Die Anwendbarkeit des § 174 AO setzt aber eine Berücksichtigung in mehreren Bescheiden voraus (Loose in T/K, § 174 AO, Rz. 3f.).

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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