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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 31.03.2009
Aktenzeichen: 1 K 4425/08 Kg,AO
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
EStG § 63 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14.08.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2008 wird für die Zeiträume Januar bis Juni und Oktober bis Dezember 2007 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

Streitig ist, ob der Kläger von Januar bis Dezember 2007 Anspruch auf Kindergeld für seine am 11.10.1983 geborene Tochter N (N.) hat.

Die im Streitjahr 24 Jahre alte N. absolvierte bis Juni 2007 bei der R Versicherung eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau. Nach Beendigung ihrer Ausbildung war sie in den Monaten Juli bis September 2007 als Vollzeiterwerbstätige ebenfalls bei der R Versicherung beschäftigt. Ab dem 01.10.2007 ist N. an der Universität in O mit den Studienfächern Germanistik und katholische Theologie immatrikuliert. Nebenberuflich arbeitet sie weiterhin bei der R Versicherung. Im Streitjahr 2007 bezog N. bei der R Versicherung ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoentgelt von insgesamt 13.794,16 EUR. Dieses Entgelt entfällt i. H. von 5.772,50 EUR auf den Ausbildungszeitraum Januar bis Juni 2007, i. H. von 6.132,00 EUR auf die Zeit der Vollbeschäftigung von Juli bis September sowie in der verbleibenden Höhe von 1.986,00 EUR auf die Studienmonate Oktober bis Dezember. Wegen der Zusammensetzung der Einkünfte wird auf die bei den Kindergeldakten befindliche Gehaltsübersicht (Bl. 43 d. A.) verwiesen.

Mit Bescheid vom 14.08.2008 hob der Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für N. auf und vertrat dabei die Auffassung, im Streitjahr 2007 sei die maßgebliche Einkommensgrenze von 7.680,00 EUR überschritten.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 27.08.2008 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2008 als unbegründet zurückwies.

Er vertrat dabei die Auffassung, der Streitzeitraum von Januar bis Dezember 2007 sei als einheitlicher Kindergeldberücksichtigungstatbestand anzusehen, obwohl N. von Juli bis September einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgegangen sei. Dies ergebe sich aus dem BFH-Urteil vom 16.11.2006, BStBl. 2008 II S. 56.

Ergänzend wies er darauf hin, dass auch bei Berücksichtigung der nunmehr für den Ausbildungszeitraum Januar bis Juni nachgewiesenen Werbungskosten i. H. v. 1.008,00 EUR anstelle des Arbeitnehmerpauschbetrages eine Überscheitung der maßgeblichen Einkommensgrenze vorliege. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der am 27.11.2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Er vertritt die Auffassung, N. habe sich wegen der ausgeübten Vollzeiterwerbstätigkeit von Juli bis September 2007 nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befunden. Die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte seien daher bei der Berechnung der Einkunftsgrenze gem. § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 14.08.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat im Streitjahr 2007 in den Zeiträumen der Berufsausbildung seiner 24-jährigen Tochter N. von Januar bis Juni sowie von Oktober bis Dezember Anspruch auf Kindergeld .

Nach § 63 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, u. a. beim Kindergeldberechtigten berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (Buchst. a), sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet (Buchst. b) oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (Buchst. c) und wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhaltes oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind von nicht mehr als 7.680,00 EUR im Kalenderjahr hat ( § 32 Abs. 4 S. 2 EStG). Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Grenzbetrag um 1/12 ( § 32 Abs. 4 S. 7 EStG). Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz ( § 32 Abs. 4 S. 8 EStG).

Im Streitfall wurde die Tochter N. danach in den Monaten Juli bis September 2007, das ist zwischen den Beteiligten unstreitig, nicht für einen Beruf ausgebildet. Ihre Ausbildung zur Versicherungskauffrau endete im Juni 2007, demgegenüber konnte sie ihr Studium in O mit den Studienfächern Germanistik und katholische Theologie erst zum Wintersemester im Oktober 2007 beginnen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist N. in den Monaten Juli bis September auch nicht nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG zu berücksichtigen.

Nach der genannten Vorschrift wird ein Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten befindet. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG setzt nicht voraus, dass die zwei Ausbildungsabschnitte aufeinander aufbauen. Auch wenn das Kind nach erfolgreichem Abschluss oder nach Abbruch einer Ausbildung nachfolgend eine anders geartete Ausbildung aufnimmt, handelt es sich um zwei Ausbildungsabschnitte im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG. Übergangszeiten ergeben sich als vom Kind nicht zu vermeidende Zwangspausen, z. B. durch Rechtsvorschriften über den Ausbildungsverlauf, aus festen Einstellungsterminen der Ausbildungsbetriebe oder den Einstellungsgewohnheiten staatlicher Ausbildungsinstitutionen (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienlastenausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG - DA-FamEStG - 63.3.3 Abs. 2 S. 1, Stand Mai 2000, BStBl. I 2000, 636).

Bei der Schaffung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich das Kind während dieser Zeit typischerweise in einer Unterhaltssituation befindet, die der während der Ausbildung entspricht. Eine solche typische Unterhaltssituation ist jedoch dann nicht gegeben, wenn das Kind in einem Zeitraum von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG.

§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a, b und c EStG erfasst solche Zeiträume, während derer die Eltern typischerweise mit Unterhaltsaufwendungen für das Kind belastet sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG sind im Verhältnis zur Regelung über den Jahresgrenzbetrag in S. 2 in einem Regel-Ausnahmeverhältnis ausgestaltet. Wie der Gesetzesaufbau belegt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass Kinder, die einen der Tatbestände des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG erfüllen, regelmäßig berücksichtigungsfähig sind; es sei denn, die Einkünfte und Bezüge des Kindes überschreiten den (ggf. anteiligen) Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG.

§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a bezweckt, den Kindergeldberechtigten während der Ausbildung des Kindes in dem von Verfassungs wegen gebotenen Umfang durch die Gewährung des Kinderfreibetrages zu entlasten bzw. durch das Kindergeld zu fördern soweit das Kindergeld einen solchen Förderanteil enthält. Die Belastung der Eltern durch den Unterhaltsbedarf des Kindes endet regelmäßig in dem Zeitpunkt, in dem das Kind im Anschluss an die Ausbildung eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt. Dies gilt auch dann, wenn sich der - vorübergehenden - Vollzeiterwerbstätigkeit ein weiterer oder neuer Ausbildungsabschnitt anschließt. Wäre hier der Zeitraum von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als Übergangszeitraum im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG anzusehen, würde der Kindergeldanspruch nicht nur für den Zeitraum der Vollzeiterwerbstätigkeit entfallen, in dem sich das Kind selbst unterhalten kann, sondern auch für den vorangegangenen Zeitraum, in dem die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern durch die Ausbildung des Kindes gemindert gewesen ist. Der Begriff der Übergangszeit in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG ist deshalb begünstigend so auszulegen, dass der Kindergeldanspruch für die Zeiträume, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet und während derer typischerweise eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern besteht, möglichst erhalten bleibt ( BFH Urteil vom 19.10.2001, VI R 39/00, BFHE 197, 92, BStBl. II 2002, 481 m. w. N.).

Soweit der BFH mit Urteil vom 16.11.2006 (Az. III R 15/06, BFHE 216, 74, BStBl. II 2008, 56), hierauf bezieht sich der Beklagte bei seiner Entscheidung, die Kindergeldfestsetzung für das gesamte Jahr 2007 aufzuheben, entschieden hat, ein Kind befinde sich ggf. trotz einer Vollzeiterwerbstätigkeit in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten im Sinne von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG, erstreckt sich diese Entscheidung lediglich auf die Fälle, in denen in der angeführten Übergangszeit trotz der Vollzeiterwerbstätigkeit bedingt durch die Höhe der Einkünfte weiterhin eine Unterhaltssituation vorliegt und der Jahresgrenzbetrag im Sinne von § 32 Abs. 4 S. 2 EStG insgesamt nicht überschritten wird.

Übertrüge man diese Grundsätze dagegen auch auf den Streitfall, entfiele die Kindergeldberechtigung des Klägers auch in den Ausbildungszeiträumen von Januar bis Juni sowie von Oktober bis Dezember, in denen die steuerliche Leistungsfähigkeit des Klägers durch die Ausbildung seiner Tochter gemindert gewesen ist. In Fällen der hier zu entscheidenden Art ist daher der Begriff der Übergangszeit in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 b EStG weiterhin in Anlehnung an das Urteil des BFH vom 19.10.2001 (a. a. O.) dergestalt auszulegen, dass der Kindergeldanspruch für die Zeiträume, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet und während derer typischerweise eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern besteht, möglichst erhalten bleibt.

Nur dieses Ergebnis nimmt im Übrigen die Wertung des Gesetzgebers in § 32 Abs. 4 S. 6 und S. 7 EStG auf, der hinsichtlich der die Kindergeldberechtigung einschränkenden eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes und der sich daraus ergebenden Unterhaltsverpflichtung des Berechtigten, ein striktes Monatsprinzip statuiert.

Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid war daher für die Zeiträume Januar bis Juni und Oktober bis Dezember 2007 aufzuheben, da der anteilige Jahresgrenzbetrag für 9 Monate in Höhe von 5.760,00 EUR nicht überschritten ist. Die zeitanteiligen Einkünfte von N. von Januar bis Juni sowie von Oktober bis Dezember in einer Gesamthöhe von 7.785,50 EUR; vermindert um die Sozialversicherungsbeiträge von 1.608,90 EUR sowie die mittlerweile unstreitigen, auf den Ausbildungszeitraum Werbungskosten von 1.008,00 EUR betragen 5.168,60 EUR.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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