Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 1 K 4811/06 E
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 129
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 4811/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 129 AO.

Der Kläger reichte am 17.2.2003 seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2002 ein. Auf dem Mantelbogen war bei den allgemeinen Angaben angegeben worden, dass der Kläger seit 10/2001 geschieden sei. Ein Antrag auf Zusammenveranlagung war nicht gestellt worden. Der Erklärung lag eine Anlage U für Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten bei. Ausdrücklich war in dieser von der Unterhaltsempfängerin vermerkt, dass die Zustimmung zunächst lediglich für 2002 gelte. Die Veranlagung für das Streitjahr erfolgte antragsgemäß. Auf dem Mantelbogen wurde das Datum der Scheidung auf 10/2002 geändert. Die Veranlagung erfolgte noch am 17.2.2003 durch das Bürgerbüro.

Der Rechner der Finanzverwaltung legte der Veranlagung automatisch die Splittingtabelle zugrunde. Grund hierfür war, dass für den Veranlagungszeitraum 2001 dem Finanzamt nicht mitgeteilt worden ist, dass der Kläger und seine frühere Ehefrau bereits in diesem Jahr dauernd getrennt voneinander gelebt haben. Dem entsprechend war in den Grunddaten diese Tatsache nicht aufgenommen worden. Ein Fehlerhinweis erfolgte nicht. Aufgrund einer späteren internen Geschäftsprüfung beim Beklagten fiel dieser Programmfehler auf. Folge ist, dass ein sog. BPH 9485 seit dem 7.11.2005 ausgeworfen wird.

Durch Bescheid vom 28.6.2006 änderte der Beklagte darauf hin die Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr und wandte nunmehr den Grundtarif an. Als Änderungsvorschrift wurde seitens des Beklagten § 129 AO als anwendbar angesehen. Gegen diesen Änderungsbescheid hat der Kläger am 11.7.2006 Einspruch eingelegt, den der Beklagte durch Entscheidung vom 13.10.2006 als unbegründet zurückgewiesen hat.

Der Kläger hat am 15.11.2006 Klage eingelegt. Er ist der Ansicht, dass eine Anwendung der Korrekturnorm des § 129 AO nicht möglich ist. Es fehle an der offensichtlichen Unrichtigkeit der Erstbescheides. Insbesondere sei der Fehler für den Steuerpflichtigen nicht erkennbar gewesen. Dies gelte auch für den auf Seite 2 befindlichen Hinweis, dass die Versteuerung nach der Splittingtabelle erfolgt sei. Dieser Hinweis sei für den Kläger mangels hinreichender steuerrechtlicher Kenntnisse nicht verständlich gewesen. Eine Abschätzung der Steuerschuld, auch aufgrund der vorliegenden Unterhaltszahlungen, sei für den Kläger nicht möglich gewesen. Denkbar sei aber auch ein Rechtsfehler des Sachbearbeiters. So könnte es durchaus möglich sein, dass der Sachbearbeiter bei Überprüfung des Steuerbescheides irrtümlich deshalb von der Anwendbarkeit des Splittingtarifs ausgegangen sei, weil der Kläger bis zum Oktober 2002 noch verheiratet gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteueränderungsbescheid 2002 vom 28.6.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Beklagten kommt im vorliegenden Fall nur ein mechanisches Versehen in Frage. Der Sachbearbeiter habe erkennbar die Veranlagung mit dem Grundtarif vornehmen wollen. Dies sei nur aufgrund der fehlerhaften Angaben des Klägers aus dem Vorjahr 2001 und der deshalb nicht erfolgten Änderung der Grunddaten nicht erfolgt. Er verweist auf das aus seiner Sicht einen gleichen Sachverhalt betreffende Urteil des 1. Senats des FG Münster vom 29.3.2004 (1 K 6177/03), welches vom BFH durch Beschluss vom 5.1.2005 (III B 79/04, BFH/NV 2005, 1013) bestätigt worden sei.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage am 26.1.2007 erörtert. Dabei haben sich die Beteiligten auch einen Lehrfall am Rechner vorführen lassen. Bei diesem erschien bei einer entsprechenden Eingabe der bereits genannten BPH. Außerdem hat der Berichterstatter auf die Änderungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Trennung ab 1.1.2002 hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet

Der Änderungsbescheid vom 19.6.2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2006 ist rechtmäßig ergangen, da der Beklagte seinen Fehler aus der Erstveranlagung gemäß § 129 AO ändern konnte.

Gemäß § 129 Satz 1 AO können die Finanzbehörden Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Steuerbescheides unterlaufen, jederzeit berichtigen. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler; sie können aber auch in einem unbeabsichtigten unrichtigen Ausfüllen des Eingabebogens oder in einem Irrtum über den tatsächlichen Programmablauf bestehen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 5.1.2005 - III B 79/04, BFH/NV 2005, 1023). Dabei ist es unerheblich, dass die fehlerhafte Bescheidung durch die Finanzbehörde verursacht worden ist. Kein mechanisches Versehen liegt allerdings vor, wenn eine mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums besteht oder die Fehler des Finanzamtes auf eine mangelnde Sachaufklärung zurückgehen (vgl. nur BFH-Urteil vom 17.2.1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall ist der fehlerhafte Erstbescheid vom 17.2.2003 Folge eines Programmfehlers gewesen. Das die Veranlagung durchführende Bürgerbüro des Beklagten hat die Veranlagung antragsgemäß durchgeführt. Eingabefehler sind nicht erkennbar. Allein aufgrund lückenhafter Grunddaten ist es dann im Programmablauf zur Anwendung des falschen Tarifs gekommen.

Eine mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums ist nicht erkennbar. Aufgrund der beiliegenden Unterlagen (Anlage U, Lohnsteuerkarte mit Steuerklasse 1) sowie der Eintragung des Scheidungsmonats ist klar erkennbar, dass eine Zusammenveranlagung nicht durchzuführen ist. Aus der vorliegenden Akte ist nicht ersichtlich, dass sich der Sachbearbeiter des Beklagten Gedanken über die Richtigkeit der Angaben und damit auch über die Richtigkeit einer Einzelveranlagung des Klägers machte. Insbesondere sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass sich der zuständige Sachbearbeiter im vorliegenden Fall Gedanken hinsichtlich der steuerlichen Rechtsfolgen aus der Änderung des § 1565 Abs. 2 BGB gemacht hat. § 1565 Abs. 2 BGB erlaubt seit dem 1.1.2002 eine Scheidung auch ohne Vorliegen des sog. Trennungsjahres. Diesbezüglich einen Rechtsirrtum mit der Folge einer bewussten Anwendung des Splittingtarifs noch im Streitjahr anzunehmen, erscheint als rein theoretisch.

Es liegt auch kein Fehler des Beklagten aufgrund mangelnder Sachaufklärung vor. Denn selbst dann, wenn der Sachbearbeiter erkannt hätte, dass die Grunddaten im Vorjahr fehlerhaft gewesen wären, wäre es auch weiterhin aufgrund des Programmfehlers zur fehlerhaften Veranlagung gekommen. Dieser hat seine Ursache in dem Auslassen eines Zwischenschritts bei der Korrektur der Grunddaten. Statt der Änderung der Daten von "verheiratet" direkt auf "geschieden" musste zunächst das "dauernde Getrenntleben" eingegeben werden. Dieser Fehler bei der Grunddatenpflege und nicht mangelnde Sachaufklärung ist somit Ursache für die fehlerhafte Veranlagung gewesen. Ein solcher Fehler bei der Grunddatenpflege ist aber - unabhängig von der Frage, ob ein Prüfvermerk erscheint oder nicht - nicht anders als ein unbeabsichtigtes bzw. unrichtiges Ausfüllen eines Eingabebogens anzusehen, was eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit darstellt (so schon FG Münster, Urteil vom 29.3.2004, 1 K 6177/03 E, EFG 2004, 1178).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht erkennbar. Die Klärungsbedürftigkeit abstrakter Rechtsfragen ist nicht nötig. Die vorliegende Entscheidung ist allein aufgrund der dem Finanzgericht obliegenden Tatsachenwürdigung zu entscheiden gewesen.



Ende der Entscheidung

Zurück