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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 1 K 4916/05 F
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 11 Abs. 2 S. 3 a.F.
EStG § 52 Abs. 30
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 4916/05 F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist, ob § 11 Abs. 2 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung auf eine von der Klägerin (Klin.) geleistete Vorauszahlung von Erbbauzinsen anzuwenden ist.

Die Klin. ist eine Grundstücksgemeinschaft (GbR). An ihr sind die Herren HH (H.) und SL (L.) zu je 1/2 beteiligt. Die GbR erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V+V) u.a. aus dem zu ihren Gunsten bestellten Erbbaurecht in M, A-Straße 24.

Mit notariellem Vertrag vom 23.07.2004 erwarb die Klin. von der Firma Q GmbH das Erbbaurecht an dem vorbezeichneten Grundbesitz.

Nach § 8 des Erbbaurechtsvertrages betrug der jährliche Erbbauzins 29.250 EUR. Die Zahlungspflicht für den Erbbauzins sollte mit der Eintragung der Erbbauberechtigen ins Grundbuch beginnen.

Nach § 8 Abs. 4 war der Grundstückseigentümer berechtigt, eine vorschüssige Zahlung des gesamten Erbbauzinses zu verlangen. Der Ablösungsbetrag für den Erbbauzins für die gesamte Laufzeit des Vertrages sollte danach 650.000 EUR betragen.

Wegen der vertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird auf die bei den Gerichtsakten befindliche Vertragskopie des Erbbaurechtsbestellungsvertrages (Bl. 34 ff der FG Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 11.10.2004 stellte die Grundstückseigentümerin den Erbbauzins für die gesamte Vertragslaufzeit i.H.v. 650.000 EUR bei der Klin. fällig. Diese überwies den Betrag am 28.12.2004 an die Grundstückseigentümerin. Das zu Gunsten der Klin. bestellte Erbbaurecht wurde am 29.12.2004 in das Erbbaugrundbuch eingetragen.

Mit der am 27.06.2005 beim beklagten Finanzamt (FA) abgegebenen Erklärung zur gesonderten - und einheitlichen - Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung machte die Klin. aus der V+V des Grundstücks M, A-Straße 24 einen Verlust i.H.v. 668.370 EUR geltend.

Im Bescheid für 2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 08.09.2005 berücksichtigte der Beklagte (Bekl.) demgegenüber lediglich zeitanteilig gezahlte Erbbauzinsen i.H.v. 6.777 EUR. Der festgestellte Gesamtverlust aus V+V betrug dementsprechend, nur /. 45.457 EUR.

Diesen Betrag rechnete der Bekl. H. und L. jeweils hälftig entsprechend ihrer Beteiligungsquote zu.

Gegen den Feststellungsbescheid legte die Klin. am 23.09.2005 Einspruch ein. Zur Begründung machte sie sinngemäß geltend, dass die Gesetzesänderung im Dezember 2004 nach Abschluss des Erbbaurechtsbestellungsvertrages mit den darin enthaltenen Regelungen rückwirkend nicht mehr in die Abzugsfähigkeit hinsichtlich der in einer Summe gezahlten Erbbauzinsen eingreifen könne.

Der Bekl. wies den Einspruch der Klin. mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung machte er geltend, nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG seien die von der Klin. in einer Summe gezahlten Erbbauzinsen lediglich i.H.v. 6.566 EUR zeitanteilig zu berücksichtigen. Die Regelung der §§ 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG halte sich, was den zeitlichen Anwendungsbereich betreffe, im Bereich zulässiger tatbestandlicher Rückanknüpfung (sogen. unechte Rückwirkung). Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit der am 09.12.2005 erhobenen Klage verfolgte die Klin. ihr Begehren weiter. Sie vertritt dabei die Ansicht, vor Einführung des § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG am 09.12.2004 seien einmalig gezahlte Erbbauzinsen in voller Höhe abzugsfähig gewesen. Der BFH habe mit Urteil vom 23.09.2003 überdies entschieden, dass der Erbbauzins Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sei und nicht zu Anschaffungskosten führe. Entsprechend habe er gefolgert, dass wenn eine Erbbauzinsverpflichtung vom Erbbauberechtigten in Form einer Einmalzahlung abgegolten werde, der Einmalbetrag im Fall der Erzielung von Einkünften aus V+V im Jahr der Zahlung in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sei, sofern für die Einmalzahlung wirtschaftliche Gründe bestünden.

Die Sofortablösung der Erbbauverpflichtung durch sie sei wirtschaftlich vorteilhaft gewesen, da der Ablösungsbetrag niedriger gewesen sei als der kapitalisierte Bauwert der Erbbauzinsverpflichtung.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gehe für das Einkommensteuerrecht davon aus, dass eine unzulässige Rückwirkung von Rechtsfolgen nur dann vorliege, wenn eine Norm nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verkündet werde und für den bereits abgeschlossenen Veranlagungszeitraum die Rechtsfolgen nachträglich ändere. Dagegen solle bei der Verkündung eines Gesetzes während des Laufs des Veranlagungszeitraums lediglich eine Neubestimmung einer bis dahin noch nicht eingetretenen Rechtsfolge und damit eine im Grundsatz zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung vorliegen. Auf diese Rechtsprechung stütze sich die Einspruchsentscheidung. Diese Rechtsprechung werde jedoch im neueren Schrifttum und vom BFH (BStBl. II 2004, 284) dann als unrichtig angesehen, wenn die Rückwirkung in abgeschlossene Tatbestände eingreife. Auch das BVerfG selbst habe seine "Veranlagungszeitraumrechtsprechung" eingeschränkt, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände nachträglich ungünstigere Folge knüpfe, als diejenigen, von der der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (BVerfG-Entscheidungen 13, 261, 271; 30, 272, 285; 35, 142, 168). Wegen der Klagebegründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 30.01.2006 vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid über gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2004 vom 08.09.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.11.2005 der Gestalt zu ändern, dass ein weiterer Verlust i.H.v. 643.434 EUR steuermindernd berücksichtigt wird,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat im Feststellungsbescheid vom 08.09.2005 und der Einspruchsentscheidung (EE) vom 10.11.2005 unter Heranziehung von § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG zutreffend entschieden, dass im maßgeblichen Feststellungszeitraum 2004 Erbbauzinsen lediglich i.H.v. 6.566 EUR als Werbungskosten (Wk) bei den Einkünften aus V+V der Klin. abzugsfähig sind.

Die Regelungen der § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG sowie die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 30 EStG halten sich in Bezug des zeitlichen Anwendungsbereichs, im Bereich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Normen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Normen zu unterscheiden zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung bzw. der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung. Erstere liegt vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm endgültig wirksam geworden ist. Die Anordnung, eine belastende Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitpunkt eintreten, ist grundsätzlich unzulässig bzw. nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zu rechtfertigen (BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 II BvR 882/97 BVerfGE 97, 67, BStBl. I 1998, 725). Der Eingriff in einen abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtssicherheit. Dieses Gebot enthält als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ein objektives Element; es verlangt eine gewisse Rechtsbeständigkeit, Berechenbarkeit und die Verlässlichkeit der geltenden Rechtsordnung (Vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 228 , BStBl. II 2004, 284, 291 mwN).

Demgegenüber betrifft eine unechte Rückwirkung nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach der Verkündigung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor der Verkündigung "ins Werk gesetzt" worden sind (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGEen 105, 17, 37). Die unechte Rückwirkung unterliegt weniger strengen Beschränkungen als die echte (BVerfG-Beschluss in BVerfGEen 97, 67, aaO). Bei Veranlagungssteuern, wie der ESt, hat sich das BVerfG auf den Standpunkt gestellt, auf Grund der Jahresbezogenheit der Einkünfte- und Einkommensermittlung trete die durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Stpfl.) ausgelöste Rechtsfolge erst in dem Zeitpunkt ein, indem die Steuerschuld entsteht (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986 2 BvR 2/83, BverfGEen 72, 200, 253, BStBl. II 1986, 628;vom 15. Januar 1992, 2 BvR 1824/89, Höchstrichtliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1992, 729; vom 8. Februar 1993, 2 BvR 1765, 92, HFR 1993, 329). Da die ESt gemäß § 36 Abs. 1 EStG grundsätzlich erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, also des Kalenderjahres (vgl. §§ 2 Abs. 7, 25 Abs. 1 EStG), entsteht, bewirkt dieser Ansatz, dass Handlungen oder Vorgänge während des Kalenderjahres unter dem Gesichtspunkt einer unechten Rückwirkung zu würdigen sind.

Nach diesen Grundsätzen wären die Entscheidungen des Bekl., so wie er es in der EE dargestellt und begründet hat, nicht zu beanstanden, da die entscheidungserhebliche Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG im Dezember des Streitjahres 2004 und damit zu einem Zeitpunkt vor Entstehung der Steuerschuld in Kraft getreten ist.

Die sogenannte Veranlagungszeitraum-Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 72, 200, BStBl. II 1986, 628, wonach bei Veranlagungssteuern für die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entstehung der ESt-Schuld, also auf den Ablauf des Kalenderjahres, abzustellen sei, ist ganz überwiegend auf Kritik gestoßen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl. II 2004, 284 undvom 11.10.2006 XI R 30/03, BStBl. II 2006, 895).

Nach dieser Rechtsprechung ist deshalb auch für Steuergesetze eine echte Rückwirkung bereits dann anzunehmen, "wenn und soweit eine im Gesetz neu oder verändert vorgesehene Rechtsfolge auch oder nur in Fällen gelten sollen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich vor Verkündigung des Gesetzes erfüllt worden sind".

Die Rechtsansicht, dass für den durch Art. 20 Abs. 3 GG gewährten Vertrauensschutz nicht der Ablauf des Kalenderjahres, sondern nur diejenige Rechtslage maßgebend sein kann, die im Zeitpunkt der Handlung des Stpfl. bzw. der Verwirklichung der Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestandes bestanden hat, entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 739, m.w..N.; Kruse/Drüen in Tipke-/Kruse. a.a.O.,§ 4 AO Tz. 16; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung § 4 Rz. 80; Klein/Gersch, a.a.O., § 4 Rz. 5; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 4 Rz. 177 f.; vgl. auch Osterloh, DStJG 24 (2001)).

Auch nach Auffassung des erkennenden Senats wird die Rechtsprechung des BVerfG, die zur Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung bei der ESt auf den Ablauf des Kalenderjahres abstellt, dem berechtigten und durch Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Vertrauen des Bürgers auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung nicht gerecht.

Nach § 38 Abgabenordnung (AO) entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Diese Vorschrift gilt gemäß § 1 AO für alle Steuern. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehört gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 AO u.a. der Steueranspruch. Der Gesetzgeber unterscheidet in § 38 AO zwischen der Verwirklichung des Tatbestandes, d.h. der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen einerseits und der Entstehung der Leistungspflicht, d.h. der Rechtsfolge andererseits. Mit der Verwirklichung aller Merkmale eines bestimmten Besteuerungstatbestandes steht die Steuerpflicht dem Grunde nach bereits fest. Dementsprechend wird der Stpfl. auf Grund der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung tatsächlich auch bereits vor Ablauf des Kalenderjahres vom Steuergläubiger zu Steuerzahlungen herangezogen und belastet. Lebenssachverhalte, die den Tatbestand einer steuerrechtlichen Vorschrift erfüllten und die bereits vor Ablauf des Kalenderjahres verwirklicht sind, führen zu einer - wenn auch nur vorläufigen - Erhebung von Steuern auf die zugeflossenen Einnahmen. So sind gemäß § 37 Abs. 3 EStG die ESt-Vorauszahlungen zu erhöhen, wenn sich während des Veranlagungszeitraumes ergibt, dass die festzusetzende ESt voraussichtlich höher sein wird, als bisher angenommen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn einem Selbständigen im laufenden Jahr außerordentliche Einnahmen zufließen (vgl. BFH, Beschluss vom 02.08.2006 XI R 30/03, aaO; Seeger, FR 2003, 30).

Deshalb sollte nach Ansicht des Senats - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und in Übereinstimmung mit der ganz überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung - auch bei Steuergesetzen eine "echte" Rückwirkung bereits dann angenommen werden, wenn eine im Gesetz neu oder verändert vorgesehene Rechtsfolge auch dann oder nur in Fällen gelten soll, in denen ihre Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich vor Verkündung des Gesetzes erfüllt worden sind.

Auch nach diesen aufgezeigten Grundsätzen ist indes die Entscheidung des Bekl., die gezahlten Erbbauzinsaufwendungen nur zeitanteilig zum Abzug zuzulassen, nicht zu bestanden.

Im Streitfall ist § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in Nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinienumsetzungsgesetz) in das EStG eingefügt worden. Dieses am 09.12.2004 im Bundestag beschlossene Gesetz ist am 16.12.2004 im Bundesgesetzblatt (BGBl.) veröffentlicht worden.

Demgegenüber haben die Kl. den Erbbauzins ausweislich der vorgelegten Zahlungsbelege erst am 28.12.2004 geleistet. Danach ist der steuererhebliche Sachverhalt - die zur Abzugsfähigkeit von Wk im Rahmen der Einkommensart V+V führende Zahlung von Erbbauzinsen - erst nach Bekanntgabe des Änderungsgesetzes vollständig verwirklicht worden.

Entgegen der Auffassung der Kl. ist der maßgeblich Besteuerungstatbestand nicht bereits mit der Vereinbarung der Möglichkeit zur Zahlung der Erbbauzinsen für die gesamte Vertragslaufszeit in einer Summe verwirklicht. Bei der Abgrenzung der Rückbewirkung von Rechtsfolgen von der tatbestandlichen Rückanknüpfung führt allein der Umstand, dass eine oder mehrere Dispositionen des Kl. in der Vergangenheit liegen, nicht zur Annahme einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen, wenn das Geschehen noch nicht abgeschlossen ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGEen 18, 135, 143; in BVerfGEen 105, 17, 37 ff).

Dies gilt ungeachtet eines in der Vergangenheit liegenden Anknüpfungspunktes auch bei (erstmaliger) Begründung einer Steuerpflicht (BVerfG-Beschluss in BVerfGEen 63, 312, 328 ff).

Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist nur gegeben, wenn ein neues Gesetz in Sachverhalte eingreift, die vor der Gesetzesverkündung abgeschlossen waren und die die Voraussetzungen eines bisher geltenden Tatbestandes erfüllten (BVerfG-Beschluss vom 23. März 1971 2 BvR 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66, BVerfGEen 30, 367, 386 ff).

Für die Abgrenzung der Rückbewirkung von Rechtsfolgen von der tatbestandlichen Rückanknüpfung bereits auf Dispositionen des Stpfl. abzustellen, wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Kl. seine Vermögensdispositionen im Hinblick auf eine langjährig bestehende Rechtslage und Rechtsausübung getroffen hätte. Aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des daraus folgenden Vertrauensschutzes ergeben sich Grenzen auch für solche Gesetze, die ihre Wirkung auf Tatbestände erstrecken, deren Verwirklichung bereits begonnen hat (BVerfG-Urteile vom 19. Dezember 1961, 2 BvR 2/60, BverfGEen 13, 279, 283; in BverfGEen 101, 239, 263). Denn im Vertrauen auf die Beständigkeit und Berechenbarkeit des Rechts, dass der Staatsbürger dem ordnungsgemäß gesetzten Recht entgegen bringen darf und dass es ihm ermöglicht, auf längere Zeit zu planen und zu disponieren, wird der Bürger getäuscht, wenn der Gesetzgeber an zurückliegende oder in der Entwicklung befindliche Tatbestände andere, ungünstigere Rechtsfolgen knüpft als diejenigen, auf welche sich der Stpfl. bei seiner Dispositionen einrichten konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, aaO).

Diese besonderen Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht erfüllt.

Der BFH hat bereits mit Urteil vom 31.01.1964 (VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl. III 1964,187) entschieden, dass einmalige Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Erbbaurechts laufzeitabhängig zu verteilen sind. Bezogen auf die Zahlung von Erbbauzinsen hat ermit Urteil vom 27.10.1994 (X R 141/93, BFHE 175, 124, BStBl. II 1995, 111) ebenfalls festgestellt, dass der zu zahlende Einmalbetrag nicht zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehört, sondern als Entgelt für die Nutzung des Grundstücks ebenfalls laufzeitabhängig auf die Nutzungsdauer des Erbbaurechts zu verteilen ist.

Auch der Bundesminister der Finanzen hat im Hinblick auf diese gefestigte Rechtsprechung mit BMF-Erlass vom 10.12.1996 (BStBl. 1996 I, 1440) die Auffassung vertreten, das Erbbauzinsen, die der Erbbauberechtigte vorausgezahlt oder in einem Betrag gezahlt hat, im Rahmen der Einkünfte aus V+V als Werbungskosten verteilt auf die Laufzeit des Erbbaurechtes abzuziehen sind.

Demgegenüber hat der BFH erstmaligmit Urteil vom 23.09.2003 (IX R 65/02, BFHE 2003, 355, BStBl. II 2005, 159) entschieden, dass vorausgezahlte Erbbauzinsen im Zeitpunkt der Zahlung in voller Höhe als Werbungskosten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG abzugsfähig sind.

Bei dieser Rechtsentwicklung und Rechtsanwendung in der Vergangenheit bestand vor dem Hintergrund des dem Rechtsstaatsprinzip entspringenden Kontinuitätsgebotes und des Vertrauensschutzes keine gefestigte Rechtslage, auf Grund deren die Kl. davon ausgehen konnten, dass ihre vertraglichen Vereinbarungen in der notariellen Urkunde vom 23.07.2004 in jedem Fall zu einer sofortigen Abzugsfähigkeit der in einer Summe zu leistenden Erbbauzinsen führen würde.

Dies gilt nach Auffassung des Senates um so mehr, als das Urteil des BFH vom 23.09.2003 von der Finanzverwaltung auch für die Kl. erkennbar, nicht im BStBl. veröffentlicht wurde und sie damit nicht auf die Anwendung dieses Urteils in der Zukunft vertrauen durften.

Nach alledem liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückanknüpfung nicht vor.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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