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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 1 K 6435/02 L
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 2 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

1 K 6435/02 L

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Gründe:

Streitig ist, ob ein Haftungsbescheid über Lohnsteuer (LSt), Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (KiSt) rechtmäßig ist.

Am 11.06.2002 fand bei der Firma T- GmbH , der Klägerin (Klin.), eine LSt-Außenprüfung durch den Beklagten (Bekl.) statt. Der LSt-Außenprüfer ermittelte, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer O ein betrieblicher Pkw, den er auch für Privatfahrten nutzen konnte, überlassen wurde. Nach den Feststellungen der LSt-Außenprüfung führte O . kein Fahrtenbuch. Der geldwerte Vorteil aus der privaten Pkw-Nutzung wurde von der Klin. nicht dem Arbeitslohn zugerechnet und der LSt unterworfen.

Der Bekl. ermittelte den geldwerten Vorteil aus der Nutzung des Betriebs-Pkw für private Fahrten in dem Zeitraum Januar 1999 bis April 2002 nach der sog. 1%-Methode, für Fahrten zwischen Wohnung- und Arbeitsstätte nach der 0,03%-Methode. Die sich dadurch ergebenden Nachforderungen für den Zeitraum Januar bis April 2002 setzte er mit Haftungsbescheid vom 09.09.2002 auf 1.609,12 EUR fest. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Haftungsbescheid Bezug genommen.

Gegen diesen Haftungsbescheid legte die Klin. am 12.09.2002 Einspruch ein. Zur Begründung übermittelte sie für das Jahr 2002 ein nachträglich erstelltes Fahrtenbuch in Form einer Exceltabelle. Sie macht geltend, dieses Fahrtenbuch sei auf Grund des beruflich geführten Kalenders des Steuerpflichtigen (Stpfl.) erstellt worden. Nach diesem "Fahrtenbuch" ergäben sich berufliche Fahrten des O . i.H.v. rd. 97%. Der Haftungsbescheid sei entsprechend zu ändern.

Der Bekl. wies den Einspruch der Klin. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.11.2002 als unbegründet zurück.

Mit der am 05.12.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH- (vgl. Beschluss vom 24.02.2000 Az. IV B 83/99, BStBl. II 2000, 298 ) sei auch grundsätzlich ein nachträglich erstelltes Fahrtenbuch geeignet, die Anwendung der 1%-Regelung im Einzelfall auszuschließen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Die Klin. beantragt sinngemäß,

den LSt-Haftungsbescheid vom 09.09.2002 in Gestalt der EE dahingehend zu ändern, dass der zu versteuernde Privatanteil für die Pkw-Nutzung des Gesellschafter-Geschäftsführers O . mit monatlich 103 EUR ab dem 01.01.2002 angesetzt wird.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, nur ein zeitnah geführtes Fahrtenbuch führte dazu, dass die 1%-Regelung nicht anzuwenden sei.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - § 90 Finanzgerichtsordnung (FGO) -.

Die Klage ist nicht begründet.

Der LSt-Haftungsbescheid vom 09.09.2002 in Form der EE vom 11.11.2002 ist rechtmäßig. Zwischen den beteiligten Parteien ist nach Durchführung der LSt-Außenprüfung unstreitig, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer O . ein betrieblicher Pkw für die Durchführung von Privatfahrten und für die Durchführung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung stand. Übereinstimmung besteht auch darin, dass der aus der Kfz-Gestellung auch für private Zwecke liegende Vorteil als Arbeitslohn dem Grunde nach der Lohnbesteuerung zu unterwerfen ist.

Der Bekl. hat außerdem entgegen der Auffassung der Klin. den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung des Kfz im Ergebnis zutreffend nach der sog. 1%-Methode ermittelt. Nach den §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist die private Nutzung eines Kfz für jeden Kalendermonat mit 1% des inländischen Listenpreises anzusetzen. Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 v.H. des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG besteht daneben die Möglichkeit den geldwerten Vorteil in Höhe der tatsächlichen Kfz-Kosten anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige das Verhältnis der betrieblichen Fahrten zu den Privatfahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist.

Den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch entsprechen jedoch die von der Klin. erstmals im Einspruchsverfahren vorgelegten und nach ihrem eigenen Vortrag nachträglich gefertigten Exceltabellen nicht.

Bei einem ordnungsgemäßen Fahrtenbuch handelt es sich um fortlaufend und zeitnah geführte Aufzeichnungen mindestens mit Angaben zum jeweiligen Datum, dem Tachostand zu Beginn und zum Ende der Fahrt, den gefahrenen Kilometern sowie bei betrieblichen Fahrten dem Reiseziel, dem Reisezweck, der Reiseroute und den aufgesuchten Geschäftspartnern (vgl. BFH-Beschluss vom 09.12.1998 IV B 33/98, BFH/NV 1999, 916 m.w.N.). Diese Aufzeichnungen sind in der Regel handschriftlich zu führen. Sie können aber auch in Gestalt eines "elektronischen Fahrtenbuchs" geführt werden. In beiden Fällen müssen jedenfalls nachträgliche Veränderungen (technisch) ausgeschlossen oder zumindest dokumentiert sein (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. März 2000 4 K 3019/98 m.w.N.; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Februar 2002 2 K 235/00, EFG 2002, 667; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 05.05.2004 2 K 636/01, Haufe-Index: 1214187). Durch solche, vor Veränderungen geschützte Aufzeichnungen wird gewährleistet, dass nur authentische gegen Missbrauch geschützte Angaben der steuerlichen Begünstigung unterfallen. Nur durch derartige Aufzeichnungen in Gestalt eines Eigenbelegs kann ein Steuerpflichtiger Beweisvorsorge gegen die widerlegbare Vermutung einer privaten Mitbenutzung des Fahrzeugs treffen.

Unter Heranziehung dieser Grundsätze sind die Aufzeichnungen der Klin. kein Beweismittel im Sinne eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches. In die vorgelegten Exceltabellen hat die Klin. aus den erstmals im Einspruchsverfahren vorgelegten Terminkalendern des O . vorgebliche Baustellennamen entnommen und diesen Baustellen rechnerisch Entfernungskilometer zugeordnet. Ein derartiges rechnerisches Auffüllen der im Streitzeitraum gefahrenen Gesamtkilometer mit Entfernungskilometern anlässlich von vorgeblichen Betriebsfahrten erfüllt nach Auffassung des Gericht eindeutig nicht das Tatbestandsmerkmal des Führens eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches i.S.d. § 8 EStG, sondern stellt vielmehr eine nachträgliche, willkürliche Zuordnung von gefahrenen Kilometern zu Geschäftsvorfällen dar. Dieses Rechenwerk ist in jedem Fall nicht geeignet, eine private Mitbenutzung des Fahrzeugs auszuschließen.

Auch die von der Klin. herangezogene Entscheidung des BFH lässt keine andere Beurteilung zu. Ein nachträglich erstelltes Fahrtenbuch kann nach Auffassung des Senates allenfalls dann Berücksichtigung finden, wenn die der Erstellung des Fahrtenbuches zugrundeliegenden Grundaufzeichnungen eine sichere Einschätzung in der Weise zulassen, dass Privatfahrten nur in dem dargestellten Umfang stattgefunden haben können. Dies ist im Streitfall gerade nicht der Fall, da der den Streitzeitraum betreffende Terminkalender des O . außer den Namensbezeichnungen keinerlei weitere Angaben enthält.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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