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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 10 K 6838/03 Kap
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 52 Abs 37a
EStG § 20 Abs 1 Nr 10b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 19.10.1005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob bei der Kapitalertragsteuerfestsetzung für den Anmeldezeitraum 2001 § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz), vom 23.10.2000 (Bundesgesetzblatt I -BGBl. I-, S. 1433) anzuwenden ist. Zum anderen, ob die Klägerin (Klin.) bei Anwendung dieses Gesetzes die Voraussetzungen für die Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer erfüllt.

Die Stadt I. führt einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) "Bäder" ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 Köperschaftssteuergesezt (KStG). Die Bilanz des BgA zum 31.12.2001 weist für das Wirtschaftsjahr 2001 ein Jahresüberschuss von 20.152.966,05 DM (10.304.047 EUR) aus.

Am 23.12.2002 reichte die Klin. eine Kapitalerstragsteuer-Anmeldung für den Gewinn des Wirtschaftsjahres 2001 ein und erklärte Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG von 10.304.047 EUR. Entsprechend meldete sie Kapitalertragsteuer von 1.030.404 EUR und Solidaritätszuschläge von 56.672,25 EUR an. Den dagegeben am 23.01.2003 eingelegten Einspruch wies der Beklagte (Bekl.) mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.11.2003 als unbegründet zurück. Am 4.11.2004 reichte die Klägerin eine geänderte Kapitalertragsteuer-Anmeldung über 927.389 EUR Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlägen von 51.006,42 EUR ein, welcher der Beklagte zustimmte.

Mit ihrer am 23.12.2002 erhobenen Klage trägt die Klin. zum einen vor, dass auf den Gewinn 2001 des BgA § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes noch keine Anwendung finde. Zum anderen lägen dessen tatbestandliche Voraussetzungen hier nicht vor.

Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 37 a Satz 2 ESG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes sei § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr erstmals auf den Gewinn des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Jahr 2002 anzuwenden, soweit dieser nicht den Rücklagen zugeführt werde. Da Betriebe gewerblicher Art und seine Trägerkörperschaft als eigenständige Steuersubjekte zu betrachten seien, könne ausschließlich der BgA "Gewinne erzielen" während die Trägerkörperschaft offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen ihres BgA "empfange".

Soweit § 52 Abs. 37 a Satz 1 EStG für BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit bestimme, dass § 20 Abs. 1 Nr. 10 a EStG bei kalendergleichen Wirtschaftjahr erstmals auf Leistung eines BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit im Jahr 2002 anzuwenden sei, dürfe dieses nicht zu einer dem Wortlaut des § 52 Abs. 37 a Satz 2 EStG widersprechenden Auslegung, die zu Lasten des Steuerpflichtigen ginge, führen. Denn der Gesetzgeber habe für den BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit einen neuen Tatbestand der "Leistungserzielung" geschaffen, so dass auf die im 2001 erwirtschafteten Gewinne bei einen Leistungstransfer auf die Trägerkörperschaft in 2002 Kapitalertragsteuer zu entrichten sei.

Aber auch wenn man § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG erstmals auf Gewinne aus 2001, die die Trägerkörperschaft in 2002 erziele, anwende, läge keine Kapitalertragsteuerpflicht vor, da der Gewinn des BgA "Bäder" hier schon im Jahr 2001 abgeflossen sei. Denn der BgA "Bäder" habe in seiner Bilanz zum 31.12.2001 keine Forderung gegen den Hoheitsbereich der Stadt I. ausgewiesen. Damit werde dokumentiert, dass die Klin. die Dividendenerträge mit ihrer Vereinnahmung in 2001 insoweit endgültig für außerbetriebliche Zwecke einsetzen wolle. Hierdurch sei allenfalls der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 2 EStG verwirklicht, da die Gewinne im Jahre 2001 quasi laufend in eine Rücklage eingestellt würden, die sodann bis zum Ende 2001 wieder aufgelöst würde.

Aber selbst wenn man unterstelle, dass der "nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn" der Klin. erst im Jahr 2002 zugeflossen sei, hätte sie gleichwohl wegen § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 5 EStG keine Einkünfte aus Kapitalvermögen gehabt. Der BgA hätte in diesem Fall seinen Gewinn von ca. 20 Millionen DM im Jahr 2002 "ausgeschüttet". Für diese Leistung im Jahre 2002 würde allein das Einlagenkonto im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG als verwendet gelten, da es auf den 31.12.2001 keine ausschüttbaren Gewinn gegeben habe. Ausschüttbarer Gewinn sei das Eigenkapital der Steuerbilanz abzüglich des Kapitals und abzüglich des Einlagenkontos. Die Finanzverwaltung wolle demgegenüber im Anfangsbestand des Einlagenkontos (gleich Betrag des Einlagenkontos im Zeitpunkt des Systemswechsels zum 31.12.2000) bei einem bilanzierenden Betrieb gewerblicher Art nur den das Nennkapital übersteigenden Betrag erfassen. Der Anfangsbestand des Einlagenkontos würde danach ausschließlich durch die sogenannten handelsrechlichen Altrücklagen gebildet werden. Hiernach hätte das Einlagenkonto im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG für den BgA "Bäder" im Zeitpunkt des Systemwechsels (= 31.12.2000) 40.216.237,90 DM (gleich Eigenkapital am 31.12.2000) betragen. Da das Eigenkapital der Steuerbilanz zum 31.12.2001 bei 42.231.040,51 DM gelegen habe, sei lediglich ein Ausschüttbarergewinn von 2 Millionen vorhanden. Die darüber hinaus gehende Ausschüttung des Gewinns 2002 wäre zu ca. 18 Millionen aus dem Einlagenkonto finanziert worden. Der - vom Gesetzgeber ausdrücklich formulierte - Zweck des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG der Gleichstellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Betrieben gewerblicher Art mit Kapitalgesellschaften gebiete es jedoch im Anfangsbestand des Einlagenkontos (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KStG) auch alle tatsächlich noch nachweisbaren Einlagen vor dem Systemwechsel zu erfassen. Nach einer vorläufigen Aufstellung der Klin. betrüge diese Einlagen (Zuschussbedarf) für den Zeitraum von 1960 bis 1991 etwas mehr als 77 Millonen DM.

Die Klin. beantragt,

die durch die Anmeldung vom 4.11.2004 bewirkte Kapitalertragsteuer-Festsetzung aufzuheben;

für den Fall des Unterliegens, die Revison zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Bei den Ausführungen der Klin. hinsichlich der grundsätzlichen Zweifel an der Kapitalertragsteuerpflicht handele es sich um eine Interpretation der Gesetzesintention. Diese widerspreche jedoch dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, so dass kein Ermessensspielraum verbleibe. Die Ausführungen dazu, dass selbst bei grundsätzlicher Annahme einer Kapitalertragsteuerpflicht in 2002, keine Kapitalertragsteuer festzusetzen sei, könne nicht nachvollzogen werden.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 27.02.2004 sowie 6.10.2005 und auf die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2003 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 und das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20.12.2001 (BGBl. I, S. 3858) sind in § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG für juristische Personen des öffentlichen Rechtes neue Einkommenstatbestände eingeführt worden. Nach Buchstabe b dieser Vorschrift werden - unter anderem- nicht den Rücklagen zugeführte Gewinne eines nicht von der Körperschaftssteuer befreiten BgA im Sinne des § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, zu Kapitaleinkünften der Trägerkörperschaft qualifiziert. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 5 i. V. m.Abs. 1 Nr. 1 Satz 3EStG gehören die Bezüge nicht zu den Einnahmen der Trägerkörperschaft, soweit sie aus Ausschüttungen eines BgAs stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagenkonto im Sinne des § 27 KStG als verwendet gelten. Dieser Einkunftstatbestand führt nach § 2 Nr. 2 KStG zu einer beschränkten Steuerpflicht mit einer Kapitalertragsteuerbelastung von 10 %, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 c EStG i. V. m § 43 a Abs. 1 Nr. 6 EStG. Die Kapitalertragsteuer entsteht im Zeitpunkt der Bilanzerstellung, spätenstens 8 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, § 44 Abs. 6 Satz 2 EStG.

Nach § 52 Abs. 37 a Satz 2 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG erstmals auf Gewinne anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit erzielt werden, für das das KStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom 23.10.2000 (BGBl. I S. 1433) erstmals anzuwenden ist. Gemäß § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG gilt der BgA als Schuldner der Kapitalerträge und die Trägerkörperschaft als Gläubiger.

Bei der Klin. handelt es sich unstreitig um einen BgA ohne eigene Rechtpersönlichkeit, der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Die Klin. ermittelte für das Wirtschaftsjahr 2001 einen Jahresüberschuss von 20.152.966,05 DM (10.304.047 EUR). Bei diesem Jahresüberschuss handelt es sich um einen Gewinn im Sinne der vorgenannten Vorschrift der keiner Rücklage zugeführt wurde. Allein hierdurch ist der Einkommenstatbestand bei der Trägerkörperschaft erfüllt. Da der Beklagte im Kapitalertragsteuerbescheid vom 4.11.2004 nur 9.273.896,00 EUR (18.138.164,00 DM) der Besteuerung zugrunde legte, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob über diesen von der Trägekörperschaft verwendeten Gewinn hinaus der gesamte Gewinn der BgA kapitalertragsteuerpflichtig ist.

Der vorgenannte Gewinn wurde auch nicht - wie die Klägerin meint - in 2001 in eine Rücklage eingestellt, die vor Ende des Jahres 2001 wieder aufgelöst wurde, so dass der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Nr. 10 b Satz 2 EStG nicht verwirklicht wurde. Unabhängig davon, das eine solche buchmäßige Behandlung vom BgA nicht vorgenommen wurde, kann ein Gewinn erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraumes in eine Rücklage eingestellt werden.

Zu Unrecht meint die Klin., dass der endgültig für eigene Zwecke in 2002 verwendete Gewinn aus einem steuerlichen Einlagekonto im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG entstamme. Zum einen handelt es sich ausweislich der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung des BgA um einen Gewinn, der in 2001 und damit nach dem Zeitpunkt des Systemwechsels der Körperschaftssteuer (= 31.12.2000/1.1.2001) erwirtschaftet wurde. Zum anderen kann diese durch § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 1 EStG fingierte Gewinnausschüttung nicht aus den Zuschussbeträgen der Jahre 1960 bis 1991 entstammen, da diese zum Ausgleich der Verluste geleistet wurden und damit verbraucht sind. Zu der Rückzahlung von Eigenkapitalanteilen ist es vorliegend auch schon deshalb nicht gekommen, weil ausweislich der Bilanz des BgA "Bäder" das Eigenkapital per 31.12.2001 um ca. 2 Millionen DM höher ist, als in der Vorjahresbilanz. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob in das steuerliche Einlagenkonto im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG als Anfangbestand per 01.01.2000, dem Zeitpunkt des Körperschaftssteuersystemwechsels, das damals vorhandene Eigenkapital einzustellen wäre.

Der Bekl. hat auch zutreffend § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes erstmalig auf den von dem Betrieb der gewerblichen Art "Bäder" in 2001 erzielten Gewinn angewendet.

Dem steht der Wortlaut des § 52 Abs. 37 a Satz 2 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes nicht entgegen. Danach ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG erstmals auf Gewinne anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt werden, für das das KStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetes vom 23.10.2000 (BGBl. I 1433) erstmals anzuwenden ist. Zutreffend weist die Klin. daraufhin, das der Einkünftetatbestand § 20 Abs. 1 Nr. 10 a EStG für Betriebe gewerblicher Art mit eigener Rechtspersönlichkeit aus der Sicht des Gläubigers der Kapitalerträge definiert wird, da dort die Leistung des BgA zu den Einkünften der Trägerkörperschaft aus Kapitalvermögen gerechnet werden. Da bei einem BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit ein Vermögenstransfer im Sinne einer Leistung vom BgA an die Trägerkörperschaft mangels unterschiedlicher Rechtspersönlichkeiten nicht denkbar ist, hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG den nicht den Rücklagen zugeführten Gewinn des BgA als fiktiven Vermögenstransfer an die dahinterstehene Trägerkörperschaft definiert und zum Tatbestand der Einkommensbesteuerung gemacht (so auch Riotte in: Erle/Sauter -Hrsg.- Reform der Unternehmensbesteuerung S. 102).

Da hier der Gesetzgeber tatbestandlich an einen fiktiven Vermögenstransfer anknüpft, kann § 11 Abs. 1 EStG für den Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung nicht herangezogen werden.

Aus Sicht der Trägerkörperschaft als Steuerschuldner ist ein nicht den Rücklagen des BgA zugeführter Gewinn von der Trägerkörperschaft für eigene Zwecke verwendet worden. Dadurch wird in § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG unabhängig von der Rechtspersönlichkeit des BgA die Gewinnverwendung durch die Trägerkörperschaft und die damit verbundene Steigerung der Leistungsfähigkeit zum Anknüpfungspunkt der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gemacht.

Zu Unrecht meint die Klin., dass es bei der Auslegung dieser Anwendungsvorschrift auf die Gewinnerzielung durch den BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit ankomme. Eine solche allein am Wortlaut orientierte Auslegung wird weder dem Gesetzeszweck, wie er im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck gekommen ist, noch der Systematik des Kapitalertragsteuerabzuges gerecht.

Nach der Gesetzesbegründung werden mit der Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren Gewinne, die eine Kapitalgesellschaft erzielt, ab dem 01.01.2001 mit 25 % Körperschaftsteuer (KSt) besteuert. Schüttet die Kapitalgesellschaft Gewinne aus, löst dies im Ausschüttungszeitpunkt eine Kapitalertragsteuerpflicht aus. Auf der Ebene der Anteilseigner wird die zugeflossene Dividende zur Hälfte bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens erfasst und die bezahlte Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer (ESt) angerechnet. Dementsprechend sollten bei BgA von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) die Gewinne künftig ebenfalls mit 25 % KSt belastet werden. Bei diesen Körperschaften gibt es aber grundsätzlich keine Ausschüttungen an Anteilseigner oder Mitglieder im vorgenannten Sinne. Gleichwohl kommt es auch bei diesen Körperschaften zur Vermögensübertragung an die "hinter diesen Gesellschaften stehenden" Personen (z. B. an den Landkreis als Gewährleistungsträger einer Kreissparkasse). Diese Vermögensübertragungen sind wirtschaftlich gesehen mit vorstehend erwähnten Gewinnausschüttungen vergleichbar. Aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung sah der Gesetzgeber es daher als geboten an, auch diese Vermögensübertragungen auf der Ebene der "Anteilseigner" steuerlich zu erfassen. Durch die Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG sollte daher eine Besteuerung der nicht in die Rücklage eingestellten Gewinne, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts (als "Anteilseigner") zur Verfügung stehen, sichergestellt werden (Bundestagsdrucksache - BTDrs. - 14/2683 S. 114 ff). Da das neue Körperschaftsteuerrecht zum 01.01.2001 Anwendung finden sollte, sah der Gesetzesentwurf der Fraktion SPD und Bündnis 90/Die Grüne vom 15.02.2000 (BTDrs. 14/2683, S. 17) in Art. 1 Nr. 31 j folgende Fassung des § 52 Abs. 37 a EStG vor:

§ 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG ist erstmals auf Gewinne anzuwenden, die in nach dem 31.12.2000 beginnenden Wirtschaftsjahren des BgA erzielt werden.

Im 7. Finanzausschuss vom 16.05.2005 (BTDrs. 14/3366, S. 46) wurde § 52 Abs. 37 a EStG wie folgt geändert:

§ 20 Abs.1 Nr. 10 Buchstabe a EStG ist erstmals auf Leistungen anzuwenden, die nach Ablauf des ersten nach dem 31.12.2000 beginnenden Wirtschaftsjahr des BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit erzielt werden.

§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG ist erstmals auf Gewinne anzuwenden, die in nach dem 31.12. 2001 beginnenden Wirtschaftsjahr des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erzielt werden.

Um auch die Fälle eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres der BgA zutreffend erfassen zu können, wurde im Vermittlungsausschuss vom 04.07.2000 (BTDrs. 14/3760, S. 4 ff die folgende Fassung des § 52 Abs. 37 a EStG vorgeschlagen:

§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG ist erstmals auf Leistungen anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit erzielt werden, für das das KStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom ... (BGBl. I, S...) erstmals anzuwenden ist.

§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG ist erstmals auf Gewinne anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftjahres des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erzielt werden, für das das KStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom ..., (BGBl. I, S...) erstmals anzuwenden ist.

Diese letztgenannte Fassung wurde in Art. 1 Nr. 40 o Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 zum Gesetz (BGBl. I, S. 1433, 1449).

Aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens wird deutlich, dass der Gesetzgeber zunächst die erstmalige Anwendung des neuen Einkünftetatbestandes des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG unabhängig von einer eigenen Rechtspersönlichkeit eines BgA für die Zeit ab dem 01.01.2001 bestimmen wollte. Dabei hat er zunächst auf die Gewinnerzielung aus Sicht des BgA abgestellt.

Im 7. Finanzausschuss ist er von dieser Sichtweise abgewichen, um eine Regelung für BgA mit vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr zu schaffen. Gleichzeitig hat er dem Unterschied zwischen einem BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit und einem BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit Rechnung getragen. Denn nur bei ersterem ist ein Leistungsaustausch im Sinne einer Vermögensübertraung zwischen dem BgA und dem Anteilseigner möglich. Er hat daher nunmehr aus Sicht des Anteilseigners - für dessen Besteuerung der Einkünftetatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 a EStG geschaffen werden sollte - für das Inkrafttreten der Norm auf diesen Leistungsaustauch abgestellt. Um einen zeitgleichen Anwendungsbereich mit dem neuen Köperschaftssteuerrecht (ab 1.1.12001) zu schaffen, stellte er auf die Leistungen ab, die nach Ablauf des ersten nach dem 31.12.2000 beginnenden Wirtschaftsjahres erzielt werden. Hierdurch werden erstmals in 2001 erwirtschaftete Gewinne beim Anteilseigner von dem neuen Einkünftetatbestand erfaßt.

Auch für die BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit hat der Finanzausschuss den Anwendungsbereich aus Sicht der Trägerkörperschaft definiert. Denn aus Sicht der Trägerkörperschaft können Gewinne eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres des BgA entnommen werden. Diese Gewinnentnahme erfolgt aber ihrerseits in einem laufenden Wirtschaftsjahr. Deshalb hat der Finanzausschuss unter Änderung des ersten Entwurfes den 31.12.200 1 (statt 2000) als maßgeblichen Zeitpunkt eingeführt und an das Wirtschaftsjahr angeknüpft, in welchem der Gewinn entnommen wird. Wie bei § 20 Abs. 1 Nr. 10 a EStG ist damit § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG erstmals auf in 2001 erwirtschaftete Gewinne anzuwenden.

In der endgültigen Gesetzesfassung ist der Anwendungsbereich weiterhin aus der Sicht der Trägerkörperschaft bestimmt worden und lediglich der Zeitpunkt des Inkrafttretens mit der erstmaligen Geltung des neuen KStG verknüpft worden.

Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch den erstmaligen Anwendungsbereich des mit dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20.12.2001 (a.a.O) neu eingeführten § 20 Abs.1 Nr. 10 b Satz 3 EStG. Danach gelten bei dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen der inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten drei Viertel des Einkommens im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 KStG als Gewinn im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 1 EStG. Diese Norm ist aber schon dem Wortlaut nach erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden, § 52 Abs. 37 a Satz 3 EStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes (vom 20.12.2001, a.a.O.).

Der im Jahre 2001 von dem BgA erwirtschaftete Gewinn steht der Trägerkörperschaft erst nach dem Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums also nach dem 31.12.2001 zur Verfügung, soweit er nicht den Rücklagen zugeführt wird. Denn vor Ablauf eines Gewinnermittlungszeitraums kann es noch keinen ermittelbaren Gewinn geben. Der Senat braucht daher nicht zu prüfen, ob hier der BgA als Eigenbetrieb oder Regiebetrieb geführt wurde oder eine von der Trägerkörperschaft zumindestens teilweise getrennte Vermögenssphäre besitzt.

Durch diese Gesetzesauslegung wird eine system- und sachgerechte Besteuerung der BgA unter Geltung des neuen Körperschaftsteuerrechtes gewährleistet. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Gewinne der BgA ab dem 01.01.2001 einerseits mit 25 % KSt belastet werden und andererseits bei den Trägerkörperschaften eine Kapitalertragsteuer anfällt, soweit diese über die Gewinne verfügen können.

Somit entsteht hier die Kapitalertragsteuer gemäß § 44 Abs. 6 Satz 2 EStG i.V.m. §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 c; 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erstmalig im Veranlagungszeitraum 2002 (gleiche Ansicht Schmidt/Weber-Grellet EStG 24. Aufl., § 20 Rz. 168; Seemann in Frotscher, EStG-Kommentar § 20 Rz. 148 c; Bitz, DStR 2003, 1520; a.A. Bott in Ernst & Young, KStG-Kommentar § 4 Rz. 461; Wassermeier in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff EStG § 20 Rnr. JB 5). Diese hat der Beklagte mit 10 % des Gewinns des BgA in zutreffender Höhe im angefochtenen Steuerbescheid festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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