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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 11 K 2674/03 E
Rechtsgebiete: AO, BGB, BpO


Vorschriften:

BpO § 10
BGB § 119
AO § 201 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 30.05.2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richterin ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

I.

Streitig ist im Wesentlichen, ob eine tatsächliche Verständigung wirksam ist.

Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Bei dem Kläger, der als Tierarzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt, wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt, die sich u.a. auf die ESt 1998 bis 2000 erstreckte. Am 17.09.2002 unterzeichneten der Kläger und sein Steuerberater Herr N. ein "Protokoll über eine Verhandlung zur Vereinfachung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens (tatsächliche Verständigung)". Hierin heißt es u.a.:

" Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung bzw. -vereinfachung und zur Herstellung des Rechtsfriedens wird deshalb verbindlich vereinbart, hinsichtlich der o.a. strittigen Punkte bei der Besteuerung folgenden Sachverhalt zugrunde zu legen:

Es werden folgende Sicherheitszuschläge festgesetzt:

Gewinnzuschläge netto:

1998 ...,- DM|1999 ...,- DM|2000 ...,- DM

Umsatzsteuer

1998 ...,- DM|1999 ...,- DM|2000 ...,- DM

Die Umsatzsteuer ist zusätzlich als Betriebseinnahme zu erfassen."

Der Beklagte wertete die o.g. tatsächliche Verständigung sowie den Betriebsprüfungsbericht vom 18.09.2002 im Rahmen der sog. veranlagenden Betriebsprüfung aus und änderte die ESt-Bescheide der Jahre 1998 bis 2000 am 15.01.2003 entsprechend.

Ihren Einspruch begründeten die Kläger u.a. damit, dass "die überhöhten Ansätze der Betriebsprüfung nicht anerkannt" würden, ohne hierzu weitere Erläuterungen abzugeben. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 09.04.2003).

Im Klageverfahren begehrten die Kläger zunächst die Korrektur diverser Besteuerungsgrundlagen (Ertragsanteil Berufsunfähigkeitsrente, Schätzung der Vermietungseinkünfte, höherer Ansatz von Bewirtungskosten/Kfz-Kosten/Leasingkosten/Sonderausgaben). Mit Schriftsätzen vom 13.02.2004 bzw. vom 17.02.2005 ließen die Kläger diese Streitpunkte fallen. Sie begehren nunmehr, die ESt für die Jahre 1998 bis 2000 ohne die Hinzuschätzung der Gewinne aus der tatsächlichen Verständigung festzusetzen (s. Schriftsatz vom 15.06.2005, Bl. 99).

Die Kläger tragen vor, dass Grund für die Betriebsprüfung eine anonyme Anzeige gewesen sei, die am 21.05.2001 beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung eingegangen sei. Die Steuerfahndung habe außer den Anfangsermittlungen keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Stattdessen habe das Festsetzungsfinanzamt - der Beklagte - die Betriebsprüfung durchgeführt. Für den Prüfer seien die Eingänge auf dem Geschäftskonto nicht nachvollziehbar gewesen, obwohl der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei, insbesondere alle ungeklärten Einnahmen nachgewiesen habe.

Am 17.09.2002 sei auf den Druck des Prüfers, man würde alles auf den Kopf stellen, die tatsächliche Verständigung über die Hinzuschätzung von Einnahmen getroffen worden. Danach habe dann die eigentliche Schlussbesprechung stattgefunden, an deren Ende der Prüfer darauf hingewiesen habe, dass der gesamte Sachverhalt zur Prüfung an die Straf- und Bußgeldsachenstelle weitergeleitet werde.

Mit Schreiben vom 09.07.2003 sei ihm - dem Kläger - mitgeteilt worden, dass ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei, da er u.a. nicht sämtliche Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit (Tierarztpraxis) erklärt haben solle. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen habe der Steuerfahndung dargelegt werden können, dass den in der tatsächlichen Verständigung (im Folgenden: tV) aufgeführten Sicherheitszuschlägen jegliche Grundlage fehle. Das Ermittlungsverfahren sei im Dezember 2004 schließlich eingestellt worden.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die tV keine Bindungswirkung entfalte.

Diese könne schon deshalb keine Wirksamkeit erlangen, weil die anlässlich der anonymen Anzeige durchgeführte Betriebsprüfung von Anfang an der Aufklärung von Steuerstraftaten gedient habe. Hierfür sei jedoch die Steuerfahndung zuständig, weshalb die Prüfungsanordnung rechtswidrig sei und ein Verwertungsverbot bestehe.

Außerdem sei die tatsächliche Verständigung wegen eines Verstoßes gegen § 201 Abs. 2 AO unwirksam. Nach dieser Vorschrift solle der Steuerpflichtige in der Schlussbesprechung darauf hingewiesen werden, dass die straf- oder bußgeldrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibe, soweit die Möglichkeit bestehe, dass aufgrund der Prüfungsfeststellungen ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt werden müsse. Der Prüfer habe einen derartigen Hinweis zwar erteilt, aber erst nach Abschluss der tatsächlichen Verständigung. Bei verständiger Auslegung des § 201 Abs. 2 AO müsse der Hinweis jedoch vor einer tatsächlichen Verständigung erfolgen, zumal ansonsten der Zweck der tatsächlichen Verständigung - die Herstellung von Rechtsfrieden und die Beschränkung des Arbeits- und Zeitaufwands - verfehlt würde. Im Streitfall habe die tV für ihn - den Kläger - zu keinem Rechtsfrieden geführt, da er mit einem Strafverfahren über den in der tV geregelten Sachverhalt überzogen worden sei, in dessen Rahmen er weiterhin detaillierte Ermittlungen habe anstellen müssen.

Dieser Umstand - nämlich dass kein Rechtsfriede für den Kläger eingetreten sei und diesem keine weiteren Ermittlungen erspart worden seien - führe zudem zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 242 BGB. Hätte er - der Kläger - von dieser Situation vor Abschluss der tV gewusst, hätte er diese tV nicht akzeptiert, da er die Einnahmen so oder so hätte nachweisen müssen.

Des Weiteren liege ein Verstoß gegen § 10 BpO vor. Nach dieser Vorschrift habe der Betriebsprüfer, soweit sich Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben, die für die Straftat zuständige Stelle zu unterrichten und die Betriebsprüfung zu unterbrechen, bis der Steuerpflichtige über die Einleitung des Strafverfahrens Mitteilung erhalten hat. Obwohl dem Betriebsprüfer wohl kaum erst nach Abschluss der tV plötzlich eingefallen sein werde, dass der Verdacht einer Steuerstrafttat oder -ordnungswidrigkeit bestehe, habe er dennoch nicht die Prüfung unterbrochen. Auch dieser Verstoß gegen § 10 BpO führe dazu, dass die tV nicht wirksam zustande gekommen sei.

Im Übrigen sei die tV auch deshalb unwirksam, weil sie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis geführt habe und weil sie nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden sei. Aus dem Protokoll sei nicht erkennbar, in welcher Funktion die Herren V. und S. für das Finanzamt unterschrieben hätten. Für die Wirksamkeit einer tV sei es jedoch zwingend erforderlich, dass auch die Funktionsbezeichnungen niedergelegt würden, damit ersichtlich sei, dass ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt gewesen ist.

Mit Schriftsatz vom 17.02.2005 ficht der Kläger zudem die tV nach § 123 BGB an. Er sei von den Herren S. und V. mit Drohungen unter Druck gesetzt worden und habe sich nur deshalb zum Abschluss der tV bewegen lassen. Zudem sei er getäuscht worden, da das Protokoll ausdrücklich auf die Zwecke der Verfahrensbeschleunigung und die Herstellung des Rechtsfriedens hinweise, die tV stattdessen von seiten des Finanzamts jedoch dazu benutzt worden sei, ein Strafverfahren einzuleiten.

Die Kläger beantragen,

die ESt-Bescheide 1998 bis 2000 vom 15.01.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.04.2003 dahingehend zu ändern, dass die freiberuflichen Einkünfte des Klägers bei der Neuberechnung der ESt um ...,- DM (1998), ... DM (1999) bzw. ... DM (2000) niedriger angesetzt werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die tV wirksam zustande gekommen und bindend sei. Insbesondere sei beim Abschluss der tV ein zur Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt gewesen, nämlich Herr V. als Sachgebietsleiter der Amtsbetriebsprüfung. Es habe sich im Streitfall um eine veranlagende Betriebsprüfung gehandelt.

Auch habe die tV nicht zu einem offensichtlich unzutreffendem Ergebnis geführt. Dies zeige sich schon daran, dass der Steuerberater der Kläger die tV mitunterschrieben habe.

Der damalige Steuerberater habe die tV anscheinend auch nicht aus anderen Gründen für unwirksam gehalten. Jedenfalls habe er im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Unwirksamkeit nicht gerügt. Erst nachdem ein anderer Prozessbevollmächtigter eingeschaltet worden sei, werde die Wirksamkeit der tV nunmehr in Zweifel gezogen.

Anzumerken sei noch, dass das Strafverfahren und das Steuerfestsetzungsverfahren, in dem das Ergebnis der tV eingeflossen sei, zwei separate Verfahren seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, die Finanzamtsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die angefochtenen ESt-Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Der Beklagte hat die in dem Protokoll vom 17.09.2002 ausgewiesenen Einnahmen zu Recht der Besteuerung unterworfen. Insoweit liegt eine wirksame tatsächliche Verständigung vor, an die die Beteiligten gebunden sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung - insbesondere in Schätzungsfällen - eine tatsächliche Verständigung über die tatsächlichen Merkmale, die der Besteuerung zugrunde liegen, grundsätzlich zulässig (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 12.08.1999 - XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 m.w.N.). Ihre Grundlage hat die tatsächliche Verständigung in dem konkreten Steuerrechtsverhältnis und damit im Grundsatz von Treu und Glauben (BFH, Beschluss vom 11.07.2001 - XI B 23/01, StuB 2002, 46). Sie dient der Verfahrensbeschleunigung und dem Rechtsfrieden. Voraussetzung ist, dass auf Seiten des Finanzamts ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist (BGH, Urteil vom 05.10.1990 - III R 19/88, BStBl II 1991, 45). Zudem darf die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen.

Im Streitfall wollten sich die Beteiligten über Fragen des Sachverhalts - nämlich die Höhe der nicht erfassten Einnahmen - einigen und haben sich hierüber auch tatsächlich geeinigt. Anders kann das Protokoll vom 17.09.2002 nicht verstanden werden. Auf Seiten des Finanzamts war auch ein zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugter Amtsträger beteiligt, nämlich der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung, welche im Streitfall zugleich die Veranlagung durchführte. Dass aus dem Protokoll die Funktionsbezeichnung der Finanzamtsmitarbeiter nicht ersichtlich ist, ist unbeachtlich. Maßgeblich ist allein, dass der Amtsträger - wie im Streitfall - tatsächlich befugt war, Entscheidungen über die Steuerfestsetzung zu treffen.

Auch ist das Ergebnis der Einigung nicht offenbar unrichtig. Dagegen, dass die vereinbarten Einnahmeerhöhungen offensichtlich unzutreffend sind, spricht bereits, dass der steuerliche Berater des Klägers die tatsächliche Verständigung ebenfalls unterschrieben hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Berater einem evident unmöglichen Ergebnis zugestimmt hätte. Zudem wurde die Unrichtigkeit des Ergebnisses weder im Einspruchsverfahren noch in der ursprünglichen Klagebegründung gerügt, sondern erstmals rund 2,5 Jahre nach der Einigung. Auch dieses Verhalten spricht dagegen, dass die vereinbarten Besteuerungsgrundlagen evident überhöht sind.

Mithin ist die tatsächliche Verständigung am 17.09.2002 wirksam zustande gekommen.

Unerheblich ist insoweit, ob ein Verstoß gegen § 201 Abs. 2 AO oder § 10 BpO vorliegt. Denn bei einer tatsächlichen Verständigung handelt sich gerade nicht um eine einseitige hoheitliche Maßnahme, deren Rechtmäßigkeit von der Einhaltung von Verfahrensvorschriften abhängt, sondern die Beteiligten stehen sich bei einer tatsächlichen Verständigung gleichberechtigt gegenüber und treffen die Regelung einvernehmlich. Eine tatsächliche Verständigung ist in allen Verfahrensstadien zulässig. Der Umstand, dass sie während einer laufenden Betriebsprüfung abgeschlossen wird, macht sie nicht zu einer Prüfungshandlung oder sonstigen Maßnahme der Betriebsprüfung. Etwaige Verfahrensfehler während der Betriebsprüfung stehen daher der Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung ebenso wenig im Wege wie Fehler im Zusammenhang mit der Prüfungsanordnung. Die von den Klägern vorgebrachten Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung sind zudem schon deshalb unbeachtlich, weil die Prüfungsanordnung bestandskräftig geworden ist.

Auch führt ein etwaiger Irrtum des Klägers über die Reichweite der tatsächlichen Verständigung nicht zu einem Einigungsmangel, welcher die tV von Anfang an unwirksam sein lassen würde. Der Kläger trägt vor, dass er die tatsächliche Verständigung nicht abgeschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass es bezüglich des Gegenstands der Einigung noch zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen würde. Hieraus lässt sich schließen, dass der Kläger die Vorstellung gehabt haben könnte, dass mit der tatsächlichen Verständigung zugleich auch eine Einigung über die strafrechtliche Behandlung des Sachverhalts getroffen worden sei - nämlich dahingehend, dass keine strafrechtlichen Konsequenzen zu ziehen seien. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, dass er diese Vorstellung gegenüber dem Finanzamt erkennbar gemacht hat, so dass die strafrechtliche Seite schon aus diesem Grund nicht Gegenstand der Einigungserklärung des Klägers gewesen sein kann. Zudem wäre eine derartige Vereinbarung auch unzulässig, da der Beklagte nicht zu verbindlichen Erklärungen über strafrechtliche Konsequenzen befugt war.

Letztlich kann dahinstehen, ob überhaupt ein Irrtum des Klägers vorliegt und ob dieser Irrtum als Irrtum i.S.d. § 119 BGB - und nicht nur als unbeachtlicher Motivirrtum - zu werten ist. Denn eine Anfechtung der tV - deren Anfechtbarkeit unterstellt - scheitert jedenfalls daran, dass die Anfechtung erst im Klageverfahren und damit nicht unverzüglich i.S.d. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt worden ist. Bereits mit dem in der Schlussbesprechung erfolgten Hinweis nach § 201 II AO - allerspätestens aber mit Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens im Juli 2003 - wusste der Kläger, dass die tV nicht die strafrechtliche Seite abdeckte.

Ebenfalls dahinstehen kann, ob die Mitarbeiter des Beklagten den Hinweis nach § 201 Abs. 2 AO bewusst erst nach der tV gegeben haben, um dem Abschluss der tV nicht zu gefährden, und ob hierin eine arglistige Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB liegt. Denn auch insoweit scheitert eine Anfechtung der tV bereits daran, dass die Anfechtungsfrist versäumt wurde. Diese beträgt gemäß § 124 Abs. 1 BGB ein Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt hat, was wiederum allerspätestens mit der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens im Juli 2003 der Fall war. Die erstmals im Februar 2005 erklärte Anfechtung erfolgte mithin zu spät.

Das Gleiche gilt, soweit der Kläger die Anfechtung darauf stützen möchte, dass er von den Mitarbeitern des Beklagten bedroht worden sei. Abgesehen davon, dass die Behauptung des Klägers unsubstantiiert geblieben und schon deshalb nicht zu berücksichtigen ist, ist jedenfalls die einjährige Anfechtungsfrist versäumt.

Entgegen der Ansicht des Klägers entfällt die Bindungswirkung der tV auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Der Kläger sieht den Wegfall der Geschäftsgrundlage darin, dass die im Protokoll genannten Zwecke - nämlich die Verfahrensvereinfachung und die Herstellung des Rechtsfriedens - nicht erreicht worden seien, weil er im Rahmen des Strafverfahrens alles erneut ausführlich habe darlegen müssen. Ob dieser Umstand überhaupt zur Geschäftsgrundlage geworden ist bzw. ob die Rechtsgrundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Rahmen einer tV überhaupt anwendbar sind, kann dahinstehen. Denn die o.g. Zwecke wurden erreicht. Der Kläger übersieht, dass sich die tV allein auf das Besteuerungsverfahren bezog. Für dieses wurde verbindlich vereinbart, in welcher Höhe zusätzliche Einnahmen angefallen und der Steuer zu unterwerfen sind, d.h. bezogen auf das Besteuerungsverfahren ist es auch für den Kläger zu einer Verfahrensvereinfachung und zu Rechtsfrieden gekommen.

Die Bindungswirkung der tV entfällt auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben. Dass der Beklagte zugesagt habe, es werde kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet, behauptet der Kläger selbst nicht. Es verbleibt daher lediglich ein möglicher Irrtum des Klägers über die Tragweite der tV bzw. ein möglicherweise arglistiges Verhalten des Beklagten dahingehend, dass dieser bewusst davon absah, den Hinweis nach § 201 Abs. 2 AO vor dem Abschluss der tV zu geben. Selbst wenn dem so wäre, hätte dies nach dem oben Gesagten jedoch nicht zur Folge gehabt, dass die tV von Anfang unwirksam wäre, sondern der Kläger hätte sich von der tV allenfalls durch Anfechtung nachträglich wieder lösen können. Dass er die Anfechtungsfristen versäumt hat, ist ihm selbst zuzurechnen. Jedenfalls ist es ihm verwehrt, die Fristen der §§ 121, 124 BGB durch die Berufung auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben auszuhebeln.

Zudem ist im Rahmen der Würdigung, ob die Bindungswirkung der tV nach Treu und Glauben entfallen ist, auch das Verhalten des Klägers zu beachten. Unterstellt man, dass der Kläger aufgrund der tV darauf vertraut hat, dass keine strafrechtlichen Konsequenzen folgen werden, dann ist dieses Vertrauen schon kurze Zeit später wieder zerstört worden, nämlich bereits in dem Moment, in dem ihm der Hinweis nach § 201 Abs. 2 AO erteilt wurde. Ein etwaiger Vertrauenstatbestand hat mithin nur wenige Minuten angedauert. Trotzdem hat der Kläger weder unmittelbar in der Schlussbesprechung noch im Einspruchsverfahren noch zunächst im Klageverfahren zu erkennen gegeben, dass er das Verhalten des Finanzamts für treuwidrig hält und er sich deshalb nicht an die tV gebunden fühlt. Anscheinend erst nachdem es zu einem Beraterwechsel gekommen war, kam der Kläger zu der Erkenntnis, dass sich das Finanzamt vor über 2 Jahren beim Abschluss der tV treuwidrig verhalten habe. Ein derartiges Verhalten erweckt den Anschein, als ob der Kläger die Treuwidrigkeit lediglich als eine Art Schutzbehauptung vorschiebt, damit er sich noch im Nachhinein von der nunmehr als nachteilig empfundenen Vereinbarung lösen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Die Frage, inwieweit die zivilrechtlichen Grundsätze zur Anfechtung, zum Wegfall der Geschäftsgrundlage oder zu § 242 BGB auf eine tatsächliche Verständigung anwendbar sind, ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt.

Ende der Entscheidung

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