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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 16.03.2007
Aktenzeichen: 11 K 4891/03 AO
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 194 Abs. 3
AO 1977 § 200 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 200 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

11 K 4891/03 AO

Tenor:

Das Vorlagebegehren vom 24.03.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 13.08.2003 werden aufgehoben, soweit diese über die Verpflichtung der Klägerin, für die Jahre 1998 bis 2001 PC-Tabellen in anonymisierter Form vorzulegen, hinausgehen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Rahmen der Betriebsprüfung bestimmte PC-Tabellen vorlegen muss.

Die Klägerin, die bis zum 15.02.2002 unter den Namen Y. GmbH (Y.) operierte, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Sparkasse Z. (Spk.) und organschaftlich mit dieser verbunden. Zwischen der Klägerin und der Spk. wurde ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Gegenstand der Geschäftstätigkeit der Klägerin ist die Vermögensberatung und Vermögensplanung zur Förderung des Absatzes aller Produkte, die auch von der Spk. angeboten werden können. Die Klägerin wird hierbei ausschließlich vermittelnd für die Spk. tätig. Sie berät die Kunden der Spk. in allen Vermögensanlagefragen und übermittelt etwaige Wertpapierkauf- bzw. Verkaufsaufträge an die Spk., welche anschließend das Wertpapiergeschäft als Kommissionsgeschäft (eigener Name, fremde Rechnung) ausführt und auf dem Depot der Kunden abbildet.

Für die an die Sparkassenkunden vermittelten Einlagen, Kredite und Wertpapiere erhält die Klägerin von der Spk. eine Provision in Höhe von 90 % der Gebührennettoerträge. Die Zahlung der Provision erfolgt in monatlichen Abschlagszahlungen sowie aufgrund einer Jahresprovisionsabrechnung, in der bezüglich des Postens "Ergebnis Wertpapierumsätze" ausdrücklich "von Y. ermittelt" vermerkt ist.

Die Klägerin verbuchte die Provisionseinnahmen bis 1999 ausschließlich auf dem Konto "8000 Provisionen SSK". Ab 2000 wurden die Provisionseinnahmen auf dem Konto 8000 und dem Konto "8001 Provisionen aus Wertpapiergeschäften" gebucht, wobei die Summe beider Ertragskonten der abgerechneten Jahresprovision entspricht. Die einzelnen von der Klägerin an die Spk. vermittelten Geschäfte werden durch diese Konten nicht abgebildet. Gebucht werden vielmehr lediglich die monatlichen Abschlagszahlungen sowie die Jahresabschlusszahlung der Spk.

Ab 1998 hat die Klägerin PC-Tabellen erstellt, in denen alle# von ihr getätigten bzw. vermittelten Geschäfte erfasst sind und die insbesondere zur Kontrolle der Jahresprovisionsabrechnungen dienen (Provisionscontrolling). In den Tabellen ist insbesondere aufgeführt, für welchen Kunden (Angabe des Namens) und in welcher Höhe zu Gunsten/Lasten eines bestimmten Depots (Angabe der Depotnummer) bestimmte Wertpapiere ge- bzw. verkauft wurden. Der in den PC-Tabellen ausgewiesene Jahresnettoertrag ist - soweit anhand der vorliegenden Unterlagen ersichtlich - mit dem Betrag, den die Spk. in den Jahresrechnungen unter "Ergebnis Wertpapierumsätze, von Y. ermittelt" ausweist, identisch.

Mit Prüfungsanordnung vom 02.12.2002 ordnete der Beklagte eine Betriebsprüfung hinsichtlich der Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1997 bis 2001 bei der Klägerin an. Mit Schreiben vom 24.03.2003 bat der Betriebsprüfer unter Hinweis auf § 200 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) zwecks Überprüfung der Provisionseinnahmen aus Wertpapiergeschäften um Vorlage der "Abrechnung mit der Stadtsparkasse Z. über vermittelte Wertpapiergeschäfte für die Jahre 1997 bis 2001 (PC-Tabellen / Provisionscontrolling)", da diese geeignet seien, "um bestimmte steuerliche Fragestellungen zutreffend beantworten zu können, z.B. zum Beweis einer zutreffenden steuerlichen Abgrenzung von Aufwendungen zwischen verbundenen Unternehmen". Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, in geeigneten Fällen nach § 194 Abs. 3 AO Kontrollmaterial zu fertigen.

Der von der Klägerin gegen das Vorlagebegehren eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Insbesondere ging der Beklagte nicht auf den Vorschlag der Klägerin ein, die PC-Tabellen in anonymisierter Form, d.h. ohne Angabe des Kundennamens und der Depotnummer, vorzulegen. Zur Begründung verwies er darauf, dass Einzelaufzeichnungen zu Geschäftsvorfällen nicht nur die Gegenleistung, sondern auch den Inhalt des Geschäfts und den Namen des Vertragspartners enthalten müssten. Bei einem Wertpapieran- bzw. Wertpapierverkaufsgeschäft werde diesem Erfordernis nur dann in ausreichender Weise Rechnung getragen, wenn die Auftragserteilung und die Nennung des Kunden mit Adresse dokumentiert würden. Nur dann seien Entstehung und Abwicklung des Geschäftsvorfalls durch einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar.

Im Klageverfahren hat die Klägerin erneut darauf hingewiesen, dass für das Jahr 1997 keine Tabellen erstellt worden seien und das Vorlagebegehren mithin auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei. Der Beklagte hat daraufhin von dem Vorlagebegehren, soweit dieses das Jahr 1997 betrifft, Abstand genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Vorlagebegehren auch im Übrigen aufzuheben sei, soweit dieses über die Vorlage der PC-Tabellen in anonymisierter Form hinausgeht.

Es bestehe Einigkeit darüber, dass ihre Einnahmen der Höhe nach richtig erfasst seien. Die Provisionseinnahmen aus Wertpapiergeschäften seien umfassend erklärt worden und Bareinnahmen seien nicht erzielt worden, so dass keine Veranlassung bestehe, die als Einnahme erfassten Geldeingänge auf dem betrieblichen Girokonto als unvollständig anzusehen. Die Tabellen würden somit nicht dazu dienen, die Höhe ihrer Einnahmen zu kontrollieren.

Auch sei die Vorlage der Tabellen nicht aus anderen Gründen für ihre Besteuerung erheblich. Insbesondere seien die Tabellen nicht, wie im Vorlagebegehren vom 24.03.2003 angeführt, als "Beweis einer zutreffenden Abgrenzung von Aufwendungen zwischen verbundenen Unternehmen" erforderlich, da sowohl sie - die Klägerin - als auch die Spk. als inländische Unternehmen dem uneingeschränkten Zugriff der deutschen Finanzverwaltung unterlägen. Wegen der Organschaft sei die Erfassung der Betriebseinnahmen und -ausgaben zwischen der Organmutter und der Organtochter uneingeschränkt sichergestellt. Eine Verschiebung der Aufwendungen habe keine Auswirkung auf die Besteuerung der Klägerin, so dass die Höhe der Provisionseinnahmen auch nicht von der Betriebsprüfung nachkalkuliert werden müsse. Mangels steuerlicher Relevanz sei das Vorlagebegehren ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

Im Übrigen habe der Beklagte die zeitgleich bei der Spk. stattfindende Betriebsprüfung hinsichtlich des Einkommens der Organgesellschaft endgültig abgeschlossen, was zeige, dass die Behauptung des Beklagten, er wolle anhand der PC-Tabellen die Höhe des steuerlichen Einkommens der Klägerin prüfen, nicht ernst gemeint sei.

Das Vorlagebegehren sei außerdem deshalb rechtswidrig, weil es sich bei den PC-Tabellen nicht um Buchungsbelege im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO handele. Die PC-Tabellen würden nicht für Buchungen verwendet. Die Höhe der Abschlagszahlungen richte sich nach dem Vorjahresergebnis und die Buchung der zu erwartenden Jahresabschlusszahlung nach einer von der Spk. aufgestellten vorläufigen Kalkulation des Jahresprovisionsanspruches. Die als Forderung einzubuchende Abschlusszahlung ergebe sich daraus, dass von dem von der Spk. ermittelten Jahresbetrag die Summe der Abschlagszahlungen abgezogen werde. Für die Buchung sei also der externe Beleg der Spk. maßgebend, nicht die interne PC-Tabelle. Diese sei vielmehr vergleichbar mit anderen internen Nebenrechnungen wie z.B. Kalkulationsunterlagen, die ebenfalls keine Buchungsbelege seien. Auch seien die Tabellen nicht als sonstige Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vorlagepflichtig, da diese lediglich Daten über Verrechnungspreise in einem nationalen Konzern enthielten und nicht für die Besteuerung der Klägerin von Bedeutung seien.

Aufgrund der mangelnden Relevanz für die Besteuerung der Klägerin sei offensichtlich, dass das Vorlagebegehren in Wirklichkeit nur dazu diene, Kontrollmaterial über Wertpapiergeschäfte der Sparkassenkunden zu sammeln und diese Informationen nach § 194 Abs. 3 AO auszuwerten, wie dies auch schon in dem Vorlagebegehren vom 24.03.2003 angekündigt worden sei. § 194 Abs. 3 AO lasse aber nur die Verwertung von Zufallsfunden zu, nicht aber das gezielte Ausforschen von steuerlichen Verhältnissen Dritter. Aus den Worten "anlässlich einer Außenprüfung" ergebe sich, dass ein Vorlagebegehren immer in einem konkreten Zusammenhang mit der Besteuerung der zu prüfenden Person stehen müsse.

Auch liege ein Verstoß gegen § 30 a Abs. 3 AO vor. Diese Vorschrift verbiete es dem Beklagten, die bei der Spk. geführten legitimationsgeprüften Depots festzustellen und zu Lasten der Sparkassenkunden auszuwerten. Über §§ 14, 17 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG und § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gelte das Bankgeheimnis auch für die Klägerin als Organgesellschaft der Spk. Selbst wenn die Tabellen in nicht anonymisierter Form vorgelegt würden, dürfe der Beklagte daher die hieraus gewonnenen Informationen über die legitimationsgeprüften Depots nicht auswerten. Insbesondere seien bei Zugrundelegung des funktionalen Kontobegriffs, wie er vom 7. Senat des BFH vertreten werde (Beschluss vom 28.10.1997 - VII B 40/97), nicht nur die legitimationsgeprüften Konten selbst, sondern auch sonstige Depotbewegungen offenbarende Geschäftsunterlagen in den Schutzbereich des § 30 a Abs. 3 AO einbezogen.

Soweit mit den Kontrollmitteilungen die Versteuerung von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) überprüft werden solle, sei die Anfertigung der Kontrollmitteilungen außerdem schon deshalb rechtswidrig, weil diese Vorschrift verfassungswidrig sei.

Sie - die Klägerin - sei immer noch zur Vorlage der Tabellen in anonymisierter Form bereit. Das Argument des Beklagten, bei Wertpapiergeschäften müsse die Auftragserteilung und der Kunde mit Adresse dokumentiert werden, gehe fehl, weil die zivilrechtlichen Grundlagen der Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Spk. verkannt würden. Da sie - die Klägerin - ausschließlich vermittelnd tätig sei, tätige sie selbst kein eigenes Wertpapiergeschäft und außerdem sei ihr einziger Auftraggeber, Geschäftspartner und Kunde die Spk., nicht aber die Sparkassenkunden. Es sei daher zulässig, die Tabellen zu anonymisieren.

Soweit der Beklagte die Vorlagepflicht daraus ableiten wolle, die Tabellen seien zur Überprüfung der auf die Konten 8000 und 8001 vorgenommenen Aufteilungen erforderlich, gehe seine Argumentation für die Jahre 1997 bis 1999 schon deshalb fehl, weil vor dem Jahr 2000 nur mit dem Konto 8000 gearbeitet worden sei. Im Übrigen könne die Aufteilung aus den Tabellen nicht abgeleitet werden.

In der mündichen Verhandlung führte der Klägervertreter ergänzend aus, dass der Zusatz "von Y. ermittelt" in den Jahresabrechnungen der Spk. nicht bedeute, dass dieser Wert ausschließlich von der Klägerin ermittelt und von der Spk. bloß übernommen worden sei. Die Spk. ermittele alle Provisionsansprüche - auch die für Wertpapiergeschäfte - anhand ihrer eigenen Unterlagen. Mit dem Zusatz sei verdeutlicht worden, dass das Ergebnis der Wertpapierumsätze im Vorfeld mit der Klägerin durch Vergleich beider Zahlenwerke abgestimmt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Vorlagebegehren vom 24.03.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 13.08.2003 aufzuheben, soweit diese über die Verpflichtung der Klägerin, für die Jahre 1998 bis 2001 PC-Tabellen in anonymisierter Form vorzulegen, hinausgehen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf das zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung gehörende Prinzip "keine Buchung ohne Beleg". Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin jedes einzelne Vermittlungsgeschäft - auch wenn es nur gegenüber der Spk. ausgeführt werde - dokumentieren und belegen müsse, da nur so eine Verknüpfung zwischen Geschäftsvorfall und Erlösbuchung hergestellt werden könne. Den PC-Tabellen käme damit Belegfunktion zu. Im Übrigen würden Geschäftsvorfälle bereits dann als gebucht gelten, wenn sie mit allen erforderlichen Angaben in einem der Finanzbuchhaltung vorgelagerten System erfasst und gespeichert worden seien, was hier in Form der Tabellen der Fall sei.

Außerdem seien die PC-Tabellen - und nicht die Abrechnungsbelege der Spk. - die entscheidenden Unterlagen für die Einnahmeerfassung. Denn die Werte der Tabellen würden in die Abrechnungsbelege der Spk. einfließen, was sich aus der Zeile "Ergebnis Wertpapierumsätze incl. ........depot (von Y. ermittelt)" in den vorläufigen, von der Spk. aufgestellten Kalkulationen der Jahresprovision ergebe. Die PC-Tabellen seien damit originäre Buchungsbelege i.S.d. § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO, die von der Klägerin aufzubewahren und vorzulegen seien. Dass die Unterlagen steuerliche Relevanz hätten, sei kein ausdrücklich normiertes Tatbestandsmerkmal des § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AO, so dass davon auszugehen sei, dass den dort genannten Unterlagen die steuerrechtliche Relevanz bereits immanent sei.

Es komme auch keine Vorlage in anonymisierter Form in Betracht, da dies dem Urkundencharakter der Buchungsbelege widersprechen würde. Aus dem Beleg müsse insbesondere ablesbar sein, welcher Geschäftsvorfall zu Grunde liege und wer der Adressat sei. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Klägerin den Kunden mit vollständiger Anschrift nennen müsse sowie das Datum und den Umfang der Vermittlung als Basis der Erlösberechnung.

Erstmals im Klageverfahren wurde von dem Beklagten zudem Folgendes vorgetragen:

Bei den PC-Tabellen handele es sich zumindest um sonstige Unterlagen, die nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vorzulegen seien, denn diese hätten steuerliche Relevanz. Finanzdienstleister würden ihre Arbeitnehmer in aller Regel erfolgsabhängig bezahlen, so dass eine Überprüfung der Aufwandsposition Lohnaufwand der Klägerin anhand der PC-Tabellen ohne große Schwierigkeiten erfolgen könne. Der Beklagte behalte sich insoweit vor, den Lohnaufwand in die Prüfung einzubeziehen.

Ohne Vorlage der PC-Tabellen könne sich die Finanzverwaltung auch keinen Überblick über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verschaffen. Der Frage nach der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung müsse aber besondere Bedeutung zugemessen werden, da die Innenrevision der Spk. bei einer in 1999 durchgeführten Prüfung Mängel hinsichtlich der Beratungs- und Aufzeichnungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) festgestellt habe. Auch insoweit käme den Tabellen steuerliche Relevanz zu, da eine nichtordnungsgemäße Buchführung schädlich für die Frage der Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags im Rahmen einer Organschaft sein könne.

Dass zwischen der Klägerin und der Spk. eine Organschaft bestehe, sei für die Rechtmäßigkeit des Vorlagebegehrens unerheblich. Eine Organgesellschaft bleibe Steuerpflichtiger i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und habe sämtliche steuerlichen Pflichten zu erfüllen bis hin zur Abgabe von Steuererklärungen, auch wenn sie kein eigenes Einkommen zu versteuern habe.

Im Übrigen habe das Bundesfinanzministerium durch Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung unter Nr. 1 zu § 200 AO mit Schreiben vom 16.01.2006 klargestellt, dass ein Steuerpflichtiger vorhandene Aufzeichnungen und Unterlagen, die nach Einschätzung der Finanzbehörde für eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung der Außenprüfung erforderlich seien, auf Aufforderung vorzulegen habe, ohne dass es ihm gegenüber einer zusätzlichen Begründung hinsichtlich der steuerlichen Bedeutung bedürfe.

Das Vorlagebegehren erfolge auch "anlässlich" der Betriebsprüfung i.S.d. § 194 Abs. 3 AO, denn es gehe darum, sich ein Bild über die Einnahmestruktur der Klägerin zu verschaffen. Erst nach Vorlage, Prüfung und Strukturierung der Unterlagen könne der Betriebsprüfer nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, ob überhaupt und ggfs. bei welchen Kunden Kontrollmitteilungen zu fertigen seien. Im Übrigen sei beabsichtigt, ggfs. zu fertigende Kontrollmitteilungen vornehmlich zur Überprüfung der Einnahmen aus Kapitalvermögen zu verwenden, so dass die Argumente der Klägerin zur Rechtmäßigkeit von § 23 EStG nicht stichhaltig seien.

Ebenso wenig könne sich die Klägerin auf § 30 a AO berufen, da sie kein Kreditinstitut, sondern laut dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen nur ein Finanzinstitut i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG sei. Die bloße organschaftliche Eingliederung in den Konzern der Spk. führe nicht dazu, dass sich der Schutzbereich des § 30 a AO auf die Klägerin erstrecke.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die hierzu eingereichten Unterlagen Bezug genommen, insbesondere auf das Vorlagebegehren vom 24.03.2003 (Blatt 16 der Gerichtsakte), die Jahresabrechnungen der Spk. (Blatt 21 bis 25 der Gerichtsakte), die Kontenblätter 8000/8001 (Bl. 121 bis 128 der Gerichtsakte) und den Ausdruck der neutralisierten Tabelle für die Monate Januar und Februar 1999 (Bl. 118 bis 122 der Gerichtsakte).

Der Senat hat am 16.03.2007 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

II. Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die PC-Tabellen unter Angabe der Namen, Anschriften und Depotnummern der Sparkassenkunden vorzulegen.

Ermächtigungsgrundlage für das Vorlagebegehren ist § 200 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AO, wonach der Steuerpflichtige im Rahmen einer Außenprüfung u.a. Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen hat, die für seine Besteuerung erheblich sein können.

Aus § 200 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich nicht, dass der Beklagte wahllos sämtliche von dem Steuerpflichtigen geführten Unterlagen herausverlangen kann. Da § 200 Abs. 1 Satz 2 AO nur eine Ergänzung des Satz 1 ist ("Insbesondere..."), welcher die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nur für Sachverhalte statuiert, die für die Besteuerung erheblich sein können, und da nicht zuletzt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen werden muss, hält es der Senat für erforderlich, dass die Finanzbehörde sich darüber Gedanken macht, ob und in welchem Umfang die Vorlage von Unterlagen geboten ist, und sie dies bei Bedarf auch gegenüber dem Steuerpflichtigen begründet.

Dies gilt insbesondere für Unterlagen, welche Informationen über Dritte enthalten. Denn nach § 194 Abs. 3 AO dürfen Verhältnisse Dritter, die anlässlich einer Außenprüfung festgestellt werden, nur insoweit ausgewertet werden, als ihre Kenntnis für die Besteuerung dieser anderen Personen von Bedeutung ist. Aus dem Wort "anlässlich" ergibt sich hierbei, dass nicht gezielt nach den steuerlichen Verhältnissen Dritter geforscht werden darf, sondern sich derartige Erkenntnisse nur als Nebenprodukte bei der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des geprüften Steuerpflichtigen ergeben dürfen (BFH, Beschluss vom 02.08.2001 - VII B 290/99, BStBl. II 2001, 665). Forscht der Betriebsprüfer zielgerichtet nach Verhältnissen Dritter, überschreitet er seine Prüfungsbefugnisse mit der Folge, dass das Vorlagebegehren ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig ist.

§ 194 Abs. 3 AO würde nicht gerecht, wenn - wie von der Finanzverwaltung seit dem 16.01.2006 im Anwendungserlass zur Abgabenordnung unter Nr. 1 zu § 200 AO vertreten - die Finanzbehörde ihr Vorlagebegehren niemals begründen müsste. Denn dann hätte die Finanzbehörde freie Hand, die Vorlage beliebiger Unterlagen zu verlangen, auch wenn diese erkennbar nicht zur Überprüfung der Besteuerung des geprüften Steuerpflichtigen genutzt werden sollen und die Vorlage ausschließlich zwecks Gewinnung von Informationen über Dritte begehrt wird. Von einer Begründung kann daher nur dann abgesehen werden, wenn die steuerliche Relevanz offensichtlich ist, wie dies z.B. bei der Vorlage von Aufwands- oder Erlöskonten oder sonstigen originären Buchführungsunterlagen der Fall ist. Drängt sich die steuerliche Relevanz dagegen nicht auf und enthalten die vorzulegenden Unterlagen Informationen über Dritte, dann hält es der Senat im Hinblick auf § 194 Abs. 3 AO für erforderlich, dass die Finanzbehörde ihr Vorlagebegehren begründet. Der Umfang der Begründung steht dabei in Abhängigkeit zu der steuerlichen Relevanz für die Besteuerung des geprüften Steuerpflichtigen und Art und Umfang der über Dritte enthaltenen Informationen. Je geringer die steuerliche Relevanz ist bzw. desto umfangreicher oder sensibler die über Dritte zu gewinnenden Informationen sind, um so höhere Anforderungen sind an die Begründung zu stellen, warum dennoch eine Vorlage erforderlich ist.

Bei den PC-Tabellen handelt es sich nicht um originäre Buchführungsunterlagen, insbesondere nicht um Buchungsbelege. Denn bei der Klägerin gebucht wurden nur die Eingänge der Abschlags- und Jahresabschlusszahlungen der Spk., nicht aber die einzelnen von der Klägerin vermittelten Geschäfte. Buchungsbelege für die bei der Klägerin erfassten Provisionszahlungen sind daher die Jahresabrechnungen der Spk. Bei den PC-Tabellen handelt es sich dagegen nur um interne Aufzeichnungen, welche dazu dienten, die von der Spk. vorgenommene Abrechnung der Provisionsansprüche zu kontrollieren.

Auch solche Aufzeichnungen kann sich das Finanzamt grundsätzlich nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO vorlegen lassen. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vorlagebegehrens ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung, welche Unterlagen im Einzelnen vorgelegt werden sollen, eine Ermessensentscheidung des Betriebsprüfers ist. Gem. § 102 FGO kann das Gericht daher nur prüfen, ob die Finanzbehörde von dem ihr eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

Der Senat hält das Vorlagebegehren, soweit dieses über die Vorlage der PC-Tabellen in anonymisierter Form hinausgeht, nicht für ermessensgerecht. Unter Berücksichtigung aller Umstände drängt sich der Eindruck auf, dass es dem Beklagten ausschließlich darum geht, Informationen über die Kunden der Spk. zwecks Ausfertigung von Kontrollmitteilungen zu sammeln. Denn eine schlüssige Begründung dafür, aus welchen anderen Gründen er die Vorlage der Tabellen in nicht anonymisierter Form für erforderlich hält, hat der Beklagte nicht vorgebracht.

Insbesondere ist es dem Beklagten nicht gelungen darzulegen, welche Erkenntnisse, die für die Besteuerung der Klägerin von Bedeutung sein sollen, er aus den Tabellen zu gewinnen hofft. Dies gilt um so mehr unter Berücksichtigung des § 102 Satz 2 FGO, wonach die Finanzbehörde im gerichtlichen Verfahren nur bereits angestellte Ermessenserwägungen ergänzen, nicht aber ihr Ermessen erstmals ausüben, wesentliche Teile der Ermessenserwägungen austauschen oder nachträglich nachschieben darf. Maßgeblich bei der Prüfung, ob das Vorlagebegehren ermessensgerecht ist, sind daher grundsätzlich nur die Ermessenserwägungen, die der Beklagte bis Abschluss des Einspruchsverfahrens offengelegt hat.

Von daher kann dahinstehen, ob die PC-Tabellen tatsächlich objektiv geeignet sind, die Provisionszahlungen an die Mitarbeiter der Sparkasse zu überprüfen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde erstmals im Klageverfahren vorgetragen und lag der Ermessensentscheidung offensichtlich nicht zu Grunde. Denn aus der Äußerung des Beklagten auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 02.10.2003, dass er sich vorbehalte, den Lohnaufwand in die Prüfung einzubeziehen, ergibt sich im Umkehrschluss, dass im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung noch nicht beabsichtigt war, den Lohnaufwand zu prüfen.

Auch das Argument, der Beklagte müsse die Ordnungsgemäßheit der Buchführung prüfen, da die Innenrevision der Spk. bei der Klägerin in 1999 Mängel hinsichtlich der Beratungs- und Aufzeichnungspflichten nach dem WpHG festgestellt habe, wurde im Klageverfahren nachgeschoben und ist schon aus diesem Grund nicht maßgeblich. Im Übrigen berücksichtigt der Beklagte bei seiner Argumentation nicht ausreichend, dass die Beratungs- und Aufzeichnungspflichten nach dem WpHG nicht deckungsgleich sind mit den Buchführungspflichten nach Handels- und Steuerrecht, und aus dem Umstand, dass im Jahr 1999 Verstöße gegen das WpHG beanstandet worden sind, daher nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist. Zudem erschließt es sich dem Senat nach Überprüfung der im Klageverfahren eingereichten Mustertabellen auch nicht, wieso die Tabellen ihrer Art nach überhaupt geeignet sein sollen, Rückschlüsse auf die Ordnungsgemäßheit der Buchführung zuzulassen.

Die übrigen vom Beklagten genannten Gründe, aufgrund derer er die Vorlage der Tabellen für die Besteuerung der Klägerin angeblich erforderlich hält, überzeugen ebenfalls nicht. Insbesondere lässt sich anhand der Tabellen nicht nachprüfen, ob die Buchungen der Klägerin auf den Konten 8000 und 8001 zutreffend sind. Soweit der Beklagte behauptet, nur anhand der Tabellen lasse sich die Einnahmestruktur der Klägerin nachvollziehen, mag das zwar inhaltlich richtig sein, jedoch erklärt dies nicht, im Hinblick auf welche steuerlichen Konsequenzen die Informationen über die Einnahmestruktur wichtig sind.

Nicht ausreichend dargelegt hat der Beklagte zudem, warum etwaige für die Besteuerung der Klägerin relevante Informationen aus den Tabellen nur dann entnommen werden können, wenn diese die Sparkassenkunden nebst Anschrift und Depotnummer bezeichnen. Im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip wären Ausführungen zu diesem Punkt erforderlich gewesen, denn die von der Klägerin angebotene Vorlage der Tabellen in anonymisierter Form ist ein milderes Mittel, dem grundsätzlich der Vorrang gegenüber belastenderen Mitteln zu geben ist, es sei denn, es wäre zur Erzielung des erstrebten Zwecks weniger geeignet.

Berücksichtigt man weiterhin, dass der Beklagte zeitgleich mit dem Vorlagebegehren bereits angekündigt hat, in geeigneten Fällen Kontrollmitteilungen schreiben zu wollen, drängt sich der Eindruck auf, dass es dem Beklagten nur darauf ankommt, unter Verstoß gegen § 194 Abs. 3 AO Informationen über die Verhältnisse Dritter zu gewinnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 ZPO.

Die Revision wurde zwecks Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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