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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Gerichtsbescheid verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 13 K 3960/04 Kfz
Rechtsgebiete: KraftStG, AO, InsO


Vorschriften:

KraftStG § 7
InsO § 53
InsO § 209
InsO § 210
AO § 38
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht ... und der Richter am Finanzgericht ... und ... am 16.06.2006 durch Gerichtsbescheid für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuern durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter für Zeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

1. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma XXX. GmbH, Y. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.03.2003 durch Beschluss des Amtsgerichts B. 21 IN 00/03 eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren auf die Insolvenzschuldnerin zwei Einachsanhänger (Erstzulassung auf die Insolvenzschuldnerin am 26.11.2002, zulässiges Gesamtgewicht 2.425 kg) mit dem amtlichen Kennzeichen ZZZ-S 0001 (fortan: S 0001) und ZZZ-S 0002 (S 0002) zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen. Der Kläger zeigte am 27.03.2003 dem Insolvenzgericht die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse gemäß §§ 208 ff. der Insolvenzordnung (InsO) an. Das Insolvenzgericht machte diese Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt.

Der Beklagte, der die Kraftfahrzeugsteuer für die Anhänger am 16.12.2002 ab Zulassung auf jährlich 96,00 Euro festgesetzt hatte, berechnete am 19.05.2003 für beide Anhänger die Kraftfahrzeugsteuer zwecks Anmeldung zur Insolvenztabelle für die Zeit vom 26.11.2002 bis 01.03.2003 auf jeweils 25,00 Euro. Diese Beträge meldete er zur Insolvenztabelle an.

- S 0001

Am 19.05.2003 erging eine Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung gegen den Kläger für die Zeit ab 02.03.2003 bis 25.11.2003 auf 71,00 Euro und für die Zeit ab 26.11.2003 auf jährlich 96,00 Euro.

Mit Schreiben vom 02.03.2004 rügte der Kläger, dass ihm als Insolvenzverwalter für einen neuen Besteuerungszeitraum ab November 2003 kein wirksamer Steuerbescheid bekannt gegeben worden sei. Der Beklagte verwies im Schreiben vom 08.03.2004 auf den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 19.05.2003 und fügte eine Kopie der genannten Unterlage bei.

Am 19.05.2002 wollte der Beklagte gegen den Kläger als Insolvenzverwalter Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 02.03.2003 bis 25.11.2003 auf 71,00 Euro und für die Zeit ab 26.11.2003 auf jährlich 96,00 Euro festsetzen. Unter diesem Datum übersandte er eine Ausfertigung, in der das Wort "Bescheid" handschriftlich durch "Berechnung" ersetzt worden war.

Mit Schreiben vom 02.03.2004 rügte der Kläger auch für dieses Fahrzeug das Fehlen eines wirksamen Steuerbescheids. Der Beklagte verwies im Schreiben vom 08.03.2004 auf die Berechnung vom 19.05.2002 sowie den als Anlage übersandten Bescheid vom 08.03.2004.

2. Mit dem Einspruch gegen die Bescheide vom 08.03.2004 machte der Kläger geltend, als Insolvenzverwalter habe er weder die Zulassung der Fahrzeuge innegehabt noch diese für eigene Rechnung in Gebrauch gehabt oder benutzt. Von der Existenz der Anhänger habe er erst durch Schriftwechsel mit der Fahrzeugbau T. KG Kenntnis erlangt. Daher seien die Bescheide rechtswidrig und die entsprechenden Beträge im Wege der Berechnung zur Insolvenztabelle anzumelden.

Am 23.06.2004 erließ der Beklagte für das Fahrzeug S 0002 einen berichtigten Bescheid, der dem Bescheid vom 08.03.2004 hinsichtlich der festgesetzten Steuer und der Entrichtungszeiträume entsprach. Diesen Bescheid sah der Beklagte nunmehr als Gegenstand des Einspruchsverfahrens an und wies den Einspruch für diesen Anhänger unter dem gleichen Datum zurück. Kraftfahrzeugsteuer für nach dem Tag der Insolvenz weiterhin auf den Insolvenzschuldner zugelassene Fahrzeuge stellten Massekosten nach § 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) dar. Sie seien durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen. Die Einwände des Klägers seien für seine Steuerpflicht ohne Bedeutung.

Eine Einspruchsentscheidung betreffend das Fahrzeug S 0001 erging nicht.

Nach Abmeldung der Fahrzeuge setzte der Beklagte am 05.07.2004 (S 0001) bzw. 01.07.2004 (S 0002) jeweils die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 26.11.2003 bis 10.06.2004 gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) auf jeweils 52,00 Euro neu fest.

3. Mit der Klage wendet der Kläger ein, in seiner Person liege keine Verwirklichung eines Kraftfahrzeugsteuertatbestandes vor. Ferner sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen, durch Bescheid Kraftfahrzeugsteuer gegen ihn festzusetzen, da das Insolvenzverfahren masseunzulänglich sei und diese Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt und bekannt gemacht worden sei. Der Beklagte stütze sich auf Regelungen der Konkursordnung, die obsolet seien. Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf den Vortrag im Einspruchsverfahren.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ZZZ-S 0002 vom 08.03.2004 in Gestalt des Bescheides vom 23.06.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2004 aufzuheben,

die Bescheide über Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ZZZ-S 0001 vom 08.03.2004 und 05.07.2004 aufzuheben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass der Kläger von der Existenz der Anhänger erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfahren habe und sie zu keiner Zeit in Gebrauch gehabt habe, berühre die Steuerpflicht nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand am 08.12.2005 mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 90 a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Gegenstand des Verfahrens sind bezüglich des Fahrzeuges S 0001 die Bescheide vom 19.05.2003, bekannt gegeben durch Übersendung als Kopie - wegen Nichtbekanntgabe der Erstausfertigung - am 08.03.2004, und der Endebescheid vom 05.07.2004, bezüglich des Fahrzeugs S 0002 der Bescheid vom 08.03.2004 in Gestalt des Bescheides vom 23.06.2004 und der Einspruchsentscheidung gleichen Datums sowie der Endebescheid vom 01.07.2004.

2. Allerdings ist die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2004 ausdrücklich nur für das Fahrzeug S 0002 ergangen; eine Entscheidung bezüglich des Fahrzeugs S 0001 fehlt. Dies steht der Zulässigkeit der Klage aber nicht entgegen. Das Einspruchsschreiben vom 23.03.2004 nennt ausdrücklich die Bescheide für beide Fahrzeuge. Wenn auch die Voraussetzungen des § 44 FGO bezüglich des Fahrzeugs S 0001 nicht erfüllt sind, ist das Verfahren insoweit doch in die Zulässigkeit hineingewachsen. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FGO. Denn seit Einlegung des Einspruchs sind im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats mehr als sechs Monate vergangen, ohne dass ein hinreichender Grund für das Nichtergehen einer Einspruchsentscheidung mitgeteilt worden wäre.

II.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Die angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten als Insolvenzverwalter, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Beklagte hat zu Recht die Kraftfahrzeugsteuer für Entrichtungszeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Abmeldung der Fahrzeuge gegen den Kläger als Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt.

1. Die nach Insolvenzeröffnung für die Anhänger festzusetzenden Kraftfahrzeugsteuern stellen Insolvenzverbindlichkeiten dar.

a) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen nach § 38 der Abgabenordnung (AO) soweit der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Kraftfahrzeugsteuer entsteht demnach grundsätzlich durch das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG), das mit der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs beginnt und grundsätzlich bis zu dessen verkehrsrechtlicher Abmeldung andauert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Der kraftfahrzeugsteuerliche Besteuerungstatbestand wird also durch das fortdauernde, sich ständig erneuernde Halten des Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen verwirklicht. Der Entrichtungszeitraum (§ 6 KraftStG) betrifft dagegen nicht die Entstehung der Steuerschuld i.S. des § 1 Abs. 1 KraftStG, sondern allein die jeweils jährliche Fälligkeit der Zahlungsschuld.

Steuerschuldner ist nach § 7 Nr. 1 KraftStG grundsätzlich derjenige, auf den das Fahrzeug verkehrsbehördlich zugelassen ist. Sieht man diese Bestimmung isoliert, wäre im Streitfall, solange die Anhänger auf sie zugelassen waren, die Insolvenzschuldnerin Steuerschuldnerin gewesen.

Die Vorschriften des KraftStG werden jedoch durch die Vorschriften des Insolvenzrechts überlagert und modifiziert (vgl. § 251 Abs. 1 AO). Der dem Insolvenzrecht zugrunde liegende Rechtsgedanke verlangt, dass der Steuergläubiger wie die übrigen Gläubiger des Insolvenzschuldners behandelt wird. Das hat zur Folge, dass Steuerschulden, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Verwaltung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens begründet werden, Masseverbindlichkeiten im Sinne der §§ 53 bis 55 InsO darstellen. Der Fiskus ist insoweit Massegläubiger i.S. des § 53 InsO, nicht Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO. Hieraus folgt, dass die Kraftfahrzeugsteuer ungeachtet des Laufs des Entrichtungszeitraums (§§ 6, 11 KraftStG) für die Zeit vor und nach der Insolvenzeröffnung aufgeteilt und für die Zeit von der Eröffnung bis zum Tag der Abmeldung entstehende Kraftfahrzeugsteuer gegen den Insolvenzverwalter durch Kraftfahrzeugsteuerbescheid festgesetzt wird. Dies wird in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und der Finanzverwaltung vertreten (s. nur Bundesfinanzhof (BFH), Urteile vom 16. November 2004 VII R 62/03 BStBl II 2005, 309; vom 4. Mai 1993 VII R 96/92, BFH/NV 1994, 287 zur insoweit gleichen Rechtslage nach der KO; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 251 AO Rn. 394; Hefermehl in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 55 Rn. 78; Loose in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 251 AO Rn. 78; Maus, Steuern im Insolvenzverfahren, 1. Aufl. 2004, Rn. 42, 467, 468, 470; Uhlenbrock, InsO, 12. Aufl. 2003, § 55 Rn. 41; Seibel in Lippross (Hrsg.), Basiskommentar Steuerrecht, § 251 AO Rz. 20; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 5 Rn. 6a und 7-9; Zens in Lippross, § 5 KraftStG Rn. 1 und 4; Bundesministerium der Finanzen, Erlass vom 17. Dezember 1998 IV A 4 - S 0550 - 28/98, BStBl I 1998, 1500, Tz. 4.2 Beispiel 5, Tz. 8). Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung bereits angeschlossen, zuletzt mit Beschluss vom 18. Dezember 2000 13 V 7132/00 Kfz (nicht veröffentlicht).

b) Der Kläger schuldet unter Beachtung der genannten Rechtsgrundsätze als Insolvenzverwalter der Zulassungsinhaberin die Kraftfahrzeugsteuer für die Anhänger vom Tag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Abmeldung der Anhänger. Er kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm die Fahrzeuge nicht zur Verfügung gestanden hätten und ihm eine Abmeldung nicht möglich gewesen wäre. Die vorstehend dargestellte Entstehung der Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit ist nämlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug bewusst zugelassen bleibt oder ob lediglich die zulassungsrechtliche Abmeldung nicht vorgenommen wird. Auch der Umstand, dass das Fahrzeug nicht aufzufinden ist, steht der Entstehung der Kraftfahrzeugsteuer nicht entgegen. Etwas anderes gilt nur, wenn das Fahrzeug dem Schuldner frei gegeben wird oder wegen Unpfändbarkeit kraft Gesetzes nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist (§ 36 Abs. 1 InsO), da es dann nicht der Verwaltung des Insolvenzverwalters unterliegt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Weder hatte der Kläger die Fahrzeuge freigegeben noch waren sie unpfändbar.

Der Einwand des Klägers, er habe das Fahrzeug wegen seines unbekannten Aufenthaltes nicht abmelden können, ist unzutreffend. Zwar sind bei der Abmeldung grundsätzlich die Kennzeichen zu entstempeln und der Fahrzeugschein zurückzugeben (vgl. § 27 Abs. 4a und 5 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung; dazu Strodthoff, § 5 Rn. 42). Bei einem samt Fahrzeugschein gestohlenen oder unterschlagenen Fahrzeug genügt es jedoch, den Sachverhalt bei der Zulassungsbehörde glaubhaft zu machen, um ein Abmeldeverfahren ohne Rückgabe und Entstempelung in Gang zu setzen (vgl. Strodthoff, a.a.O., Rn. 7 ff, 9). Dieses hat der Kläger unterlassen.

c) Da die vorstehenden Grundsätze bereits unter Geltung der KO anzuwenden waren, ist unerheblich, dass der Beklagte in der Einspruchsentscheidung betreffend das Fahrzeug S 0002 deren Regelungen zur Begründung herangezogen hat, nicht aber die der InsO. Die vom Kläger diesbezüglich geäußerten Zweifel gehen fehl.

2. Der Beklagte hat auch - im Einklang mit den vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätzen - formell rechtmäßig die streitige Kraftfahrzeugsteuer durch Steuerbescheid festgesetzt. Dem stehen die Anzeige der Masseunzulänglichkeit und deren Veröffentlichung durch das Insolvenzgericht nicht entgegen.

a) Die Masseunzulänglichkeit ist für den Senat bindend festgestellt, da sie der Kläger gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO formgerecht angezeigt und das Insolvenzgericht die Anzeige veröffentlicht hat (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 30. April 2003 IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358). Sie bewirkt nach § 210 InsO unmittelbar die Unzulässigkeit der Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit i.S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, d.h. der Masseverbindlichkeiten, die bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Verfahrenskosten zu gehören (sog. Altmasseverbindlichkeiten).

Forderungen i.S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO können zivilrechtlich nur noch durch Feststellungsklage, nicht mehr durch Leistungsklage verfolgt werden. Für Neumasseverbindlichkeiten im Sinne von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO gelten diese Einschränkungen grundsätzlich nicht. Sie können regelmäßig gegen die Masse vollstreckt werden und in diesem Umfang auch Gegenstand einer zulässigen Leistungsklage sein. Wenn allerdings nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit auch die neu zu erwirtschaftende Insolvenzmasse wiederum nicht ausreicht, um alle fälligen Neumasseverbindlichkeiten zu decken, ist auf entsprechende Einwendung des Insolvenzverwalters hin nur noch die Feststellungsklage zulässig. Die Frage der Zuordnung von Verbindlichkeiten zu den Alt- oder Neumasseverbindlichkeiten beantwortet sich nach den zu § 55 InsO entwickelten Grundsätzen (zum Ganzen BGH, Urteil vom 13. April 2006 IX ZR 22/05, WM 2006, 970; BGH in BGHZ 154, 358; jeweils m.w.N.).

b) Der Senat ist der Auffassung, dass diese insolvenzrechtlichen Grundsätze auch steuerrechtlich zu beachten sind. Dies hat wegen der laufenden Entstehung des Kraftfahrzeugsteueranspruchs (s. Ziff. II. 1. a) der Gründe) zur Folge, dass die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Anzeige des Klägers (02.03.2003 bis 27.03.2003) entstandene Kraftfahrzeugsteuer den Altmasseverbindlichkeiten, die nach diesem Datum bis zum Ende der Steuerpflicht entstandene Steuer (28.03.2003 bis 10.06.2004) den Neumasseverbindlichkeiten zuzuordnen sind. Gründe dafür, dass nach diesem Zeitpunkt eine Unzulänglichkeit der Neumasse eingetreten wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Für den letztgenannten Zeitraum ist daher § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, für den erstgenannten § 209 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 210 InsO maßgeblich. Die Tatbestände des § 209 Abs. 2 InsO sind vorliegend ohne Bedeutung. Es geht weder um einen gegenseitigen Vertrag noch ist die laufende Entstehung der Kraftfahrzeugsteuer als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren. Im Übrigen lösen diese Tatbestände wegen des Verweises auf § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Vollstreckungssperre nach § 210 InsO aus.

b) Unabhängig von dieser zeitlichen Zuordnung stehen nach Ansicht des Senats die §§ 208 ff. InsO einer Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit im Wege des Steuerbescheids nicht entgegen, gleichgültig, ob sie als Alt- oder Neumasseverbindlichkeit zu beurteilen ist. Eine Aufteilung der festgesetzten, streitigen Kraftfahrzeugsteuern für die Zeit vor und nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Kläger im Steuerbescheidverfahren ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dem Vollstreckungsverbot des § 210 InsO in unmittelbarer (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO) oder entsprechender Anwendung (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO) ist vielmehr in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen das Leistungsgebot, spätestens aber im Vollstreckungsverfahren gegen die Insolvenzmasse Rechnung zu tragen. Dies folgt aus der Rechtsnatur eines Steuerbescheids nach § 155 Abs. 1 AO. Er entspricht nicht einer zivilprozessualen Leistungs-, sondern einer Feststellungsklage i.S. der oben zitierten Rechtsprechung des BGH.

Der Steuerbescheid dient der Durchsetzung des materiellen Steueranspruchs i.S. des § 38 AO durch Entscheidung über den Steueranspruch. In ihm wird verbindlich festgesetzt, wie hoch eine Steuer ist, die ein bestimmter Steuerschuldner schuldet. Der Rechtsnatur nach handelt es sich um einen rechtsfeststellenden Verwaltungsakt (Tipke in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 155 AO Rn. 14; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 118 Rn. 297 f.; Traszkalik, ebda., § 155 Rn. 2, 17; jeweils m.w.N.). Im Streitfall wurde die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer für die Anhänger durch die angefochtenen Bescheide verbindlich festgesetzt. Aus dieser Steuerfestsetzung allein kann eine Vollstreckung der Kraftfahrzeugsteuern nicht erfolgen. Die Bescheide bilden zwar die Grundlage der Vollstreckung (§ 249 AO). Deren Beginn hängt aber von einem weiteren, gesonderten Verwaltungsakt ab, dem Leistungsgebot i.S. des § 254 Abs. 1 AO. Dieser Verwaltungsakt ist der Steuererhebung, der Steuerbescheid dagegen dem Besteuerungsverfahren zuzuordnen. Hierbei handelt es sich um getrennt zu beurteilende Verfahren. Einwendungen gegen die Steuerhöhe sind regelmäßig in einem Anfechtungsverfahren gegen den Steuerbescheid geltend zu machen (vgl. § 256 AO). Eine Anfechtung des Leistungsgebots wird davon nicht mit umfasst, sondern bedarf eines darauf zielenden gesonderten Einspruchs, ggf. einer nachfolgenden Klage. Die hier zu beurteilende Anfechtungsklage hat aber, wie sich aus dem Einspruchsschreiben und den gewechselten Schriftsätzen zweifelsfrei ergibt, nur den Steuerbescheid, nicht das Leistungsgebot zum Gegenstand.

Dieses Ergebnis erscheint dem Senat interessengerecht. Soweit der Kläger den Beklagten auf eine Steuerberechnung und Anmeldung zur Insolvenztabelle verweisen will, verkennt er den Charakter der festgesetzten Steuern als Masseverbindlichkeiten. Die Finanzbehörden müssen in der Lage sein, § 55 InsO unterfallende Steuern mit Wirkung gegen die Masse verbindlich festzusetzen, auch wenn eine Vollstreckung durch § 210 InsO untersagt ist. Dem dient - wie ausgeführt - der Steuerbescheid. Der Insolvenzverwalter soll nach den Gedanken der §§ 208 ff. InsO ohne Einzelzwangsvollstreckung über die unzulängliche Masse entsprechend der Rangordnung des § 209 Abs. 1 InsO verfügen dürfen. Dem dient die Beschränkung des Leistungsgebots auf die Neumasseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, solange nicht diese neue Masse wiederum unzulänglich wird, was zur Rechtswidrigkeit eines Leistungsgebots bereits dem Grunde nach führen könnte. Im Übrigen sieht die InsO ein Anmeldungsverfahren in §§ 174 ff. InsO nur für Insolvenzforderungen (vgl. §§ 38, 87 InsO), nicht für Masseforderungen (§§ 53 ff. InsO) vor.

c) Für den vorliegenden Fall ergeben sich aber aus alledem keine aus der Masseunzulänglichkeit folgenden Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der Kraftfahrzeugsteuerfestsetzungen selbst sprechen.

3. Gegen die Berechnung der Kraftfahrzeugsteuern für die streitbefangenen Fahrzeuge hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Eine Fehlerhaftigkeit ist auch nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

5. Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zu, da die vorliegenden aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere die in II. 2. erörterten, aus Gründen der Rechtsklarheit für eine größere Zahl von Fällen einer höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden sollen.

Ende der Entscheidung

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