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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 24.07.2006
Aktenzeichen: 14 K 1711/06 Kg
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 236 Abs. 2 Nr. 1
AO 1977 § 239 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

14 K 1711/06 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Es ist zu entscheiden, ob Prozesszinsen festzusetzen sind (§ 236 Abs. 2 Nr. 1, § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Abgabenordnung (AO)).

Der Kläger (Kl.) beantragte am 28.01.2002 Kindergeld für seinen am 06.05.1975 geborenen Sohn T.B. (T. B.), seinen Prozessbevollmächtigten, ab Januar 2002. Die Beklagte (Bekl.) - die Agentur für Arbeit (AA) - lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.02.2002 ab und wies den Einspruch in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 12.04.2002 als unbegründet zurück.

Mit am 14.05.2002 eingegangenen Schriftsatz vom 10.05.2002 erhob der Kl. Klage vor dem Finanzgericht Münster - 14 K 2769/02 Kg -. Auf seinen außerhalb des Klageverfahrens gestellten Antrag vom 22.10.2002 setzte die Bekl. mit Bescheid vom 17.12.2002 die Vollziehung des Bescheids vom 05.02.2002 aus und zahlte dem Kl. vorläufig das Kindergeld für seinen Sohn T. B. für die Monate Januar 2002 bis zur Vollendung dessen 27. Lebensjahres im Mai 2002 in Höhe von insgesamt 770,00 EUR am 23.12.2002 aus.

Im Schriftsatz vom 25.04.2003 beantragte der Kl. in dem Klageverfahren - 14 K 2769/02 Kg -, die Bekl. zu verurteilen, ihm Prozesszinsen für den Zeitraum vom Eintritt der Rechtshängigkeit am 14.05.2002 bis zum Zahlungseingang am 23.12.2002 auf den jeweils fälligen Kindergeldbetrag zu zahlen. Mit Bescheid vom 15.06.2005 hob die Bekl. den Bescheid vom 05.02.2002 in Gestalt der EE vom 12.04.2002 auf und bewilligte dem Kl. abschließend für dessen Sohn T. B. Kindergeld für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002 in Höhe von monatlich 154,00 EUR, d. h. insgesamt 770,00 EUR. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, beschloss der erkennende Richter am 02.09.2005, dass der Bekl. die Kosten des Verfahrens trägt.

Mit Schriftsatz vom 19.06.2005 beantragte der Kl., ihm Prozesszinsen für den Zeitraum vom Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage - 14 K 2769/02 Kg - am 14.05.2002 bis zum Zahlungseingang am 23.12.2002 auf den jeweils fälligen Kindergeldbetrag zu zahlen. Die Bekl. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18.10.2005 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Im Klageverfahren verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Der Kindergeldbescheid vom 15.06.2005 als Grundlagenbescheid habe den Ablauf der Festsetzungsfrist für den beantragten Zinsbescheid als Folgebescheid nach § 171 Abs. 10 AO gehemmt. Nach dieser Vorschrift ende die Festsetzungsfrist für die Prozesszinsen frühestens mit Ablauf des 15.06.2007. Der im Schriftsatz vom 25.04.2003 gestellte Antrag auf Prozesszinsen habe den Ablauf der Festsetzungsfrist für den beantragten Zinsbescheid nach § 171 Abs. 3 AO gehemmt.

Der Kl. beantragt,

die Bekl. unter Aufhebung des Bescheids vom 18.10.2005 in Gestalt der EE vom 27.03.2006 zu verpflichten, Prozesszinsen aus dem für das Kalenderjahr 2002 gezahlten Kindergeld, nämlich aus 616,00 EUR vom 15.05.2002 bis 23.12.2002 und aus 154,00 EUR vom 01.06.2002 bis 23.12.2002, in Höhe von 26,00 EUR festzusetzen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Kindergeldakte verwiesen.

Der erkennende Richter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, 4 Finanzgerichtsordnung (FGO)) ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO). Die Entscheidung ergeht in abgekürzter Form, da der Streitwert 500,00 EUR nicht übersteigt (§ 94a FGO).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Bekl. hat es zu Recht abgelehnt, Prozesszinsen festzusetzen. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 233 Satz 1 AO). Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt wird. Dies gilt nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO entsprechend, wenn sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt.

Zweck des § 236 AO ist es, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die Zeit ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren. Von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung rückständiger Staatsleistungen kann dennoch nicht ausgegangen werden. Das Gesetz kennt nur die Verzinsung nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände (ständige Rechtsprechung; BFH, Urteil vom 15.10.2003 - X R 48/01 - BFH/NV 2004, 386 m. w. N.).

Im Streitfall hat sich der Rechtsstreit wegen Kindergeld für den Sohn T. B. des Kl. für den Zeitraum Januar 2002 bis Mai 2002 im Sinne des § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO erledigt, nachdem die Bekl. den Bescheid vom 15.06.2005 erlassen hatte. Durch die Erledigung der Hauptsache aufgrund übereinstimmender Erklärungen der Beteiligten wurde die Rechtshängigkeit beendet (§ 66 FGO). Dennoch hat die Bekl. zutreffend entschieden, dass der von dem Kl. geltend gemachte Zinsanspruch im Gesetz keine Stütze findet. Die einjährige Festsetzungsfrist ist abgelaufen (§ 239 AO).

Nach § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 AO begann die einjährige Festsetzungsfrist für Prozesszinsen (§ 236 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Kindergeld als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) ausgezahlt worden ist, d. h. im Streitfall nach der Auszahlung des Kindergeldes am 23.12.2002 mit Ablauf des Kalenderjahres 2002, so dass der Anspruch auf Prozesszinsen am 01.01.2004 erloschen ist (§ 47 AO). Zwar sind die Vorschriften über die Ablaufhemmung (§ 171 AO) auf die Festsetzung der Prozesszinsen entsprechend anzuwenden. Aber die Voraussetzungen der Vorschriften des § 171 Abs. 3 und 10 AO sind nicht erfüllt.

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens u. a. ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO). Im Streitfall beantragte der Kl. in dem Schriftsatz vom 25.04.2003 in dem Klageverfahren 14 K 2769/02 Kg, die Bekl. zu verurteilen, ihm Prozesszinsen für den Zeitraum vom Eintritt der Rechtshängigkeit am 14.05.2002 bis zum Zahlungseingang am 23.12.2002 auf den jeweils fälligen Kindergeldbetrag zu zahlen.

Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Grundlagenbescheid bindend ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Im Streitfall gab die Bekl. den Kindergeldbescheid vom 15.06.2005 als Grundlagenbescheid des beantragten Zinsbescheids nach Eintritt der Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Kalenderjahres 2003 bekannt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



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