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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: 14 K 5858/03 E
Rechtsgebiete: BGB, EStG, AO


Vorschriften:

BGB § 1049
BGB § 1601
EStG § 4 Abs. 4
EStG § 12 Nr. 2
AO § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

14 K 5858/03 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Aufwendungen, die der Kläger (Kl.) als Nießbraucher eines bebauten Grundstücks für Baumaßnahmen an einem aufstehenden Gebäude getragen hat, als Betriebsausgaben abziehbar sind oder nicht abziehbare Unterhaltsaufwendungen zu Gunsten des Eigentümers des Grundstücks darstellen.

Die Kl. sind Ehegatten, die in den Kalenderjahren 1998 bis 2000 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kl. war bis zum Kalenderjahr 1995 Eigentümer eines in H* belegenen landwirtschaftlichen Hofes, den er bis zum 30.06.2000 selbst bewirtschaftete.

Auf Grund eines notariell beurkundeten Vertrages vom 31.03.1995 übertrug der Kl. dem gemeinsamen Sohn der Kl., G* T* (G* T*), das Eigentum an dem Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge. Die Übergabe des Grundstücks erfolgte gemäß § 7 des Vertrages mit Wirkung zum 01.01.1995. Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages behielt sich der Kl. den Nießbrauch an dem übertragenen Grundbesitz vor. Der Nießbrauch sollte mit dem Tod des Kl. enden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages).

Der Kl. erklärte sich gemäß § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Vertrages bereit, schon früher auf den eingeräumten Nießbrauch zu verzichten, wenn dies sein Sohn unter Einhaltung von bestimmten zeitlichen Vorgaben verlange.

Nachdem der Kl. entsprechend dieser Vereinbarung das Nießbrauchsrecht seit dem 01.07.2000 nicht mehr ausübt, bewirtschaftet G* T*den Hof selbst.

Im landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Kl. befand sich in den Streitjahren unter anderem das ehemalige Melkerhaus, C* Straße X, einschließlich des dazugehörigen Grund und Bodens. Der Kl. vermietete das Haus bis zum 30.04.1997 an fremde Dritte.

Nach seiner Heirat am 14.05.1999 beabsichtigte G*T*, das Haus zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen. Auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Kl. vom 15.06.1999 wohnten er und seine Ehefrau in dem Haus im Zeitraum vom 01.07.1999 bis Mai 2000. Anschließend vermietete G* T* das Haus durch Vertrag vom 25.08.2000 an fremde Dritte.

In Anbetracht der offensichtlich erheblichen Reparaturbedürftigkeit des ehemaligen Melkerhauses vereinbarten der Kl. und G* T*in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des notariell beurkundeten Übertragungsvertrages vom 31.03.1995 mündlich, dass der Kl. das ehemalige Melkerhaus reparieren ließ. Nach der Darstellung des Kl. kamen er und G* T*überein, dass ein Ersatzanspruch des Kl. nach § 1049 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) "nicht bestehen soll."

Die Kl. tragen hierzu vor, sie hätten beabsichtigt, die Aufwendungen für die Baumaßnahmen als Betriebsausgaben mit den positiven Einkünften der Klägerin (Klin.) aus Vermietung und Verpachtung zu verrechnen und dadurch "Steuern zu sparen".

In den Streitjahren ließ der Kl. an dem Gebäude umfangreiche Instandsetzungsarbeiten durchführen. Hierfür wendete er Kosten von insgesamt 301.453,84 DM auf.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kl. für die Instandsetzungsarbeiten an dem ehemaligen Melkerhaus Beträge von 256.356,45 DM (Wirtschaftsjahr 1998/1999) und 45.097,39 DM (Wirtschaftsjahr 1999/2000) als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft des Kl. geltend.

Der Bekl. setzte die Einkommensteuer der Kl. für die Streitjahre entsprechend den Angaben in den Steuererklärungen fest. Sämtliche Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N* führte beim Kl. eine Betriebsprüfung durch, die unter anderem die Einkommensteuer für die Kalenderjahre 1997 bis 1999 umfasste. Die Prüfer gelangten zu der Auffassung, dass die bisher berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen für das ehemalige Melkerhaus nach § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbare Zuwendungen darstellten. Der Kl. habe in den Kalenderjahren 1998 und 1999 als Nießbraucher ohne vertragliche Vereinbarungen Reparaturmaßnahmen durchgeführt, die über seine gesetzliche Verpflichtung zur Erhaltung des ehemaligen Melkerhauses gemäß § 1041 BGB hinausgingen. Da der Kl. seinen gesetzlichen Ersatzanspruch gegenüber dem Eigentümer nicht geltend gemacht habe, rechtfertige dies die Schlussfolgerung, dass die Aufwendungen nicht betrieblich veranlasst seien, sondern auf den verwandtschaftlichen Beziehungen des Kl. zum Eigentümer beruhten. Betriebliche Erwägungen für die Übernahme der Kosten seien nicht erkennbar.

Der Bekl. schloss sich der Auffassung der Prüfer an und setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden die Einkommensteuer der Kl. für die Streitjahre erhöht fest und hob die Vorbehalte der Nachprüfung auf.

Die Kl. legten gegen die geänderten Bescheide Einsprüche ein, die im Streitpunkt erfolglos blieben (Einspruchsentscheidung vom 17.10.2003).

Hiernach haben die Kl. Klage erhoben.

Sie tragen zur Begründung ihrer Klage vor: Der Kl. habe trotz des Übertragungsvertrages vom 31.03.1995 das wirtschaftliche Eigentum an dem landwirtschaftlichen Grundvermögen einschließlich der aufstehenden Gebäude behalten. Als wirtschaftlicher Eigentümer sei er zum Abzug der Absetzungen für Abnutzung und Erhaltungsaufwendungen berechtigt. Dies ergebe sich aus der bis zum 31.12.1996 praktizierten Verwaltungsübung, nach der ein Vorbehaltsnießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen worden sei. Die zu dieser Frage später ergangene verschärfende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne hier nicht berücksichtigt werden, weil sie - die Kl. - nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO insoweit Vertrauensschutz genössen. Da das wirtschaftliche Eigentum im Streitfall nicht übergegangen sei, finde die Vorschrift des § 1041 BGB keine Anwendung.

Im Übrigen habe dem Kl. kein Ersatzanspruch gemäß § 1049 BGB zugestanden, weil er mit seinem Sohn bereits bei Abschluss des Hofübergabevertrages mündlich vereinbart habe, dass ein derartiger Ersatzanspruch nicht bestehen solle.

Die Kl. beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998, 1999 und 2000 in Form der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2003 dahingehend abzuändern, dass die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 von 77.329 DM auf ./. 164.247 DM und für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 von 64.761 DM auf 18.234 DM reduziert werden,

für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Die Übernahme der Kosten für die Instandsetzungsarbeiten an dem ehemaligen Melkerhaus durch den Kl. beruhe ausschließlich auf dessen familiärer Beziehung zum Grundstückseigentümer. Nach den Urteilen des BFH vom 08.12.1982, Bundessteuerblatt (BStBl.) II 1983, 710 und vom 14.11.1989, BStBl. II 1990, 462 scheide ein Abzug von Aufwendungen eines Nießbrauchers für größere Baumaßnahmen an dem mit dem Nießbrauch belasteten Grundstück aus, wenn dieser zur Vornahme der Baumaßnahmen nicht verpflichtet sei und von vornherein feststehe, dass der Ersatzanspruch nach §§ 1049, 677 BGB gegenüber einer unterhaltsberechtigten Person nicht geltend gemacht werden solle.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat die geltend gemachten Aufwendungen für die Instandsetzungsarbeiten an dem ehemaligen Melkerhaus auf dem Grundstück C* Straße X zu Recht nicht als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG berücksichtigt.

Nach dieser Vorschrift sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Die in den Streitjahren durchgeführten Baumaßnahmen an dem ehemaligen Melkerhaus stehen nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb des Kl. Der Kl. war im Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen nicht (mehr) wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes C* Straße X. Er hat das zivilrechtliche Eigentum an diesem Grundstück auf Grund des Vertrages vom 31.03.1995 auf seinen Sohn G* T* übertragen. Mit dieser Übertragung ist auch das wirtschaftliche Eigentum an dem ehemaligen Melkerhaus und dem dazugehörigen Grund und Boden auf den Sohn übergegangen. Der Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts begründet nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, für den Nießbraucher keine Rechtsposition, die mit der eines wirtschaftlichen Eigentümers vergleichbar ist (BFH Urteil vom 26.11.1998 IV R 39/98, BFHE 187, 390, BStBl. II 1999, 263). Vielmehr geht das wirtschaftliche Eigentum an einem Grundstück, das Eltern im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge einem Kind auf Grund einer Schenkung übertragen, auch dann auf das Kind über, wenn sich die Eltern den unentgeltlichen, lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vorbehalten (BFH-Urteil in BFHE 187, 390, BStBl. II 1999, 263).

Die Baumaßnahmen an dem ehemaligen Melkerhaus stellen Unterhaltsaufwendungen zu Gunsten des Sohnes der Kl. dar, die dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG unterliegen.

Nach § 12 Nr. 2 EStG dürfen Zuwendungen eines Steuerpflichtigen gegenüber einer ihm gesetzlich unterhaltsberechtigten Person weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Lässt ein Nießbraucher auf dem mit dem Nießbrauchsrecht belasteten Grundstück, das im Eigentum einer ihm potentiell unterhaltsberechtigten Person steht, umfangreiche Umbau- und Instandsetzungsarbeiten durchführen und erfolgen die Aufwendungen zumindest auch im Interesse des Grundstückseigentümers, stellen die Baumaßnahmen Zuwendungen des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer im Sinne des § 12 Nr. 2 EStG dar, wenn der Nießbraucher von vorneherein auf jeglichen Ersatz der Aufwendungen verzichtet (BFH, Urteile vom 14.11.1989, IX R 110/85, BFHE 159, 442, BStBl. II 1990, 462;vom 08.12.1982 VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl. II 1983, 710).

So liegt es hier.

Der Kl. ist seinem Sohn, der in den Streitjahren zivilrechtlicher Eigentümer des mit dem ehemaligen Melkerhaus bebauten Grundstücks war, nach § 1601 BGB auf Grund des Verwandtschaftsverhältnisses potentiell unterhaltsverpflichtet. Für die Anwendung des § 12 Nr. 2 EStG ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige die Zuwendung tatsächlich in Erfüllung einer Unterhaltspflicht erbringt (BFH, Urteil vom 18.10.1974 VI R 175/72, BFHE 114, 205, BStBl. II 1975, 502; Drenseck in Schmidt, EStG, Kommentar, 25. Auflage 2006, § 12 Rdnr. 42).

Der Kl. hat an dem Grundstück durch die von ihm veranlassten Baumaßnahmen Verwendungen getätigt, obwohl die hierdurch bewirkte Wertsteigerung des Grundstücks nicht ihm als Nießbraucher, sondern ausschließlich G* T* als Eigentümer zugute kommt. Hierfür stand dem Kl. kein Ersatzanspruch zu.

Dies haben der Kl. und dessen Sohn durch ihre mündliche Abrede, wonach ein Ersatzanspruch gemäß § 1049 BGB "nicht bestehen" soll, so vereinbart. Die Vereinbarung ist formwirksam, weil ein Nießbrauchgeber mit dem Nießbrauchnehmer Einzelheiten des Nießbrauchs durch mündliche Absprachen bestimmen kann (BFH, Urteil vom 10.07.1990 IX R 50/88, Sammlung der nicht veröffentlichen Entscheidungen des BFH 1991, 157).

Der Kl. hat nicht aus betrieblichen Gründen auf den Aufwendungsersatzanspruch verzichtet. Die Motive dieser Abrede waren privater Natur. Mit den Instandsetzungsmaßnahmen wollte der Kl. die Liquidität des von seinem Sohn bewirtschafteten Hofes stärken und gleichzeitig für sich selbst als Betriebsausgaben abziehbare Aufwendungen erzeugen, die die positiven Einkünfte der Klin. aus Vermietung und Verpachtung mindern sollten.

Der Erlass der Änderungsbescheide verstößt nicht gegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO.

Nach dieser Vorschrift darf bei einer Änderung eines Steuerbescheides nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung des obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

Dies ist hier nicht der Fall.

Zwar hat sich die Rechtsprechung des BFH hinsichtlich der Behandlung des sogenannten Unternehmensnießbrauchs geändert (BFH-Beschluss vom 30.01.1995, BFHE 176, 267, BStBl. II 1995, 281; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Rdnr. A 255 mit weiteren Nachweisen). Jedoch hat sich die Rechtsprechung zu der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht geändert. Der BFH hat bereits mit Urteilenvom 08.12.1982 (VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl. II 1983, 710) undvom 14.11.1989 (IX R 110/85, BFHE 159, 442, BStBl. II 1990, 462) entschieden, dass Aufwendungen eines Nießbrauchers für Erhaltungsmaßnahmen steuerlich nicht abzugsfähige Zuwendungen an den unterhaltsberechtigten Eigentümer im Sinne des § 12 Nr. 2 EStG darstellen, wenn der Nießbraucher über seine Verpflichtung gemäß § 1041 BGB hinaus Baumaßnahmen durchführen lässt und von vorneherein auf den Ersatz seiner Aufwendungen verzichtet.

Im Übrigen fallen die Baumaßnahmen an dem ehemaligen Melkerhaus teilweise in einen Zeitraum, in dem der Kl. die Absicht aufgegeben hatte, mit diesem Gebäude Einkünfte zu erzielen, weil er den Nießbrauch an dem übertragenen Hof seit dem 01.07.2000 nicht mehr ausübte. Der Abzug von Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft setzt jedoch eine durch Einkunftserzielungsabsicht getragene Tätigkeit des Steuerpflichtigen voraus (Seeger in Schmidt, EStG, Kommentar, 25. Auflage 2006, § 13 Rdnr. 2 mit weiteren Nachweisen).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Senat lässt die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 1 FGO zu. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (Nr. 1) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung von Entscheidungen des BFH (Nr. 2). Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die fehlende Geltendmachung eines Nießbrauchers auf Ersatz von Verwendungen, zu denen er nach § 1041 BGB nicht verpflichtet ist, die Voraussetzungen einer nicht abziehbaren Zuwendung im Sinne des § 12 Nr. 2 EStG erfüllt, ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt. Der Senat ist hiervon nicht abgewichen.



Ende der Entscheidung

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