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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 15 K 6100/04 U
Rechtsgebiete: UStG, 6. RL. 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 4 Nr. 8a
6. RL. 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

15 K 6100/04 U

Tenor:

Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides vom 11. November 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Oktober 2004 wird die Umsatzsteuer für 2001 auf 0 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Umsatzsteuer(USt)-Pflicht in Bezug auf Kreditvermittlungsumsätze.

Der Kläger (Kl.) meldete mit Wirkung ab 01.01.2001 bei der Stadt E ein Gewerbe "Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen" an und trat in der Folge unter der Firma "U-Finanzen" auf. Laut den Feststellungen einer Außenprüfung (Ap) war der Kl. ab Februar 2001 unternehmerisch als freier Mitarbeiter bei einer Firma U-Immobilien (U-Immobilien), die als Grundstücksmaklerin tätig war, beschäftigt. Die U-Immobilien hielt in ihren Geschäftsräumen für den Kl. ein Büro vor. Aufgabe des Kl. war es laut Ap, durch die Vermittlung von Krediten im Namen und für Rechnung der Firma U-Immobilien die Finanzierung von Grundstücksverkäufen sicherzustellen, die die Firma U-Immobilien vermittelte. Die Umsätze des Kl. hielt der Prüfer nicht für steuerfrei gemäß § 4 Nr. 8 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG), da der Kl. "lediglich" im Namen des Kreditvermittlers U-Immobilien und nicht in eigenem Namen tätig geworden sei (Ap-Bericht vom 12.09.2003, Tz. 2.5). In seiner Stellungnahme zum Ap-Bericht bestritt der Kl. die Richtigkeit dieser Feststellungen: Ab Aufnahme seiner Tätigkeit sei er als selbständiger Vermittler von Krediten und Versicherungen aller Art tätig und vermittle in eigenem Namen und für eigene Rechnung zwischen dem Kreditgeber einerseits und dem Kreditnehmer andererseits, so dass er nach § 4 Nr. 8 a UStG steuerfreie Leistungen erbringe. Seine Vermittlungstätigkeit übe er im Rahmen einer mit der Firma U-Immobilien begründeten Bürogemeinschaft aus. Von den anfallenden Bürokosten trage er einen Anteil von 35 %. Die Abrechnung seiner Vermittlungsleistungen sei über gesonderte Konten und nicht über die Konten der U-Immobilien erfolgt, weil er in 2001 ein ihm aus seiner vorherigen Tätigkeit als freier Handelsvertreter für die Firma B auferlegtes Wettbewerbsverbot habe beachten müssen. Seit Ablauf des Wettbewerbsverbots Anfang 2003 rechne er selber ab.

Gemäß dem Bericht setzte das beklagte Finanzamt (FA) am 11.11.2003 im erstmaligen USt-Bescheid gegen den Kl. für 2001 USt von 6.031,20 EUR unter Hinweis auf die Mitteilung des Prüfers fest, dass der Kl. allein der U-Immobilien Provisionen berechnet habe. Gegen den Bescheid legte der Kl. unter Vorlage von in Bezug genommenen Bescheinigungen der F Bank und der Sparkasse E Einspruch ein. Der nachfolgenden Anforderung der eventuell vom ihm an die Kreditinstitute erteilten Provisionsrechnungen widersprach der Kl. mit dem Hinweis, die angeforderten Unterlagen seien für die Prüfung der in Rede stehenden Frage der Steuerfreiheit seiner Vermittlungsleistungen bedeutungslos. Darauf wandte sich das FA mit Auskunftsersuchen an die F Bank und die Sparkasse E und schloss aus deren in Bezug genommenen Antworten, dass der Kl. in 2001 keine Kreditgeschäfte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung vermittelt habe.

Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.10.2004 wies das FA den Einspruch unter Bezugnahme des Urteil des EuGH vom 13.12.2001 C-235/00 "CSC Financial Services Ltd." (in Slg. 2001, I-10237 = UR 2002, 84 = BFH/NV 2002, Beilage 1 - 2, 35) und auf das Urteil des BFH vom 09.10.2003 V R 5/03 (in BStBl II 2003, 958) mit folgender Begründung zurück: Eine steuerfreie Kreditvermittlung liege nur dann vor, wenn sie als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet werde. Im Streitfall habe der Kl. aber nicht aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit den Kreditgebern bzw. mit den Kreditnehmern, sondern aufgrund einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung für die U-Immobilien gehandelt und deshalb keine Leistungen an die Kreditgeber bzw. Kreditnehmer, sondern an die U-Immobilien erbracht.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kl. macht geltend, er habe neben steuerfreien Vermittlungen von Versicherungen die hier im Streit stehenden Kreditvermittlungen in eigenem Namen und für eigene Rechnung und nicht im Namen der Firma U-Immobilien ausgeführt. Ergänzend beruft sich der Kl. auf das Urteil des EuGH vom 21.06.2007 (C-453/05 "Ludwig" in UR 2007, 617 = DStR 2007, 1160), wonach europarechtlich auch die Vermittlungsleistung eines Untervermittlers steuerfrei sei.

Der Kl. beantragt,

den USt-Bescheid 2001 vom 11.11.2003 unter Aufhebung der EE vom 25.10.2004 zu ändern und die USt 2001 auf 0 EUR festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Es verweist auf die EE.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der USt-Bescheid 2001 vom 11.11.2003 in der Fassung der EE vom 25.10.2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Unzutreffenderweise ist das FA davon ausgegangen, dass der Kl. mit seiner Tätigkeit als Kreditvermittler steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat.

I.) Es kann dahinstehen, ob der Kl., wie er vorträgt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Kredite und Versicherungen vermittelt hat, oder ob, wie das FA vorträgt, der Kl. die Kreditvermittlung im Namen und für Rechnung der U-Immobilien ausgeführt hat. In beiden Fallvarianten sind die Umsätze des Kl. als umsatzsteuerfrei zu behandeln.

1.) Hat der Kl. in eigenem Namen und für eigene Rechnung, d.h. als Hauptvermittler, Kredite zwischen den Kreditinstituten als Kreditgeber und den Grundstückserwerbern als Kreditnehmer vermittelt, so hat er nach § 4 Nr. 8 a UStG steuerfreie Umsätze ausgeführt. Nach dieser Vorschrift ist von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen die Vermittlung von Krediten steuerfrei. Nach der Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 09.10.2003 V R 5/03 (a.a.O.; vgl. auch BFH-Urteil vom 03.11.2005 V R 21/05 in BStBl II 2006, 282) liegt eine steuerbefreite Kreditvermittlung dann vor, wenn zwischen dem Kreditvermittler als leistenden Unternehmer einerseits und dem Kreditgeber oder dem Kreditnehmer andererseits ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag besteht. Es genügt andererseits nicht, dass der leistende Unternehmer für Rechnung eines Dritten, der seinerseits den Vertragsabschluss zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer vermittelt, das Erforderliche unternimmt, damit zwei Parteien miteinander einen Kreditvertrag abschließen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kl. nach seinem Vortrag steuerfreie Umsätze getätigt, weil er in eigenem Namen und für eigene Rechnung mit verschiedenen Geldinstituten (F Bank, Sparkasse E) Vereinbarungen abgeschlossen hat, worin er sich verpflichtete, den Kreditinstituten Kunden zu vermitteln, die anschließend mit den Kreditinstituten Kreditverträge abschlossen.

2.) Selbst wenn der Kl. als Untervermittler aber "nur" im Namen und für Rechnung der U-Immobilien Kreditsucher an die Kreditgeber vermittelt hat, hat er im Sinne des Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der 6. Richtlinie (77/388/EWG) steuerbefreite Vermittlungsumsätze ausgeführt. Nach der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 21.06.2007 C-453/05 (a.a.O.) hängt die Anwendung der in Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der 6. Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung weder davon ab, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer Partei des Kreditvertrages besteht (Urteil vom 21.06.2007 a.a.O., Rdn. 33), noch steht der Anwendung der Steuerbefreiung der Umstand entgegen, dass der Steuerpflichtige zu keinem der Partner des Kreditvertrages, zu dessen Abschluss er beigetragen hat, in einem Vertragsverhältnis steht und dass er nicht unmittelbar mit einer der Parteien des nachfolgend geschlossenen Kreditvertrages in Kontakt tritt (Urteil vom 21.06.2007 a.a.O., Rdn. 40). Die nach Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der 6. Richtlinie von der Steuer befreiten Umsätze werden allein durch die Art der erbrachten Dienstleistung, nicht aber durch deren Erbringer bzw. durch deren Empfänger definiert. Die Anwendung der Steuerbefreiung setzt nur voraus, dass der Steuerpflichtige gegenüber einem Dritten Leistungen erbringt, die der Dritte als eigenständige Vermittlungstätigkeit vergütet, und der Steuerpflichtige als Mittelsperson das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat (Urteil vom 21.06.2007 a.a.O., Rdn. 23). Da der Begriff der Vermittlung im Sinne des Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der 6. Richtlinie nicht unbedingt voraussetzt, dass der Vermittler in unmittelbaren Kontakt mit beiden Vertragspartnern des Kreditvertrages tritt, ist die Steuerfreiheit der Tätigkeit nur dann ausgeschlossen, wenn sie sich auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt. Somit unterliegen auch Kreditvermittlungen eines selbständig unternehmerisch tätigen Untervermittlers der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 a UStG, sofern seine Tätigkeit zum Abschluss eines Kreditvertrages beiträgt und sofern ein Dritter die Tätigkeit des Vermittlers als eigenständige Vermittlungstätigkeit vergütet (vgl. dazu die Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 21.06.2007 in UVR 2007, 229; ferner Büchter-Hole in EFG 2007, 1287 (1288) zum Urteil des FG Köln vom 24.04.2007 7 K 4355/05 in EFG 2007, 1284 zum Begriff der Vermittlung im Falle der Vermittlung von Anteilen an Gesellschaften im Sinne des § 4 Nr. 8 f UStG). Auch nach Maßgabe der Feststellungen der Ap hat der Kl. steuerfreie Umsätze erbracht. Er hat im Namen und für Rechnung der U-Immobilien potentielle Kreditnehmer verschiedenen Kreditinstituten (F Bank bzw. Sparkasse E) zugeführt und damit einen eigenständigen Beitrag zum Abschluss eines Kreditvertrages zwischen diesen Interessenten und den Kreditinstituten erbracht. Die U-Immobilien hat die Leistungen des Kl. als dessen eigenständige Vermittlungsleistung angesehen und vergütet. Anderenfalls hätte sie nicht anstandslos die ihr vom Kl. erteilten Provisionsrechnungen bezahlt.

II.) Ob der Kl., wie er erstmalig im Prozessverfahren vorgetragen hat, darüber hinaus in eigenem Namen und für eigene Rechnung Versicherungen vermittelt hat, kann dahinstehen. Denn diese Vermittlungsleistungen sind ohne Rücksicht darauf, ob der Kl. als Haupt- oder Untervermittler aufgetreten ist, nach § 4 Nr. 10 b UStG steuerfrei, wovon offenbar auch die Verfahrensbeteiligten ausgehen.

III.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO. Zwar dürfte aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 21.06.2007 C-453/05 (in UR 2007, 617 = DStR 2007, 1160) die Rechtslage als geklärt anzusehen sein. Mit seiner Entscheidung weicht der erkennende Senat aber von dem - aufgrund der EuGH-Entscheidung vom 21.06.2007 möglicherweise als überholt anzusehenden - Urteil des BFH vom 09.10.2003 V R 5/03 (in BStBl II 2003, 958) ab. Zudem sind Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen V R 44/07 zum Urteil des FG Köln vom 24.04.2007 7 K 4366/05 (in EFG 2007, 1284) sowie unter dem Aktenzeichen V R 62/06 zum Urteil des FG Köln vom 10.11.2005 3 K 3739/02 (in juris) - ebenfalls den Vermittlungsbegriff im Sinne des § 4 Nr. 8 f UStG betreffend - anhängig.

Ende der Entscheidung

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