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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 19.08.2003
Aktenzeichen: 15 K 8753/98 U
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs 1 Nr 1
UStG § 3 Abs 4
UStG § 3 Abs 12
UStG § 3 Abs 12 S 2
UStG § 4 Nr 15b
UStG § 4 Nr 15c
UStG § 10 Abs 2
UStG § 10 Abs 2 S 2
UStG § 1 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Umsatzsteuer 1990 bis 1993

hat der 15. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 19.08.2003, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

Ehrenamtliche Richterin

Ehrenamtliche Richterin

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob eine nichtsteuerbare Personalbeistellung zur Ausführung sonstiger Leistungen vorliegt und ob die Klägerin (Klin.) mit medizinischen Laboruntersuchungen steuerfreie Leistungen im Sinn des § 4 Nr. 16 c Umsatzsteuergesetz (UStG) erbringt.

Die Klägerin (Klin.) betreibt ein Unternehmen u.a. zur Bereitstellung von Diensten und von Einrichtungen und Geräten zur Durchführung von laborchemischen und laborphysikalischen Untersuchungen einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden organisatorischen und wirtschaftlichen Beratung (§ 2 des Gesellschaftsvertrages vom 14.07.1988). Alleiniger Gesellschafter der Klin. ist der Arzt für Laboratoriumsmedizin Dr. J T (J.T.). Nach den Feststellungen einer Betriebsprüfung (Bericht des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung vom 25.06.1997 Tz. 9 und Tz. 10) war die Klin. auf folgenden Gebieten tätig: Laboruntersuchungen im Auftrag von Betriebsärzten, Heilpraktikern und Kliniken; bakteriologische Lebensmitteluntersuchungen; zur Verfügung Stellung von Räumen, Laborgeräten und anderen Diensten an Laborgemeinschaften (LG); organisations- und betriebswirtschaftliche Beratung der Laborpraxen des J.T. und der LG; Fahrdienste für die Laborpraxen des J.T. und der LG. Circa 60 % des Gesamtumsatzes der Klin. entfiel auf Laboruntersuchungen für verschiedene, in den Geschäftsräumen der Klin. ansässige LG, zu denen sich praktische Ärzte in Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen hatten. Jedes Mitglied einer LG rechnete gegenüber seinen Patienten bzw. deren Versicherung die von der Klin. erbrachten Laboruntersuchungen als eigene Leistung ab. Grundlage für die Leistungen der Klin. an die LG waren mit der LG X (X.) bzw. der LG C (C.) abgeschlossene Mietverträge über die Vermietung von Arbeitsräumen zur Durchführung von laborchemischen Untersuchungen bzw. über die dazu erforderlichen Geräte von 1989 nebst Ergänzungsvertrag ebenfalls von 1989. Darin übernahm der J.T. gegen gesondertes Entgelt die ärztliche Leitung der LG und die ärztliche Aufsicht über die LG und verpflichtete sich, die Weisungen jedes Mitglieds der LG betreffend die Durchführung seiner konkreten Laboratoriumsuntersuchungen zu beachten, wichtige Zusatzinformationen zum Analyseergebnis kurzfristig an das Mitglied zu übermitteln und Rückfragen des Mitglieds zum Analyseergebnis zu beantworten. Ausdrücklich unberührt blieben hiervon die Aufgaben des Mitgliedes der LG gemäß Nr. 2.2 bzw. Nr. 2.3 der Richtlinien für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen der kassenärztlichen/vertragsärztlichen Versorgung (Fassung 01.10.1997), die Analysen selber durchzuführen und selber zu beurteilen. Bis zum 31.10.1990 führten von der Klin. beschäftigte medizinisch-technische Assistenten die Laboruntersuchungen durch. Mit Wirkung vom 01.11.1990 verließen mehrere Mitarbeiter die Klin. und wurden von der LG X. bzw. der LG C. als Arbeitnehmer eingestellt. Hintergrund dieser Maßnahme war die in 1990 geltende Fassung der Labor-Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung, wonach die an einer LG beteiligten Ärzte Arbeitgeber der nicht-ärztlichen Mitarbeiter sein und das aus der Beschäftigung von nichtärztlichem Personal herrührende Risiko tragen mussten. Für die ab 01.11.1990 bei der LG X. bzw. der LG C. beschäftigten Mitarbeiter ergaben sich insoweit keine Änderungen, als nach Nr. 2 des schriftlichen Ergänzungsvertrages zwischen der Klin. und der LG C. vom 01.10.1990 bzw. einer gleich lautenden mündlichen Vereinbarung zwischen der Klin. und der LG X. weiterhin die Klin. die mit der Personalverwaltung zusammenhängenden laufenden Dispositionen tätigte; nach Nr. 1 des Vertrages oblag - bei Zustimmungsvorbehalt der LG - die Auswahl des neu einzustellenden Personals der Klin. und in Nr. 3 des Vertrages verpflichtete sich die Klin. grundsätzlich, im Falle der Auflösung der LG das von der LG beschäftigte Personal zu übernehmen. Die von den LG beschäftigten Mitarbeiter waren weiterhin in die Arbeitsabläufe der Klin. eingegliedert und führten Laboruntersuchungen sowohl für ihren Arbeitgeber als auch für andere LG einschließlich der später hinzugetretenen LG durch und wurden auch mit der Ausführung der von den übrigen Auftraggebern an die Klin. erteilten Aufträge betraut. Nach Überwechseln der medizinisch-technischen Assistenten zu der LG X. bzw. LG C. ermittelte die Klin. ab 01.11.1990 das für ihre Leistungen an die jeweilige LG berechnete Entgelt folgendermaßen: Summe der erbrachten Leistungen an die angeschlossenen Ärzte einschließlich Umsatzsteuer (USt) ./. Lohnkosten der LG X. bzw. der LG C. = Bruttorechnungsbetrag ./. USt = Rechnungsnettobetrag. Das auf diese Weise ermittelte Entgelt rechnete die Klin. gegen den LG folgendermaßen ab: "Für die im Monat ... in unserem Hause abgearbeiteten Analysen berechnen wir Ihnen Entgelt. ... zuzüglich USt = Rechnungsendbetrag". Durch diese Form der Entgeltermittlung schied die Klin. aus der Entgeltberechnung an die LG die Lohnkosten aus, die bei den LG für die Beschäftigung der früher von der Klin. angestellten medizinisch-technischen Assistenten anfielen. Nach Meinung der Bp war die klägerseitige Entgeltberechnung unzulässig und waren stattdessen die bei der LG C. bzw. der LG X. angefallenen Lohnkosten in das von der Klin. zu versteuernde Entgelt einzubeziehen, weil die zu den LG übergewechselten Assistenten nicht ausschließlich Leistungen für ihren Arbeitgeber erbracht hatten. Die Art der Entgeltberechnung spreche dafür, dass auch die Klin. den Lohnkostenanteil als von ihr zu versteuerndes Entgelt angesehen habe, weil die Klin. bei Vereinbarung von Nettobeträgen die USt-Beträge nicht heraus-, sondern hinzugerechnet hätte. Die vom Rechnungsbetrag abgezogenen Lohnkosten stellten entgegen den Bestätigungen der LG vom 05.02./25.02.1997 keinen entgeltmindernden Rabatt, sondern lediglich eine Verrechnung der von den LG verauslagten Personalaufwendungen dar. Laut Bp ermöglichte die Art ihrer Entgeltermittlung der Klin. durch weitere Personaleinstellung bei den LG Manipulationen hinsichtlich der zu zahlenden USt und dadurch die Erzielung von "Minusumsätzen". Die Leistungen der Klin. seien nicht gemäß § 4 Nr. 16 c UStG als steuerfrei zu behandeln. Die Klin. betreibe keine andere Einrichtung ärztlicher Befunderhebung, weil sie circa 60 % ihres Umsatzes an die LG C. bzw. an die LG X. durch zur Verfügung Stellung von Räumen, Laborgeräten und Know-how erbringe. Die Laborleistungen seien offenbar aufgrund der damaligen Fassung der Laborrichtlinien der kassenärztlichen Vereinigung direkt an die Mitglieder der jeweiligen LG erbracht worden. Zudem habe die Klin. nicht belegt, dass mindestens 40 % ihrer Leistungen den Mitgliedern von Sozialträgern zugute gekommen seien (Bp-Bericht, Tz. 10 b).

Gemäß diesen Feststellungen erließ das beklagte Finanzamt (FA) geänderte USt-Bescheide 1990 bis 1993; darin erhöhte es die steuerpflichtigen Entgelte für die Leistungen der Klin. um die bei den LG X. und der LG C. angefallenen Lohnkosten (Bp-Bericht Tz. 9). Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung - EE - vom 07.10.1998).

Im Streitpunkt begehrt die Klin. mit ihrer Klage erklärungsgemäße Veranlagungen: Die Analytik der eingesandten Proben hätten ab dem 01.11.1990 die von den LG beschäftigten medizinisch-technischen Assistenten ausgeführt. Auf den über das Prüfergebnis gefertigten Ausdrucken sei als Ersteller der Analysen die jeweilige LG und nicht die Klin. angegeben worden. Die LG C. bzw. die LG X. hätten lediglich die in Zusammenhang mit der Personalverwaltung stehenden laufenden Dispositionsaufgaben der Klin. übertragen. Nach Überwechseln der Assistenten zu den LG habe die Klin. die mit den Ärzten vereinbarten Bruttopreise abgerechnet und dabei mit den LG in Höhe der Lohnkosten für die Assistenten einen Rabatt vereinbart, weil nunmehr die LG das für die Durchführung der Untersuchungen notwendige Personal gestellt habe und weil die Klin. nicht verpflichtet gewesen sei, den LG medizinisches Hilfspersonal zu stellen. Damit lägen die Voraussetzungen für eine echte Personalbeistellung vor, so dass mangels Leistungsaustausches der Vorgang nicht steuerbar sei. Vertrete man die Auffassung, dass die Personalbeistellung am Leistungsaustausch teilnehme, seien die Leistungsbeziehungen zwischen der Klin. und den LG nach § 4 Nr. 16 c UStG steuerfrei. Die Klin. betreibe eine Einrichtung zur ärztlichen Befunderhebung. Gemäß den Verträgen mit den LG seien die Analysen unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt worden, weil sich der J.T. gegenüber den LG verpflichtet habe, die ärztliche Aufsicht zu übernehmen. Richtig sei allerdings, dass die Tätigkeit des J.T. ertragsteuerlich als gewerbliche Tätigkeit eingestuft worden sei, weil der J.T. nicht jede Analyseerstellung in Person habe überwachen und nicht selber jede Analyse auf Richtigkeit hin habe überprüfen können. Die LG seien entscheidungsbefugt gewesen, denn ihre Mitglieder hätten in Fragen der Durchführung der jeweiligen Laboruntersuchung dem J.T. Weisungen erteilen können. Mindestens 40 % der Leistungen der Klin. seien dem in § 4 Nr. 15 b UStG genannten Personenkreis zu gute gekommen. Es sei unschädlich, dass mehrere Leistungsbeziehungen hintereinander geschaltet worden seien.

Die Klin. beantragt,

die USt-Änderungsbescheide 1990 und 1991 vom 30.09.1997 und die USt-Änderungsbescheide 1992 und 1993 vom 09.10.1997 in der Fassung der EEEE vom 07.10.1998 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt vor: Durch die Art ihrer Entgeltermittlung habe die Klin. dokumentiert, dass die bei den LG beschäftigten Arbeitnehmer nicht vom Leistungsaustausch zwischen der Klin. und den LG ausgeschlossen werden sollten. Eine nichtsteuerbare Beistellung von Personal setze voraus, dass das Personal ausschließlich im Rahmen der Leistung des Auftraggebers eingesetzt werde und dass eine Ausführung von Leistungen des Auftragnehmers an Dritte vertraglich und tatsächlich ausgeschlossen sei, wofür der Auftragnehmer die objektive Beweislast trage. Weil die Klin. das Personal der LG übergreifend auch für Aufträge anderer Auftraggeber eingesetzt habe, liege keine nichtsteuerbare Personalbeistellung vor. Das Unternehmen der Klin. stelle keine andere Einrichtung ärztlicher Befunderhebung dar, weil die geforderte ärztliche Aufsicht nicht bei der Klin., sondern bei den LG angesiedelt gewesen sei.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Zu Recht hat das FA die bei der LG X. bzw. bei der LG C. angefallenen Lohnkosten für die bei ihnen beschäftigten medizinisch-technischen Assistenten dem von der Klin. zu versteuernden Entgelt hinzugerechnet.

Die Klin. erbrachte ihre medizinischen Laborleistungen an die LG gegen Entgelt, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, und zwar in Gestalt tauschähnlicher Umsätze mit Baraufgabe, § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG. Das Entgelt für die sonstigen Leistungen (medizinische Laboruntersuchungen) der Klin. bestand einerseits in den von den LG gezahlten Geldbeträgen und andererseits in der Überlassung der medizinisch-technischen Assistenten seitens der LG C. bzw. der LG X. an die Klin. zur Ausführung medizinischer Laboruntersuchungen.

Eine sonstige Leistung wird gegen Entgelt bewirkt, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes wird der Gegenwert durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht, die nicht in Geld besteht, aber in Geld ausgedrückt werden kann. Sind Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig, leistet derjenige, der die geringwertigere sonstige Leistung erbringt, im Rahmen des tauschähnlichen Umsatzes einen zusätzlichen Ausgleich in Form einer als Baraufgabe bezeichneten Geldleistung (vgl. dazu: BFH in BFH/NV 2003, 126; Sölch-Ringleb, UStG, § 3 Rdn. 745 und 748; Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rdn. 206 und 209; Bunjes/Geist, UStG, 7. Aufl., § 3 Rdn. 114).

Als Gegenleistung für die von der Klin. erbrachten medizinischen Laboruntersuchungen an die LG X. bzw. an die LG C. ist auch die Gestellung der für die Durchführung der beauftragten Laboruntersuchungen benötigten medizinisch-technischen Assistenten durch die LG C. bzw. die LG X. anzusehen, weil im Streitfall keine nichtsteuerbare Personalbeistellung, sondern eine steuerbare Personalgestellung vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist im Rahmen einer Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG eine nichtsteuerbare Materialbeistellung seitens des Auftraggebers anzunehmen, wenn der Besteller dem Unternehmer einen Teil der zur Herstellung erforderlichen Hauptstoffe bzw. einige oder sämtliche Nebenstoffe zur Verfügung stellt. Wegen der wirtschaftlich gleich gelagerten Interessenlage sind trotz fehlender Verkörperung in dem fertigen Werk im Rahmen einer Werklieferung auch sonstige Beistellungen, etwa in Form einer Personalbeistellung, möglich (vgl. BFH in BStBl II 1971, 355, und II 1993, 847 a.E.; Keller/Bustorff, UStG, § 3 Rdn. 199 bis 206 und 210; Offerhaus/Söhn/Lange, a.a.O., § 3 Rdn 103 ff; Bunjes/Geist, a.a.O., § 3 Rdn. 58; Birkenfeld, Das große USt-Handbuch, Band I Rdn I. 830). Sonstige Beistellungen sind nur dann nicht steuerbar, wenn sie ausschließlich für die Erstellung des Liefergegenstandes verwendet werden (vgl. FG Schleswig-Holstein in EFG 1984, 50; Urteil des erkennenden Senats in EFG 1990, 493). Eine nichtsteuerbare Beistellung von Arbeitskräften im Rahmen einer Werklieferung setzt voraus, dass die Arbeitskräfte ausschließlich an einem für ihren Auftraggeber zu erstellenden Werk tätig werden. Stellt der Auftraggeber Arbeitskräfte jedoch ohne diese Zweckbindung zur Verfügung, liegt ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch vor (vgl. BFH in HFR 1961, 21). Diese Grundsätze wendet der Senat auch zur Beantwortung der Frage an, unter welchen Voraussetzungen die Personalüberlassung durch den Besteller an einen Unternehmer zur Erbringung einer sonstigen Leistung an den Auftraggeber als nichtsteuerbare Personalbeistellung anzusehen ist (ebenso BMF-Schreiben vom 30.01.2003 in BStBl I 2003, 154).

Weil das USt-Recht an den Leistungsaustausch als tatsächlichen Lebensvorgang anknüpft und keine Rechtsgeschäfte erfasst (vgl. BFH in BStBl II 1980, 535, und in BFH/NV 1996, 85) kommt im Streitfall dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass ab dem 01.11.1990 im Tatsächlichen keine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Wie bereits in der Vergangenheit setzte die Klin. auch ab dem 01.11.1990 die formal bei der LG X. bzw. bei der LG C. beschäftigten medizinisch-technischen Assistenten nicht nur zur Ausführung der von ihren Arbeitgebern bestellten medizinischen Laboruntersuchungen, sondern auch zur Durchführung der von der anderen LG erteilten Aufträge sowie ferner zur Erfüllung der von Betriebsärzten, Heilpraktikern, Kliniken und weiteren Bestellern beauftragten Leistungen ein. Auch ab 01.11.1990 oblag die Auswahl und die Einstellung des formal von den LG beschäftigten Personals ebenso wie die Einsatzplanung weiterhin maßgeblich der Klin., denn nicht die Mitglieder der LG, sondern allein die Klin. verfügte insoweit über die für die Personalverwaltung und den Personaleinsatz erforderlichen Detailkenntnisse. Diese Feststellung ergibt sich auch zwanglos aus den Regelungen des Vertrages vom 01.11.1990 über die Einstellung und den Einsatz von medizinisch-technischen Assistenten zwischen der Klin. und den LG, durch den allein formal den Laborrichtlinien Genüge getan werden sollte. Denn nach Nr. 1 des Vertrages oblag die Auswahl des einzustellenden Personals wie bereits in der Vergangenheit grundsätzlich der Klin. und beschränkte sich die Befugnis der LG faktisch darauf, den Personalvorschlägen der Klin. zuzustimmen. Die laufenden Entscheidungen zu Art und Umfang des Personaleinsatzes traf nach Nr. 2 des Vertrages die Klin. Dass die LG in den Streitjahren von den Entscheidungen der Klin. abweichende Anordnungen zum Personaleinsatz getroffen hat, dafür ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich. Die Klin. und die LG hatten auch weder schriftlich im Vertrag noch mündlich außerhalb des schriftlichen Vertrages ein Verbot des Einsatzes des Personals zur Durchführung der von anderen Bestellern bei der Klin. in Auftrag gegebenen Untersuchungen vereinbart. Zudem gab die Klin. in Nr. 3 des Vertrages eine Übernahmegarantie für das von den LG beschäftigte Personal ab, sofern die LG aufgelöst werden sollte, was ebenfalls für die hier vom Senat getroffene Wertung des tatsächlichen Geschehensablaufs spricht.

Entgegen ihrer Auffassung hat die Klin. an die LG auch keine steuerfreien Umsätze nach § 4 Nr. 16 c UStG erbracht.

Zwar stellt das Unternehmen der Klin. eine sog. "andere Einrichtung ärztlicher Befunderhebung" dar, weil durch die von dem medizinisch-technischem Personal ausgeführten Laboruntersuchungen der Zustand von Körpersubstanzen festgestellt wurde (vgl. BFH in BStBl II 1998, 632 Ziffer II. 1). Die Leistungen der Klin. wurden aber nicht "unter ärztlicher Aufsicht" erbracht. Trotz weiter Auslegung des Begriffs "unter ärztlicher Aufsicht" will die Befreiungsvorschrift nur solche Laborleistungen begünstigen, die hinsichtlich ihrer fachlichen Ausführung einem Qualitätsvergleich mit der ärztlichen Heilbehandlung standhalten, so dass zwar keine persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit erforderlich, aber eine stetige und situationsangemessene ärztliche Aufsicht geboten ist. Die ärztliche Aufsicht muss aber tatsächlich im erforderlichen Umfang stattgefunden haben. Hierzu bedarf es einer entsprechenden Willensentschließung und einer praktischen Umsetzung dieses Vorsatzes durch den Unternehmer in dem Sinn, dass ein Arzt diese Aufsicht ausübt (vgl. BFH in BStBl II 1998, 632, Ziffer II. 3). Im Streitfall fehlte eine solche Aufsicht. Zwar hatten die rechtlich in erster Linie verpflichteten LG den J.T. vertraglich zur ärztlichen Aufsicht verpflichtet; diese Aufgabe konnte der J.T. aber angesichts der Mengen der täglich durchzuführenden Laboruntersuchungen und sonstigen Befundungen faktisch nicht ausüben. Die Tätigkeit des J.T. wurde - wie in der mündlichen Verhandlung von der Klin. eingeräumt - ertragsteuerlich nicht als freiberufliche, nämlich heilberufliche Tätigkeit, sondern als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert. Das beruhte darauf, dass angesichts des Umfanges der Aufgabe der J.T. nicht höchstpersönlich die erforderlich gewesenen Überwachungstätigkeiten ausgeübt hat. Angesichts dieser Feststellung ist auch die vertragliche Regelung zwischen der Klin. und den LG nachvollziehbar, dass die LG rechtlich die Aufsicht ausüben sollten. Faktisch konnten und wollten die LG die ihnen übertragene Aufsicht aber nicht ausüben.

Die die Feststellungslast tragende Klin. (BFH in BStBl II 1998, 632, Ziffer II. 2) hat darüber hinaus nicht nachgewiesen, dass jeweils im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % ihrer Leistungen dem nach § 4 Nr. 15 b UStG begünstigten Personenkreis zugute kamen. Dabei kann letztlich dahinstehen, nach welcher Bemessungsgrundlage die Quote von 40 % zu ermitteln ist. Ist der Gesamtumsatz der Klin. maßgeblich, so ist die Quote von 40 % schon deshalb nicht erreicht, weil nur circa 60 % des Gesamtumsatzes der Klin. auf Leistungen an die LG X. bzw. an die LG C. entfiel und nicht nachgewiesen ist, dass alle Patienten der in den beiden LG zusammengeschlossenen praktischen Ärzte zu dem nach § 4 Nr. 15 b UStG privilegierten Personenkreis gehörten. Selbst wenn zu Gunsten der Klin. aber allein die zwischen der Klin. und den LG getätigten Umsätze als Bezugsgröße für die Quote von 40 % anzusetzen sein sollte, ist die Klin. trotz entsprechenden Hinweises bereits unter Tz. 10 b des Bp-Berichts den entsprechenden Nachweis schuldig geblieben. Die als Beleg für die Erfüllung der Quote von 40 % im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen sind unergiebig, weil sie andere Veranlagungszeiträume und teilweise auch andere Steuerpflichtige betreffen.

Das FA hat die Bemessungsgrundlage für die tauschähnlichen Umsätze mit Baraufgabe, bei denen sich die medizinischen Laborleistungen einerseits und die Geldzahlung sowie die Personalgestellung andererseits gegenüberstanden, der Höhe nach zutreffend ermittelt, § 3 Abs. 12 Satz 2, § 10 Abs. 2 Satz 2 USt. Nach diesen Vorschriften gilt bei tauschähnlichen Umsätzen der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Der andere Umsatz bestimmt sich durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene Gegenleistung. Dieser entspricht dem Betrag, den der Empfänger der Dienstleistung zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist (vgl. BFH in BFH/NV 2003, 126 Ziffer II. 3 a). Um die Leistungen der Klin. zu erhalten, waren die LG bereit, zusätzlich zu den ihnen berechneten Geldbeträgen die Personalkosten für das mit der Ausführung der Laboruntersuchungen beschäftigte Personal zu tragen. Auch die Klin. hat keine Einwendungen gegen die Höhe der vom FA angesetzten Bemessungsgrundlagen erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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