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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 3 K 2592/05 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB


Vorschriften:

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 20
BGB § 54
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

3 K 2592/05 Erb

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Parteien streiten, ob der Beklagte (Bekl.) befugt war, gegenüber dem Kläger (Kl.) Erbschaftsteuer (ErbSt) festzusetzen.

Lt. testamentarischer Anordnung des am 28.11.2003 verstorbenen Erblassers war der Kl. als Erbe zu 4/10 des Nachlasses eingesetzt. Ein entsprechender Erbschein wurde erteilt (vgl. Bl. 2 der Steuerakte).

Durch ErbSt-Bescheid vom 27.10.2004 setzte der Bekl. die ErbSt für den Kl. unter Berücksichtigung eines Erwerbs i.H.v. 534.043 Euro und eines persönlichen Freibetrages i.H.v. 5.200 Euro auf 161.080 Euro fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Steuerbescheid (Bl. 104 - 106 der Steuerakte) Bezug genommen.

Dagegen wandte sich der Kl. mit Einspruch vom 12.11.2004. Er vertrat die Auffassung, auf den Kl. als nicht rechtsfähigen Verein im Sinne des § 54 BGB seien die Regeln über die BGB-Gesellschaft anzuwenden. Deshalb sei die Erbschaft den einzelnen Vereinsmitgliedern als am Vereinsvermögen gesamthänderisch Beteiligte zuzurechnen. Der Kl. verwies insoweit auf die BFH-Entscheidungen vom 14.09.1994 (II R 95/92, BStBl. II 1995, 81) und vom 15.07.1998 (II R 82/96, BStBl. II 1998, 630).

Den Einspruch wies der Bekl. durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 23.05.2005 als unbegründet zurück. Er verwies darauf, dass der Erblasser den Kl. und nicht die einzelnen Mitglieder als Erben eingesetzt habe. Außerdem seien die einzelnen Mitglieder nicht bereichert, da sie am Vereinsvermögen bei Austritt oder im Todesfall nicht partizipierten.

Mit seiner am 23.06.2005 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Vertiefung seines Vorbringens legt er seine Satzung sowie ein zum Stichtag des Erbfalls aktuelles Mitgliederverzeichnis vor. Zu den Einzelheiten wird auf Bl. 27 - 42 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Kl. vertritt die Auffassung, die vom Bekl. im Ergebnis vertretene Rechtsauffassung der Gleichstellung einer Gesamthand mit einer juristischen Person stehe in Widerspruch zur zivilrechtlich vorherrschenden Rechtsauffassung. Danach sei der Kl. zivilrechtlich weder rechts- noch erbfähig. Selbst wenn der Kl. erbfähig sein sollte, seien jedoch aus erbschaftsteuerlicher Sicht nicht der Kl. sondern die einzelnen Mitglieder als durch den Nachlass bereichert anzusehen.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

den ErbSt-Bescheid vom 27.10.2004 und die EE vom 23.05.2005 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine EE. Ergänzend verweist er darauf, dass die vom Kl. angeführte BFH-Rechtsprechung nicht bezüglich eines Erb- bzw. Schenkungsfalls unter Beteiligung eines nichtrechtsfähigen Vereins ergangen sei. Zudem sei eine Bereicherung der einzelnen Vereinsmitglieder nicht feststellbar, da deren Anteile am Vereinsvermögen weder übertragbar noch pfändbar seien und das einzelne Vereinsmitglied entgegen § 738 BGB auch keinen Anspruch auf ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben erlange.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat zu Recht den Kl. als Erben angesehen und ihm den Nachlass des Erblassers zu 4/10 entsprechend der testamentarischen Verfügung zugerechnet. Die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 27.10.2004 ist nicht zu beanstanden.

Der ErbSt unterliegt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Der ErbSt unterliegt dabei nicht der Erbanfall als solcher, sondern der durch diesen Rechtsvorgang bewirkte Übergang von Vermögen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14.09.1994, a.a.O.). Steuerschuldner bei der Besteuerung dieses Vermögensübergangs ist gem. § 20 ErbStG der Erwerber des übergegangenen Vermögens. Dabei bedarf es einer eigenständigen steuerrechtlichen Prüfung, wer als Erwerber durch den Erbfall bereichert wurde (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.1994 a.a.O.). Danach müssen der zivilrechtliche Erbe und der gem. § 20 ErbStG die Steuer schuldende Erwerber nicht notwendig identisch sein.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass ausweislich der testamentarischen Anordnung des Erblassers der Kl. Erbe geworden ist. Er selbst, nicht aber die einzelnen Mitglieder, ist ausdrücklich als Erbe zu 4/10 des Nachlassvermögens bestimmt. Die Erbfähigkeit wird dem nichtrechtsfähigen Verein in der zivilrechtlichen Lehre nach überwiegender Auffassung zuerkannt (vgl. Reuter im Münchener Kommentar Rdz. 32 und 33 zu § 54 BGB m.w.N.). Auch aus erbschaftsteuerlicher Sicht ist der Kl. derjenige, der durch den Erbfall bereichert wurde. Der Auffassung des Kl., dass das Vereinsvermögen den einzelnen Vereinsmitgliedern gem. § 54 i.V.m. § 718 BGB zur gesamten Hand zustehe und diese entsprechend der BFH-Rechtsprechung im Urteil vom 14.09.1994 (a.a.O.) als bereichert anzusehen seien, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Zum einen ist darauf zu verweisen, dass auch die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung der BGB-Gesellschaft Rechtssubjektivität zuerkennt und damit auch die Eigenschaft, Vermögensträgerin zu sein (vgl. BGH-Urteil vom 29.01.2001 II ZR 331/00 unter A I 2. der Entscheidungsgründe, NJW 2001, 1056). Danach spricht viel dafür, aufgrund der Verweisung in § 54 BGB auch den Kl. als nichtrechtsfähigen Verein als Träger des Vereinsvermögens anzusehen (vgl. Palandt/Heinrichs Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, § 54 BGB Rdz. 7). Die vom Kl. in Bezug genommene BFH - Entscheidung vom 14.09.1994 konnte diese neueren Rechtsprechungstendenzen noch nicht berücksichtigen.

Die vom BFH in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze sind nach Auffassung des Senats aber auch wegen der grundsätzlichen strukturellen Unterschiede zwischen nichtrechtsfähigem Verein und BGB - Geschellschaft nicht auf den nichtrechtsfähigen Vereien übertragbar. Von der rechtlichen Ausgestaltung ist der nichtrechtsfähige Verein körperschaftlich strukturiert und dem rechtsfähigen Verein näher als der BGB - Gesellschaft. Die Schaffung des Gebildes "nichtrechtsfähiger Verein" war politisch motiviert; diese Motivation ist spätestens unter der Geltung des Grundgesetzes weggefallen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, § 54 BGB, Rz. 1). Deshalb geht auch die zu § 54 BGB ergangene höchstrichterliche Zivilrechtsprechung davon aus, dass im Ergebnis nicht die einzelnen Mitglieder zur gesamten Hand sondern der nicht rechtsfähige Verein als solcher Träger des Vereinsvermöges ist. So hat der BGH bereits im Urteil vom 11.07.1968 (VII ZR 63/66, BGHZ 50, 325) ausgesprochen, "dass das Vereinsvermögen der vom Wechsel der Mitglieder unabhängigen Korporation als solcher zuzuordnen ist". So seien die nach den Bestimmungen des Gesellschaftsrechts bestehenden Vermögensverbindungen zum einzelnen Mitglied fast völlig ausgeschaltet. Beim Ausscheiden bestehe kein Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben, der Anteil des einzelnen Mitglieds am Vereinsvermögen sei nicht nur nicht übertragbar sondern auch nicht pfändbar. Diese rechtlichen Gegebenheiten galten tatsächlich auch für den Kl. (vgl. Äußerung des Vorstands des S Deutschland Gemeindienst e.V., Bl. 181, 182 der Steuerakte). Indiziell spricht auch die Formulierung der Rubrik "Finanzen" der Satzung des Kl. (vgl. Bl. 40/41 der Gerichtsakte) für eine Verselbständigung der dem Club zustehenden finanziellen Mittel gegenüber den Mitgliedern. Danach ergibt sich, dass einzelne Mitglieder des Kl. keinen verwertbaren Zugriff auf das Vereinsvermögen haben und damit auch nicht als bereichert angesehen werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung.

Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen.



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